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1 Manuskript radiowissen SENDUNG: Uhr/B2 AUFNAHME: Biologie Ab 8. Schuljahr TITEL: Aminosäuren - Bausteine des Lebens Autorin: Claudia Steiner REDAKTION: Dr. Gerda Kuhn REGIE: Frank Halbach TECHNIK: Christian Schimmöller PERSONEN: Katja Amberger ZITATOR Peter Lersch (PS) ZITATORIN Marina Marosch INTERVIEWPARTNER : Prof. Klaus Förstemann, Biochemiker am Münchner Genzentrum Prof. Berthold Koletzko, Leiter der Abteilung Stoffwechsel und Ernährung im Dr. von Haunerschen Kinderspital, München. max. 42 Cent pro Minute) Fax: 089/ service@bayern2.de;

2 2 MUSIK Solar sailer Z Sie sind die Grundbausteine des Lebens: Aminosäuren. MUSIK (wieder kurz hochkommen lassen, dann weiter) Ob Pflanzen, Tiere oder Menschen sie alle brauchen Aminosäuren. Aus Aminosäuren werden Eiweiße, also Proteine, zusammengesetzt. Jedes Lebewesen benötigt unterschiedliche Aminosäuren für den Menschen sind 20 Aminosäuren entscheidend. Professor Berthold Koletzko, Leiter der Abteilung Stoffwechsel und Ernährung im Haunerschen Kinderspital in München: Musik aus O-TON 1 Das Wort Protein sagt es eigentlich, das kommt aus dem Griechischen und heißt das Erste, sozusagen das Fundament des Lebens. Die 20 Aminosäuren, die die Bausteine für das Protein darstellen, sind also ganz entscheidend für unsere Gesundheit und für unser Wohlbefinden und unsere Leistungsfähigkeit. Chemisch gesehen bestehen die einzelnen Aminosäuren aus sehr unterschiedlichen Molekülen sie haben jedoch eines gemeinsam: Alle Aminosäuren besitzen eine Carboxylgruppe, kurz COOH, und eine Aminogruppe, die an dasselbe Kohlenstoffatom den sogenannten Alpha-Kohlenstoff gebunden sind. Die Aminogruppe wiederum besteht aus einem Stickstoffatom und je nach Ladung zwei oder drei Wasserstoffatomen. An die Aminogruppe gebunden ist bei den meisten Aminosäuren ein erstes Kohlenstoffatom, an das wiederum ein Wasserstoffatom, ein sogenannter Rest und ein zweites

3 3 Kohlenstoffatom gebunden sind. Der Biochemiker vom Münchner Genzentrum, Professor Klaus Förstemann: O-TON 2 Also da gibt es sehr unterschiedliche Größen. Manche Eiweißmoleküle sind sehr klein, haben nur vielleicht zehn oder 20 Aminosäuren, manche sind riesengroß, haben dann mehrere hundert Aminosäuren teilweise das hängt alles natürlich davon ab, was dieses Eiweißmolekül später in der Zelle leisten soll. Diese Aminosäureketten falten sich zu einer räumlichen Struktur zusammen. Je nachdem, wie die Aminosäuren zusammengesetzt und in welcher Reihenfolge sie verbunden sind, haben sie unterschiedliche Funktionen in den jeweiligen Proteinen. Beim Menschen sind es exakt 20 natürlich vorkommende Aminosäuren, die am Aufbau von Proteinen beteiligt sind. Der britische Physiker und Biochemiker Francis Crick, der zusammen mit den Forschern James Watson und Maurice Wilkins die Struktur der DNS entschlüsselte, nannte diese Aminosäuren die magischen 20. Sie heißen... Musik Son of Flynn Z ZITATOR / ZITATOR (oder falls möglich verschiedene Sprecher) Alanin, Arginin, Asparaginsäure, Cystein, Glutaminsäure, Glutamin, Glycin, Histidin, Isoleucin, Leucin, Lysin, Methionin, Phenylalanin, Prolin, Serin, Threonin, Tryptophan, Tyrosin, Valin. Musik aus Diese sogenannten proteinogenen Aminosäuren kann man sich wie Legobausteine vorstellen, aus denen Eiweißmoleküle gebaut werden können. Auf diese Weise können aus Aminosäuren letztendlich Organe, Muskeln, Haut oder auch Haare gebildet werden. Aminosäuren sind zum einen für das Wachstum, zum anderen für die ständige Erneuerung des Gewebes wie der Hautzellen

