Stabilitätsfragen bei autonomen Systemen
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- Alma Melsbach
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1 1 Stabilitätsfragen bei autonomen Systemen M. Schuster Inhaltsverzeichnis 1 Allgemeines über autonome Systeme Oft übliche Bezeichnungen mit Übersetzung Stabilität von kritischen Punkten 2 3 Die Ljapunov-Methode und linearisierte Systeme 6 1 Allgemeines über autonome Systeme Autonome Systeme sind Differentialgleichungen vom Typ: ẏ = f (y) mit f : G R n Lipschitz-stetig (damit insbesondere stetig) für gesuchte Abbildungen t I R y(t) R n. Definitionsbereich: D = R G ("Schlauch im R n+1 "). 1.1 Oft übliche Bezeichnungen mit Übersetzung Dynamisches System ẋ = X(x): Differentialgleichungssystem ẏ = f (y), (Geschwindigkeits-)Vektorfeld x G X(x) R n : Rechte Seite: y G f (y) R n, Flußlinien t I x(t) G: Lösung t I y(t) G, (Maximaler) Fluß des Systems (t, ξ ) ϕ(t, ξ ): Charakteristische Funktion (t, η) B ϕ(t, η) G, Bahn/Orbit einer Flußlinie im Phasenraum G = Trajektorie des Systems: Orientierte Spur einer Lösung im Gebiet G = {y(t) G t I max }, Phasenportrait des Systems = Gesamtheit aller Trajektorien: Alle Spuren von Lösungen in G, Maximale Lebensdauer einer Flußlinie: Maximaler Definitionsbereich einer Lösung, Kritischer Punkt/singulärer Punkt/Gleichgewichtslage/Ruhelage des Systems (=Nullstelle des Vektorfeldes): Konstante/stationäre Lösung y = η (=Nullstelle von f ). Satz 1. Sei t I max y(t) R n eine maximal fortgesetzte Lösung des Systems ẏ = f (y) mit f : G R n R n L-stetig. Dann liegt genau einer der drei folgenden Fälle vor: 1. Die Lösung y ist konstant mit I max = R, ihre Spur ist ein Einzelpunkt, 2. die Lösung y ist (nichtkonstant) periodisch mit I max = R. Ihre Spur ist eine geschlossene Kurve, 3. die Lösung y ist injektiv, ihre Spur ist eine doppelpunktfreie Kurve.
2 2 2 Stabilität von kritischen Punkten Definition 1. Sei ẏ = f (y) ein autonomes System mit einer auf einem Gebiet G R n L-stetigen Funktion f. 1. Ein kritischer Punkt η G heißt stabil, falls es zu jedem ε > 0 ein δ > 0 gibt mit der Eigenschaft: Jede Lösung t y(t) der Differentialgleichung mit y(0) η < δ ist für alle t 0 definiert und es gilt: t 0 y(t) η < ε. 2. Ein kritischer Punkt η G heißt attraktiv, falls es ein δ > 0 gibt mit der Eigenschaft: Jede Lösung t y(t) der Differentialgleichung mit y(0) η < δ ist für alle t 0 definiert und es gilt: lim t y(t) = η. 3. Ein kritischer Punkt heißt asymptotisch stabil, wenn er stabil und attraktiv ist. 4. Ein Punkt heißt instabil, wenn er nicht stabil ist. Bemerkung. Die Begriffe "stabil" und "attraktiv" sind unabhängig voneinander. 1. Beispiel, ( dass ) aus "stabil" nicht "attraktiv" folgt: Die ( autonome ) Differentialgleichung ẏ = a y besitzt die allgemeine Lösung t y(t) = 0 1 be t. Der kritische Nullpunkt ist stabil, denn ist y(0) = < δ := ε, so gilt ersichtlich y(t) < ε für alle t 0. Aber er ist nicht a ( b ) a 0 attraktiv, denn lim t = für a Beispiel, dass aus "attraktiv" nicht "stabil" folgt: Die in Polarkoordinatendarstellung gegebene Differentialgleichung ṙ = r(1 r), θ = sin 2 θ 2 lässt sich explizit lösen. Es gilt ( ( r 0 (r(t,t 0,r 0 ),θ(t,t 0,θ 0 )) =,2arctan r 0 + (1 r 0 )e t 2sinθ 0 2cosθ 0 t sinθ Das Phasenportrait (siehe Abbildung 1) zeigt folgendes Bild: Der Einheitskreis besteht aus der Ruhelage (1,0) und einer