Deutscher Bundestag Drucksache 19/2671. Antrag. 19. Wahlperiode

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Transkript:

Deutscher Bundestag Drucksache 19/2671 19. Wahlperiode 12.06.2018 Antrag der Abgeordneten Dr. h. c. Thomas Sattelberger, Nicola Beer, Dr. Jens Brandenburg (Rhein-Neckar), Mario Brandenburg, Britta Katharina Dassler, Katja Suding, Grigorios Aggelidis, Renata Alt, Christine Aschenberg-Dugnus, Nicole Bauer, Jens Beeck, Carl-Julius Cronenberg, Hartmut Ebbing, Dr. Marcus Faber, Daniel Föst, Thomas Hacker, Katrin Helling-Plahr, Markus Herbrand, Katja Hessel, Manuel Höferlin, Reinhard Houben, Ulla Ihnen, Olaf in der Beek, Gyde Jensen, Thomas L. Kemmerich, Daniela Kluckert, Pascal Kober, Dr. Lukas Köhler, Carina Konrad, Konstantin Kuhle, Alexander Graf Lambsdorff, Ulrich Lechte, Michael Georg Link, Oliver Luksic, Alexander Müller, Roman Müller-Böhm, Frank Müller-Rosentritt, Dr. Martin Neumann, Hagen Reinhold, Dr. Stefan Ruppert, Christian Sauter, Matthias Seestern-Pauly, Judith Skudelny, Bettina Stark-Watzinger, Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann, Benjamin Strasser, Michael Theurer, Manfred Todtenhausen, Dr. Andrew Ullmann, Nicole Westig und der Fraktion der FDP Gründung einer Agentur für radikale Innovation Der Bundestag wolle beschließen: I. Der Deutsche Bundestag stellt fest: Deutschland verfügt über eine vielfältige Innovations- und Forschungslandschaft, die eine Breite der Themengebiete von der Grundlagen- bis zur Anwendungsforschung einbezieht. Das deutsche Innovationssystem ist besonders gut dazu geeignet, Innovationen hervorzubringen, die evolutionär auf etablierten Technologien, Produkten, Dienstleistungen und Geschäftsmodellen andocken bzw. aufbauen. USA, China und Israel hingegen entwickeln in verstärktem Maße auch vollkommen neue Technologien, Produkte und Geschäftsmodelle und verweisen Deutschland hier auf einen mittleren Platz. Forschung hat zudem den Auftrag, in die Realität zu wirken und aus gewonnenen Erkenntnissen Lösungen für technologische, ökonomische, gesellschaftliche und soziale Probleme abzuleiten. Eine umfassende Kultur des Transfers dieses Wissens von der Grundlagenerkenntnis in die Anwendung hat sich in den bestehenden Strukturen der deutschen Forschungsförderung bisher nicht im ausreichenden Maß herausgebildet. Das liegt unter anderem auch darin begründet, dass sich die im Grundsatz leistungsfähigen Forschungsstrukturen Deutschlands nicht auf eine durchgehende Forschungspipeline ausrichten (von der Grundlagenforschung über die vorwettbewerbliche For-

Drucksache 19/2671 2 Deutscher Bundestag 19. Wahlperiode schung bis hin zur Anwendungsforschung), sondern sich in der Regel auf ein Teilsegment dieser Forschungspipeline fokussieren (etwa Fraunhofer auf die Anwendungsforschung, Max Planck auf die Grundlagenforschung usw.), damit wird aber auch der zunehmenden Überlagerung beider Forschungsansätze nur bedingt Rechnung getragen. Vor diesem Hintergrund haben Vertreter der Wissenschaft (aus Max-Planck-Gesellschaft, acatech und Fraunhofer-Gesellschaft) und Unternehmen der Wirtschaft (C. H. Boehringer Sohn AG & Co. KG, United Internet AG und BMW AG) unter Koordination des Präsidenten der Max-Planck-Gesellschaft, Prof. Dr. Martin Stratmann ab November 2016 das deutsche Fördersystem untersucht und dabei den Mangel an Sprunginnovationen sowie an Instrumenten und Mechanismen zur Sprunginnovation in Deutschland analysiert. Sprunginnovationen bezeichnen eine komplett neue Technologie bzw. Idee, die vor allem aus dem interdisziplinären Wirken verschiedener Bereiche entsteht, die auf eine vollkommen neue Art Probleme löst bzw. zu einer