Armin Coray, in Zusammenarbeit mit Bruno Baur, nach den Unterlagen von Heinrich Thommen (!) Die Wiederansiedlung der Blauflügligen Ödlandschrecke (Oedipoda caerulescens) in der Reinacher Heide Foto: Bruno Baur Inhalt Die Wandlungen der Reinacher Heide Heuschrecken und Landschaft Die Blauflüglige Ödlandschrecke (Oedipoda caerulescens) Resultate einer Wiederansiedlung
Anfang 19. Jh.! Reinacher Aue 1847-1855 Birs-Korrektion Der Birslauf wird von 8,9 auf 3,6 km verkürzt. Die Folgen sind: grössere Fliessgeschwindigkeit stärkere Erosion Absinken des Grundwasserspiegels Ende 19. Jh.! Reinacher Heide Die heute so kennzeichnende Trockenvegetation hat sich erst infolge der Birsbegradigung etablieren können. Situationsplan der Birs mit vorgesehener Begradigung auf Höhe der Reinacher Aue, rekonstruiert nach den Unterlagen von Geometer Sigfried (Dez. 1821 Staatsarchiv Basel) durch Carmen Brun-Ganzer, aus Eglin, Moor et al. (1981), bearbeitet (1 = Kläranlage, 2 = Schwimmbad, 3 = Brücke Dornachbrugg). 20 Jh. Siedlungsdruck Isolation Ackerbau Hundesportplatz Camping Baumschule Naherholung Luftbilder der Eidgenössischen Landestopographie, entnommen aus Eglin, Moor et al. (1981). 1937 1964
1932 teilweise Gewässerschutzzone (Bauverbot) 1935 Düngeverbot Ohne Grundwasservorkommen gäbe es heute kein Naturschutzgebiet. 1959 Antrag auf Unterschutzstellung der Heide an den Regierungsrat (aufgrund von Einsprachen " nur provisorischer Schutzstatus) Henry Beuret 1960: Die Reinacherheide bei Basel, ein Naturkleinod in der Agonie. Die 60er- und 70er-Jahre markieren den Tiefpunkt in der Entwicklung der Heide. 1932 teilweise Gewässerschutzzone (Bauverbot) 1935 Düngeverbot Ohne Grundwasservorkommen gäbe es heute kein Naturschutzgebiet. 1959 Antrag auf Unterschutzstellung der Heide an den Regierungsrat (aufgrund von Einsprachen " nur provisorischer Schutzstatus) 1969 Rückerwerb des Gebietes im Enteignungsverfahren 1974 Naturschutzgebiet des Kantons Basel-Landschaft Willy Eglin, Max Moor et al. 1981: Das Naturschutzgebiet Reinacherheide (Reinach, Basel-Landschaft). Diese erste Bestandsaufnahme zeitigt ein ernüchterndes Bild.
1932 teilweise Gewässerschutzzone (Bauverbot) 1935 Düngeverbot Ohne Grundwasservorkommen gäbe es heute kein Naturschutzgebiet. 1959 Antrag auf Unterschutzstellung der Heide an den Regierungsrat (aufgrund von Einsprachen " nur provisorischer Schutzstatus) 1969 Rückerwerb des Gebietes im Enteignungsverfahren 1974 Naturschutzgebiet des Kantons Basel-Landschaft 1994 Naturschutzgebiet von nationaler Bedeutung Roland Lüthi 2003: Reinacher Heide (Exkursionsführer durch Naturschutzgebiete des Kantons Basel-Landschaft, Heft 5). Das Gebiet hat sich erholt und erreicht eine bemerkenswerte Artenvielfalt auf kleinem Raum. Übersichtsplan der Reinacher Heide, wie er im NSG aufgestellt ist. Das Kerngebiet des NSG Reinacher Heide umfasste 1974 25,5 ha. Heute sind es bereits 39 ha auf Gebiet der Gemeinden Reinach und Arlesheim.
