Autor Anwender Status Fundamental Kategorie Anwenderbericht Die Revolution des optischen Abdrucks Dr. Florian Rathe, M. Sc. Die fortschreitende Computerisierung und die Entwicklung des Internets zum Ende des 20. Jahrhunderts haben eine digitale Revolution ausgelöst, die in vielen Bereichen des Lebens zu tiefgreifenden Veränderungen geführt hat so auch im Bereich der Zahnmedizin. Der digitale, optische Abdruck hat hier einen Umbruch nicht nur in unserem Behandlungsablauf, sondern in unserem gesamten zahnärztlichen Denken bewirkt. Davon bleibt zwangsläufig auch die Zusammenarbeit zwischen Implantologe und Prothetiker nicht unberührt. Heute wird der Patient mit dem definitiven Abutment und einer provisorischen Krone im Mund bei dem Prothetiker vorstellig. Diesem wiederum liegt bereits die vorab fertiggestellte definitive Krone in seiner Zahnarztpraxis vor, gegen die er das Provisorium nur noch austauschen muss. Ein solches Vorgehen birgt mehrere Vorteile für die Beteiligten: Zum einen kommt es der vom modernen Patienten gewünschten Termineffizienz entgegen. Zum anderen wird eine organisatorische Entlastung für den Prothetiker erzielt, da keine Abformpfosten und Laboranaloge benötigt werden. Des Weiteren wird auf diese Weise die Kosteneffizienz verbessert. Die beträchtliche Entlastung des Prothetikers ist mit einem geringen Mehraufwand für den Implantologen verbunden, der als adäquate Dienstleistung für seinen Zuweiser eingeordnet werden kann. Prozessschritte entstammt Patientenfällen, in den Bildunterschriften als Fall 1, 2 und 3 ausgewiesen. Vor der Implantation sind zunächst beide Kiefer zu scannen sowie die Okklusion zu registrieren. Die Aufnahme der Implantatposition wird hier einfach ausgelassen, da es sich bei der im System hinterlegten Scanabfolge, um das Vorgehen nach der Freilegung handelt. Anschließend erfolgt wie gewohnt die Implantation. Nach der Insertion des Implantates wird als nächstes das Scanabutment aufgeschraubt und die Erfassung von Implantatposition und -neigung nachgeholt (Abb. 1). Der Zeitaufwand hierfür beträgt nur wenige Minuten. Anschließend können ggf. erforderliche Augmentationsmaßnahmen und abschließend der weich- Abb. 1: Situation nach Implantatinsertion (Fall 1). Workflow I des Implantologen QR-Code scannen und den Beitrag auf Ihr Smartphone oder Tablet herunterladen! Das im Folgenden beschriebene Vorgehen ist auf den Intraoralscanner TRIOS von 3Shape (DK-Kopenhagen) abgestimmt; bei anderen Geräten kann sich eine Änderung des Ablaufes ergeben. Das ergänzende Bildmaterial zur beispielhaften Visualisierung einzelner Abb. 2: Verschluss des Weichgewebes (Fall 1). 26
gewebige Verschluss durchgeführt werden (Abb. 2). Nach der Einheilzeit, circa 14 Tage vor der Freilegung, erfolgt ein Nachscannen des Kiefers, in den das Implantat inseriert wurde, um Informationen über die aktuelle Weichgewebesituation zu gewinnen. Alle vorhandenen Daten, d. h. die Informationen von Weich- und Hartgewebe werden nun in einem Matching-Prozess übereinander gelagert (Abb. 3). Der komplette Datensatz wird dann online an das Dentallabor übermittelt. Abb. 4: Digitales Designen des Emergenzprofils (Fall 1). Abb. 3: Registrierung der Implantatposition im virtuellen Raum, die Nachbarzähne dienen als Orientierungspunkte bei der Überlagerung mit dem zuvor gescannten Gesamtkiefer (Fall 1). Workflow I des Zahntechnikers Der Zahntechniker legt in der Designsoftware zunächst