Deutscher Mietgerichtstag 2014 Arbeitskreis 6 Kaution bei Eigentümerwechsel, Zwangsverwaltung und Insolvenz
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- Nadja Bruhn
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1 Deutscher Mietgerichtstag 2014 Arbeitskreis 6 bei Eigentümerwechsel, Zwangsverwaltung und Insolvenz Prof. Dr. Florian Jacoby
2 Gliederung I. Fallgestaltungen II. III. Prinzipien Rechte des Mieters in den einzelnen Gestaltungen IV. Zusammenfassung Folie 2
3 Beispiele Der vermietende Eigentümer und der Mieter vereinbaren eine in Höhe von drei Monatsmieten. Der Vermieter unterschlägt die. Welche Ansprüche stehen dem Mieter (während und bei Beendigung) des Mietverhältnisses gegenüber folgenden Personen zu? 1. Dem Erwerber, der das vermietete Grundstück vom vermietenden Eigentümer durch rechtsgeschäftliche Veräußerung erworben hat. 2. Dem Ersteher, der das vermietete Grundstück durch Zuschlag in der Zwangsversteigerung eines Gläubigers gegen den vermietenden Eigentümer erworben hat. 3. Dem Zwangsverwalter, der das Grundstück aufgrund einer gerichtlichen Anordnung im Zwangsverwaltungsverfahren eines Gläubigers gegen den vermietenden Eigentümer verwaltet. 4. Dem Insolvenzverwalter, der das Grundstück verwaltet, weil das Insolvenzverfahren über das Vermögen des vermietenden Eigentümer eröffnet worden ist und der Insolvenzverwalter bestellt worden ist. 5. Dem Zwangsverwalter, der das Grundstück aufgrund einer gerichtlichen Anordnung im Zwangsverwaltungsverfahren eines Grundpfandgläubigers gegen den Insolvenzverwalter verwaltet. 6. Dem Erwerber/Ersteher, der das Grundstück während des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des vermietenden Eigentümers durch freihändige Veräußerung des Insolvenzverwalters bzw. durch Zuschlag in der Zwangsversteigerung eines Grundpfandgläubigers gegen den Insolvenzverwalter erworben hat. Folie 3
4 Grundthese Die jüngeren Entscheidungen des BGH, die einerseits den Anspruch des Mieters in der Insolvenz für eine Insolvenzforderung halten (IX. Senat), andererseits aber Ansprüche gegen den Zwangsverwalter während der Insolvenz (VIII. Senat) und auch gegen den Ersteher aus der Insolvenz (XII. Senat) bejahen, sind nicht miteinander zu vereinbaren. Dieser Konflikt ist im Sinne des IX. Senats zu lösen. Folie 4
5 1. Rechtsgeschäftlicher Erwerb Vermietender Eigentümer Erwerber Mieter 566a BGB leitet Rechte und Pflichten wegen der Sicherheit auf den Erwerber über. Der Mieter wird zu Lasten des Erwerbers geschützt. Folie 5
6 2. Einzelzwangsvollstreckung Vermietender Eigentümer Mieter Vollstreckungsgläubiger Zwangsverwalter Ersteher Vollstreckungsgläubiger kann nur auf (vorhandenes) Vermögen des vermietenden Eigentümers zugreifen. Das gilt auch für Zwangsverwalter, den nach 152 II ZVG die Pflichten des Mieters treffen, ohne dass nach deren Entstehungszeitpunkt unterschieden wird. Verwertung des Grundstücks aktiviert den Vorrang des Mieters vor etwaigen Rechtsnachfolgern ( 566a BGB, 57 ZVG). Folie 6
7 3. Insolvenz Vermietender Eigentümer Insolvenzverwalter Gleichzubehandelnde Gläubigergesamtheit Mieter Insolvenzgläubiger Aussonderungsber. Absonderungsber. Massegläubiger 566a BGB enthält keine Regelung für die Insolvenz des vermietenden Eigentümers. Die Stellung des Mieters muss sich daher unter dem insolvenzrechtlichen Gläubigergleichbehandlungsgrundsatz aus der Einordnung seiner Gläubigerstellung ergeben. Der Mieter ist aussonderungsberechtigt, wenn die separiert wurde. Absonderungsrecht nicht ersichtlich, bloßes Zurückbehaltungsrecht nicht insolvenzfest. Entscheidend ist Abgrenzung von Masseverbindlichkeit und Insolvenzforderung. Abgrenzung hat in Vermieterinsolvenz nach 108 InsO zu erfolgen. Folie 7
