Prozessrecht II. Prof. Dr. Felix Uhlmann. Universität Zürich HS Lehrstuhl für Staats- und Verwaltungsrecht sowie Rechtsetzungslehre
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- Arwed Bergmann
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1 Prof. Dr. Felix Uhlmann Lehrstuhl für Staats- und Verwaltungsrecht sowie Rechtsetzungslehre Universität Zürich Prof. Dr. Felix Uhlmann 1
2 Rechtszustand für die Dauer des Prozesses Lektüre: Thomas Merkli, Vorsorgliche Massnahmen und die aufschiebende Wirkung bei Beschwerden in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und subsidiären Verfassungsbeschwerden, ZBl 2008, S. 416 ff. ergänzend/weiterführend: Niggli/Übersax/Wiprächtiger (Literaturliste), Art. 103 f. Auer/Müller/Schindler (Literaturliste), Art. 55 f. Prof. Dr. Felix Uhlmann 2
3 Vorläufiger Rechtsschutz Arten (vorsorgliche Massnahmen i.w.s.) Aufschiebende Wirkung Vorsorgliche Massnahmen Superprovisorische Massnahmen Rechtsgrundlagen Nicht streitiges Verwaltungsvefahren: Der vorläufige Rechtsschutz ist nicht allgemein geregelt, z.t. aber in Spezialgesetzen vorgesehen (Bsp.: Art. 16 Abs. 4 USG, Art. 16 NHG) Verfahren vor Bundesverwaltungsgericht: Art. 37 i.v.m. Art. 55 f. VwVG Verfahren vor Bundesgericht: Art. 103 f., 98, 106 Abs. 2 BGG Prof. Dr. Felix Uhlmann 3
4 Aufschiebende Wirkung Definition Die mit einer Verfügung angeordnete Rechtsfolge tritt vorläufig nicht ein. Der Eintritt der formellen Rechtskraft, die Wirksamkeit und die Vollstreckung der Verfügung wird aufschoben, d.h. der Zustand, wie er vor Erlass der Verfügung bestanden hat, besteht bis zum Entscheid in der Sache durch die Rechtsmittelinstanz. Der Entscheid über die aufschiebende Wirkung kann von der übergeordneten Rechtsmittelinstanz überprüft werden. Im Verfahren vor Bundesverwaltungsgericht kommt der Beschwerde grundsätzlich von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung zu (Art. 55 Abs. 1 VwVG). Sie kann jedoch soweit es nicht um eine Geldleistung geht entzogen werden (Art. 55 Abs. 2 VwVG). Im Verfahren vor Bundesgericht kommt der Beschwerde grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung zu (Art. 103 Abs. 1 und 2 BGG). Die aufschiebende Wirkung kann aber angeordnet werden (Art. 103 Abs. 3 BGG). Prof. Dr. Felix Uhlmann 4
5 Aufschiebende Wirkung Art. 55 VwVG 1 Die Beschwerde hat aufschiebende Wirkung. 2 Hat die Verfügung nicht eine Geldleistung zum Gegenstand, so kann die Vorinstanz darin einer allfälligen Beschwerde die aufschiebende Wirkung entziehen; dieselbe Befugnis steht der Beschwerdeinstanz, ihrem Vorsitzenden oder dem Instruktionsrichter nach Einreichung der Beschwerde zu. 3 Die Beschwerdeinstanz, ihr Vorsitzender oder der Instruktionsrichter kann die von der Vorinstanz entzogene aufschiebende Wirkung wiederherstellen; über ein Begehren um Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist ohne Verzug zu entscheiden. 4 Wird die aufschiebende Wirkung willkürlich entzogen oder einem Begehren um Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung willkürlich nicht oder verspätet entsprochen, so haftet für den daraus erwachsenden Schaden die Körperschaft oder autonome Anstalt, in deren Namen die Behörde verfügt hat. 5 Vorbehalten bleiben die Bestimmungen anderer Bundesgesetze, nach denen eine Beschwerde keine aufschiebende Wirkung hat. Prof. Dr. Felix Uhlmann 5
