DAS NEUE RECHT DER AVE IN DER PRAXIS
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- Leopold Hofer
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1 DAS NEUE RECHT DER AVE IN DER PRAXIS Prof. Dr. Thorsten Schulten 11. Hans-Böckler-Forum zum Arbeits- und Sozialrecht März 2017, Berlin
2 Inhalt 1. Bedeutung der AVE für die Tarifbindung und die Stabilität von Tarifvertragssystemen in Europa 2. Die Reform zur Erleichterung der AVE in Deutschland (2014) 3. Entwicklung und Verbreitung der AVE in der Praxis 4. Widerstände und Barrieren gegen eine stärkere Nutzung der AVE 5. Nach der Reform ist vor der Reform Wie weiter mit der AVE? Prof. Dr. Thorsten Schulten 2
3 1. Bedeutung der AVE für die Tarifbindung und Stabilität von Tarifvertragssystemen in Europa Prof. Dr. Thorsten Schulten 3
4 Tarifbindung in Europa 2012* Prof. Dr. Thorsten Schulten 4 * oder letzter verfügbarer Wert Quelle: ICTWSS Database Version 5.0
5 Tarifbindung & Gewerkschaften Prof. Dr. Thorsten Schulten 5 Quelle: ICTWSS Version 5
6 Tarifbindung & Allgemeinverbindlicherklärung Prof. Dr. Thorsten Schulten 6 Quelle: ICTWSS Version 5
7 2. Reform zur Erleichterung der AVE in Deutschland (2014) Prof. Dr. Thorsten Schulten 7
8 Tarifbindung in % aller Beschäftigten Prof. Dr. Thorsten Schulten Quelle: IAB 8
9 Tarifbindung 2014 unterschiedliche Quellen in % aller Beschäftigten Betriebs- Panel 16,000 Betriebe Jährlich Verdienststrukturerhebung 60,000 Betriebe Alle 4 Jahre Repräsentative Umfrage für alle Betriebe aller Größenklassen Prof. Dr. Thorsten Schulten Quelle: IAB 9
10 Ziele der AVE-Reform: Ziel ist es, die Tarifautonomie zu stärken und angemessene Arbeitsbedingungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sicherzustellen ( ) Die Allgemeinverbindlicherklärung nach dem Tarifvertragsgesetz als Instrument zur Stützung der tariflichen Ordnung durch Erstreckung der Rechtsnormen des Tarifvertrages wird daher erleichtert. Der Geltungsbereich des Arbeitnehmer- Entsendegesetzes und damit die Möglichkeit zur Erstreckung von Tarifverträgen durch Rechtsverordnung wird über den vorhandenen Katalog hinaus auf alle Branchen erweitert. Begründung des Tarifautonomiestärkungsgesetzes Bundestag DS 18/ Prof. Dr. Thorsten Schulten 10
11 Rechtliche Grundlagen der AVE in Deutschland nach der Reform 2014 Quorum von 50% Tarifbindung AVE in öffentlichen Interesse TVG Ja Nein Ja überwiegende Bedeutung AEntG Nein Ja Präzisierung: Antrag auf AVE Zustimmung des Tarifausschusses Inhalt der Tarifverträge Absicherung der Wirksamkeit der tarifvertraglichen Normsetzung gegen die Folgen wirtschaftlicher Fehlentwicklung Eine Tarifpartei Beide Parteien Ja Keine Begrenzung Beide Parteien Nein Begrenzt auf bestimmte Mindeststandards Sektorale Reichweite Gesamte Wirtschaft Bestimmte Branchen Gesamte Wirtschaft Regionale Reichweite Nationale und regionale Tarifverträge Nur Tarifverträge mit nationaler Reichweite Prof. Dr. Thorsten Schulten 11
12 3. Entwicklung und Verbreitung der AVE in der Praxis Prof. Dr. Thorsten Schulten 12
13 Gesamtzahl der allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge : 0,6% aller Tarifverträge 1,5% aller Branchen-TV Prof. Dr. Thorsten Schulten Quelle: BMAS 13
14 Gesamtzahl der allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge : 0,6% aller Tarifverträge 1,5% aller Branchen-TV Prof. Dr. Thorsten Schulten Quelle: BMAS 14
15 Gesamtzahl der in dem jeweiligen Jahr neu allgemeinverbindlich erklärten TV Prof. Dr. Thorsten Schulten Quelle: BMAS 15
16 Gesamtzahl der in dem jeweiligen Jahr neu allgemeinverbindlich erklärten TV Prof. Dr. Thorsten Schulten Quelle: BMAS 16
17 Allgemeinverbindliche Ursprungstarifverträge , absolut und in % Prof. Dr. Thorsten Schulten Quelle: BMAS 17
18 Geographische Reichweite allgemeinverbindlicher Tarifverträge 2017* Prof. Dr. Thorsten Schulten Quelle: BMAS 18
19 Sektorale Zusammensetzung allgemeinverbindlicher Tarifverträge 2017* * Ursprungstarifverträge Stand: 1. Januar Prof. Dr. Thorsten Schulten Quelle: BMAS 19
20 Inhaltliche Bestimmungen allgemeinverbindlicher Tarifverträge 2017* * Ursprungstarifverträge Stand: 1. Januar Prof. Dr. Thorsten Schulten Quelle: BMAS 20