Trajektorie, die in beiden Zeitrichtungen gegen diesen Punkt strebt (auf dem Einheitskreis ist r(t) 1). Damit ist µ = (1,0) bereits instabil, denn in der Nähe von (1,0) "starten" auf dem Einheitskreis Lösungen, die eine ε-umgebung von (1,0) verlassen (denn die Lösungen durchlaufen den Einheitskreis). Andererseits gilt (r(t;t 0,r 0 ),θ(t;t 0,θ 0 )) (1,0) für t für alle Lösungen, und daher ist (1,0) eine attraktive Ruhelage. Satz 2. Für den kritischen Nullpunkt einer autonomen linearen Differentialgleichung ẏ = Ay gilt: Er ist genau dann asymptotisch stabil, wenn alle Eigenwerte von A (echt) negative Realteile besitzen. Er ist genau dann stabil, wenn alle Eigenwerte Realteile 0 besitzen und für jeden Eigenwert mit Realteil 0 gilt: Die geometrische Vielfachheit ist gleich der algebraischen. In allen anderen Fällen ist er instabil. (ẋ ) x Beispiel. Klassifikation ebener (zweidimensionaler) linearer Systeme = A bezüglich des kritischen ẏ y Nullpunkts anhand der möglichen Jordanschen Normalformen J von A. (Die allgemeine Form des Phasenportraits erhält man durch Anwendung linearer Transformationen). )).
3 3 Abbildung 1: Phasenportrait einer Differentialgleichung mit attraktiver, aber nicht stabiler Lösung 0. Degenerationsfall (λ = 0 ist Eigenwert von A) (a) A = J =. x(t) a. y(t) b Der Nullpunkt ist stabil, aber nicht asymptotisch stabil. (Das Phasenportrait besteht aus lauter stationären Lösungen). 0 1 (b) A = J =. x(t) y(t) Der Nullpunkt ist instabil. a + bt. b λ 0 (c) A = J = (wobei natürlich λ 0). x(t) ae λt. y(t) b
4 4 λ < 0: Der Nullpunkt ist stabil, aber nicht asymptotisch stabil. λ > 0: Der Nullpunkt ist instabil. 1. Hauptfall (alle Eigenwerte von A sind reell, 0 und haben verschiedene Vorzeichen) λ 0 A = J = (mit λ,µ > 0). Sattelpunkt 0 µ x(t) ae λt y(t) be µt. Der Nullpunkt ist instabil. 2. Hauptfall (alle Eigenwerte von A sind reell, 0 und haben gleiche Vorzeichen) λ 0 (a) A = J = (sgn(λ) = sgn(µ)). Knotenpunkt 0 µ x(t) ae λt. y(t) be µt λ,µ < 0: Der Nullpunkt ist asymptotisch stabil. λ,µ > 0: Der Nullpunkt ist instabil. (Für µ < λ < 0 kippt das Koordinatensystem, für λ,µ > 0 kehren sich die Orientierungen um.) Spezialfall λ = µ 0:
5 λ 1 (b) A = J =. entarteter Knotenpunkt 0 λ [ ] x(t) 1 t a + b e y(t) 0 1 λt. λ < 0: Der Nullpunkt ist asymptotisch stabil. (Alle Lösungen laufen mit waagrechter Tangente in den Nullpunkt.) 5 λ > 0: Der Nullpunkt ist instabil. 3. Hauptfall (echt komplex konjugierte EW von A) iβ 0 (a) J = (β 0 R). Wirbelpunkt 0 iβ 0 1 Zum Beispiel bei A = β 2 0 x(t) acos(βt) + bsin(βt) cos(β(t +t0 )) = r, r 0. y(t) aβ sin(βt) + bβ cos(βt) sin(β(t +t 0 )) Der Nullpunkt ist stabil, aber nicht asymptotisch stabil. α + iβ 0 (b) J = (α,β 0). Strudelpunkt 0 α iβ α β Zum Beispiel bei A = β α x(t) acos(βt) + bsin(βt) cos(β(t e y(t) asin(βt) + bcos(βt) αt +t0 )) = r e sin(β(t +t 0 )) αt. α < 0: Der Nullpunkt ist stabil. α > 0: Der Nullpunkt ist instabil. (β > 0 spiegelt das Koordinatensystem, α > 0 kehrt die Laufrichtung um.) Zu den Zeichnungen Gezeichnet sind nur die Phasenportraits von z = Jz. Das richtige Phasenportrait ẏ = Ay erhält man, in dem man darauf die lineare Transformation y(t) = T z(t) mit T = (z 1,z 2 ) anwendet, wobei z 1,z 2 Eigen- bzw. Hauptvektoren der Matrix A sind. Dies entspricht einer Ersetzung der Einheitsvektoren e 1,e 2 durch die tatsächlichen Eigen-/Hauptvektoren z 1,z 2.
