Nachhaltigkeitsbewertung und -zertifizierung landw. Betriebe: Welche Systeme?
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- Tomas Beltz
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1 Für und Wider einer Nachhaltigkeitszertifizierung landwirtschaftlicher Betriebe Dr. Hiltrud Nieberg Thünen-Institut für Betriebswirtschaft Nieberg Berlin, 4. Sept Dagmar Zechel, pixelio.de Betriebe: Welche Systeme? Es gibt inzwischen eine ganze Reihe an Ansätzen zur Erfassung, Bewertung und Steuerung der Nachhaltigkeit landwirtschaftlicher Betriebe. Dabei wird mit Hilfe von Indikatoren versucht, das komplexe Thema Nachhaltigkeit auf Betriebsebene greifbar zu machen. Die Systeme zur Nachhaltigkeitsbewertung werden in einem stetigen Lern- und Anpassungsprozess weiterentwickelt, gemachte Erfahrungen und neue wissenschaftliche Erkenntnisse werden dabei einbezogen So ist die Tierhaltung in den meisten Systemen bisher nur begrenzt erfasst, Kriterien der Tiergerechtheit z.b. fehlen (sind aber in Arbeit) Eignen sich nicht immer für alle Betriebstypen (z.b. für Nebenerwerbsbetriebe, Sonderkulturbetriebe) Seite 2 Nieberg 1
2 Betriebe: Welche Systeme? In Deutschland sind vor allem drei umfassende Systeme zur Nachhaltigkeitsmessung seit einigen Jahren im Einsatz: Kriteriensystem nachhaltige Landwirtschaft (KSNL) DLG-Zertifizierungssystem Nachhaltige Landwirtschaft - zukunftsfähig Response-Inducing Sustainablity Evaluation (RISE) Bisher haben sich allerdings nur vergleichsweise wenige Betriebe einer Nachhaltigkeitszertifizierung unterzogen. Interesse bisher überwiegend: Erfassung und Bewertung, weniger die Zertifizierung Seite 3 Nieberg Betriebe: Was spricht dafür? Nutzen der Nachhaltigkeitserfassung und -bewertung für die Betriebe: Vertiefte Einblicke in die ökologische, soziale und ökonomische Betriebssituation Objektive Einschätzung der Nachhaltigkeitsstärken und -schwächen Sensibilisierung regt zu neuen Gedanken über den Betrieb und die eigene Wirtschaftsweise an gibt Impulse für betriebliche Änderungen Verbesserung der Nachhaltigkeitssituation Ergebnisse der Bewertung können in der Kommunikation mit den Verbrauchern (bei Direktvermarktung) und dem gesellschaftlichen Umfeld genutzt werden Diskussionen versachlichen Bei wiederkehrender Nachhaltigkeitsbewertung: Erfolge feststellen Seite 4 Nieberg 2
3 Betriebe: Was spricht dafür? Zusätzlicher Nutzen der Nachhaltigkeitszertifizierung für die Betriebe: Ggf. verbesserte Marktzugangschancen Ggf. verbesserte Position auf dem Pachtmarkt, bei Banken etc. Verbrauchervertrauen Versachlichung der Diskussionen; Stärkung der gesellschaftlichen Akzeptanz Imageverbesserung Nutzen für die Gesellschaft: Es besteht die Hoffnung, dass die Landwirtschaft umso nachhaltiger wird, je mehr Betriebe eine Nachhaltigkeitsbewertung durchführen und die aus der Bewertung abgeleiteten Maßnahmen umsetzen. Seite 5 Nieberg Betriebe: Was spricht dagegen? Nachteile der Nachhaltigkeitsbewertung und -zertifizierung aus betrieblicher Perspektive: Kosten der Erfassung und Bewertung (je nach Betrieb zwischen 600 und Euro) Fehlende Integration in bestehende Managementsysteme Teilweise hoher zeitlicher Aufwand für die Datenerfassung Bestehende Systeme nicht in allen Betriebstypen sinnvoll einsetzbar (z.b. Nebenerwerb) Ergebnisse der Bewertung nicht einfach kommunizierbar Je nach Bewertungssystem: Hohes Risiko, das Zertifikat nicht zu erhalten Bislang mangelnde Akzeptanz/Zahlungsbereitschaft auf Handelsseite Ggf. fehlende Akzeptanz bei Verbrauchern und gesellschaftlichen Gruppen (bestehender Entwicklungsbedarf bei den Systemen; die gesetzten Standards werden hinterfragt etc.) Seite 6 Nieberg 3