das Emergenzprofil fest. Das digitale Vorgehen ist im Prinzip identisch mit dem analogen Arbeitsschritt an der Zahnfleischmaske am Modell. Für die Festlegung der Präparationsgrenze des individuellen Abutments benötigt der Zahntechniker von dem Implantologen Informationen über die Freilegungstechnik. Ist für die Freilegung zum Beispiel ein apikal verschobener Lappen geplant, so ist die Präparationsgrenze 0,5 mm tiefer zu setzen. Via Teamviewer können Zahntechniker und Implantologe sich diesbezüglich absprechen und die Planung gemeinsam überprüfen (Abb. 4). Anschließend konstruiert der Zahntechniker die implantatgetragene Krone und übermittelt die Daten entweder an ein Fertigungssystem intern oder an einen externen Dienstleister. Zum Freilegungstermin werden neben einer Einbringhilfe an Fräserzeugnissen ein individuelles Abutment, eine provisorische Krone aus PMMA, ein Kronengerüst aus Zirkoniumdioxid und eine ausbrennfähige Kunststoff-Kaufläche, die auf das Käppchen gewachst werden kann, benötigt (Abb. 5) Abb. 5: Zum Freilegungstermin stehen ein Zirkoniumdioxid-Kronengerüst mit passender Kunststoff-Kaufläche, ein individuelles Abutment und eine provisorische PMMA-Krone zur Verfügung (Fall 2). Workflow II des Implantologen Da es sich hier um einen rein digitalen Workflow handelt und eine Überprüfung am Modell nicht möglich ist, ist eine Anprobe im Mund erforderlich. Dies geschieht direkt bei der Freilegung des Implantats entsprechend der mit dem Zahntechniker besprochenen Methode etwa 14 Tage nach dem Weichgewebescan. Nach dem Entfernen der Einheilschraube wird das individuelle Abutment eingesetzt (Abb. 6). Um eine Verunreinigung der Wunde durch Bohrspäne zu vermeiden, erfolgt ein sofortiger Wundverschluss. Anschließend werden nacheinander die provisorische Krone und das Zirkoniumdioxid-Käppchen mit Kunststoffkaufläche einprobiert, Approximalkontakte und Okklusion überprüft und ggf. eingeschliffen (Abb. 7 und 8). Sollte ein Approximalkontakt zu schwach sein, kann er mit Wachs aufgebaut werden. Dabei ist jedoch darauf zu achten, dass auch hier vollständig ausbrennbares Wachs verwendet wird. Die provisorische Krone wird nun zementiert und das 27
Käppchen mit Kunststoff-Kaufläche wieder zurück an das Dentallabor geliefert. Käppchen mit einer geeigneten Presskeramik. Nach Ausarbeitung und Bemalung wird die Krone an den Prothetiker geliefert, der das Einsetzen der definitiven Krone gemeinsam mit der Nahtentfernung in einer Behandlungssitzung vornehmen kann (Abb. 9 und 10). Abb. 6: Ein individuelles Abutment in situ, nachdem zur Implantatfreilegung ein apikaler Verschiebelappen in Form eines Spaltlappens präpariert wurde (Fall 1). Abb. 9: Gingivale Situation nach Entfernung des Provisoriums (Fall 1). Abb. 7: Einprobe einer Zirkoniumdioxid-Kappe mit Kunststoff-Kaufläche (Fall 2). Abb. 10: Eine definitive Krone in situ da nicht geschichtet, sondern nur überpresst werden kann, ist das Ergebnis in ästhetischer Hinsicht eingeschränkt (Fall 1). Kritische Wertung Abb. 8: Einprobe einer temporären PMMA-Krone (Fall 2). Workflow II des Zahntechnikers Nach erfolgter Anpassung bei der Einprobe im Patientenmund bettet der Zahntechniker das Zirkoniumdioxid-Gerüst mit der Kunststoffkaufläche ein, brennt Wachs und Kunststoff aus und überpresst das Bei der beschriebenen Vorgehensweise handelt es sich um einen komplett digitalen Workflow. Es kommen weder gefräste noch gedruckte Modelle zum Einsatz. Dementsprechend ist es zwingend notwendig, das Käppchen samt der Kunststoffkaufläche für die definitive Restauration im Mund bezüglich der Approximalkontakte sowie der statischen und dynamischen Okklusion zu überprüfen. Auch besteht dadurch keine Möglichkeit für den Zahntechniker, eine Schichtung der Keramik vorzunehmen. Das Kronengerüst kann lediglich mit einer Presskeramik überpresst und bemalt werden. Das 28
