Das Verbot der Staatsfinanzierung durch die Notenbank DOGMA ODER NOTWENDIGKEIT?
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- Andrea Meinhardt
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1 Das Verbot der Staatsfinanzierung durch die Notenbank DOGMA ODER NOTWENDIGKEIT?
2 Der rote Faden I. Wortlaut und Reichweite des Verbots 2 II. Was bezweckt das Verbot und wird sein Zweck erreicht? III. Warum wird der Zweck des Verbots nicht erreicht? 1. Der Mechanismus der Staatsfinanzierung durch Giralgeldschöpfung der Geschäftsbanken 2. Kritische Würdigung IV. Dogma oder Notwendigkeit?
3 Art. 123 Abs. 1 AEUV: 3 Überziehungs- oder andere Kreditfazilitäten bei der Europäischen Zentralbank oder den Zentralbanken der Mitgliedstaaten (im Folgenden als nationale Zentralbanken bezeichnet) für Organe, Einrichtungen oder sonstige Stellen der Union, Zentralregierungen, regionale oder lokale Gebietskörperschaften oder andere öffentlichrechtliche Körperschaften, sonstige Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder öffentliche Unternehmen der Mitgliedstaaten sind ebenso verboten wie der unmittelbare Erwerb von Schuldtiteln von diesen durch die Europäische Zentralbank oder die nationalen Zentralbanken.
4 Art. 123 Abs. 1 AEUV (Kurzversion für Nichtjuristen): (1) Der EZB und den nationalen Zentralbanken ist es verboten, der öffentlichen Hand der MitgliedstaatenKredite zu gewähren. 4 (2) Der EZB ist es auch verwehrt, Schuldtitel (insbesondere Staatsanleihen) unmittelbarvon der öffentlichen Hand zu erwerben. Dies ist das sog. Verbot von Primärmarktkäufen.
5 Konsequenzen des Verbots von Primärmarktkäufen 5 Ein Staat, der Geld braucht und eine neue Anleihe begibt, kannnichtaufdiehilfederezbhoffen muss sich stattdessen über die Kapitalmärkte finanzieren muss sich dabei den Gesetzen des Marktes unterwerfen und muss ggf. erhebliche Zinsen zahlen, wenn die Märkte Zweifel an seiner Bonität haben.
6 Primärmarkt und Sekundärmarkt Primärmarkt(auch Emissionsmarkt genannt): 6 Markt für den Erstabsatz neu ausgegebener Wertpapiere Sekundärmarkt(auch Umlaufmarkt genannt): Markt für bereits in Umlauf befindliche ( gebrauchte ) Wertpapiere Wichtigster Sekundärmarkt ist die Wertpapierbörse
7 Sekundärmarktkäufe durch die EZB (I) 7 Sekundärmarktkäufe durch die EZB fallen nicht unter das Verbot des Art. 123 Abs. 1 AEUV. Die EZB kann also in das Marktgeschehen eingreifen und (1) den Kurs der betroffenen Staatsanleihen in die Höhe treiben und (2) die Umlaufrenditefür Anleihen des betroffenen Mitgliedstaates senken. Hierdurch sinken auch die Zinsen, die der betroffene Staat auf neue Staatsanleihen zu zahlen hat!
8 Sekundärmarktkäufe durch die EZB (II) Sekundärmarktkäufe der EZB als verbotene Staatsfinanzierung? 8 OMT-Programmder EZB hat kontroverse Diskussionen unter Ökonomen hervorgerufen. EZB will intervenieren, wenn Anleihekurse auf Marktversagenschließen lassen und Refinanzierung von Staaten gefährden. OMT-Programm ebenfalls Thema im Rahmen der laufenden Verfassungsbeschwerden gegen die Ratifikation des ESM-Vertrages.
9 Zur Funktion des Verbots (I) 9 Das Verbot der Staatsfinanzierung durch die Notenbank soll (1) die Unabhängigkeit der EZB sichern (Schutz vor politischem Druck) (2)eine solide Haushaltspolitik fördern(durch Unterwerfung unter die Gesetze des Kapitalmarktes, fraglich) (3)den Einsatz der Notenpresse zur Finanzierung staatlicher Defizite verhindern(dies ist der eigentliche Sinn und Zweck).