4 4 zuständig. Ein typisches sogenanntes Strukturprotein ist Keratin. Dieses Faserprotein verleiht beispielsweise dem Haar seine Form. Auch Fingernägel oder Krallen bzw. Hufe bei Tieren bestehen aus Keratin. MUSIK Armory Z Proteine können aber noch ganz andere lebenswichtige Aufgaben übernehmen. So unterstützt das Speicherprotein Ovalbumin im Eiweiß eines Vogel-Eis den sich entwickelnden Embryo. Proteine übernehmen zudem den Transport von Stoffen. So transportiert Hämoglobin, der Hauptbestandteil der roten Blutkörperchen, der dem Blut auch seine Farbe verleiht, den Sauerstoff über die Blutgefäße. Andere Proteine sind für die Signalübermittlung zuständig. Hormonelle Proteine wie Insulin regulieren den Blutzuckerspiegel. Kontraktile Proteine, das sind Proteine, die in Muskeln vorkommen, sind dagegen für die Bewegung notwendig. Professor Förstemann: Musik aus O-TON 3 In den Muskeln zum Beispiel haben wir als Eiweißmoleküle das Aktin und das Myosin, das sind zwei Eiweiße, die zusammen nach Impuls durch das Nervensystem, also gesteuert vom Gehirn, die Kontraktion, die Zusammenziehung des Muskels bewirken, also das ist das, was unsere Bewegungen machen lässt. Musik Son of Flynn Z Einige Aminosäuren kann der Mensch selbst bilden, andere hingegen nicht. Diese sogenannten essenziellen Aminosäuren müssen über die Nahrung aufgenommen werden. Zu den essenziellen Aminosäuren des Menschen gehören Isoleucin, Leucin, Lysin, Methionin, Phenylalanin, Threonin, Tryptophan und Valin. Bei Kindern zählt noch Arginin dazu. Professor Förstemann:

5 5 MUSIK aus O-TON 4 (bitte später als im geschnittenen O-Ton einsteigen) Was eine essenzielle Aminosäure ist, hängt natürlich davon ab, von welchem Organismus man spricht und da ist es ein großer Unterschied, ob wir jetzt zum Beispiel von Menschen reden oder von Pflanzen oder Mikroorganismen wie Bakterien, die da ein wesentlich breiteres Spektrum an Möglichkeiten haben, Aminosäuren selber herzustellen zum Glück, weil dadurch können wir die ja dann essen und können uns die eigene Synthese dann sparen. Wichtig für den Menschen ist nicht nur die ausreichende Menge an Eiweißen und damit Aminosäuren, sondern auch die Art der Aminosäuren. Professor Förstemann: O-TON 5 Für unseren Körper sind die Nahrungsmittel, die eiweißhaltigen Nahrungsmittel, besonders wertvoll, die die Aminosäuren in der Zusammensetzung enthalten wie wir sie auch in unserem Körper brauchen und wenn wir mit der Nahrung solche Eiweiße zu uns nehmen, die unseren eigenen Eiweißen besonders ähnlich sind, das bedeutet eben tierische Eiweiße für uns, dann finden wir dort die Aminosäuren in der Zusammensetzung vor, wie wir sie auch im Körper brauchen. Bei pflanzlichen, eiweißhaltigen Nahrungsmitteln ist es dann so, dass teilweise die Zusammensetzung nicht ganz ideal ist, aber es ist trotzdem sehr gut möglich, sich auch mit rein pflanzlicher Ernährung ausgewogen mit den Aminosäuren zu versorgen.

