Inhaltsverzeichnis. Vorwort 4



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Transkript:

Inhaltsverzeichnis Vorwort 4 Was ist eine Soziale Phobie oder Soziale Angststörung? 5 13 Wie zeigt sich eine Soziale Angststörung? Angstauslösende Situationen und charakteristische Gedanken Wann wird die Angst zur Belastung? Welche Sozialen Angststörungen gibt es? Wie häufig ist die Soziale Angststörung? Die Entstehung der Sozialen Phobie 14 18 Was ist eigentlich Angst? Phobische Angst Ursachen der Sozialen Angststörung: Erklärungsmodelle Wie entstehen Angstgedanken in meinem Kopf? Warum habe ich immer noch Angst, obwohl ich so viel über meine Störung weiss? Wie wird eine Soziale Angststörung erkannt? 19 + 20 Habe ich eine Soziale Phobie? Begleiterkrankungen bei der Sozialen Angststörung Was kann ich gegen eine Soziale Phobie tun? 21 27 Gibt es Medikamente gegen die Soziale Phobie? Welche psychotherapeutischen Methoden helfen bei Sozialer Phobie? Vermeidend-selbstunsichere Persönlichkeitsstörung Was kann ich selber gegen meine sozialen Ängste tun? Was sollte ich nicht tun? Impressum 27 Weiterführende Literatur / Selbsthilfegruppen 28 Web-LInks / Institutionelle Hilfe Fragebogen 29 + 30 Im Interesse der Lesefreundlichkeit wird in dieser Broschüre die männliche Form verwendet. Selbstverständlich sind jeweils Frauen und Männer gemeint. 3

Vorwort Er(n)ste Fragen Kennen Sie übermässige Schüchternheit, Unsicherheit und Angst im Kontakt mit anderen Menschen? Machen Sie sich Sorgen, was «die anderen» über Sie denken? Oder sind Sie sich gar sicher, dass man Sie negativ bewertet, wenn man Sie beobachtet? Haben Sie Angst im Mittelpunkt zu stehen? Vermeiden Sie zunehmend Situationen, in denen Sie im Kontakt mit anderen Menschen Angst und Nervosität spüren? Fühlen Sie sich durch diese Angst zunehmend in Ihrem Alltag beeinträchtigt? Wenn ja, dann leiden Sie vielleicht, wie viele andere Menschen auch, an einer Sozialen Phobie oder Sozialen Angststörung. Wir möchten und richtig einzuschätzen. Wenn Sie sich durch Ihre Ängste in Ihrem beruflichen und/oder privaten Alltag bisher sehr eingeschränkt fühlten, können Sie nun vielleicht dank den Anregungen in dieser Broschüre Wege finden zu einem angstfreien Umgang mit sozialen Situationen, die Sie bisher vermieden haben oder nur unter grossen Anstrengungen und mit vielen «Tricks» bewältigen konnten. Viele Menschen suchen erst nach jahrelangem Leiden einen Psychotherapeuten oder Psychiater auf. Sie sind dann überrascht, wie viele andere Menschen dieselben Probleme haben und wie rasch ihnen vielleicht geholfen werden kann. Wir möchten Ihnen mit dieser Broschüre auch helfen, mit einer Fachperson über Ihre Probleme reden zu können und vielleicht selbst erste Schritte zu tun, um sich verloren gegangene Lebensräume wieder zu erschliessen. Was ist eine Soziale Phobie oder Soziale Angststörung? Wie zeigt sich eine Soziale Angststörung? Menschen mit einer Sozialen Angststörung haben Angst vor negativer Bewertung durch andere Personen. Sie können sich deshalb nur in vertrauter Umgebung und bei Menschen, von denen sie sicher akzeptiert werden, unbeschwert verhalten. Sie haben deutlich Angst, im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen, und vermeiden solche Situationen. Nahezu jeder kennt Situationen im Umgang mit anderen, in denen er Schüchternheit, Scheu oder sogar Angst spürt: Ein Künstler benötigt Lampenfieber für einen erfolgreichen Auftritt. Ein Rendezvous ohne Herzklopfen entbehrt jeglicher Romantik. Im Gegensatz dazu tritt die Angst bei Sozialphobikern unangemessen häufig und intensiv auf. Die Beschwerden dauern meist über Jahre an, verursachen einen starken Leidensdruck sowie eine zunehmende Einschränkung im Alltag. Die Kontrolle über das Auftreten und die Dauer der Angst geht verloren. Angstauslösende Situationen und charakteristische Gedanken Betroffene leiden ausschliesslich in Situationen unter grosser Angst, bei denen die Möglichkeit besteht, von anderen Menschen beurteilt zu werden. Einige typische angstauslösende Situationen sind in Tabelle 1 aufgeführt. Charakteristisch für eine Soziale Angststörung ist zudem, dass die Situationen meist in Gedanken vorweggenommen und mit ausgeprägten Befürchtungen versehen werden (Tabelle 1). Dabei steht die Angst vor negativer Bewertung im Vordergrund. Dr. med. Torsten Berghändler 4 5