neuen, bisher unbekannten Entwicklungsstufe springt. Sprunginnovationen entstehen häufig, wenn experimentell agiert wird und neue unerprobte Methoden zur Prototyp-Entwicklung respektive Problemlösung genutzt werden. Als jüngere Beispiele können die Entstehung des Internet (als neue Basistechnologie) oder das iphone mit dem dazugehörigen Ökosystem (als neues Geschäftsmodell) aufgeführt werden. Sprunginnovationen werden von etablierten Akteuren in der Regel nicht verfolgt, weil ihre Entstehung in inkrementellen Prozessen nicht abbildbar ist. Erfolg bei inkrementellen Innovationen geht daher häufig mit mangelnder Berücksichtigung radikal neuer Chancen einher. Sprunginnovationen sind nicht nur bahnbrechende Innovationen. Sie stärken auch unsere strategische Autonomie und können Deutschland in wichtigen Sektoren eine wirtschaftliche Führungsrolle bescheren bzw. diese festigen. Um im internationalen Innovationswettbewerb wieder Anschluss zu finden, schlagen die oben genannten Vertreter die Schaffung einer eigenständigen Agentur zur Förderung von Sprunginnovationen nach dem Modell der US-amerikanischen Defense Advanced Research Projects Ageny (DARPA) vor. Diese soll nicht innerhalb, sondern ergänzend zu den bisherigen Forschungsförderstrukturen Anreize für die Durchführung neuer, richtungsweisender sowie besonders wagemutiger Forschungs- und Entwicklungsprojekte setzen. Die im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD festgehaltene Agentur für Disruptive Innovationen in der Cybersicherheit und Schlüsseltechnologien (ADIC), getragen vom Bundesministerium der Verteidigung und dem Bundesministerium des Innern, ist ein wichtiger Baustein, wird jedoch nicht genügen, um dem Anspruch der Sicherstellung umfassender technologischer Innovationsführerschaft gerecht zu werden. Sie deckt vor allem den sicherheits- bzw. militärtechnologischen Bereich ab. Eine Agentur für radikale Innovation muss ihren Schwerpunkt auch auf den zivilen Sektor legen. Gleichzeitig ist realistischerweise oft von einer Dual-Use-Forschung auszugehen. Die DARPA wurde 1958 im Zuge des sogenannten Sputnik-Schocks gegründet. Mit dem Arpanet legte die DARPA die Grundlage für das heutige Internet. Zudem hat sie federführend oder maßgeblich bei der Entwicklung von Technologien wie dem US- Navigationssystem GPS, dem autonomen Fahren sowie bei der Entwicklung von Spracherkennungs-Software, Computerchips, Touchscreens etc. mitgewirkt. Neben den USA haben zwischenzeitlich weitere Länder Institutionen geschaffen und entsprechende Rahmenbedingungen für Sprunginnovationen errichtet. Als Beispiel sind der Industrial Strategy Challenge Fund in Großbritannien, die Innosuisse in der Schweiz oder auch Vinnova in Schweden zu nennen. Als landesweite US-Agentur verfügt die DARPA heute über ein jährliches Budget von rund 3 Milliarden US-Dollar und beschäftigt 220 Mitarbeiter, wovon rund 100 Programm-Manager sind. Mit dieser schlanken Struktur betreut sie um die 250 Forschungs- und Entwicklungsprogramme an sechs Standorten. Die Programm-Manager

Deutscher Bundestag 19. Wahlperiode 3 Drucksache 19/2671 zeichnen sich durch herausragende Leistungen in ihrem jeweiligen Fachgebiet aus. Sie werden nur für eine begrenzte Zeit von drei bis fünf Jahren aus dem Hochschulbereich, der Industrie, dem Wagniskapitalbereich bzw. der Administration gewonnen. In den USA sind temporäre Wechsel in vielen Bereichen kulturell verankert. Das deutsche Forschungssystem kennt das kaum. Dies steht jedoch im Zentrum des DARPA-Modells. Die zeitlich befristete Anstellung ist ein Anreiz für die Projektmanager, technologische Sprünge im jeweiligen Fachgebiet dynamisch, zügig und