6 6 So können wir über eiweißreiche Nahrung, also zum Beispiel über Fisch, Fleisch, Milch, Käse, Eier, Nüsse und auch verschiedene Getreidesorten und Hülsenfrüchte, die für uns so wichtigen Eiweiße und damit Aminosäuren aufnehmen. Enzyme das sind Stoffe, die eine chemische Reaktion beschleunigen können schlüsseln im Darm die Proteine aus der Nahrung auf, sodass die Aminosäuren über den Blutkreislauf dorthin transportiert werden können, wo sie letztendlich gebraucht werden. Professor Koletzko: O-TON 6 In der Regel haben wir ja in Europa überhaupt kein Problem mit der Menge an Eiweißen, mit der Menge an Aminosäuren, die wir zu uns nehmen. Wir haben eigentlich alle sehr viel mehr Eiweiße, sehr viel mehr Aminosäuren in unserer Ernährung, die unser Körper eigentlich brauchen würde, limitierend sind eigentlich nur zwei Aminosäuren, Lysin und Methionin, für Menschen, die sich streng vegetarisch ernähren, die also keine Milchprodukte und keine Eier mit ihrer vegetarischen Ernährung zu sich nehmen, eine sogenannte vegane Ernährung haben, weil das Methionin nicht in ausreichenden Mengen in Gemüse, Bohnen und so weiter ist und das Lysin nicht in ausreichenden Mengen im Getreide. Deswegen ist es für Vegetarier und ganz besonders für Veganer sehr wichtig, dass sie Getreide und Bohnen miteinander kombinieren. Schon die Inka, die viele pflanzliche Nahrungsmittel verzehrten, wussten dies offenbar; auf ihrem Speiseplan standen nicht nur Mais, sondern auch Bohnen sowie eiweiß- und mineralstoffhaltige Pflanzen wie Quinoa. Schon seit Jahrtausenden dient die Pflanze den Andenvölkern als lebenswichtiges Grundnahrungsmittel. MUSIK Pantha Du Prince & Bell Laboratory - Particle

7 7 Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt pro Tag 0,8 Gramm Protein je Kilogramm Körpergewicht für Erwachsene und 0,9 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht für Kinder und Jugendliche. Aminosäuren, die der Körper nicht mehr braucht, werden unter anderem in Harnstoff umgewandelt und über die Nieren ausgeschieden. Menschen mit Nierenerkrankungen wird daher in der Regel geraten, den Eiweißanteil in der Nahrung zu begrenzen. MUSIK (kurz hochkommen lassen, dann weiter) Es gibt aber auch genetisch bedingte Krankheiten, bei denen Aminosäuren schwere Schäden verursachen können. Richtig gefährlich kann es werden, wenn der Körper Aminosäuren nicht abbauen kann, wie bei Kindern, die an der Stoffwechselstörung Phenylketonurie, kurz PKU, leiden. Betroffene Kinder können die Aminosäure Phenylalanin nicht abbauen, diese reichert sich dann im Körper an und es entstehen die Stoffe Phenylpyruvat, Phenylacetat oder Phenyllactat. Unter bis Neugeborenen ist ein Kind von PKU betroffen. Professor Koletzko: Musik aus O-TON 7 Kinder, die eine PKU haben, ( ) brauchen eine strikte Begrenzung ihrer Eiweißzufuhr, damit im Blut nicht die Mengen an Phenylalanin ( ) zu hoch sind, weil wenn das der Fall wäre, kommt es zu einer starken Schädigung der kindlichen Entwicklung mit einer deutlichen geistigen Behinderung. Wenn die Kinder wie es heute der Fall ist bei einer Neugeborenen-Blutuntersuchung erkannt werden, dem sogenannten Neugeborenen-Screening, und dann ( ) mit einer eiweißbegrenzten Ernährung behandelt werden, dann wachsen sie völlig normal, entwickeln sich, sind völlig gesunde Menschen und dergleichen.