21 Allgemeinverbindliche Entgelttarifverträge nach Branchen 2017* * Ursprungstarifverträge Stand: 1. Januar Prof. Dr. Thorsten Schulten Quelle: BMAS 21
22 Allgemeinverbindliche Branchen-Mindestlöhne nach AEntG, TVG und AÜG West Ost West Ost Landwirtschaft 8,60 Gerüstbauerhandwerk Pflege 10, Dachdeckerhandwerk Schornsteinfeger Malerhandwerk 10.10/ /11.30 Gebäudereinigung 10,00/13,25 9,05/11,53 Textil & Bekleidung 8,84 Bauhauptgewerbe 11,30/14,70 11,30 Lichtreklame* 10.31/13,26 Elektrohandwerk 10,65 10,40 Steinmetze Weiterbildung 14,60 Leiharbeit Abfallwirtschaft 9.10 Wäscherreidiestl. 8,75 Fleischindustrie 8,75 * AVE noch nicht erteilt Branchenmindestlöhne in 17 Branchen Prof. Dr. Thorsten Schulten Source: WSI-Tarifarchiv März
23 Zwischenfazit: Auswirkungen der AVE-Reform in der Praxis 1. Keine Zunahme allgemeinverbindlicher Tarifverträge 2. (Fast) keine neuen Branchen-TV in der AVE Fokus auf die Erneuerung des AVE-Bestandes 3. Reform hat ihr Ziel bislang weitgehend verfehlt: Keine Stärkung der Tarifautonomie!!! 4. Zahlreiche Barrieren gegen eine stärkere Nutzung der AVE Prof.Dr. Thorsten Schulten 23
24 4. Widerstände und Barrieren gegen eine stärkere Nutzung der AVE Prof. Dr. Thorsten Schulten 24
25 Widerstände und Barrieren gegen eine stärkere Nutzung der AVE 1. Rechtspolitische Barrieren Auslegung der AVE in der Praxis Klagen gegen die AVE 2. Ordnungspolitische Barrieren Restriktive Haltung der BDA Veto-Macht im Tarifausschuss 3. Organisationspolitische Barrieren OT-Mitgliedschaft in Arbeitgeberverbänden Organisationslogik im Widerspruch zur AVE Prof.Dr. Thorsten Schulten 25
26 Rechtspolitische Barrieren Auslegung der AVE in der Praxis Restriktiver Auslegung der AVE-Regelungen durch die Arbeitsministerien im Hinblick auf die überwiegende Bedeutung des Tarifvertrages Angst vor Klagen gegen die AVE Nachweis indirekter Formen der Tarifbindung (Orientierung am Tarifvertrag, arbeitsvertragliche Bezugnahmen) sehr schwierig Formale Tarifbindung bleibt das wichtigste Kriterium (Quorum durch die Hintertür) Prof. Dr. Thorsten Schulten 26
27 Ordnungspolitische Barrieren Restriktive Haltung der BDA AVE als Ausnahmeinstrument Enge Koordinierung der AVE-Verfahren auf Bundes-und Landesebene Koordinierungsgrundsätze der BDA zur AVE Restriktive Interpretation der gesetzlichen Kriterien Kein öffentliches Interesse bei AVE von gesamten Lohntabellen Fairer Wettbewerb ist kein Kriterium für die AVE Prof. Dr. Thorsten Schulten 27
28 Ordnungspolitische Barrieren Restriktive Haltung der BDA Blockade der AVE im Tarifausschuss: Hotel- und Gaststätten, Saarland Sicherheitsdienstleistungen an Flughäfen, Hessen Altenpflege, Bremen und Niedersachsen Friseurhandwerk (Mantel-TV) Schleswig-Holstein Sicherheitsdienstleistungen Sachsen GöD Tarifvertrag Ablehnung durch DGB-Vertreter Verhalten bei AVE-Initiativen: 2. Verhandlungsrunde über AVE-Regelungen des Tarifvertrages Ablehnung der AVE bevor ein Antrag gestellt wird Prof. Dr. Thorsten Schulten 28
29 Organisationspolitische Barrieren OT-Mitgliedschaften von Arbeitgeberverbänden Prof. Dr. Thorsten Schulten 29
30 5. Nach der Reform ist vor der Reform: Wie weiter mit der AVE? Prof. Dr. Thorsten Schulten 30
31 Wie weiter mit der AVE? Rechtspolitische Barrieren: Rechtliche Präzisierung/Erweiterung des öffentlichen Interesses im Sinne der BVerfG Rechtsprechung: Stabilisierung der der Tarifautonomie und des Tarifvertragssystems Erreichung angemessener Entgelt- und Arbeitsbedingungen Verhinderung von Wettbewerbsverzerrungen Verzicht auf jegliche Repräsentativitätskriterien (Ulrich Preis) Prof.Dr. Thorsten Schulten 31
32 Wie weiter mit der AVE? Ordnungspolitische Barrieren: Ablehnung der AVE im Tarifausschuss nur mit Mehrheit (DGB-Vorschlag) Aufhebung der Veto-Macht einer Partei Organisationspolitische Barrieren: Publizitätspflicht bei OT-Mitgliedschaften Weitere Möglichkeiten zu Begrenzung von OT-Mitgliedschaften??? OT führt zur De-Legitimierung der Arbeitgeberverbände AVE könnte ihre Stabilisierung fördern Prof.Dr. Thorsten Schulten 32
33 Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit! Prof. Dr. Thorsten Schulten Prof. Dr. Thorsten Schulten 33
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