innerhalb kürzester Zeit voranzutreiben. Hier müssen in Deutschland passende und akzeptierte Spielregeln für diese Art von cross-sektoraler Durchlässigkeit geschaffen werden. Ein zentrales Element der DARPA ist die Ausschreibung von Wettbewerben. Mit den DARPA Grand Challenges wurde in der Mitte der 2000er-Jahre der Grundstein für das autonome Fahren gelegt. Aus den damaligen Wettbewerben mit millionenschweren Preisgeldern ist ein Nukleus der Entwicklung für diese Technologie entstanden. Ähnliche Trends zeigen sich beim DARPA Robotics Challenge, der einen Roboter- Prototyp für gefährliche Situationen entwickelt hat. Die aktuelle DARPA Launch Challenge 2018 soll kostengünstig Lasten in das Weltall transportieren. Solche Prototyp-Wettbewerbe bringen nach dem Prinzip des Crowdsourcing Akteure zusammen, die in den etablierten Strukturen der Forschungsförderung oft nicht vertreten sind. Sie sind so Initialzündung für zuvor unbekannte Themen, unkonventionelle Denkweisen, frische Forschungsideen sowie für neue Produkte, Dienstleistungen und Geschäftsmodelle. Durch diese Wettbewerbe werden außerdem Wagniskapitalgeber auf neue Start- Ups und Ideen aufmerksam. Mit den neuen Geschäftsmodellen lassen sich im Erfolgsfall häufig innovative neue Märkte mit hohen Umsatzpotenzialen und Kundenvolumina sowie potenziell hoher Börsenmarktkapitalisierung erschließen. Allerdings ist auch die Wahrscheinlichkeit hoch, dass Projekte gänzlich scheitern oder andere als die intendierten Ziele erreichen. Das Prinzip des high risk high gain durchdringt die Arbeit von DARPA. Für solche Projekte besteht in Deutschland eine Förderlücke. Private Investoren sind oft zu risikoavers, um in dem frühen Stadium entsprechende, auf radikale Innovationen ausgerichtete Projekte mit Geldmitteln zu fördern bzw. zu unterstützen. Hier ist ein klassisches Marktvakuum jedenfalls in Deutschland festzustellen. Daher muss auch die Förderung von Sprunginnovation als politisch geförderte Aufgabe verstanden werden. Denn Wagniskapital fließt erst, wenn ein bestimmter Grad an konzeptioneller und kommerzieller Tragfähigkeit erreicht ist bzw. die Wahrscheinlichkeit von Risiken sinkt oder aber die Investitionsmittel insgesamt überschaubar sind. Sprunginnovationen sind hingegen vergleichsweise teuer, die genauen Erkenntnisgewinne daraus sind mikroökonomisch unbekannt, das Wagnis ist hoch und die Rendite nicht kalkulierbar bzw. die Wahrscheinlichkeit des Totalverlustes ebenfalls hoch. Die neue Agentur soll in gesellschaftlich relevanten Bereichen ambitionierte und für private Investoren zu risikobehaftete Herausforderungen identifizieren und Innovatoren starke Anreize dafür bieten, mittels Prototypen potenzielle Lösungen für diese Herausforderungen zu entwickeln. Nicht nur wirtschaftlich wirkende Projekte, sondern auch gesellschaftlich und sozial wirkende Projekte sollten angestoßen und realisiert werden. Mit der Einrichtung der Agentur soll so ein wichtiger Beitrag dazu geleistet werden, die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands, gerade in Zeiten radikalen Wandels, zu festigen und auch auszubauen. Die Schaffung einer Agentur für radikale Innovation ist daher ein wesentliches Element zur Stärkung der Innovationskraft und Zukunftsfähigkeit Deutschlands im 21. Jahrhundert. Ziel muss es sein, dass wir in den Schlüsseltechnologien, wie beispielsweise Künstliche Intelligenz, Quantentechnologie, Cybersicherheitstechnologien, Blockchain, Luft- und Raumfahrt, Robotik oder aber auch Biotechnologie und neuen Werkstoffen, im weltweiten Wettbewerb mit Akteuren aus China, dem Silicon Valley, Israel oder auch anderswo gleichziehen bzw. mithalten können.