10 Zur Funktion des Verbots (II) Wir halten fest: 10 Das Verbot der Staatsfinanzierung durch die Notenbank soll verhindern, dass im Zuge der Finanzierung staatlicherdefizite neue Zahlungsmittel geschöpft werden.
11 11 Die entscheidende Frage lautet jetzt: Lässt sich das eigentliche Ziel des Art. 123 Abs. 1 AEUV -nämlich zu verhindern, dass im Zuge der Finanzierung staatlicher Defizite neue Zahlungsmittel geschöpft werden - im bestehenden Geldsystem überhaupt verwirklichen?
12 12 Nein! Neue Zahlungsmittel entstehen auch dann, wenn Staatsanleihen am Primärmarkt nicht von der EZB, sondern von Geschäftsbanken erworben werden. Statt einer Staatsfinanzierung durch die Notenbank (mit neuem Zentralbankgeld) findet eine Staatsfinanzierungdurch die Geschäftsbanken(mit neuem Giralgeld) statt. Der Sinn und Zweck des Art. 123 AEUV wird so vereitelt.
13 13 Warum entstehen neue Zahlungsmittel auch dann, wenn eine Geschäftsbank am Primärmarkt Staatsanleihen erwirbt? Wie funktioniert der Mechanismus der Staatsfinanzierung durch Giralgeldschöpfung der Geschäftsbanken?
14 14 Platzierung neuer Staatsanleihen stets über einen ausgewählten Kreis großer Banken. Zwei Möglichkeiten der Abwicklung: (1) Abwicklung über ein Girokontodes Staates bei einer Geschäftsbank (2) Abwicklung über ein Zentralbankkonto des Staates
15 Abwicklung von Primärmarktkäufen (I) (1) Abwicklung über ein Girokonto des Staates bei einer Geschäftsbank 15 Verlängerung der Bankbilanz Dem Aktivum Staatsanleihe steht auf der Passivseite ein entsprechendes Sichtguthaben des Staates gegenüber Das neu geschaffene Sichtguthaben (Giralgeld) erhöht die Geldmenge
16 Abwicklung von Primärmarktkäufen (II) (2) Abwicklung über ein Zentralbankkonto des Staates 16 Zunächst nur Aktivtausch in der Bilanz der Geschäftsbank In der Folge aber Zufluss des vereinnahmten Zentralbankgeldes an den Bankensektor Verlängerung der Bankbilanzen (Giralgeldschöpfung)
17 Zwischenfazit (I) Im Zuge von Primärmarktkäufen von Staatsanleihen wird von den Geschäftsbanken neues Geld Giralgeld geschöpft. 17 Damit tun Geschäftsbanken das, was der EZB verboten ist: Sie finanzieren den Staat undschöpfen dabei neue Zahlungsmittel. Die öffentliche Hand kann also trotz Art. 123 AEUV Geld drucken (Giralgeld, kein Zentralbankgeld). Art. 123 AEUV ist ein Trugbild, da er gleichsam durch die Hintertür seiner Funktion beraubt wird.
18 Zwischenfazit (II) Den Service der Staatsfinanzierung lassen sich die Banken in Form von Zinsen vergüten. Der Staat erlaubt also den Geschäftsbanken, Giralgeld zu schöpfen, um sich dann gegen Zahlung von Zinsen in eben diesem Geld zu verschulden. 18
19 Zwischenfazit (III) 19 William F. Hixson(US-amerikanischer Geschäftsmann und Buchautor, gest. 2010): For the government to permit banks to issue money, borrow that money, and pay interest on it is idiotic. ( Dass eine Regierung Banken erlaubt, Geld zu schaffen, sich dann dieses Geld von ihnen leiht und dafür auch noch Zinsen zahlt, ist idiotisch. )
20 Kritische Fragen zur Staatsfinanzierung durch Geschäftsbanken Was ist besser daran, wenn statt der Notenbank Geschäftsbanken das Geld schöpfen, mit dem der Staat seine Defizite finanziert? 20 Was ist besser daran, wenn die Zinsen, die auf aus dem Nichts geschöpftes Geld gezahlt werden, den Geschäftsbanken zufließen? (Merke: Zinszahlungen an die Notenbank würden über den Notenbankgewinn wieder an den Staatshaushalt zurückfließen!)