Angstauslösende Situationen Öffentliches Reden Essen, Trinken, Schreiben in der Öffentlichkeit Kontaktaufnahme mit Fremden, Autoritätspersonen, Personen des anderen Geschlechts Forderungssituationen (z.b. Umtausch einer Ware) Beobachtet werden Besuch einer Feier, Konferenz Charakteristische Gedanken Ich werde bestimmt keinen Satz vernünftig zu Ende bringen Ich werde zittern, und die Leute werden es sehen Die Leute werden sehen, dass ich Angst habe Was ich sagen werde, ist bestimmt lächerlich Gedanke an eine angstauslösende Situation Bewertung als «gefährlich» Tabelle 1: Angstauslösende Situationen charakteristische Gedanken Die Angst entsteht also bereits vor der befürchteten Situation. Als Folge davon wird versucht, die beängstigende Situation zu vermeiden oder sich vermeintlich richtig zu verhalten. Dies beispielsweise durch Bemühen um Kontrolle und Perfektionismus, wörtliches Ablesen einer Rede vom Blatt, Vermeidung von Blickkontakt sowie durch Alkoholund/oder Medikamentenkonsum vor der entscheidenden Situation. Nicht alleine in die Situation zu gehen, sich präventiv zu entschuldigen und zu erklären sind weitere vermeintlich richtige Strategien. Wahrnehmen der körperlichen Reaktion / Veränderung Ausstoss von Stresshormonen: Adrenalin, Noradrenalin Die vor der eigentlichen Situation bereits entstehende Angst führt zu typischen körperlichen Angstsymptomen wie Erröten, Zittern, Schwitzen, trockener Mund, Sprechstörungen, erhöhte körperliche Erregung, Herzrasen, Atembeschwerden, Beklemmungsgefühl und Übelkeit. Sozialphobiker sind im Vergleich zu Menschen ohne Angsterkrankung besonders aufmerksam bezüglich körperlicher Symptome der Angst und spüren diese sehr früh. Diese Wahrnehmung geht zumeist mit der Angst einher, dass auch andere diese bemerken und negativ bewerten könnten. Dies verstärkt die Einschätzung der Situation als «gefährlich», was die Erregung des autonomen Nervensystems erhöht und damit über eine Ausschüttung des Stresshormons Adrenalin die körperlichen Angstsymptome verstärkt. So entsteht der Teufelskreis der Angst (Abbildung 1). Körperliche Reaktion auf die Stresshormone: Erhöhte Erregung, Schwitzen, Zittern etc. Abbildung 1: Teufelskreis der Angst Emotion / Gefühl: Angst Vermeidung / Furcht 6 7

Dreht sich der Teufelskreis, ist die ursprünglich auslösende Situation für das Aufrechterhalten der Angst nicht mehr wichtig. Die Angst, die übermässige Wahrnehmung von sich selbst und die negative Bewertung der körperlichen Veränderungen führen zu einer weiteren Verstärkung der Konzentration auf sich selbst (Innenwahrnehmung). Eine Aussenwahrnehmung zur Überprüfung der fraglichen Situation ist nicht mehr möglich. Die Situation wird weiter als «gefährlich» eingeschätzt. Ein Scheitern wird erwartet. Vermeintlich beobachtete Reaktionen anderer Menschen werden eher als negativ bewertet, auch wenn sie vielleicht neutral sind. Wann wird die Angst zur Belastung? In einem Zustand des Wohlbefindens oder der Entspannung wird Angst als weniger stark erlebt oder tritt weniger auf. Besteht jedoch eine hohe Grundanspannung, zum Beispiel durch private oder berufliche Belastung, werden Angstsymptome verstärkt wahrgenommen. Es braucht dann oftmals nur wenig, um aus einer wenig