Kapitel 5 Weitere Leistungen der Arbeitsagentur
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- Leonard Biermann
- vor 8 Jahren
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1 140 Kapitel 5 Weitere Leistungen der Arbeitsagentur Um Arbeitslosigkeit zu beenden bzw. bei drohender Arbeitslosigkeit diese gar nicht erst eintreten zu lassen, gewähren die Arbeitsagenturen Leistungen, durch die sowohl die Vermittlungstätigkeit der Arbeitsagentur als auch die Eigeninitiative der Arbeitslosen unterstützt werden soll. Wichtig ist dabei, dass sowohl die Aufnahme einer (abhängigen) Beschäftigung als Arbeitnehmer gefördert wird als auch die Aufnahme einer Tätigkeit als Selbstständiger. Beispiel Henning und Ute S. sind seit drei Jahren arbeitslos. Er war als Betriebswirt tätig, sie als Sekretärin. Nach Erschöpfung der Arbeitslosengeldansprüche bezieht das Ehepaar nun Arbeitslosengeld II. Henning S. plant, sich selbstständig zu machen und ein Büro zu eröffnen, mit dem er Unternehmen in Umweltfragen beraten will. Er fragt, ob er Unterstützung von der Arbeitsagentur erhalten kann. Ute S. hält nichts von dem Vorhaben ihres Mannes und bewirbt sich bei etwa 30 Firmen. Sie bittet die Arbeitsagentur um finanzielle Unterstützung bei den Portokosten sowie in zwei Fällen, in denen sie sich vorstellen soll, um Übernahme der Fahrtkosten sowie der Kosten für die Anschaffung eines Kostüms, das sie zur Vorstellung zu brauchen meint. Die Arbeitsagentur lehnt den Antrag von Henning S. ab, weil kein Geld vorhanden sei. Auf den Antrag von Ute S. werden 15 Euro für Porto- und 100 Euro für Reise kosten gezahlt, allerdings mit dem Hinweis, dass das Geld nur darlehensweise gegeben werde. Die Kosten für das Kostüm werden nicht übernommen. Geschieht all das zu Recht? Grundsätzlich fördert die Arbeitsagentur nicht nur die Aufnahme einer abhängigen Beschäftigung durch ein so-
2 Förderung der Arbeitsaufnahme 141 genanntes Vermittlungsbudget ( 45, 46 SGB III), sondern auch die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit ( 57 SGB III SGB III). 1. Förderung der Arbeitsaufnahme Ute S. will im Gegensatz zu ihrem Mann eine Beschäftigung als Angestellte aufnehmen. Voraussetzungen der Förderung: Leistungen zur Förderung der Arbeitsaufnahme als Arbeitnehmer können Arbeitslose, aber auch von Arbeitslosigkeit bedrohte Personen erhalten, das heißt Personen, die noch nicht arbeitslos sind, deren Arbeitslosigkeit aber unmittelbar bevorsteht. Die Leistungen müssen notwendig sein, um diesen Erfolg zu erreichen. Um eine Arbeitsaufnahme zu ermöglichen, kann die Arbeitsagentur folgende Kosten (im Allgemeinen gemäß 45 SGB III) übernehmen: Bewerbungskosten (innerhalb eines Jahres werden im Allgemeinen nicht mehr als 260 Euro gewährt); Reise- und Umzugskosten (dazu zählen auch die Kosten, die bei einer persönlichen Vorstellung entstehen, sowie Kosten der Anreise zur Aufnahme einer auswärtigen Arbeit usw.); Arbeitsausrüstung (Arbeitskleidung, Arbeits gerät). Hierfür werden im Allgemeinen nicht mehr als 260 Euro gezahlt. Diese Kosten können nur übernommen werden, wenn die Arbeitsausrüstung üblicherweise vom Arbeitgeber gestellt wird; Trennungsbeihilfe, wenn die Arbeitsaufnahme die Führung eines getrennten Haushalts erfordert. Trennungsbeihilfe wird bis zu einem halben Jahr in Höhe von 260 Euro monatlich gezahlt. Diese Leistungen können neben Arbeitslosen auch von Arbeitslosigkeit bedrohte Arbeitsuchende sowie Ausbildungssuchende in Anspruch nehmen. Dabei sind von
