Aktuelles zur Umsatzbesteuerung im Insolvenzfall
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- Benedict Zimmermann
- vor 8 Jahren
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1 Aktuelles zur Umsatzbesteuerung im Insolvenzfall Juni 2012 Dr. Christoph Wäger Fall 1: Fall 2: Fall 3: Fall 4: Fall 5: Steuerberechnung und insolvenzrechtliche Aufteilung des Steueranspruchs Vergütung des vorläufigen Verwalters Vorsteuerberichtigung nach 15a UStG Altverbindlichkeiten und Altforderungen Insolvenzanfechtung 1
2 Fall 1: Steuerberechnung und Aufteilung des Steueranspruchs in Insolvenzforderung und Masseverbindlichkeit U hat Voranmeldungen monatlich abzugeben. Das Insolvenzverfahren wird am mit I als Insolvenzverwalter eröffnet, ohne dass zuvor ein vorläufiger Verwalter bestellt wurde. Noch vor Verfahrenseröffnung tätigt U folgende Bargeschäfte: - Warenlieferung (Umsatzsteuer 190 ) und - Warenerwerb (Vorsteuer 19 ). Im Rahmen der Masseverwaltung führt auch I Umsatzgeschäfte aus: - Warenlieferung (Umsatzsteuer 570 ) und - Warenerwerb (Vorsteuer 57 ). Verhältnis UStG zur InsO: Ermittlung Steueranspruch: Nach dem UStG ergibt sich, wie und für welche Zeiträume der Umsatzsteueranspruch zu berechnen ist, während sich nach der InsO bestimmt, wie dieser Steueranspruch durchzusetzen ist. Aufteilung Steueranspruch zur insolvenzrechtlichen Anspruchsdurchsetzung: Der nach dem UStG berechnete Steueranspruch ist in Insolvenzforderung und Masseverbindlichkeit aufzuteilen. Hierfür ist für die einzelnen (den Steueranspruch begründenden) Besteuerungsgrundlagen zu prüfen, ob sie bei gesonderter Beurteilung gemäß 38, 55 InsO als Insolvenzforderung oder Masseverbindlichkeit anzusehen sind. Dies gilt gleichermaßen für steuererhöhende und steuermindernde Besteuerungsgrundlagen. Die Steuerberechnung ist keine Aufrechnung. Beispielsfall: Es ergibt sich umsatzsteuerrechtlich eine Steuerschuld von 684. Dieser Steueranspruch ist insolvenzrechtlich nach 38, 55 InsO in Insolvenzforderung und Masseverbindlichkeit aufzuteilen. Dabei führen die vor Insolvenzeröffnung verwirklichten Umsätze zu einer Insolvenzforderung, die sich auf 171 (190./. 19 ) beläuft, während die danach verwirklichten Umsätzen zu einer Masseverbindlichkeit i.h.v. 513 (570./. 57 ) führen. 2
3 Fall 2: Vergütung des vorläufigen Verwalters Über das Vermögen des U wird am das Insolvenzverfahren eröffnet. I wird Insolvenzverwalter. Im Eröffnungsverfahren war er bereits als vorläufiger Verwalter tätig. Für seine Tätigkeit als vorläufiger Verwalter erteilt er im Februar 02 eine Rechnung mit einem gesonderten Steuerausweis von Im Februar 02 erbringt der Insolvenzverwalter steuerpflichtige Ausgangsleistungen, für die eine Umsatzsteuer von entsteht. Abwandlung: Für den VZ Februar 02 liegen keine anderen Eingangsoder Ausgangsumsätze vor. Grundfall: Die Vergütung des vorläufigen Verwalters gehört zu den Massekosten gemäß 54 InsO, so dass die Tilgung dieser Kosten als Aufgabe der Masseverwaltung angesehen werden kann. Der Vorsteuerabzug aus der Rechnung des vorläufigen Verwalters ist dann der Masseverwaltung i.s.v. 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO zuzuordnen. Der Vorsteuerabzug aus der Rechnung des vorläufigen Verwalters kann mit anderen Besteuerungsgrundlagen des Massebereichs im selben Besteuerungszeitraum verrechnet werden. Abwandlung: Aus der Beurteilung im Grundfall könnte abgeleitet werden, dass gegen einen sich aus dem Vorsteuerabzug ergebenden Vergütungsanspruch nicht mit Insolvenzforderungen aufgerechnet werden kann ( Kongruenz ). Der VII. Senat des BFH bejaht(e) die Aufrechnung mit Insolvenzforderungen aber gleichwohl, da das FA den Vorsteuerabzug nicht erst nach Verfahrenseröffnung zur Masse i.s.v. 