4 Betriebe: Was gibt es darüber hinaus zu bedenken? Es gibt kein einheitliches Verständnis davon, was nachhaltige Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion genau ist. Spannungsfeld zwischen wissenschaftlicher Exaktheit und Nutzbarkeit Vorhandene Systeme unterscheiden sich hinsichtlich der Indikatoren und deren Berechnung sowie Bewertung (unterschiedliche Standards). Negative Bewertungen bei einem Indikator können durch positive Bewertungen eines anderen Indikators ausgeglichen werden fraglich, ob das auf Dauer vom Verbraucher und den gesellschaftlichen Gruppen akzeptiert wird Begrenzte Kontrollierbarkeit von Indikatorwerten Unterschiedliche Eignung der Indikatoren je nach Betrachtungsebene (Welt, Staat, Region, Betrieb, Produkt) Für einige Indikatoren bzw. Indikatorbereiche ist die Betriebsebene nur begrenzt geeignet: z.b. Ökonomie, Biodiversität, Treibhausgasemissionen Seite 7 Nieberg Nachhaltigkeitszertifizierung landwirtschaftlicher Greening über äquivalente Umweltzertifizierungssysteme? Kein europaweit einheitliches Nachhaltigkeits-/Umweltzertifizierungssystem Nationale Systeme unterschiedliche Kriterien, unterschiedliche Berechnungsmodi, unterschiedliche Grenzwerte für die Zertifikaterreichung Wettbewerbsverzerrungen Ohne EU-Vorgaben werden die Länder die Umweltzertifizierungssysteme so einfach wie möglich gestalten, um die eigenen Landwirte nicht zu benachteiligen kaum positive Beiträge für Klima und Umwelt das wird kurz oder lang von der Öffentlichkeit als Mogelpackung entlarvt Seite 8 Nieberg 4
5 Nachhaltigkeitszertifizierung landwirtschaftlicher Abgesehen von einigen wenigen Umweltkriterien wie z.b. Anzahl angebauter Früchte sind die meisten Kriterien nicht justiziabel; die Einhaltung der Grenzwerte für die Zertifikaterreichung kann kaum (mit vertretbarem Aufwand) rechtssicher kontrolliert werden Mit dem Erhalt des Zertifikats sind teilweise hohe Geldmengen für den Landwirt verbunden Anreiz, die für die Ermittlung der Indikatorwerte benötigten betrieblichen Angaben zu manipulieren Betriebe, die es nicht verdient hätten, erhalten ein Zertifikat geringer Umweltnutzen dieser Greening-Maßnahme Zusätzliche Bürokratiekosten für die Zulassung und Kontrolle der Zertifizierungsunternehmen Geld fließt in einen sich aufbauenden Dienstleistungssektor, ohne dass die Gesellschaft wahrscheinlich einen entsprechenden Nutzen hat Seite 9 Nieberg Nachhaltigkeitszertifizierung landwirtschaftlicher Die Umwelt- und Nachhaltigkeitszertifizierungssysteme sind in erster Linie Beratungsinstrumente und haben in diesem Zusammenhang einen hohen Wert. Sie geben vertiefte Einblicke in die Betriebe und ermöglichen eine objektive Einschätzung der Nachhaltigkeitsstärken und -schwächen. Daraus lassen sich Verbesserungsmöglichkeiten im Hinblick auf die verschiedenen Nachhaltigkeitsparameter ableiten. Sie machen vor allem dann Sinn, wenn sie freiwillig durchgeführt werden und keine Zahlungen oder Sanktionen an die Zertifikatserreichung geknüpft sind. Besser als die indirekte Förderung über Greening: Förderung der Nachhaltigkeitsbewertung über 2. Säule der GAP Seite 10 Nieberg 5
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