3 142 Weitere Leistungen der Arbeitsagentur Trainingsmaßnahmen Geförderte Maßnahmen Übernahme von Bekleidungskosten Arbeitslosigkeit bedrohte Arbeitnehmer bzw. Arbeitsuchende solche Personen, die gegenwärtig noch versicherungspflichtig beschäftigt sind, aber alsbald mit der Beendigung ihrer Beschäftigung rechnen müssen und dann voraussichtlich arbeitslos werden ( 17 SGB III). Außerdem kann die Arbeitsagentur auch Maßnahmen zur Verbesserung der Eingliederungsaussichten finanzieren, die unter dem Begriff»Trainingsmaßnahmen«laufen. Die Arbeitsagentur zahlt in diesen Fällen Arbeitslosengeld weiter und übernimmt darüber hinaus die Kosten der Maßnahme, wenn diese geeignet und angemessen ist, die Eingliederungsaussichten zu verbessern, und sofern die Teilnahme des Arbeitslosen an der Trainingsmaßnahme auf Vorschlag oder mit Einwilligung der Arbeitsagentur erfolgt ist. Gefördert werden zum Beispiel Trainingsmaßnahmen, die die Eignung des Arbeitslosen für eine berufliche Tätigkeit oder eine entsprechende Leistung feststellen, die Selbstsuche des Arbeitslosen sowie seine Vermittlung fördern, insbesondere durch Bewerbungstraining und Beratung über Möglichkeiten der Arbeitsplatzsuche, außerdem Maßnahmen, die dem Arbeitslosen notwendige Kenntnisse und Fähigkeit vermitteln, um eine Vermittlung in Arbeit erheblich zu erleichtern. Die Dauer der Trainingsmaßnahmen darf im Allgemeinen nur zwischen zwei und acht Wochen (je nach Maßnahme) liegen. Die von Ute S. erbetenen Porto- und Reisekosten sind in dem genannten Katalog aufgeführt und können daher grundsätzlich bewilligt werden. Ob die Kosten für ein Kostüm auch übernommen werden können, hängt davon ab, ob es wirklich unbedingt notwendig ist, dass sich Ute S. bei ihrem zukünftigen Arbeitgeber in einer solchen Kleidung vorstellt (zum Beispiel bei einer Bank eher denkbar als bei einem Produktionsbetrieb) und ob es nicht ausreicht, wenn sie ihre normale Kleidung trägt. Grundsätzlich ist aber auch die Übernahme von Bekleidungskosten möglich.
4 Förderung der Arbeitsaufnahme 143 Bei den Leistungen zur Förderung der Arbeitsaufnahme tritt aber ebenso wie zum Beispiel bei Leistungen der beruflichen Bildung ein großes Problem auf: Der Antragsteller hat keinen Rechtsanspruch darauf! Vielmehr handelt es sich um Ermessensleistungen der Arbeitsagentur, das heißt, wenn die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen erfüllt sind, kann die Arbeitsagentur die Leistungen erbringen, die Arbeitsagentur muss sie aber nicht erbringen. Arbeitslose haben nur einen Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung durch die Arbeitsagentur. Sie haben keinen Anspruch, der auf jeden Fall durchgesetzt werden kann. Das betrifft auch die Entscheidung, ob Leistungen als (rückzahlbare) Darlehen oder (nicht rückzahlbare) Zuschüsse gewährt werden. Dass es sich bei den genannten Leistungen um Ermessensleistungen handelt, heißt nun aber nicht, dass die Arbeitsagentur völlig willkürlich Leistungen versagen darf. Die grundlose Verweigerung von Leistungen stellt eine pflichtwidrige Ausübung des Ermessens durch die Arbeitsagentur dar. Die Arbeitsagentur muss in jedem Einzelfall alle Gründe, die für die Gewährung der beantragten Leistung sprechen, gegen die Gründe, die gegen die Gewährung der beantragten Leistung sprechen, abwägen. Sie muss berücksichtigen, ob der Arbeitslose die finanziellen Mittel hat, um sich die Leistungen selbst zu beschaffen, und ob er höchstwahrscheinlich in absehbarer Zeit eine Arbeit aufnehmen kann. Ferner hat sie das Alter des Arbeitslosen, die Dauer seiner Arbeitslosigkeit, seine Familienverhältnisse und Zukunftsaussichten, ihre Entscheidungen in vergleichbaren Fällen, und auch die Höhe der für solche Leistungen noch zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel zu bedenken. Die Arbeitsagenturen können sich durch Richtlinien, Dienstanweisungen, aber auch durch Entscheidungen in vergleichbaren Fällen derart binden, dass sie in zukünftigen Fällen nicht mehr frei in der Ausübung ihres Ermessens sind, sondern eine bestimmte Entscheidung treffen müssen. Ermessensleistungen
