Die allerliebste Kuschelpuppe
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- Helmuth Albert
- vor 5 Jahren
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Transkript
1 Die allerliebste Kuschelpuppe Das Märchen der allerliebsten Kuschelpuppe steht für den Verlust eines geliebten Etwas sei es das Schmusetier eines kleinen Kindes oder der verlorene Partner eines Erwachsenen, dem es schwer fällt, mit einer anderen Person einen Neuanfang zu wagen. Sie hatte grün blitzende Augen und blonde lange Haare, sie war klein und zart und samtig weich und lustig biegsam. Mitten in ihrem Gesicht lag ein kleiner Mund, der immer zu lächeln schien. Und gleich unterhalb ihrer Taille hatte sie eine bunt schillernde Schwanzflosse, die sich problemlos in alle Richtungen drehen konnte. Und und das ist das Entscheidende sie war Michas
2 Lieblingspuppe. Was ja nicht weiter verwunderlich gewesen wäre, wäre Micha ein Mädchen. Aber Micha war ein kleiner Junge mit grauen Augen und braunen Haaren, der ein bisschen Ähnlichkeit mit einem Wichtelmännchen hatte, weil er stets fröhlich und gut gelaunt in den Tag hinein lebte und zu allerhand Streichen aufgelegt war. Und so kam es, dass eines solchen abenteuerreichen Tages mehr oder weniger durch puren Zufall, diese Puppe in seine Hände fiel. Micha beäugte jenes seltsame Ding zunächst sehr skeptisch, fand aufgrund seiner Einzigartigkeit aber bald Gefallen an dem Spielzeug, das allem Anschein nach wohl eine Meerjungfrau darstellen sollte. Doch da es eine weit verbreitete Sitte zu sein schien, dass Knaben nicht mit Puppen spielen und schon gar nicht mit Meerjungfrauen, ließ Micha anfangs niemanden von seiner Entdeckung wissen. Er hegte und pflegte das Püppchen, das in jeder Hinsicht anders als alle anderen Puppen, die er jemals gesehen hatte. Es war nicht hart und aus Plastik, sondern aus irgendeinem anderen Material, das sich sehr kuschelig anfühlte und gerade so groß, dass es in jede Tasche passte. Und so kam es, dass die kleine Meerjungfrau im Nu zu Michas liebster Schmusepuppe wurde. Es verging kein Tag, an 2
3 dem sie ihn nicht begleitete und es kam keine Nacht, in der er nicht fest umschlungen mit ihr einschlief. Obendrein fand er mit der Zeit gar keinen richtigen Gefallen mehr an all seinen anderen Spielsachen sein Teddybär brummte immerzu so grimmig, wenn er ihn zu sich nahm, die blechernen Autos waren zu hart, die klotzigen Bausteine zu eckig und überhaupt nichts richtig perfekt. Folglich ließ sich Micha bald von nichts und niemandem mehr von seinem Püppchen abbringen er trug sie überall und allezeit mit sich herum. Und so ging das eine ganze Weile bis die kleine Meerjungfrau plötzlich nicht mehr da war. Als Micha den Verlust bemerkte, lief er total aufgeregt im ganzen Haus herum. Zunächst schaute er hinter jeden noch so kleinsten Winkel, danach suchte er in der Schule und sogar auf dem Sportplatz. Doch seine Meerjungfrau blieb verschwunden. Er konnte sich das alles überhaupt nicht vorstellen, hatte er sie doch niemals sorglos liegen lassen. Auch dann nicht, wenn er mit seinen Freunden beisammen war und spaßigen Schabernack ausheckte. Er hatte stets darauf geachtet, dass sie ein gemütliches Plätzchen hatte. Und nun war sie fort. In den ersten Tagen hoffte Micha noch, dass sie wieder 3
4 auftauchen würde. In den Nächten sehnte er sich so unermesslich nach ihr, dass er nicht einschlafen konnte war er es doch gewohnt, mit dieser drolligen kleinen Gestalt in sein Bettchen zu gehen. Und je mehr er seiner Meerjungfrau nachtrauerte, umso wütender wurde er auf all seine anderen Spielsachen, die er nicht brauchte. Die da waren. Hätte nicht besser eines von diesen wertlosen Dingern verloren gehen können? Jeder, der Michas Kummer sah, wollte ihn trösten und so dauerte es nicht lange, bis der kleine Junge die größte Auswahl an Puppen hatte, die ein Knabe überhaupt haben kann: kleine und große, weiche und harte, helle und dunkle, kulleräugige und schlitzäugige, dicke und dünne. Doch er wollte sie alle nicht. Er zog sich immer häufiger alleine in sein Zimmer zurück und verlor sich in schwermütigen Träumen, die ihn nur noch trauriger stimmten. Und als er nur lange genug derart bedrückt in die Tage hinein lebte, wurde er sehr schwer krank so krank, dass sich allseits aufrichtige Sorge einstimmte. Doch das Schlimmste daran war, dass niemand wusste, wie man dem kleinen Buben helfen konnte. Die Zeit, in der Micha das Bett hüten musste, war besonders bitterlich für ihn, konnte er ohne seine Meerjungfrau 4
5 doch nicht richtig schlafen. Und so vergingen die Wochen bis er eines Nachts aufstand, zu seinen vielen neuen Puppen ging, sie alle anschaute, und sich die herausnahm, die ihm am besten gefiel. Es war natürlich kein Vergleich zu seiner allerliebsten Kuschelpuppe, aber auch sie war auf ihre Art originell jedenfalls anderes als die anderen. Ganz vorsichtig trippelte Micha auf Zehenspitzen zu seinem Bett, so leise, dass man denken könnte, er hätte Angst beobachtet zu werden. Mit einem schnellen Satz sprang er unter die Bettdecke und nahm das neue Püppchen sehr behutsam in den Arm. Zu seinem Erstaunen fühlte es sich aber viel angenehmer an, als er sich das erwartet hatte. So drückte er es ein bisschen fester und wartete was passierte. Schon nach einer kleinen Weile verloren sich seine Gedanken in der Erinnerung: Er sah sich an dem Tag als er seine kleine Lieblingspuppe gefunden hatte die Sonne leuchtete und die Vögelchen zwitscherten in den Bäumen. Er guckte sich dabei zu, wie er die Meerjungfrau prüfend in die Hand nahm und sorgfältig musterte. Und nun konnte er sich plötzlich wieder daran erinnern, dass ihm sein Kuschelpüppchen zu Anfang ebenso fremd war, wie all die anderen 5
6 Puppen, die heute in seinem Regal sitzen. Erst im Laufe der Zeit hatte er seine Meerjungfrau immer tiefer ins Herz geschlossen. Das hatte er im Laufe der langen Zeit wohl aus den Augen verloren. Und über dieses wohlige Andenken währte es nicht lange, bis Micha tief und fest einschlief und in ihm die Hoffnung aufkeimte, dass er eines Tages wieder gesund und glücklich sein könnte. Impressum Text: Petra Müller, Bild: Nele Neisser Traumstatt, 6
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