Magerwiesen und Schotterflächen. NSG Reinacher Heide, Mitte-Nord, Westrand. Aufnahme: 23. Juli 1989. Heuschrecken: Artenliste Reinacher Heide um 1980 (nach Eglin, Moor et al.,1981) ENSIFERA Phaneroptera falcata Meconema thalassinum Tettigonia viridissima Platycleis albopunctata Metrioptera bicolor Pholidoptera griseoaptera Gryllus campestris Nemobius sylvestris CAELIFERA Tetrix tenuicornis Oedipoda caerulescens (vor 1960) Omocestus haemorrhoidalis Gomphocerippus rufus Myrmeleotettix maculatus (1940er Jahre) Chorthippus biguttulus Chorthippus parallelus
Heuschrecken: Artenliste Reinacher Heide heute (nach K. Hartmann, H. Thommen, D. Thommen, AC und CSCF) ENSIFERA Phaneroptera falcata Phaneroptera nana (seit 2008) Meconema thalassinum Conocephalus fuscus Tettigonia viridissima Platycleis albopunctata Metrioptera bicolor Metrioptera roeselii Pholidoptera griseoaptera Gryllus campestris Nemobius sylvestris Gesamthaft: 25 nachgewiesene Arten CAELIFERA Tetrix tenuicornis Calliptamus italicus (seit 2003) Oedipoda caerulescens (1995 angesiedelt) Sphingonotus caerulans (seit 2000) Mecostethus parapleurus Chrysochraon dispar Omocestus haemorrhoidalis Stenobothrus lineatus Gomphocerippus rufus Myrmeleothettix maculatus (2003?) Chorthippus biguttulus Chorthippus brunneus Chorthippus dorsatus Chorthippus parallelus Siedlungsraum phytophiler Arten Siedlungsraum geophiler Arten geringerer Flächenbedarf, meist kleinere Körpermaße, durchschnittliche Flugtüchtigkeit. grösserer Flächenbedarf, meist größere Körpermaße, sehr gute Flugtüchtigkeit.
Typische Arten auf Magerrasen Zweifarbige Beißschrecke (Metrioptera bicolor) - Rotleibiger Grashüpfer (Omocestus haemorrhoidalis) - Typische Arten auf Schotterflächen Westliche Beißschrecke (Platycleis albopunctata) - Blauflüglige Oedlandschrecke (Oedipoda caerulescens) -
Foto: W.erner Herter auf Kies auf Kohle auf Erde auf Splitt (mit Ziegelresten)
Steckbrief euryterm, xerophil, geophil. Felssteppen, Trockenrasen, Ruderalstellen, Kies- und Sandgrubengelände, Steinbrüche. Bevorzugtes Stratum: spärlich bewachsene Böden. Präferenz: 25-75% Deckungsgrad. Einjährige Entwicklung. Eiablage im Boden, Eikokons mit je 7-30 Eiern. Eier mässig Trockenresistent. Überwinterung als Ei, Schlupf im Mai / Juni. Larvalentwicklungszeit: 40-50 Tage. 4 Larvalstadien / 5 Larvalstadien. Erste Imagines ab Juni. 15-21 mm, 22-28 mm. Nahrung: Kräuter und Gräser. Junglarve der Blauflügligen Ödlandschrecke Kommunikation vorwiegend optisch, v. a. durch Auf-/Ab-Bewegungen der Hinterschenkel oder ausgelöst durch das Auffliegen von Artgenossen. Singt nur selten (kurze Schwirrlaute). Die Wiederansiedlung der Blauflügligen Ödlandschrecke im Jahre 1995 Auftraggeber: Bau- und Umweltschutzdirektion des Kantons BL, Abt. Natur und Landschaft (Leiter: Paul Imbeck). Ausführende: Uni Basel, Institut für Natur-, Landschafts- und Umweltschutz (Leiter: Bruno Baur), Heinrich Thommen. Herkunft der Tiere: Île du Rhin, 1 km nördlich des Kraftwerks Kembs, 314 Individuen. Heinrich Thommen 1995 beim Aussetzen von Oedopoda caerulescens in der Reinacher Heide. Foto: Bruno Baur.
1995 A B Die Aussetzungen erfolgten an den so genannten Standorten A und B. 1989 - Kiesaufschüttung im Nordteil. 1995 - Kiesaufschüttung im Südteil. A: 31.07.1995! 110 Individuen (60 + 50 ) B: 16.08.1995! 204 Individuen (103 + 101 ) 1995 A B Südteil von A, Zustand 2015, Foto: B. Baur. Erweiterter Standort B, Zustand 2015, Foto: B. Baur. In den Jahren 1995-2004 erfolgten Erfolgskontrollen, meist 3 Kontrollgänge zwischen Juli und September mit individueller Erfassung (, und Jungtiere getrennt).