8 Einordnung der Ansprüche aus Miete Verfahrenseröffnung Zeit Insolvenzforderungen, 108 III InsO Masseverbindlichkeiten, 55 I Nr. 2, 108 I InsO Folie 8
9 Leitentscheidungen: Insolvenzforderung BGH NJW 2008, 1152: Der Mieter von Wohnraum kann die von ihm geleistete Mietkaution in der Insolvenz des Vermieters nur dann aussondern, wenn der Vermieter sie von seinem Vermögen getrennt angelegt hat; anderenfalls ist der Rückforderungsanspruch lediglich eine Insolvenzforderung. Ebenso BGH NJW 2013, Folie 9
10 Beispiel nach BGH NJW 2013, 1243 Schuldnerin vermietete eine Werkhalle an den Beklagten. Im Mietvertrag vereinbarten die Vertragsparteien, dass der Beklagte an die Schuldnerin eine Barkaution zu zahlen habe. Die Schuldnerin verpflichtete sich, die auf ein auf den Namen des Beklagten lautendes Sonderkonto einzuzahlen. Sie vereinnahmte das Geld, zahlte es aber nicht auf ein Sonderkonto ein. Die Beklagte verweigerte Zahlung von Miete wegen fehlender Separierung der Barkaution. Inzwischen ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet. Der Insolvenzverwalter verlangt offene Miete für den Zeitraum vor Eröffnung. Der Beklagte verteidigt sich weiterhin damit, die Barkaution sei nicht separiert worden, mit Erfolg? Macht es einen Unterschied, wenn das Mietverhältnis vor oder nach Verfahrenseröffnung beendet wurde? Folie 10
11 Gegenauffassung: Masseverbindlichkeit Gegenauffassung: 551 III 3 BGB ist Masseverbindlichkeit wegen Dauercharakter. Parallele zur Erhaltungspflicht: - BGH ZIP 2003, 854: Im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Vermieters begründet der Anspruch des Mieters auf Herstellung eines zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustandes der Mietsache unabhängig davon, ob der mangelhafte Zustand vor oder nach Eröffnung des Verfahrens entstanden ist, bei fortdauerndem Mietverhältnis eine Masseschuld. - BGHZ 184, 253 = NJW 2010, 1292: Der Anspruch des Mieters auf Mangelbeseitigung ist während der Mietzeit unverjährbar. Folie 11
12 Stellungnahme Diese Einordnung entweder als Insolvenzforderung oder als Masseverbindlichkeit ist maßgeblich für alle Folgefragen, die sich in der Insolvenz des Vermieters stellen. Pflicht zur Separierung aus 551 Abs. 3 Satz 3 BGB ist kein Dauerschuldverhältnis, sondern knüpft unmittelbar an den Erhalt der zu separierenden Geldsumme. Wenn diese Überlassung vor Verfahrenseröffnung lag, verweist 108 III InsO Mieter auf Insolvenzforderung. Dieses Ergebnis ist dem Mieter angesichts seiner Stellung gerade im Vergleich zu den anderen Insolvenzgläubigern zumutbar. Folie 12
13 Lösung Bei laufendem Mietverhältnis hat Beklagter Anspruch auf Separierung. - Anspruch ist bloße Insolvenzforderung, 108 III, 38 InsO. - Zurückbehaltungsrecht nach 273 BGB kann nicht auf Insolvenzforderung beruhen, 87 InsO. Bei beendetem Mietverhältnis hat Beklagter Anspruch auf Rückzahlung der. - Aufrechnung mit Insolvenzforderung regeln 94 ff. InsO. - Gegen Miete vor Verfahrenseröffnung hindert 95 I 3 InsO die Aufrechnung, wenn Anspruch erst nach Verfahrenseröffnung fällig wird, insbesondere also bei Beendigung des Mietverhältnisses nach Verfahrenseröffnung. Folie 13
14 III. Rechte des Mieters in den einzelnen Gestaltungen 1. Außerhalb der Insolvenz des vermietenden Eigentümers a) Folge der rechtsgeschäftlichen Veräußerung: 566a BGB b) Folge des Erwerbs im Wege der Zwangsversteigerung: 566a BGB, 57 ZVG c) Folge der Anordnung der Zwangsverwaltung, 152 Abs. 2 ZVG BGH NJW 2009, 1673 (str.): Den Zwangsverwalter einer Mietwohnung trifft auch die Pflicht des Vermieters zur Anlage einer vom Mieter als Sicherheit geleisteten Geldsumme bei einem Kreditinstitut; dies gilt auch dann, wenn der Vermieter die nicht an den Zwangsverwalter ausgefolgt hat. Folie 14