Ergebnis ist in ästhetischer Hinsicht für den Seitenzahnbereich in den meisten Fällen ausreichend, wird aber nicht an eine geschichtete Krone heranreichen und ist dementsprechend für eine Behandlung im Frontzahnbereich ungeeignet. Ist eine Versorgung im ästhetisch relevanten Bereich geplant, so muss zunächst das individuelle Abutment konstruiert und dann als Stumpf in einem computergestützt gefertigten Modell dargestellt werden. Damit erhält der Zahntechniker die Möglichkeit auf dem Modell über das Gerüst zu schichten, während sich das individuelle Abutment mit dem gefrästen Provisorium bereits im Patientenmund befindet. Hier ändert sich lediglich der Workflow des Zahntechnikers, der Workflow des Implantologen und des Prothetikers bleiben exakt gleich. dieser Variante kann der Zahntechniker auch eine ästhetisch anspruchsvoll geschichtete Krone herstellen. Abb. 11: Ein gedrucktes Modell mit Laborimplantat, Die hier gezeigte Prozesskette bietet die Vorteile, dass sich ein One Abutment / One Time-Konzept realisieren lässt, das Vorgehen für das Dentallabor einfach umsetzbar ist, kein Modell benötigt wird und der geringe Arbeitsaufwand zu vergleichsweise niedrigen Kosten führt. Nachteile sind, dass im Patientenmund einprobiert werden muss, die Methode für eine Versorgung im ästhetischen Bereich ungeeignet ist und zementiert werden muss. Zementieren oder verschrauben? Eine Literaturrecherche [1] hat ergeben, dass die Prävalenz biologischer Komplikationen (Perimucositis, Periimplantitis) zwischen verschraubten und zementierten Einzelzahnversorgungen keinen signifikanten Unterschied aufweist. Betrachtet man jedoch die Prävalenz von technischen Komplikationen (Chipping), so zeigen hier verschraubte Einzelzahnversorgungen signifikant höhere Komplikationsraten als zementierte. Das Problem der technischen Komplikationen verwischt sich jedoch, je größer die Versorgung wird, bis kein signifikanter Unterschied zu erkennen ist. Gleichzeitig steigt die Prävalenz von biologischen Komplikationen, je größer die zementierten Versorgungen werden, bis hierbei ein signifikanter Unterschied besteht. Soll eine Versorgung also verschraubt werden, so ist dies mittlerweile möglich (Abb. 11). Der Workflow des Implantologen sowie des Prothetikers bleiben hiervon unberührt. Bei diesem Verfahren ist, wie in Abbildung 12 zu erkennen, ein gedrucktes Modell unabdingbar. D. h. bei Abb. 12: auf dem ein okklusal verschraubtes PMMA- Provisorium erstellt wurde (Fall 3). Bei verschraubten Kronen ist jedoch die Umsetzung des One Abutment / One Time-Konzeptes, zumindest im Überweiserfall und bei Sofortversorgung, nicht mehr möglich. Denn das Konzept beruht auf dem Prinzip, entweder zu dem Zeitpunkt der Implantation oder der Freilegung das definitive Abutment einzusetzen und von da an im Mund zu belassen. Studien haben gezeigt, dass dadurch signifikant weniger periimplantärer Knochen resorbiert wird, als wenn es auch nur zu einem Wechsel kommt [2]. Allerdings ist hier der absolute