6 6 3 Die Ljapunov-Methode und linearisierte Systeme Definition 2. Sei η ein kritischer Punkt des autonomen Systems ẏ = f (y) mit f L-stetig auf dem Gebiet G. Eine C 1 -Funktion E : U G R auf einer Umgebung U von η heißt eine Ljapunov-Funktion für η, wenn gilt: (1) E(η) = 0, y η E(y) > 0, (2) y U [Ė(y) =]d f E(y) = grade(y), f (y) 0. Sie heißt eine strenge Ljapunov-Funktion für η, wenn statt (2) verschärfend gilt (2 ) y η d f E(y) = grade(y), f (y) < 0. Satz 3 (Stabilitätskriterium von Ljapunov). Sei η ein kritischer Punkt von ẏ = f (y) mit f L-stetig auf G R n. Dann gilt: 1. Wenn in einer Umgebung U von η eine Ljapunov-Funktion für η existiert, so ist η stabil. 2. Wenn sogar eine strenge Ljapunov-Funktion für η in einer Umgebung U von η existiert, so ist η asymptotisch stabil. Anwendung. Sei ohne Einschränkung 0 ein kritischer Punkt des Systems ẏ = f (y) mit f C 1 (G). Statt der rechten Seite y f (y) = f (0) + D f (0) (y 0) + r(y) = D f (0) y + r(y) kann man ihre Linearisierung }{{} =0 y ˆf (y) = D f (0) y betrachten. Beim zugehörigen linearisierten System ẏ = ˆf (y) kann man die Stabilität des Nullpunktes leicht an den Eigenwerten von A = D f (0) erkennen. Lemma 1. Sei A eine (reelle) (n n)-matrix, für deren Eigenwerte λ stets R(λ) < 0 gilt. Dann besitzt das autonome System ẏ = Ay eine strenge Ljapunov-Funktion E : R n R für den kritischen Nullpunkt mit den Eigenschaften 1. y grade(y) γ y mit γ > 0, 2. y Ė(y) = E(y), f (y) µ y 2 mit µ > 0. (Es gilt E(y) = y T By mit einer symmetrischen, positiv definiten Matrix B) Die so gewonnene Ljapunov-Funktion ist auch brauchbar für nichtlineare autonome Systeme ẏ = f (y) mit Linearisierung ẏ = Ay. Satz 4. Sei η ein kritischer Punkt des autonomen Systems ẏ = f (y) mit f C 1 (G). Besitzt die Funktionalmatrix D f (η) nur Eigenwerte mit R(λ) < 0, so ist η asymptotisch stabil. Besitzt D f (η) mindestens einen Eigenwert λ mit R(λ) > 0, so ist η instabil. Version: 0.1. Die jeweils aktuellste Version liegt auf meiner Festplatte, alternativ hilft vielleicht ein Blick unter: Anregungen und Kommentare bitte an phuck@web.de
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