Dringende Parlamentssache SOFORT AUF DEN TISCH
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- Oswalda Dieter
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1 Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst - Telefax-Nr.: Telefon-Nr.: Amtsvorwahl: 227- Dringende Parlamentssache SOFORT AUF DEN TISCH Zugestellte Niederschrift geprüft
2 Seite 2 von 7 Petra Hinz (Essen) (SPD): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Flosbach, Sie haben das alles gerade sehr charmant und gewinnend vorgetragen. (Zuruf von der FDP: So ist er halt!) - So ist er halt. Das kann ich in der Tat bestätigen. Aber das ist das Einzige, das ich heute bestätigen werde. (Klaus-Peter Flosbach (CDU/CSU): Das kenne ich auch!) Was Sie vorgetragen haben, hört sich vielleicht für den Laien oder den, der an eine private kapitalgedeckte Altersvorsorge denkt, um damit sein Alter abzusichern, sehr gut an. Aber jetzt wollen wir einmal zum Kleingedruckten übergehen. Denn das, was Sie angesprochen haben, bringt für die Nutzer von Rürup- und Riester-Rente zum Teil eine Ungleichgewichtung. Insofern ist das, was Sie gerade vorgetragen haben, Augenwischerei. (Beifall bei der SPD) Wir haben vor der Sommerpause den Antrag der Fraktion Die Linke Altersvorsorge von Finanzmärkten entkoppeln im Plenum beraten und ihn an den Finanzausschuss weitergeleitet. Heute beraten wir in erster Lesung den Gesetzentwurf der Regierungskoalition. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Debatte über die Altersvorsorge - das haben wir gerade gehört - bezieht sich eigentlich auf zwei Ebenen. Die eine Ebene ist die Rente im Allgemeinen, und die andere ist die kapitalgedeckte Altersvorsorge. Die erste Ebene wird sicherlich und zu Recht im Ausschuss für Arbeit und Soziales und, wie wir gerade gehört haben, auch in anderen Bereichen diskutiert, und die zweite bei uns im Finanzausschuss.
3 Seite 3 von 7 Trotz alledem möchte ich gerne auch auf die erste Ebene eingehen, zumal Herr Flosbach gerade noch einmal auf die Bedeutung hingewiesen hat und die Zahlen der zukünftigen Rentner bzw. der Nutzer genannt hat, also derjenigen, die bereits Riester- und vergleichbare Verträge abgeschlossen haben. Wir haben in unserer Regierungszeit 1998 bis 2009 dafür gesorgt, dass die gesetzliche Rentenversicherung die zentrale Säule der Altersvorsorge bleibt. (Beifall bei der SPD - Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): Ihr habt sie massakriert!) Das haben Sie verschwiegen, Herr Flosbach. (Dr. Michael Meister (CDU/CSU): Leben Sie mal schön weiter in der Vergangenheit! Wir kümmern uns um die Zukunft!) Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der Union und der FDP, erinnern sich vielleicht an die Diskussionen zur Abschaffung der umlagefinanzierten gesetzlichen Rentenversicherung und zum völligen Umstieg a uf eine privat finanzierte kapitalgedeckte Altersvorsorge. Das ist noch gar nicht so lange her. In der Zwischenzeit kam die Finanzkrise. Die Finanzkrise hat deutlich gemacht, dass unser Weg der richtige ist: auf einer Seite die gesetzliche Rentenversicherung, auf der anderen Seite die privat durch Kapital gedeckte Vorsorge und auf der dritten Seite die betriebliche Altersvorsorge. Auch das ist gerade genannt worden. Aber auch hier müssen wir der Deutlichkeit und Ehrlichkeit halber sagen: Nicht jeder hat die Chance und Möglichkeit einer betrieblichen Altersvorsorge. Heute reden wir also über die drei Säulen, die wir Sozialdemokraten gemeinsam mit den Grünen in der Koalition auf den Weg gebracht haben: die
4 Seite 4 von 7 gesetzliche Rente, die betriebliche Altersvorsorge und die private, kapitalgedeckte Vorsorge. Richtig ist: Wir haben 2008 Wohn-Riester eingeführt und deutlich gemacht, dass alle Riester-Produkte vergleichbar sein müssen und dass keines privilegiert wird. Ihr Gesetz, dessen Entwurf nun vorliegt, bedeutet eine Privilegierung von Wohn-Riester. Man muss in diesem Zusammenhang über die Frage diskutieren, ob eine Immobilie immer im klassischen Sinne zur Altersvorsorge taugt. Des Weiteren müssen wir im weiteren Beratungsverlauf über Doppelförderung und Doppelfinanzierung diskutieren. Die von uns mitgetragene Rentenreform und der Ausbau privater Altersvorsorge als Ergänzung und nicht - ich betone das noch einmal - als Ersatz, wie von CDU/CSU und FDP gefordert, hatten vor allem das Ziel, die nachhaltige Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung zu sichern und die Belastung gerade jüngerer Generationen nicht zu groß werden zu lassen. Liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU und FDP, wenn wir über die Rentenvorsorge diskutieren, dürfen wir nicht den Zusammenhang mit dem Arbeitsmarkt und den Arbeitsplätzen aus den Augen verlieren. Menschen, die arbeiten und letzten Endes aufstocken müssen, also Arbeitslosengeld II beziehen, werden natürlich keine Riester-Verträge abschließen - seien diese noch so optimal für die Gruppe der Geringverdiener zugeschnitten -, weil sie mit dem, was sie für ihre Arbeit erhalten, gar nicht auskommen. Sie haben also kein auskömmliches Einkommen. Insofern stellt sich hier die Frage nach der Ehrlichkeit. Wir müssen dafür sorgen, dass Mindestlöhne eingeführt werden, dass für gleiche Arbeit der gleiche Lohn gezahlt wird und dass Frauen bei gleicher Qualifikation entsprechend gefördert und berücksichtigt werden. Das sind Ansätze, die es Menschen ermöglichen, während ihres Berufslebens für das Alter anzusparen und so nicht in Altersarmut zu geraten.