1995 1996
1997 1998 C2 C1 L3 D2 D1 L2 L1 Zwischen Nov. 1997 und März 1998 werden durch die Elektra Birseck die unterirdischen Elektrizitätsleitungen erneuert. Als Kompensation der Bauschäden erfolgt das Auffüllen des Leitungsgrabens mit sandigem Birsschotter = Standorte L1, L2, L3. Zudem entstehen die neuen Kiesflächen C1, C2 und D1, D2 und die Fläche B wird erheblich vergrössert.
1998 C D Standort C1, Zustand 2015, Foto: B. Baur. Standort D2, Zustand 2015, Foto: B. Baur. 1998 Ausbreitung einlang des Leitungstrassees, erste Nachweise am Standort C.
1999 2000 Erste Nachweise am Standort D.
2001 2002 Sättigung " optimale Nutzung der geeigneten Lebensräume.
2003 Geringere Individuenzahlen aufgrund der großen Trockenheit? 2004 Höhepunkt der Entwicklung. Ausweitung der Siedlungsfläche im Süden " Ackerbrachfeld im Trasseeabschnitt L3.
Zustand der Reinacher Heide gemäß Luftbild vom 16. Juli 2007. Foto: Google Earth. In den Jahren 2005 bis 2014 wurden keine Zählungen vorgenommen. 2008 fand jedoch ein Tag der Artenvielfalt in der Reinacher Heide statt, der das Vorkommen erneut bestätigte.
2015 2015 Aktuelle Verbreitung.
450 Durchschnittliche Anzahl nachgewiesener Individuen für das Gesamtareal basierend auf jeweils drei Begehungen pro Jahr (Jahre 1995-2004 und 2015) 400 350 300 250 200 150 100 50 0 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2013 2014 2015 Die Wiederansiedlung ehemals vorhandener Pflanzen- und Tierarten ist umstritten. Wäre die Blauflüglige Ödlandschrecke, angesichts der Klimaerwärmung, nicht früher oder später von selbst zugewandert, wie dies für andere Heuschreckenarten tatsächlich zutrifft? Foto: Bruno Baur.
Ein Vergleich Italienische Schönschrecke (Calliptamus italicus) Ausgesprochen wanderfreudig, expandiert seit Mitte der 1990er Jahre. Blauflüglige Ödlandschrecke (Oedipoda caerulescens) Verhältnismäßig ortstreu (nur einzelne Tiere wanderfreudig). Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit
Danksagung Für die Bereitstellung von Informationen und Fotos danke ich Bruno Baur und Werner Herter. Literatur Baur B., Baur H., Roesti C. & Roesti D. (2006): Die Heuschrecken der Schweiz. Haupt Verlag, Bern, 352 S. Beuret H. (1960): Die Reinacherheide bei Basel, ein Naturkleinod in der Agonie. Mitteilungen der Entomologischen Gesellschaft Basel 10(6): 125-139. Detzel P. (1998): Die Heuschrecken Baden-Württembergs. Ulmer Verlag, Stuttgart, 580 S. Eglin W., Moor M. et al. (1981): Das Naturschutzgebiet Reinacherheide (Reinach, Basel- Landschaft). Tätigkeitsberichte der Naturforschenden Gesellschaft Baselland 31: 5-183. Faber A. (1936): Die Laut- und Bewegungsäußerungen der Oedipodinen. Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie 149: 1-85. Ingrisch S. (1983): Zum Einfluß der Feuchte auf die Schlupfrate und Entwicklungsdauer der Eier mitteleuropäischer Feldheuschrecken. Deutsche Entomologische Zeitschrift 30(1-3): 1-15. Lüthi R. (2003): Reinacher Heide. Reihe Natur im Baselbiet, Exkursionsführer durch Naturschutzgebiete des Kantons Basel-Landschaft. Verlag des Kantons Basel-Landschaft, 84 S. Marti T. (1989): Heuschrecken und Landschaft. Ein exemplarischer Einblick in Theorie und Praxis goetheanischer Naturwissenschaft. Haupt Verlag, Bern, Stuttgart, 206 S. Thommen H. (2004): Vorläufiger Schlussbericht über die Populationsentwicklung der Blauflügligen Ödlandschrecke, Oedipoda caerulescens (Linné, 1758), in der Reinacherheide (BL) seit ihrer Wiederansiedlung im Jahr 1995. unpublizierter Bericht, 18 S.