15 These 1 Der durch 566a BGB dem Mieter eingeräumte Schutz vor einer Unterschlagung der durch den vermietenden Eigentümer wirkt außerhalb dessen Insolvenz. Folie 15
16 III. Rechte des Mieters in den einzelnen Gestaltungen 2. In der Insolvenz des vermietenden Eigentümers a) Ansprüche gegen Insolvenzverwalter b) Ansprüche gegen Zwangsverwalter während Insolvenz c) Ansprüche gegen Erwerber/Ersteher aus Insolvenzmasse Folie 16
17 These 2 Der Schutz des Mieters ist nicht insolvenzfest ausgestaltet, weil der Mieter mit seinem Anspruch auf Separierung während des Mietverhältnisses und dem auf Auskehr bei Beendigung des Mietverhältnisses nur Insolvenzgläubiger nach 108 Abs. 3 InsO ist, wenn der vermietende Insolvenzschuldner die vor Verfahrenseröffnung unterschlagen hatte. Folie 17
18 Ansprüche gegen Zwangsverwalter während Insolvenz (1) BGH NJW 2009, 3505: Anlage-/Auskehrpflicht des Zwangsverwalters wegen 152 Abs. 2 ZVG Rn. 13: Es kommt auch nicht darauf an, ob der Mieter [ ] im Rahmen des Insolvenzverfahrens wegen seiner Ansprüche aus der nach 108 Abs. 3, 87 InsO auf eine einfache Insolvenzforderung verwiesen ist. Denn vorliegend geht es nicht um die Rechtsstellung des Mieters in der Insolvenz seines Vermieters, sondern um die Pflichten des Beklagten als Zwangsverwalter gegenüber einem Mieter, dem die Wohnung schon vor der Beschlagnahme überlassen war. [ ] (2) Gegenauffassung: Verweis auf Insolvenzforderung Nach Auffassung des BGH wird Insolvenzgläubiger Mieter aus der Insolvenzmasse vorrangig befriedigt, allein weil ein Zwangsverwaltungsverfahren durchgeführt wird, das in der Insolvenz dem Vorrang der absonderungsberechtigten Grundpfandgläubigern dient. Keine Pflicht des Zwangsverwalters wegen Filterfunktion des 108 III InsO Folie 18
19 Ansprüche gegen Erwerber/Ersteher (1) BGH NJW 2012, 1353: Auf den Ersteher eines vermieteten Grundstücks geht die Verpflichtung zur Rückzahlung der Mietsicherheit an den Mieter kraft Gesetzes auch dann über, wenn der insolvent gewordene Voreigentümer die vom Mieter erhaltene Mietsicherheit nicht getrennt von seinem sonstigen Vermögen angelegt hatte. (2) Gegenauffassung: Verweis auf Insolvenzforderung Nach BGH würde Insolvenzgläubiger Mieter doch wieder mittelbar aus der Masse (Einpreisung bei Erlös) befriedigt werden. Fortwirkung des 108 III InsO wegen Erwerbs aus der Masse, vgl. 111 InsO Folie 19
20 These 3 Infolge der Einordnung des Mieteranspruchs als Insolvenzforderung kann der Mieter während des Insolvenzverfahrens keinen Anspruch gegen einen etwaigen Zwangsverwalter oder Erwerber/Ersteher aus der Masse durchsetzen, weil er anderenfalls als Insolvenzgläubiger aus der Masse vorrangig befriedigt werden würde. Folie 20
21 Zusammenfassung Die jüngeren Entscheidungen des BGH, die einerseits den Anspruch des Mieters in der Insolvenz für eine Insolvenzforderung halten (IX. Senat), andererseits aber Ansprüche gegen den Zwangsverwalter während der Insolvenz (VIII. Senat) und auch gegen den Ersteher aus der Insolvenz (XII. Senat) bejahen, sind nicht miteinander vereinbar. Dieser Konflikt ist im Sinne des IX. Senats zu lösen. Folie 21
22 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Prof. Dr. Florian Jacoby Direktor der Forschungsstelle für Immobilienrecht, Universität Bielefeld Universitätsstr Bielefeld Folie 22
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