8 8 Beim Neugeborenen-Screening werden unter anderem Aminosäuren im Blut gemessen. So können viele Störungen im Aminosäurestoffwechsel erkannt werden, nicht nur PKU, sondern auch bestimmte Harnstoffzyklusdefekte, erklärt Professor Koletzko. O-TON 8 Es gibt Erkrankungen im sogenannten Harnstoffzyklus, bei der bestimmte verzweigtkettige Aminosäuren nicht abgebaut werden können aufgrund eines angeborenen Stoffwechselfehlers ( ). Und bei diesen Kindern ist es so, dass sie, wenn eine normale hohe Eiweißzufuhr erfolgt, sie ein Block haben im Stoffwechsel, eine starke Erhöhung der Bildung des giftigen Ammoniaks erfolgt, und das führt zu krisenhaften Erkrankungen. Diese Kinder kommen dann plötzlich auf die Intensivstation mit schweren neurologischen Schäden, all das lässt sich verhindern, wenn man die Erkrankung frühzeitig erkennt und auch hier eine ganz genau definierte Zufuhr an einzelnen Aminosäuren herbeiführt. Es kann also sein, dass Menschen krankheitsbedingt auf die Eiweißzufuhr achten müssen. Manche Menschen nehmen aber auch absichtlich besonders viel Eiweiß zu sich etwa wenn sie abnehmen wollen. Der Stoffwechsel kann nämlich mit einer besonders eiweißreichen Diät angekurbelt werden. Bei diesen Diäten stehen vor allem Eier, magerer Fisch oder Huhn auf dem Speiseplan. Professor Koletzko: O-TON 9 Es gibt ja das Konzept des eiweißreichen Fastens, man weiß, dass die Eiweißzufuhr den Energiestoffwechsel anregt, und wenn Menschen rasch an Gewicht abnehmen wollen, dann ist eine Nulldiät weniger wirksam als einfach Eiweiß zu essen ohne Kohlenhydrate und Fett, weil der Stoffwechsel damit angekurbelt wird. Dazu kann man teures Proteinpulver kaufen, man kann aber auch einfach Magerquark essen und dazu viel Wasser trinken. Das funktioniert, ist natürlich nicht etwas, was Menschen wirklich über längere Zeit durchhalten

9 9 können oder wollen, also das ist nur etwas, wo man sozusagen mal für kurze Zeit einen Anschub findet, um die überflüssigen Pfunde zu verlieren. Am Ende ist natürlich das wichtige, dass man im Alltag eine gute Balance von körperlicher Bewegung und begrenzter Zufuhr einhält. Viele Leistungssportler oder auch Bodybuilder versuchen, über eine eiweißreiche Diät rasch Muskelmasse aufzubauen. Dazu werden im Handel allerlei Proteinshakes und -pulver verkauft. Professor Koletzko: O-TON 10 Zum Muskelaufbau braucht man in erster Linie körperliche Aktivität und Training, das ist das Allerwichtigste, damit kann man einen Muskelschwund oder einer Muskelschwäche am besten vorbeugen. Wenn ich also in einen Gesundheitsladen gehe und ein Morgenproteinpulver zum Beispiel kaufe und davon große Mengen esse, dann werde ich keinen höheren Muskelaufbau erzielen können, den erreiche ich dann, wenn ich ein ganz normales Käsebrot esse, aber trainiere, Rad fahre, laufe und so weiter. MUSIK Pantha Du Prince & Bell Laboratory - Particle Also Vorsicht vor Proteinpulvern, denn ein Zuviel an Eiweiß kann auch den gegenteiligen Effekt haben. Menschen, die nicht wie Leistungssportler extrem hart trainieren und dennoch eine besonders proteinhaltige Kost zu sich nehmen, legen nämlich in der Regel kaum an Muskelmasse zu, sondern eher an Körperfett. Professor Förstemann erklärt, warum das so ist. Musik aus O-TON 11 Also zunächst mal müsste man sagen, dass Aminosäuren selber ja Nährstoffe sind, unser Körper kann Aminosäuren auch umbauen zu Dingen, die nicht Aminosäuren sind und man kann wenn man mit der Nahrung Aminosäuren zu