belastenden Situation eine eigentliche Angstsituation werden zu lassen. Angstschwelle Belastungssituation Abbildung 2: Anspannungsangst-Kurve allgemeine Anspannung Welche Sozialen Angststörungen gibt es? Man unterscheidet die «generalisierte» Soziale Phobie und die «spezifische» Soziale Phobie. Zusätzlich gibt es Menschen, die über eine generalisierte Soziale Phobie hinaus ein grundsätzlich sehr reduziertes Selbstbewusstsein haben. Möglicherweise liegt dann eine so genannte selbstunsicher-vermeidende Persönlichkeit vor. Die generalisierte Soziale Phobie Von einer generalisierten Sozialen Phobie oder Sozialen Angststörung spricht man, wenn mindestens drei angstauslösende alltägliche Situationen wie Essen und Sprechen in der Öffentlichkeit, Begegnung von Bekannten in der Öffentlichkeit sowie Hinzukommen oder Teilnahme an kleinen Gruppen existieren. Häufig beginnt eine generalisierte Soziale Angststörung mit wenigen speziellen Situationen. Mit der Zunahme von Vermeidungs- und Sicherheitsverhalten werden immer mehr Situationen als gefährlich angesehen und ebenfalls vermieden. So werden zum Schluss banale Tätigkeiten wie Essen und Trinken in einem Restaurant, die Benutzung von Bus oder Strassenbahn oder das Einkaufen in einem kleinen Geschäft unmöglich. Es folgen zunehmender sozialer Rückzug und häufig auch berufliche Einschränkungen. Beispiel: Herr A., ein 50-jähriger, erfolgreicher Kleinunternehmer, verheiratet und Vater von drei Kindern, leidet seit über 30 Jahren an einer generalisierten Sozialen Phobie. Seine grösste Angst ist, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen. Herr A. war ein scheues Kind, kontaktarm und introvertiert. Mit 20 Jahren bemerkte er erstmals, wie er bei einer Feier mit einem Glas in der Hand zu zittern begann. Ein Kollege sprach ihn frotzelnd darauf an. Herr A. schämte sich sehr dafür. Seither trat die Angst, dieses Erlebnis könnte sich wiederholen, regelmässig bei gesellschaftlichen Anlässen wie Aperos auf. Die Angst zu zittern bewirkte, dass er versuchte, seinen Arm zu kontrollieren. Dieser wurde vor lauter Anstrengung steif und begann, zumindest nach Herrn A.s Wahrnehmung, zu zittern. Die Angst breitete sich aus, trat in immer mehr verschiedenen Situationen auf, zum Beispiel beim Schreiben vor andern Menschen. Herr A. begann die «gefährlichen» Situationen zu vermeiden. Dies schränkte ihn privat und beruflich zunehmend ein. Private Einladungen wurden die seltene Ausnahme, beruflich musste er sich für wichtige Treffen und Verabredungen immer wieder entschuldigen. Essen und Trinken in Restaurants vermied er. Selbst das Benutzen öffentlicher Verkehrsmittel wurde zum Horror. 8 9

Herr A. hat bereits verschiedene Medikamente ausprobiert, die ihm helfen, seinen Beruf nicht aufgeben zu müssen. Von seinem Hausarzt hört er von der Möglichkeit einer spezifischen Gruppen-Psychotherapie. Herr A. nimmt, zuerst auch in Bezug auf das Zusammensein mit anderen Patienten, sehr skeptisch an dieser Therapie teil. Er lernt, andere Menschen genauer zu beobachten und einzuschätzen. Voller Verwunderung stellt er fest, dass er viel weniger beobachtet bzw. beachtet wird, als er befürchtet. Selbst wenn er sich seiner Meinung nach etwas auffällig verhält, sind die meisten Menschen in einem Restaurant oder einem öffentlichen Verkehrsmittel mit sich selbst beschäftigt. Zunehmend traut er sich, vorher vermiedenes Verhalten zu zeigen, stellt fest, dass sein von ihm beim Essen und Trinken wahrgenommenes Zittern ein Zeichen seiner Verspannung ist, die im Laufe des Zugewinns an Sicherheit immer weniger wird. Das von ihm selbst als sehr stark empfundene Zittern wird von den anderen Gruppenteilnehmern nur bei genauer Beobachtung bemerkt und ist von aussen nicht wahrnehmbar. Zum Abschluss der Gruppentherapie serviert Herr A. den