Drucksache 19/2671 4 Deutscher Bundestag 19. Wahlperiode Die Agentur muss ein für öffentliche Institutionen außerordentlich hohes Maß an Unabhängigkeit von politischer Steuerung, Einflüssen und Kontrolle sowie eine große Freiheit und absolute Flexibilität beim Management ihrer Programme erhalten. Die Bürokratie muss auf ein Mindestmaß beschränkt bleiben. Die Prozesse müssen agil sein. Die Programm-Manager müssen frei von Zwängen in einem unternehmerischen Kulturumfeld ihre Ideen sowie ihre Agenda treiben dürfen. Ohne diese Voraussetzungen kann die vorgeschlagene Agentur keine Ergänzung der bestehenden Forschungslandschaft darstellen und hätte daher auch keinen Mehrwert als Schrittmacher von Sprunginnovationen. Innerhalb einer der bisherigen Forschungseinrichtungen oder als Netzwerk von Forschungseinrichtungen ist die notwendige Agilität nicht zu erfüllen und die Agentur wäre damit nicht ausreichend handlungsfähig. II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, in Deutschland eine Agentur für radikale Innovation (Sprunginnovation) zu gründen und damit diese signifikante Lücke in der bisherigen Innovationslandschaft zu schließen. Die Agentur soll mit ihren Projekten und ihrer Arbeit in deutlich kürzerer Zeit als in schon bestehenden Einrichtungen entscheidende technische und wissenschaftliche Fortschritte erzielen, die eine unmittelbare Transition in radikale Innovation möglich machen. Die Agentur für radikale Innovation soll wie folgt aufgestellt sein: 1. Governance Eine Führungs- und Organisationsstruktur, die mit kleinen und fachlich spezialisierten Einheiten arbeitet. Seitens der Politik muss in Bezug auf die allgemeinen täglichen Arbeiten (operatives Geschäft) der Agentur, aber auch die Steuerung und Überwachung, absolute Distanz gewahrt und der Agentur eine flexible Verwendung ihres Budgets überlassen werden. Vor diesem Hintergrund soll auch die Möglichkeit einer Stiftungslösung, eines Vereins oder einer ggmbh geprüft werden. Die Leitungsebene der Agentur soll für eine Dauer von mindestens sechs Jahren auf Vorschlag eines Aufsichtsrates vom Bundespräsidenten bzw. der Bundespräsidentin ernannt werden. Dem Aufsichtsgremium sollen innovationserprobte bzw. disruptionserfahrene Wissenschaftler, Unternehmer und Erfinder angehören. Hinsichtlich der Mittelvergabe verfügt sie über eine weitgehende Unabhängigkeit. Dabei muss sie eigenverantwortlich auf verschiedene Instrumente wie Innovationswettbewerbe, Forschungszuschüsse, Vergabe von Verträgen sowie die Leitung der Programme zurückgreifen können. Die Hierarchiestrukturen sollten möglichst flach sein und die Programm-Manager, die zentraler Erfolgsschlüssel der Agentur sind, vollkommen agil und frei handeln können. Die hochkarätigen Programm-Manager, die technologische Trends und Herausforderungen eigenständig erkennen, werden aufgrund einer konkreten technologischen Vision zu einem bestimmten Thema für eine begrenzte Beschäftigungsdauer (drei bis fünf Jahre) angestellt. Damit soll sichergestellt werden, dass einerseits eine Verwurzelung in Forschung und Praxis erhalten bleibt und sie andererseits ihre Projekte parallel, agil, proaktiv und unabhängig vorantreiben. 2. Innovative Wettbewerbe und weitere Instrumente Die zentrale Säule der Struktur sind innovative Wettbewerbe, welche sich schnell, mit geringem organisatorischem Aufwand und hoher Inzentivierung aber vergleichsweise günstig umsetzen lassen. So können durch konkrete, ambitioniert angelegte Wettbewerbe bestehende Pfadabhängigkeiten durchbrochen, neue Akteure an Innovationsprozessen beteiligt, das breite öffentliche Interesse für gesellschaftlich relevante Innovationen geweckt und die Schaffung von Sprunginnovationen gefördert werden. Dabei sollen Einzelpersonen oder Teams durch eigenbestimmte Leistungen und Ressourcen