10 10 sich nimmt also auch dafür sorgen, dass das in Form von Fett gespeichert wird zum Beispiel, oder anderweitig umgebaut wird. Das bedeutet, in dem Moment, wo unser Körper zu viel davon aufnimmt, wird in der Regel der Speichermechanismus aktiviert, der diese Aminosäuren als Fett speichert. MUSIK Pantha Du Prince & Bell Laboratory - Particle Auch bei Babys ist eine besonders proteinhaltige Säuglingsnahrung nicht empfehlenswert. Denn dadurch bekommen sie eine höhere Eiweißzufuhr als Babys, die gestillt werden. Die Flaschenkinder nehmen in der Regel schneller an Gewicht zu und sind im Schulalter auch häufiger übergewichtig als Kinder, die gestillt wurden. Professor Koletzko: Musik aus O-TON 12 Wir haben das in einer Studie angeschaut, in fünf europäischen Ländern bei 1700 Säuglingen, denen wir zufällig eine konventionelle Säuglingsnahrung oder eine Flaschennahrung mit weniger Eiweiß, ähnlicher dem Eiweißgehalt der Muttermilch, gegeben haben. Das Ergebnis: Die Aminosäurewerte im Blut fallen ab und sind näher an den Aminosäurewerten von Säuglingen, die gestillt wurden. O-TON 13 Die Wachstumsfaktoren sind näher an gestillten Säuglingen, und was das Wichtigste ist, die Gewichtsentwicklung der Kinder mit eiweißärmerer Säuglingsernährung normalisiert sich. Sie haben mit sechs Jahren im Schulalter im Grunde die gleiche niedrige Rate an Übergewicht und Adipositas wie gestillte Kinder und deutlich weniger als Kinder, die nur im ersten Lebensjahr mehr Eiweiß bekommen haben. Deshalb empfehlen wir heute bei Säuglingsernährung: Nicht

11 11 mehr ist besser, sondern eine möglichst geringe Eiweißzufuhr, die man auf der Verpackung sieht, ist vorteilhaft für einen Säugling. Tatsächlich versuchen inzwischen die Hersteller von Säuglingsnahrung, diese Studienergebnisse zu berücksichtigen, und reduzieren den Eiweißgehalt in der Babynahrung schrittweise. Weniger Eiweiß scheint gesund, ja sogar lebensverlängernd zu sein. In Studien mit Fruchtfliegen haben Max-Planck- Forscher herausgefunden, dass die richtige Kombination von Proteinen entscheidend für ein gesundes Altern und ein langes Leben ist. Deutlich weniger ausschlaggebend ist eine reduzierte Kalorienzahl an sich. Professor Förstemann: O-TON 14 Die interessanten Ergebnisse hier waren jetzt, wenn man die Kalorien reduziert, kann man ja reduzieren, indem man entweder Kohlenhydrate reduziert, also Dinge wie Mehl, Nudeln, also Stärke, oder indem man die Eiweiße reduziert, letztendlich die Aminosäuren. Und da hat man herausgefunden, dass es vor allem eine Reduktion der Eiweiße ist, die diese lebensverlängernde Wirkung vermutlich zur Folge hat. MUSIK Pantha Du Prince - Abglanz Auch die Lebensmittelindustrie setzt Aminosäuren ein. Glutamat kommt einerseits ganz natürlich in Fleisch, Fisch und Pflanzen vor. Die Industrie dagegen versetzt Lebensmittel zusätzlich mit künstlichem Glutamat, also mit den Salzen der Glutaminsäure, und verwendet diese gezielt als Geschmacksverstärker. Die Substanz verleiht Tütensuppen, Kartoffelchips oder Fertigsoßen ein würziges Aroma. Wissenschaftler nennen den durch Glutamat verstärkten Geschmack umami. Er hat sich neben bitter, salzig, süß und sauer als fünfte Geschmacksrichtung etabliert. Kritiker befürchten, dass Glutamat den Appetit