Gruppenteilnehmern in einer Weinstube die Getränke und lädt seine Frau in der folgenden Woche in ein Restaurant ein, um seinen Therapieerfolg zu feiern. Die spezifische Soziale Phobie Die so genannte spezifische Soziale Phobie ist mit einer oder zwei angstauslösenden Situationen verbunden und wird meist im Zusammenhang mit Angst vor öffentlichem Reden oder Auftreten vor Publikum genannt. Die Angst vor öffentlichen Auftritten ist sehr häufig, vielen Menschen aber gar nicht bewusst, weil sie weder beruflich noch privat in solche Situationen kommen. Sie führt erst dann zu einem Leiden, wenn sie einen Menschen vor allem im beruflichen Zusammenhang behindert. Beispiel: Frau K. hatte seit dem letzten Jahr des Medizinstudiums zunehmend Probleme, Vorträge vor anderen Studenten zu halten. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sie ihr Studium sehr erfolgreich bewältigt, war sehr beliebt, sportlich und vielseitig interessiert. Vor Vorträgen war sie jedoch schon Tage vorher nervös, konnte schlecht schlafen und fühlte sich sehr belastet. Da sie den Anspruch hatte, immer einen fehlerfreien Vortrag zu halten, waren die inhaltliche Vorbereitung ihrer Vorträge immer vorbildlich und die Notizen perfekt. Dennoch fühlte sie sich nervös und unkonzentriert. Ihre Stimme zitterte, ihr wurde heiss, sie hatte Mühe, vollständige Sätze zu bilden. Nachdem sie ihr Examen gemacht hatte, war bis zum Beginn ihrer beruflichen Tätigkeit eine Entlastung eingetreten. Als junge Assistenzärztin wäre sie jedoch verpflichtet, Fortbildungen für ärztliche Kollegen und Pflegepersonal zu halten. Dieser Herausforderung konnte sie nur kurze Zeit ausweichen. Schliesslich kündigte sie ihre Stelle noch in der Probezeit. Die Angst vor einer Blamage war zu gross. In einer Einzel-Psychotherapie lernt Frau K. die Grundlagen ihrer Angst besser kennen. Zusammen mit dem Therapeuten übt sie in einem leeren Universitätshörsaal Vorträge. Diese werden auf Video aufgenommen und anschliessend besprochen. Sie sucht in ihrer privaten Umgebung Möglichkeiten für kleine Auftritte, beispielsweise eine Geburtstagsrede. Zusammen mit ehemaligen Studienkollegen gründet sie einen Diskussionskreis, in dem die Teilnehmer sich gegenseitig wissenschaftliche Literatur vortragen. Mit der Teilnahme an einem Rhetorik-Kurs in der Volkshochschule verbessert sie ihre Vortragstechniken weiter. In einem Aufbaustudium muss sie anspruchsvolle Vorträge vor grösserem Publikum halten. Bereits das erste Referat wird ein grosser Erfolg. Auf die Einnahme von Betablockern kann Frau K. seit Beginn der Therapie verzichten. Die Selbstunsichere Persönlichkeit Die Soziale Angststörung wird in Momenten deutlich, in denen eine Person selbst aktiv wird und befürchtet, von anderen Menschen negativ bewertet zu werden. In vielen anderen Situationen kann sich die betroffene Person jedoch unbefangen und durchaus auch selbstbewusst verhalten. Dagegen ist die so genannte Selbstunsichere Persönlichkeitsstörung eine situationsüberdauernde Störung der Beziehung zu anderen Menschen, verbunden mit einem grundsätzlich sehr geringen und negativen Selbstwertgefühl. Wenn also zusätzlich zu den oben 10 11

beschriebenen Symptomen einer generalisierten Angststörung ein stark eingeschränktes Selbstvertrauen und ein ausgeprägter sozialer Rückzug in vielen Bereichen vorhanden sind, kann diese Störung vorliegen. Beispiel: Herr W. erlebte bereits als Kind häufig Angst. Die Trennung von der Mutter fiel ihm als Kleinkind sehr schwer. Die Mutter war, wie auch die Grossmutter, sehr ängstlich, schämte sich aber für die Ängstlichkeit ihres Sohnes und akzeptierte diese nicht. Sie bewertete fremde Personen wenig differenziert und sehr schnell negativ. Der Vater war autoritär und unnahbar, wenig warmherzig, ebenfalls negativ bewertend. Herr