21 Wie kann der derzeitige idiotische Zustand beendet werden? Möglichkeit1: 21 Direkte Staatsfinanzierung durch die Notenbank wird für zulässig erklärt. Äußerst kontrovers! Möglichkeit 2: Beendigung der Giralgeldschöpfung der Geschäftsbanken (Vollgeldreform). Eleganter und weniger kontrovers, weil eine direkte Staatsfinanzierung unzulässig bleibt. Es würde im Ergebnis der Zustand herbeigeführt werden, den der jetzige Art. 123 AEUV vergeblich zu schaffen versucht.
22 Dogma oder Notwendigkeit? Im derzeitigen Geldsystem ist das Verbot keine Notwendigkeit. 22 Es gibt keinen Grund, eine Staatsfinanzierung durch die Notenbank mit neu geschöpftem (Zentralbank-) Geld zu verbieten, wenn gleichzeitig eine Staatsfinanzierungdurch Geschäftsbanken mit neu geschöpftem (Giral-)Geld erlaubt ist.
23 Dogma oder Notwendigkeit? In einem Vollgeldsystem wäre das Verbot eine Notwendigkeit. Notenbank erhält volle Kontrolle über die Geldmenge. 23 Geldmenge soll ausschließlich nach monetären und nicht nach fiskalischen Aspekten gesteuert werden. Regierung und Parlament haben der unabhängigen Notenbank keine Weisungen zu erteilen. Der Staat darf seine Defizite daher nicht mit Hilfe der Notenbank finanzieren.
24 Dogma oder Notwendigkeit? Aber: 24 Emission neuen Vollgeldes durch die Notenbank keineverbotene Staatsfinanzierung, da rein geldpolitischmotivierte Maßnahme der Geldmengensteuerung. Entsprechende gesetzliche Klarstellung sinnvoll.
25 Ist das Verbot ein Dogma? 25 Dogma= feststehende Definition oder grundlegende, normative (Lehr-)Meinung, deren Wahrheitsanspruch als unumstößlich festgestellt wird. Bereitschaft, die entsprechende Lehrmeinung in Frage zu stellen, nicht vorhanden.
26 Ist das Verbot ein Dogma? 26 Trotz Eurokrise keine Bereitschaft vorhanden, das Verbot infrage zu stellen. Problem: Staaten in finanzieller Bedrängnis haben wegen Art. 123 AEUV keinen lenderoflast resort. EZB muss daher Kunstgriffe erfinden, um Zins für Krisenstaaten zu drücken (z.b. OMT-Programm). Sekundärmarktkäufe ja, Primärmarktkäufe nein: Warum?
27 Was tun? (I) Gebt den Dogmatikern, was sie zur Aufrechterhaltung ihres Dogmas brauchen. Das Dogma des Verbots der Staatsfinanzierung durch die Notenbank lässt sich nur in einer Geldordnung aufrechterhalten, die zum Dogma passt. 27 Die Theorie passt nicht zur Wirklichkeit! Theorie verwerfen oder Wirklichkeit an Theorie anpassen?
28 Was tun? (II) Anpassung der Wirklichkeit an die Theorie: 28 Vollgeldreform würde Staatsfinanzierung durch Giralgeldschöpfung der Geschäftsbanken beenden. Der Staat könnte seine Defizite daher nicht mehr durch Schöpfung neuer Zahlungsmittel finanzieren. Vollgeldreform würde somit den Zustand herbeiführen, den der Art. 123 AEUV vergeblich zu schaffen versucht.
29 Fazit 29 Die ratiolegisdes Art. 123 Abs. 1 AEUV lässt sich im bestehenden Geldsystem nicht verwirklichen: Die Theorie passt nicht zur Wirklichkeit. Das Verbot der Staatsfinanzierung durch die Notenbank käme in einem Vollgeldsystem zu voller Wirksamkeit. Somit kann man das Verbot auch als Aufforderung zur Umsetzung der Vollgeldreform verstehen.
30 30 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!, Hamburg/Lüneburg
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