6 Aufschiebende Wirkung Art. 103 BGG 1 Die Beschwerde hat in der Regel keine aufschiebende Wirkung. 2 Die Beschwerde hat im Umfang der Begehren aufschiebende Wirkung: a. in Zivilsachen, wenn sie sich gegen ein Gestaltungsurteil richtet; b. in Strafsachen, wenn sie sich gegen einen Entscheid richtet, der eine unbedingte Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Massnahme ausspricht; die aufschiebende Wirkung erstreckt sich nicht auf den Entscheid über Zivilansprüche; c. in Verfahren auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen, wenn sie sich gegen eine Schlussverfügung oder gegen jede andere Verfügung richtet, welche die Übermittlung von Auskünften aus dem Geheimbereich oder die Herausgabe von Gegenständen oder Vermögenswerten bewilligt. 3 Der Instruktionsrichter oder die Instruktionsrichterin kann über die aufschiebende Wirkung von Amtes wegen oder auf Antrag einer Partei eine andere Anordnung treffen. Prof. Dr. Felix Uhlmann 6
7 Vorsorgliche Massnahmen (i.e.s.) Definition vorsorgliche Massnahmen Verfügungen, die auf Antrag oder von Amtes wegen während eines Hauptverfahrens oder ausnahmsweise vor Einleitung eines Hauptverfahrens vorläufige Massnahmen anordnen. Bei deren Erlass wird die Sach- und Rechtslage nur summarisch geprüft. Die vorläufigen Massnahmen stehen grundsätzlich in einem akzessorischen Verhältnis zur Endverfügung und fallen regelmässig mit deren Erlass bzw. Rechtskraft weg. Vorsorgliche Massnahmen können im nicht streitigen Verwaltungsverfahren, aber auch im streitigen, d.h. in einem Verfahren vor Bundesverwaltungsgericht und Bundesgericht angeordnet werden. Angeordnete vorsorgliche Massnahmen können von der übergeordneten Rechtsmittelinstanz überprüft werden. Prof. Dr. Felix Uhlmann 7
8 Vorsorgliche Massnahmen (i.e.s.) Art. 56 VwVG Nach Einreichung der Beschwerde kann die Beschwerdeinstanz, ihr Vorsitzender oder der Instruktionsrichter von Amtes wegen oder auf Begehren einer Partei andere vorsorgliche Massnahmen treffen, um den bestehenden Zustand zu erhalten oder bedrohte Interessen einstweilen sicherzustellen. Art. 104 BGG Der Instruktionsrichter oder die Instruktionsrichterin kann von Amtes wegen oder auf Antrag einer Partei vorsorgliche Massnahmen treffen, um den bestehenden Zustand zu erhalten oder bedrohte Interessen einstweilen sicherzustellen. Prof. Dr. Felix Uhlmann 8
9 Vorsorgliche Massnahmen Beurteilung "[Es] ist nicht unbedeutend, dass das BGG für die Rechtsmittel an das Bundesgericht als Regelfall und im Unterschied zu den Verfahrensordnungen für die eidgenössischen Vorinstanzen (vgl. Art. 55 VwVG und Art. 37 VVG) keine aufschiebende Wirkung vorsieht. Wer einen Aufschub oder eine andere Massnahme beantragt, muss daher einen ernsthaften und sachbezogenen Grund von einigem Gewicht bzw. einen nicht leicht wieder gutzumachenden Nachteil dartun, und sein Ersuchen muss als dringlich erscheinen. Blosse Bequemlichkeit (z.b. das Interesse, eine Parteientschädigung für das vorinstanzliche Verfahren nicht sofort bezahlen zu müssen) reicht nicht aus. Andererseits sind die Anforderungen an die Bedeutung des Interesses auch nicht allzu hoch anzusetzen; insbesondere kann selbst ein bloss tatsächliches oder wirtschaftliches Interesse (z.b. eine Autobuslinie einstweilen weiter betreiben zu dürfen, ein Medikament nicht sofort zurückrufen zu müssen, eine berufliche Tätigkeit vorläufig weiter ausüben zu können) ausreichen. Wird dieses von keiner Seite in Frage gestellt, so kann es als gegeben betrachtet und braucht es nicht näher nachgeprüft zu werden" (Merkli, S. 422 f.) Prof. Dr. Felix Uhlmann 9