W. war in der Schule Einzelgänger. Auch nach Aufnahme des Studiums hatte er nur wenige Sozialkontakte. Bis ins Erwachsenenalter bestand eine enge Bindung ans Elternhaus, obwohl von dort vor allem Kritik und Sorge vermittelt wurden. Er zeigte eine deutliche Unsicherheit bei eigenen Initiativen. Es erfolgte eine späte, krisenhafte Lösung vom Elternhaus. Nach dem Beziehen einer eigenen Wohnung hatte er ein starkes Gefühl der Hilflosigkeit und des Alleingelassenseins, fühlte sich ständig sehr angespannt. Obwohl athletisch gebaut und durchaus gut aussehend, intelligent und humorvoll, hatte er ein sehr negatives Selbstkonzept und vermied Sozialkontakte nach Möglichkeit. An der Universität zeigte er ein starkes Vermeidungsverhalten. Er versäumte Seminare, konnte keine telefonischen Verabredungen treffen oder Sprechstunden bei Dozenten wahrnehmen. Selbst das Ausleihen von Büchern in der Bibliothek vermied er, wann immer möglich. Herr W. nimmt an der Gruppentherapie für Soziale Phobien teil. Obwohl er gute Fortschritte macht, stellt er fest, dass diese Therapie für seine Problematik nicht ausreicht. Er bleibt beim Gruppenleiter in psychotherapeutischer Einzelbehandlung. Hier lernt er, auch mit persönlichem Stress, Auseinandersetzungen mit den Eltern, der Organisation des privaten und beruflichen Alltags, den Amtsgeschäften und den «alltäglichen Widrigkeiten» vorteilhafter und erfolgreicher umzugehen. Er nimmt an einem Entspannungskurs teil und erlernt die Progressive Muskelrelaxation, was ihm hilft, seine Grundanspannung zu senken. In seinem Alltag wendet er weiterhin die in der Gruppentherapie erlernten Prinzipien der Angst-Exposition an. Schritt für Schritt kann er sein Studium erfolgreich beenden, sich in beruflichen Situationen bewähren und sich eine private Existenz in seiner eigenen Wohnung aufbauen. Eine zwischenzeitliche depressive Krise wird erfolgreich medikamentös behandelt. Nach letztendlich erfolgreichem Abschluss des krankheitsbedingt um zwei Jahre verlängerten Studiums nimmt er eine Stelle als Lehrer an. Hier erlebt er kaum noch Angst vor Kollegen und schwierigen Schülern und kann mit gelegentlichen schwierigen Situationen selber erfolgreich umgehen. Wie häufig ist die Soziale Angststörung? Die Soziale Phobie oder Angststörung ist die am häufigsten auftretende Angststörung unter Erwachsenen. Bis zu 16% aller Menschen entwickeln irgendwann in ihrem Leben Symptome einer Sozialen Phobie. Frauen scheinen häufiger betroffen zu sein als Männer. Der grössere Teil dieser Menschen leidet an einer spezifischen Sozialen Angststörung, zumeist Angst vor öffentlichem Reden oder öffentlichen Auftritten. Die generalisierte Soziale Angststörung scheint schon in frühem Jugendalter zu Beginn der Pubertät aufzutreten, während die spezifische Soziale Angststörung sich erstmalig eher im höheren Jugendalter und frühen Erwachsenenalter zeigt. Ohne Therapie verlaufen beide Formen der Sozialen Angststörung chronisch (Abbildung 3). Vorübergehend Wenig Vermeidung Wenig Beeinträchtigung Chronisch Starke Vermeidung Starke Beeinträchtigung Schüchternheit Generalisierte Soziale Phobie Spezifische Soziale Phobie Ängstlich-vermeidende Persönlichkeit Abbildung 3: Chronischer Verlauf von nicht behandelter Sozialer Angststörung 12 13