12 12 künstlich anregen und so auf längere Sicht zu Übergewicht führen könne wissenschaftlich bewiesen ist dies jedoch nicht. MUSIK (kurz hochkommen lassen, dann weiter) Bei Süßstoffen wird das Aminosäure-Derivat Aspartam eingesetzt, auch bekannt unter der Bezeichnung E951. Ein Aminosäure-Derivat ist eine Verbindung, die einer Aminosäure sehr ähnlich ist. Aspartam hat eine deutlich stärkere Süßkraft als Rohrzucker. Es besteht aus Eiweißbausteinen, die drei wichtigsten Bestandteile sind Methanol sowie die Aminosäuren Phenylalanin und Asparaginsäure. Auch hier sind Kritiker überzeugt, dass der Süßstoff für den Körper gefährlich sein und Krankheiten wie Krebs auslösen könnte. Der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit liegen allerdings keine wissenschaftlichen Beweise für diese Theorien vor; sie hat den Süßstoff für unbedenklich erklärt. Die Pharmaindustrie wiederum setzt beispielsweise bei Medikamenten gegen Husten eine veränderte Aminosäure, das Acetylcystein, ein. Acetylcystein ist ein Abkömmling der natürlich vorkommenden Aminosäure Cystein. Diese Arznei soll zähen Schleim dünnflüssiger machen, sodass Kranke die Sekrete leichter abhusten können. MUSIK aus Evolutionsforscher beschäftigt seit Langem eine ganz andere Frage. Man braucht nämlich eine Aminosäure, um eine andere Aminosäure herzustellen. Die Kernfrage lautet daher: Wie ist die erste Aminosäure entstanden? Ein klassisches Henne-Ei-Problem. Professor Förstemann: O-TON 15 (bitte später als im geschnittenen O-Ton einsteigen) Da gibt es Arbeiten von Forschern, die versucht haben, die Ur-Erdatmosphäre einmal nachzustellen, wo man sich überlegt hat, was herrschten denn damals wohl für Zustände auf unserem Planeten, da gab es eben häufige Gewitter mit

13 13 Blitzentladungen, und während der Blitzentladung kann es sein, dass der Stickstoff, der in unserer Atmosphäre vorkommt als Gasmolekül, das sind zwei Stickstoffatome, die eine chemische Dreifachbindung miteinander eingehen. Das klingt jetzt etwas trocken, aber man kann sagen, das sind quasi zwei Bausteine, die extrem hart aneinander hängen. Und in den Aminosäuren müssen wir diese Stickstoffatome aber einzeln verwenden, das heißt man braucht, um Aminogruppen überhaupt zur Verfügung zu haben, viel Energie, um den Stickstoff in der Atmosphäre zu trennen - und das passiert zum Beispiel bei einer Blitzentladung. Und das war eben einer der Faktoren, die man dann versucht hat, im Reagenzglas nachzustellen. Und in diesen Arbeiten, da hat man eben die sogenannte Ursuppe versucht, ein bisschen nachzukochen, und hat dann Blitzentladungen künstlich da reinlaufen lassen. Und nach einiger Weile hat man dann versucht nachzuweisen, ob da Aminosäuren entstanden sind, und das war tatsächlich der Fall, also das heißt, diese Aminosäuren zumindest einfache Formen sind vermutlich in der Uratmosphäre spontan entstanden. Vor einigen Jahren hatte die Sonde Stardust Staub des Kometen mit dem Namen Wild 2 aufgefangen. Und dieser Staub enthielt die Aminosäure Glycin. Das ist eine einfach gebaute Verbindung, die bei Lebewesen unter anderem im Protein Kollagen vorkommt. Professor Koletzko: O-TON 16 Man wundert sich ja, dass die kosmische Forschung tatsächlich Aminosäuren auch auf Himmelskörpern gefunden hat, wo man gar kein Leben erkennen kann. Offensichtlich ist es so, dass die Grundbausteine der Natur unter Einwirkung von Energie zu Aminosäuren führen, dass dieser Grundbaustein des Lebens also sozusagen ganz natürlich entsteht und damit eben auch Leben möglich geworden ist. MUSIK (hochkommen lassen, dann weiter)

14 14 Und so schließt sich der Kreis. Selbst wenn im All bisher keine andere Lebensform entdeckt wurde, so sind doch die Grundbausteine des Lebens vorhanden. Auf der Erde jedenfalls wäre ein Leben ohne Aminosäuren nicht möglich. MUSIK (hochkommen lassen)