Deutscher Bundestag 19. Wahlperiode 5 Drucksache 19/2671 als Erste oder Beste ein zuvor definiertes Ziel erreichen. Gewinner sollen öffentlichkeitswirksam mit Anerkennung und einem nennenswerten Geldpreis geehrt werden. Durch geringe administrative Beschränkungen soll ein möglichst großer Kreis an Akteuren zur Teilnahme an Innovationsprozessen gewonnen werden. Die Agentur soll zu Beginn verschiedene Preise mit unterschiedlichem Umfang, Dauer und Modalität ausschreiben, um Erfahrung und Erkenntnisse mit dem neuen Instrument zu gewinnen. Aus den gewonnen Erkenntnissen wird sich über die Zeit eine optimale Gestaltung herausbilden. Scheitern ist dabei ein Indikator für Experimentierfreude, Agilität und Innovationsdrang. Daneben sollen weitere gängige und innovative Instrumente der Prototyp-Entwicklung genutzt werden. Initiatoren wie Gutachter des Wettbewerbs sollen Erfahrungen mit high risk -Initiativen besitzen. Die Ergebnisse der Challenges sollten in der breiten Fachöffentlichkeit diskutiert werden, um möglicherweise noch unentdeckte Potenziale zur Innovation in Wirtschaft und Gesellschaft zu erschließen. Disruption ereignet sich oft auch dann, wenn eine Erkenntnis mit einem völlig anderen Kontext in Berührung kommt. Im Interesse des Wissens- und Technologietransfers gerade in den Mittelstand sollten insbesondere Multiplikatoren (Technologieberatungen, Industrie- und Handelskammern usw.) eingebunden werden. 3. Vernetzung Es sollte angestrebt werden, die Agentur so bald wie möglich supranational oder auch im Verbund mit der Wirtschaft, im Sinne einer Public Private Partnership (PPP), auszubauen und zu führen. Das würde Innovationen verstärken, da sich mehr Teilnehmer aktivieren lassen und auch mehr Projekte finanziert werden könnten. Denkbar wäre in diesem Zuge eine europäische Agentur als Integrationsprojekt einer Gruppe vorangehender EU-Mitgliedstaaten (Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten) unter Einbezug Deutschlands, Frankreichs sowie der skandinavischen Staaten, die auch innovativen Nicht-EU-Staaten wie Norwegen, Schweiz, Israel oder künftig Großbritannien offenstehen würde. Zudem könnte eine Dopplung von Funktionen vermieden sowie die Unabhängigkeit von nationalen Einflüssen gestärkt werden. Agilität und Unabhängigkeit der Agentur dürfen gerade im Zuge der möglichen Bildung eines supranationalen Verbundes nicht gefährdet werden. 4. Gewinnung von Wettbewerbsteilnehmern Um Innovationen breit zu denken und auch interdisziplinär zu handeln, soll die Zahl der Bewerber möglichst hoch und vielfältig sein. Das Potenzial bei Innovationswettbewerben kann nur dann bestmöglich ausgeschöpft werden, wenn die Eintrittsbarrieren für Bewerber so niedrig wie möglich gehalten werden. Auf restriktive Anforderungen jeglicher Art (Rechtsform, Größe oder finanzielle Stabilität der Bewerber) ist bewusst zu verzichten. Als Teilnahmevoraussetzungen soll lediglich eine Registrierung nötig sein. Um gezielt die Innovationsfähigkeit Deutschlands beziehungsweise Europas zu fördern, muss mindestens ein relevantes Team-Mitglied (natürliche oder juristische Personen) eine Staatsbürgerschaft bzw. seinen Hauptsitz (auch bei Konzernen) in der Europäischen Union bzw. einem vollassoziierten Partnerland haben. Die Forschungsdurchführung selbst muss in einem EU-Land bzw. einem assoziierten Land erfolgen. Um die Finanzierungslücke und den Transfer zwischen der Entwicklung eines Demonstrators oder einer Technologie im Rahmen eines Innovationswettbewerbs oder eines aktiv gemanagten Projekts und einer Markteinführung zu schließen, soll die Agentur auch eine enge Zusammenarbeit mit Wagniskapitalgebern, Verwertungsgesellschaften sowie der Wirtschaft anstreben. 5. Budget Das Budget der Agentur soll im ersten Jahr 20 Millionen Euro betragen, um Innovationswettbewerbe mit der durchschnittlichen Größenordnung von 500.000 bis zu 2 Millionen Euro zu konzipieren und durchführen zu können. Infolge gewonnener Erfahrung und erprobter Prozesse sollte mittelfristig, innerhalb von drei bis fünf Jahren, ein

Drucksache 19/2671 6 Deutscher Bundestag 19. Wahlperiode Budgetrahmen auf 500 Millionen Euro pro Jahr für Wettbewerbe verschiedener Größe sowie insbesondere aktiv gemanagte Projekte gesteigert werden. Es sind zusätzlich Projekte in der Größenordnung von 3 Millionen bis 30 Millionen Euro zu konzipieren und es müssten rund 50 Programm-Manager angestellt werden. Ein Etat in dieser Größenordnung würde es ermöglichen, dass die Agentur die Finanzierung von Projekten mit potenziell hoher Durchschlagskraft bei gleichzeitiger Risikostreuung über mehrere Projekte hinweg verteilen und angehen könnte. Zum optimalen Einsatz und zur Erzielung des bestmöglichen Ergebnisses sollen abzüglich der Verwaltungs- und Personalkosten zwei Drittel des Etats in innovative Wettbewerbe und ein Drittel in andere Maßnahmen fließen. Berlin, den 5. Juni 2018 Christian Lindner und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333