10 Vorsorgliche Massnahmen Voraussetzungen Erlass vorsorgliche Massnahme "Erreicht das geltend gemachte Interesse die Schwelle für eine einstweilige Anordnung, ist aufgrund einer Interessenabwägung zu beurteilen, ob die Gründe, die für die aufschiebende Wirkung oder eine andere vorsorgliche Massnahme sprechen, gewichtiger sind als die gegenläufigen Interessen, und ob die in Frage stehende Anordnung als verhältnismässig erscheint (Gesichtspunkte der Geeignetheit, der Erforderlichkeit und der Zumutbarkeit). Es muss mit einer summarischen Beurteilung gestützt auf eine provisorisch erstellte Sach- und Rechtslage sein Bewenden haben Die Erfolgsaussichten in der Hauptsache können mit einbezogen werden, wenn sie hinreichend klar (positiv oder negativ) erscheinen Tatsächliche oder rechtliche Unklarheiten mahnen zur Zurückhaltung und können insbesondere den Ausschlag für ein sicherndes Provisorium geben, damit die Entscheidgrundlagen im Hauptverfahren gesamthaft und vertieft gewürdigt werden können. Überhaupt soll die umstrittene Hauptanordnung nach Möglichkeit weder präjudiziert noch verunmöglicht werden" (Merkli, S. 422 f.). Prof. Dr. Felix Uhlmann 10
11 Superprovisiorische Massnahme Definition superprovisiorische Massnahme Eine superprovisorische Massnahme ergeht allein gestützt auf die Aktenlage bzw. Beschwerde und den angefochtenen Entscheid, d.h. ohne vorangehende Gewährung des rechtlichen Gehörs an die betroffenen Parteien bzw. die Gegenpartei. Die Anordnung einer super-provisorischen Massnahme rechtfertigt sich dann, wenn die Vernehm-lassung (Gewährung des rechtlichen Gehörs an die Gegenseite) bzw. der Entscheid der Behörde für eine ordentlichen Massnahme nicht abgewartet werden kann (besondere zeitliche Dringlichkeit). Prof. Dr. Felix Uhlmann 11
12 Entscheidart des vorläufigen Rechtsschutz Entscheidart: Zwischenverfügung oder Endverfügung? Vorsorgliche Massnahme: i.d.r. Zwischenverfügung; ausnahmsweise Endverfügung, wenn Anordnung ausserhalb Hauptverfahren Aufschiebende Wirkung: Zwischenverfügung Superprovisorische Massnahme: Zwischenverfügung; ausnahmsweise Endverfügung, wenn Anordnung ausserhalb Hauptverfahren Prof. Dr. Felix Uhlmann 12
13 Entscheidart des vorläufigen Rechtsschutz Achtung Zwischenentscheide betreffend den vorläufigen Rechtsschutz können sowohl vor Bundesverwaltungsgericht als auch vor Bundesgericht nur unter den Voraussetzungen von Art. 44 VwVG bzw. Art. 93 BGG angefochten werden. Bei der Voraussetzung des nicht wieder gutzumachenden Nachteils genügt dabei vor Bundesverwaltungsgericht ein Nachteil tatsächlicher Natur, während vor Bundesgericht ein Nachteil rechtlicher Natur gefordert wird. Vor Bundesgericht ist ausserdem die beschränkte Beschwerdemöglichkeit (Art. 98 BGG) und das verschärfte Rügeprinzip (Art. 106 Abs. 2 BGG) zu beachten. Die Ausnahmekataloge (Art. 32 VGG, Art. 83 BGG) gelten auch für Entscheide betreffend den vorläufigen Rechtsschutz. Prof. Dr. Felix Uhlmann 13
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