5 144 Weitere Leistungen der Arbeitsagentur Zuschuss und zinsloses Darlehen Ermessensentscheidungen der Arbeitsagentur dürfen von den Sozialgerichten nur eingeschränkt überprüft werden, das heißt nur darauf hin, ob die Arbeitsagentur überhaupt Ermessen ausgeübt hat, die maßgeblichen Gründe dem Antragsteller mitgeteilt wurden, die im Gesetz formulierten Grenzen des Ermessens überschritten wurden bzw. die Arbeitsagentur von dem Ermessen in einer ihm nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Arbeitsagenturen können bestimmte Leistungen zur Förderung der Arbeitsaufnahme als (zinsloses) Darlehen oder Zuschuss, aber auch als Zuschuss und zinsloses Darlehen gewähren. Die von ihnen getroffene Entscheidung, wie die Leistung gewährt wird, muss im Einzelnen begründet und dem Antragsteller schriftlich mitgeteilt werden. Es ist zu akzeptieren, wenn die Arbeitsagentur vorwiegend Darlehen vergibt, um eine größere Personenzahl fördern zu können, als dies bei der Vergabe von Zuschüssen möglich wäre. Ob Kosten für das Kostüm wie es Ute S. beantragt hat übernommen werden müssen (gegebenenfalls auch als Darlehen), hängt unter anderem davon ab, ob die Vorstellung im Kostüm unbedingt notwendig ist. Dies wird nur in wenigen Ausnahmefällen zu bejahen sein. Insgesamt stehen aber auch nur 260 Euro pro Jahr und geförderter Person zur Verfügung. 2. Förderung der Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit Henning S. (siehe Beispiel Seite 140) will nicht als Arbeiter oder Angestellter arbeiten, sondern sich selbstständig machen. Es gibt durchaus Möglichkeiten, sich mit finanzieller Unterstützung der Arbeitsagentur selbstständig zu machen (»Gründungszuschuss«). Voraussetzungen: 1. Ein Arbeitnehmer ist arbeitslos. 2. Er beabsichtigt, eine selbstständige Tätigkeit aufzunehmen. Gründungszuschuss
6 Förderung der Aufnahme einer selbst ständigen Tätigkeit Durch die Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit wird die Arbeitslosigkeit beendet. 4. Die selbstständige Tätigkeit wird hauptberuflich sein. 5. Der Arbeitslose hat bis zur Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit einen Anspruch auf Arbeitslosengeld oder eine andere Entgeltersatzleistung nach dem SGB III oder er hat eine Beschäftigung ausgeübt, die als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme gefördert worden ist. 6. Bei Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit verfügt der Arbeitslose noch über einen Anspruch auf Arbeitslosengeld von mindestens 90 Tagen. Dabei darf die Berechnung des Arbeitslosengelds nicht auf Saisonarbeiten oder Ähnlichem beruhen (siehe Seite 55 f.). 7. Der Arbeitslose muss der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachweisen (zum Beispiel durch die Stellungnahme der Industrie- und Handelskammer, einer Handwerkskammer, einer berufsständischen Kammer, eines Fachverbands oder eines Kreditinstituts) und seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbstständigen Tätigkeit darlegen. 8. Der Arbeitslose hat die Maßnahme beantragt. 9. Der Arbeitslose hat noch nicht das 65. Lebensjahr bzw. (ab 2012) den Zeitpunkt der Regelaltersrente vollendet. Wenn nach Beendigung einer bereits stattgefundenen Förderung noch keine 24 Monate verstrichen sind, kann ein Gründungszuschuss nicht gewährt werden. Liegen alle Voraussetzungen vor, kann der Antragsteller einen Gründungszuschuss erhalten. Als Gründungszuschuss werden für die Dauer von neun Monaten Leistungen in Höhe des bisher bezogenen Arbeitslosengelds gezahlt zuzüglich monatlich 300 Euro, mit denen die soziale Absicherung des Arbeitslosen als Selbstständiger finanziert werden soll. Die Arbeitsagenturen können für weitere sechs Monate (insgesamt also 15 Monate) Leistungen in Höhe von monatlich 300 Euro zahlen, wenn der Arbeitslo- Dauer und Höhe des Gründungszuschusses
7 146 Weitere Leistungen der Arbeitsagentur se seine Geschäftstätigkeit anhand geeigneter Unterlagen darlegt. Der Gründungszuschuss ist keine Ermessensleistung der Arbeitsagentur. Vielmehr besteht, wenn die Voraussetzungen vorliegen, ein Anspruch auf diese Leistung. Henning S. hat einen Anspruch auf Gewährung eines Gründungszuschusses zur Vorbereitung seiner selbstständigen Tätigkeit.
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