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO schuldig werde. In seiner zur KO ergangenen Rechtsprechung stützte der VII. Senat dies darauf, dass es auf eine vollständige Tatbestandsverwirklichung nicht ankomme und daher der zivilrechtliche Sachverhalt (Leistungserbringung) maßgeblich sei, dass keine Kongruenz bei der Zuordnung von Vergütung und Vorsteuerabzug zu den Vermögensmassen bestehe und dass bereits bei Verfahrenseröffnung eine gesicherte Rechtsposition (Anwartschaft) hinsichtlich des Vorsteuerabzugs vorliege, da nur noch die Rechnung des vorläufigen Verwalters fehle. Nach dem BFH-Urteil v VII R 6/10, BStBl II 2011, 374 ist eine Aufrechnung gegen den Vergütungsanspruch mit Insolvenzforderungen allerdings nach 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO (unter Aufgabe früherer Rechtsprechung) unzulässig, da eine anfechtbare Rechtshandlung vorliege. 3
4 Fall 3: Vorsteuerberichtigung nach 15a UStG U hat in 01 ein Grundstück erworben, das er entsprechend der Verwendungsabsicht jeweils zu 40 % steuerfrei und zu 60 % steuerpflichtig vermietet. In 03 wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen des U eröffnet. Der Insolvenzverwalter I veräußert das Grundstück steuerfrei. Abwandlung: I veräußert das Grundstück steuerpflichtig. Umsatzsteuerrechtlich entsteht im Grundfall zu Lasten des Unternehmens ein Berichtigungsanspruch nach 15a UStG, der im Rahmen der Steuerberechnung nach 16 ff UStG mit anderen Besteuerungsgrundlagen zu saldieren ist. Insolvenzrechtlich ist der Berichtigungsanspruch nach der Rechtsprechung beider Umsatzsteuersenate Teil der sich für den Besteuerungszeitraum ergebenden Masseverbindlichkeit (z.b. BFH v V R 24/11, UR 2012, 399). Die Vorsteuerberichtigung gemäß 15a UStG ist danach keine bloße Umkehrung des zuvor in Anspruch genommenen Vorsteuerabzugs, sondern ein eigenständiger Tatbestand, der insolvenzrechtlich erst mit dem Eintritt der Verhältnisänderung als begründet anzusehen ist. Da die Verhältnisänderung durch den Insolvenzverwalter im Rahmen der Masseverwertung bewirkt wird, liegt eine Masseverbindlichkeit vor. Abwandlung: Es kommt zum Entstehen eines Berichtigungsanspruchs zugunsten des Unternehmens. Liegen keine weiteren Besteuerungsgrundlagen vor, entsteht für das Unternehmen ein Vergütungsanspruch. Liegen weitere Besteuerungsgrundlagen vor, ist insolvenzrechtlich nach der Rechtsprechung des V. Senats eine Saldierung mit den Besteuerungsgrundlagen möglich, die bei gesonderter Beurteilung ebenfalls den Charakter einer Masseverbindlichkeit aufweisen. Folge dieser Betrachtung wäre eigentlich, die Aufrechnung mit einer Insolvenzforderung gegen einen Vergütungsanspruch, der auf einer Vorsteuerberichtigung zugunsten des Unternehmers beruht, nicht zuzulassen. Demgegenüber geht der VII. Senat des BFH von der Zulässigkeit der Aufrechnung für diesen Fall aus. Eine anfechtbare Rechtshandlung liegt bei Veräußerung durch den Insolvenzverwalter nach Insolvenzeröffnung wohl nicht vor. 4
