Französisches Kindergeld für EU-Bürger mit Kindern in anderen EU-Staaten

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Transkript:

Französisches Kindergeld für EU-Bürger mit Kindern in anderen EU-Staaten 2018 Deutscher Bundestag

Seite 2 Französisches Kindergeld für EU-Bürger mit Kindern in anderen EU-Staaten Aktenzeichen: Abschluss der Arbeit: 8. August 2018 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen.

Seite 3 1. Fragestellung Zahlt Frankreich Kindergeld an in Frankreich lebende EU-Bürger, deren Kinder im Ausland leben? Vorbemerkung zum folgenden : Die Antwort wurde in Zusammenarbeit mit der Botschaft der Französischen Republik in Berlin erstellt. 2. Französisches Recht Die französischen Rechtsvorschriften über Familienleistungen schreiben sowohl den Kindern, die Anspruch auf diese Leistungen haben, als auch den Personen, die gegenüber diesen Kindern unterhaltsverpflichtet sind, einen Wohnsitz in Frankreich vor. Artikel L. 512-1 des code de la sécurité sociale (CSS) bestimmt, dass jede in Frankreich wohnhafte französische oder ausländische Person, die ein oder mehrere Kinder mit Wohnsitz in Frankreich hat, für diese Kinder Familienleistungen erhält. 3. Geltung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 In Frankreich gilt jedoch, wie in Deutschland auch, bei Familienleistungen in grenzüberscheitenden Fällen (s.o., die berechtigten Personen und/oder die berechtigten Kinder leben in unterschiedlichen EU-Mitgliedstaaten) vorrangig europäisches Recht. Dann ist die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit 1 (im Folgenden VO) anzuwenden. Artikel 67 VO bestimmt, dass eine Person auch für Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats hat, als ob die Familienangehörigen in diesem Mitgliedstaat wohnen würden. Ein Rentner hat jedoch Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des für die Rentengewährung zuständigen Mitgliedstaats. Artikel 68 VO kommt dann zur Anwendung, wenn für denselben Zeitraum und für dieselben Familienangehörigen Leistungen nach den Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten zu gewähren sind. Diese Anspruchskonkurrenzen sind anhand der Rangfolgeregelung des Artikels 68 VO aufzulösen. Anhand der Rangfolgeregelung ergibt sich, welcher EU-Mitgliedstaat vor- bzw. nachrangig für die Zahlung des Kindergeldes zuständig ist. Dabei ist entscheidend, ob das Kindergeld 1 Amtsblatt der Europäischen Union, L 166, 30. April 2004.

Seite 4 in zwei oder mehreren Mitgliedstaaten aus unterschiedlichen oder aus denselben Gründen zu gewähren ist. 2 In den Fällen, in denen das Kindergeld in mehreren EU-Mitgliedstaaten aus unterschiedlichen Gründen 3 zu gewähren ist, ermittelt sich der Vorrang wie folgt (Art. 68 Abs. 1 Buchstabe a VO): an erster Stelle stehen die durch eine Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausgelösten Ansprüche, darauf folgen die durch den Bezug einer Rente ausgelösten Ansprüche und schließlich die durch den Wohnort ausgelösten Ansprüche. In den Fällen, in denen das Kindergeld in mehreren EU-Mitgliedstaaten aus denselben Gründen 4 zu gewähren ist, zieht die VO folgende Kriterien heran: bei Ansprüchen, die durch eine Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder, unter der Voraussetzung, dass dort eine solche Tätigkeit ausgeübt wird, und subsidiär gegebenenfalls die nach den widerstreitenden Rechtsvorschriften zu gewährende höchste Leistung (Art. 68 Abs. 1 Buchstabe b Ziffer i VO); bei Ansprüchen, die durch den Bezug einer Rente ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder, unter der Voraussetzung, dass nach diesen Rechtsvorschriften eine Rente geschuldet wird (Art. 68 Abs. 1 Buchstabe b Ziffer ii VO); bei Ansprüchen, die durch den Wohnort ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder (Art. 68 Abs. 1 Buchstabe b Ziffer iii VO). Der nach den Rangfolgeregelungen vorrangig zuständige EU-Mitgliedstaat hat Kindergeld in voller Höhe zu gewähren (Art. 68 Abs. 2 Satz 1 VO). Im nachrangig zuständigen EU-Mitgliedstaat ruht hingegen der Anspruch auf Kindergeld in Höhe des Betrags, der nach den Rechtsvorschriften des vorrangig zuständigen EU-Mitgliedstaates vorgesehen ist. 2 Vgl. dazu und zu weiteren Ausführungen: Familienkasse: Kindergeld in grenzüberschreitende Fällen, Stand August 2017, unter: https://www.arbeitsagentur.de/familie-und-kinder/downloads-kindergeld-kinderzuschlag; Familienkasse Direktion: Durchführungsanweisung zum über- und zwischenstaatlichen Recht, Stand Juni 2015, unter: https://con.arbeitsagentur.de/prod/apok/ct/dam/download/documents/fw_ba013318.pdf, beides abgerufen am 8. August 2018. 3 Unterschiedliche Gründe liegen zum Beispiel vor, wenn ein Elternteil in einem EU-Mitgliedstaat erwerbstätig ist und der andere in einem anderen EU-Mitgliedstaat eine Rente bezieht. 4 Dieselben Gründe liegen vor, wenn beide Elternteile in unterschiedlichen EU-Mitgliedstaaten eine Beschäftigung oder selbständige Erwerbstätigkeit ausüben oder beide eine Rente beziehen oder bei beiden Elternteilen die Ansprüche durch die Wohnorte ausgelöst werden.

Seite 5 Die Zahlung eines Kindergeldunterschiedsbetrags kommt dann in Betracht, wenn das im anderen EU-Mitgliedstaat gewährte Kindergeld niedriger ist (Art. 68 Abs. 2 Satz 2 VO). Kein Kindergeldunterschiedsbetrag zu zahlen ist bei einer reinen Wohnsitzkonstellation, das heißt, die Eltern üben keine Beschäftigung oder selbständige Erwerbstätigkeit aus und beziehen auch keine Rente. In diesem Fall ist ausschließlich derjenige EU-Mitgliedstaat zuständig, in dem das Kind wohnt (Art. 68 Abs. Satz 3 VO). * * *