Wert des Knochenverlusts recht klein, sodass die Frage der klinischen Relevanz nicht abschließend geklärt ist. Mit jedem weiteren Wechsel von Aufbauteilen nimmt die Knochenverlustrate zu, wobei zwischen einem Wechsel und zwei Wechseln noch kein signifikanter Unterschied zu verzeichnen ist. Der Prothetiker kann also ohne weiteres eine Rohbrandeinprobe der okklusal verschraubten Versorgung vornehmen. Mehr als zwei Wechsel von Aufbauteilen sollten aber nach Möglichkeit vermieden [1] Rathe, F.; Schlee, M.: Implantatgetragene Restaurationen zementiert oder verschraubt? In: Quintessenz 64(12) 2013, S. 1.503-1.508. [2] Rathe, F.; Alghamdi, H. A.; Schlee, M.; Junker, R.: The influence of repeated removal of abutments on peri-implant bone resorption. A systematic review. Z. Z. im Reviewing bei Clin Oral Implants Res. 29
werden, da es hierbei zu einer signifikanten Zunahme des Knochenverlustes kommt, bei der eine klinische Relevanz nicht mehr abzustreiten ist. Das alles gilt jedoch nur für Implantate / Aufbauteile mit Platform Switching-Konstruktionsprinzip. Liegt dieses nicht vor, kann das dramatische Folgen für den periimplantären Knochen haben: Wird dann ein Aufbauteil auch nur ein einziges Mal gewechselt, so provoziert dies einen im Vergleich doppelt so großen Knochenverlust. Ich bedanke mich herzlich bei dem Peter Schulz Dentallabor (D-Nürnberg) und dem Dental Team (D-Sulzbach) für die gute Zusammenarbeit. Dr. med. dent. Florian Rathe, M. Sc. Forchheim, Deutschland 1997-2002 Studium der Zahnmedizin an der Justus-Liebig-Universität, Gießen 2003-2005 Tätigkeit in der Sektion für Parodontologie der Albert-Ludwigs-Universität, Freiburg i. Br. 2005 Promotion 2005-2008 Postgraduiertenstudium Master of Science in Periodontology, Radboud Universität Nijmegen, Niederlande 2006-2008 Nebentätigkeit in der parodontologisch-implantologischen Überweiserpraxis van Drie, Maastricht, Niederlande 2008 Ernennung zum Spezialisten der EFP und zum Master of Science 2008-2011 Tätigkeit in der privatzahnärztlichen Klinik C1 Centre Médico Dentaire, Genf, Schweiz 2009 Ernennung zum Spezialisten der DGP seit 2011 Tätigkeit in Zahnarztpraxis Dr. Markus Schlee & Kollegen, Forchheim Kontakt: florian.rathe@32schoenezaehne.de Der Ceramill IOS Workflow Amann Girrbach (A-Koblach) hat in Kooperation mit 3Shape (DK-Kopenhagen) den Intraoralscanner TRIOS in das Ceramill CAD/CAM-System integriert. In der Zahnarztpraxis erfolgt damit lediglich die digitale Abformung, die zahntechnische Kompetenz liegt weiterhin beim Dentallabor. Für den Empfang der Ceramill TRIOS-Datensätze samt allen relevanten Auftragsdaten wird im Labor das Softwaremodul TRIOS Inbox benötigt. Modelle können mit Ceramill M-Build in der Version 1.0 konstruiert und im Ceramil M-Center gefertigt werden. Bereits mit der Software werden virtuell Bohrlöcher festgelegt, die dann im gelieferten Modell schon vorhanden sind. Anschließend werden die Pins gesetzt und in einem Standard-Gipssockel fixiert. Nach dem Aushärten können die Stümpfe wie gewohnt vom Zahntechniker segmentiert werden. Ein in Entwicklung befindliches Update soll in naher Zukunft die Inhouse-Fertigung von Präzisionsmodellen aus Ceramill M-Plast mit der Ceramill Motion 2 ermöglichen. Die Maschine vereint in sich Fräs- sowie Schleiftechnik im Nass- und Trockenmodus und ist als 4- oder 5-Achs-Version erhältlich. Amann Girrbach, www.amanngirrbach.com, Tel. +43 (0) 55 23 / 62 33 30 30