5 Fall 4: Altverbindlichkeiten und Altforderungen Wie Fall 1, U unterliegt der Sollbesteuerung. Vor der Insolvenzeröffnung - erwirbt U am Ware für sein Unternehmen ohne Zahlung unter Eigentumsvorbehalt (Vorsteuer 38 ) und - liefert Ware gegen Rechnung (Umsatzsteuer 380 ) aus. Im Februar 02 wird von I im Rahmen der Masseverwaltung - bei gleichzeitiger Kaufpreiszahlung der Kauf unter Eigentumsvorbehalt genehmigt und - der Kaufpreis für die Lieferung vom vereinnahmt. Altverbindlichkeiten: Die Vorsteuer aus bis zur Insolvenzeröffnung bezogenen, aber bis dahin nicht bezahlten Eingangsleistungen ist im Augenblick und damit eine juristische Sekunde vor Insolvenzeröffnung gemäß 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG wegen Uneinbringlichkeit zu berichtigen. Diese erste Berichtigung zu Lasten des Unternehmens ist bei der Berechnung der Insolvenzforderung für den Besteuerungszeitraum der Insolvenzeröffnung zu berücksichtigen (vgl. BFH v V R 59/79, BStBl II 1987, 226). Erfolgt nach Insolvenzeröffnung noch eine Zahlung durch den Insolvenzverwalter, weil dieser z.b. Vertragserfüllung nach 103 InsO wählt, kommt es zu einer zweiten Berichtigung zugunsten des Unternehmens gemäß 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG, wobei der dann entstehende Vorsteuerabzug im Massebereich (des 55 InsO) zu berücksichtigen ist (BFH v V R 14/09, BStBl II 2011, 988). Altforderungen: Gleiches gilt für die bis zur Insolvenzeröffnung noch nicht vereinnahmten Entgelte aus bis dahin erbrachten Leistungen. Auch diese Entgelte werden im Augenblick der Insolvenzeröffnung i.r. einer ersten Berichtigung uneinbringlich, so dass ein bei der Berechnung der Insolvenzforderung zu berücksichtigender Berichtigungsanspruch für das Unternehmen entsteht. Maßgeblich ist, dass nicht mehr der Unternehmer selbst, sondern nur noch der Insolvenzverwalter i.r. der Masseverwaltung vereinnahmungsbefugt ist. Vereinnahmt der Insolvenzverwalter das Entgelt für die Altforderung, kommt es zu einer zweiten Berichtigung, die zu einer Masseverbindlichkeit führt (BFH v V R 22/10, BStBl II 2011, 996). Verhältnis zur Aufrechnung: Hier besteht m.e. kein Widerspruch, da der VII. Senat des BFH bei Altforderungen die Aufrechnung (zumindest) gegen den Vergütungsanspruch aus der ersten Berichtigung zulässt. 5
6 Fall 5: Insolvenzanfechtung Das Insolvenzverfahren über das Vermögen des U wird am um 8.00 Uhr eröffnet. Das FA ist Insolvenzgläubiger. Es beabsichtigt die Aufrechnung in folgenden Fällen: Fall A: Vergütungsanspruch für März 04, der sich aus dem Vorsteuerabzug für die Rechnung des vorläufigen Verwalters ergibt. Fall B: Für die VZ Januar und Februar 04 hat U Vergütungsansprüche aufgrund von Vorsteuerüberschüssen geltend gemacht. Das FA will hiergegen mit einem Vorsteuerberichtigungsanspruch aufrechnen, da U die bezogenen Leistungen bis zur Insolvenzeröffnung nicht bezahlt hatte. Fall C: U hat im Januar und Februar 04 weder Leistungen bezogen noch erbracht. Es ist gleichwohl eine Vorsteuerberichtigung für Leistungsbezüge aus dem Vorjahr vorzunehmen, die U bis zur Insolvenzeröffnung nicht bezahlt hat. Mit dem sich hieraus ergebenden Vergütungsanspruch will das FA gegen einen Anspruch auf Investitionszulage aufrechnen. Fall D: U hat wiederum im Januar und Februar 04 weder Leistungen erbracht noch bezogen. Es liegen keine unbezahlten Eingangsleistungen, aber offene Forderungen aus Ausgangsleistungen vor, so dass sich für U ein Steuerberichtigungsanspruch ergibt. Das FA will hiergegen mit seinem Anspruch auf Umsatzsteuer 01 aufrechnen. Nach 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO ist die Aufrechnung unzulässig, wenn ein Insolvenzgläubiger die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat. Rechtshandlungen, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind und die Insolvenzgläubiger benachteiligen, kann der Insolvenzverwalter gemäß 129 Abs. 1 InsO nach Maßgabe der 130 bis 146 anfechten. 6
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