5 Seite 5 von 7 (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Über die Erfahrungen, die wir in den letzten zehn Jahren mit Riester und seit 2008 mit Rürup gesammelt haben, haben wir bereits vor der Sommerpause hier diskutiert. Wir haben eingeräumt: Es gibt Optimierungs- und Transparenzbedarf. Genau diesen Punkt Ihres Gesetzentwurfs greifen wir möglicherweise positiv auf. Aber es handelt sich nur um einen Punkt. Die Produktinformationsblätter müssen so gestaltet sein, dass die Produkte nachvollziehbar, transparent und vergleichbar sind. Dem können wir so zustimmen. Bereits in der Debatte vor der Sommerpause, als wir uns zum ersten Mal aufgrund eines Antrags der Fraktion Die Linke damit befasst haben, haben wir Sozialdemokraten darauf verwiesen, dass auch Kostentransparenz gegeben sein muss. Die Gebühren müssen gedeckelt werden. Am besten wäre es, wenn gar keine Gebühren erhoben würden. Auf jeden Fall muss das auf den Prüfstand gestellt werden. Die Kostentransparenz muss optimiert werden. Der Gesetzentwurf geht sicherlich in die richtige Richtung. Aber gemessen an Ihren großen Ankündigungen muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen: Sie sind als Bettvorleger gelandet. Sie haben zwar viel Wind gemacht und für Wirbel gesorgt. Aber unter dem Strich haben Sie nichts auf den Weg gebracht. Ein anderer Punkt, den wir in der Diskussion über die steuerliche Förderung der kapitalisierten Altersvorsorge angesprochen haben, ist die Grundsicherung. Für viele Menschen ist ein Grund, keinen Riester-Vertrag abzuschließen, dass sie sich ausrechnen, aufgrund des geringen Entgelts, das sie für ihre Arbeit bekommen, im Alter in die Grundsicherung zu geraten. Das ist ein großer Baustein; das müssen wir angehen. Es kann nicht sein, dass das, was für das Alter angespart wird, möglicherweise angerechnet wird. Nein, auch
6 Seite 6 von 7 denjenigen, die Grundsicherung beziehen, müssen die Erlöse der Riester- Rente zur Verfügung gestellt werden. (Beifall bei der SPD) Wir sind jetzt im parlamentarischen Prozess und werden über den Gesetzentwurf diskutieren, ihn beraten. Unsere Verbesserungsvorschläge werden wir einbringen. Ich kann Ihnen nochmals bestätigen und auch zusagen: Die Punkte, in denen Sie uns gefolgt sind, nämlich im Bereich der Transparenz und der Gebührendeckelung, werden wir gern mittragen. Warum Sie bei der Basisrente im Alter die Förderhöchstgrenze von Euro auf Euro erhöhen und damit eine einseitige Förderung vornehmen wollen, die Förderhöchstgrenze bei der Riester-Rente aber bei Euro belassen wollen, das müssen Sie uns schon noch erklären. Es sind einige Fragen, die geklärt werden müssen. In diesem Zusammenhang ist das, wie eben gesagt, die Frage, warum Sie die Förderhöchstgrenze ohne Not auf Euro erhöhen wollen, obwohl doch bei Euro die Abschöpfung noch nicht erreicht ist. (Frank Schäffler (FDP): Weil die Beitragsbemessungsgrenze gestiegen ist!) Das sind die Fragen, die wir im Rahmen der Beratungen noch ansprechen werden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, in diesem Sinne wünsche ich uns eine gute Beratung. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Wie wir im Ruhrgebiet sagen: Glück auf!
7 Seite 7 von 7 Ich hoffe, Ihnen ist bei meinen Ausführungen deutlich geworden, lieber Herr Flosbach, dass wir über die steuerlichen Fragen reden können, aber Ursache und Wirkung nicht verwechseln dürfen. (Klaus-Peter Flosbach (CDU/CSU): Höhe der Arbeitslosigkeit, die wir heute haben! Funktionierende Wirtschaft! Lokomotive in Europa!) Faire Löhne und ein auskömmliches Einkommen sind sehr wichtig, wenn man eine Altersvorsorge aufnehmen will. Nur wer faire Löhne bekommt, kann auch für sein Alter vorsorgen. Wir haben eine Verantwortung für die junge Generation. Wir können ihr nicht immer mehr aufbürden. Wir sollten deutlich ansprechen, ob wir mit Ihrem Gesetzentwurf Klientelpolitik betreiben oder ob wir gleiche Förderung für alle, Riester- und Rürup-Verträge, gewähren wollen. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD)
Dringende Parlamentssache SOFORT AUF DEN TISCH
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