Die Entstehung der Sozialen Phobie Was ist eigentlich Angst? Angst ist eine überlebensnotwendige Reaktion eines jeden Menschen und Tieres auf eine (reale) Gefahr. Sie ist ein emotionales Alarmzeichen auf eine nahende Gefahr. Vermeiden, Kampf oder Flucht sind mögliche Reaktionen. Um möglichst schnell und wirkungsvoll reagieren zu können, werden vom autonomen Nervensystem die Stresshormone Adrenalin und Noradrenalin produziert. Diese Stoffe mobilisieren Kraftreserven im Körper und schalten ihn auf Höchstleistung, so dass Kampf oder Flucht möglich werden. Durch die intensive körperliche Aktivität beim Fortlaufen oder beim Kampf werden die Stresshormone wieder abgebaut. Grundsätzlich spüren wir Angst auf vier verschiedenen Ebenen: auf der körperlichen Ebene (Anspannung, Zittern, Schwitzen etc.), auf der Ebene Wahrnehmung und Denken (eingeengt auf die Gefahr), auf der Gefühlsebene (Hilflosigkeit) und auf der Verhaltensebene (Kampf, Flucht, Vermeiden). Phobische Angst So wichtig diese Angst-Stress-Reaktion bei wirklichen Gefahren ist, so sehr kann sie uns in Situationen behindern, von denen keine reale Gefahr ausgeht. Wir werden vielleicht von Adrenalin und Noradrenalin überschwemmt, weil wir eine Spinne sehen oder eine Maus oder wenn wir Fahrstuhl fahren. In diesen Situationen werden wir «umsonst» alarmiert. Dies ist sehr unangenehm, und wir werden (fast) alles tun, um diese Spannung wieder loszuwerden. Wir können zumeist nicht kämpfen, wohl aber flüchten und in Zukunft solche Situationen vermeiden. Da wir die Flucht ergreifen mussten, werden wir diese Situation fortan ständig als gefährlich bewerten. Tatsächlich ist aber meist keine objektive Gefahr vorhanden und die Angst nicht!"#$%"&'(#)"&'*+,)'"- scher Angst oder Phobie. Eine phobische Angst ist also Angst ohne objektive Gefährdung. Genauso verhält es sich mit der Sozialen Phobie. Wenn der Betroffene die gefürchteten und vermiedenen Situationen in der Realität überprüfen könnte, würde er feststellen, dass er nicht negativ, sondern zumeist positiv oder zumindest neutral bewertet wird. Weil aber negative Erfahrungen von früher oder von anderen erlerntes Vorsichtsverhalten als Bewertungsgrundlage für gegenwärtige Situationen genommen werden, kann der Betroffene nicht mehr realistisch beurteilen, wie gross die Gefahr einer negativen Beurteilung oder einer Blamage wirklich ist. Und jede vermiedene Situation und jede Situation, die er mit Sicherheitsverhalten mehr schlecht als recht gemeistert hat, bestärkt ihn in seinem (Irr-)Glauben. Ursachen der Sozialen Angststörung: Erklärungsmodelle Es gibt verschiedene psychologische und medizinische Erklärungsmodelle für die Soziale Phobie, die sich aus ihren verschiedenen Blickrichtungen ergänzen. Insgesamt sprechen die aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse dafür, dass die Soziale Angststörung in Kindheit und früher Jugend entsteht, dass aber Vererbung und biologische Veranlagung eine wichtige Rolle spielen. Man schätzt, dass zur Entwicklung der Sozialen Angststörung die Genetik etwa ein Drittel und Entwicklungsfaktoren etwa zwei Drittel beitragen. Konditionierung In der klassischen Verhaltenspsychologie geht man von einer so genannten Konditionierung durch ein traumatisierendes Ereignis, zumeist in Kindheit oder Jugend, aus. Ein 8-jähriger Junge beispielsweise, soll in der Schule ein Gedicht aufsagen. An entscheidender Stelle verhaspelt er sich, die Klasse lacht herzlich und schadenfroh. Der Junge schämt sich zu Tode. Vergleichbare Situationen werden in Zukunft nach Möglichkeit vermieden. Damit bleibt die Angst weiterhin bestehen, da nicht überprüft werden kann, ob die jeweilige Situation wirklich gefährlich ist. Ablehnung durch Gleichaltrige erscheint als wichtiger Faktor, daraus resultierende soziale Isolation und einzelgängerisches Verhalten können die Situation verschlimmern. Die Angst kann auch ohne neues traumatisches Erleben immer schlimmer werden. 14 15

Verminderte soziale Kompetenz Bei anderen Menschen mag mangelnde soziale Kompetenz, vielleicht durch Fehlen geeigneter Vorbilder oder Modelle oder durch mangelnde Verstärkung selbstsicheren Verhaltens, dazu führen, dass sozial wirksame Verhaltensweisen nicht ausreichend erlernt werden konnten. Eine Untergruppe der Menschen mit Sozialen Phobien scheint tatsächlich einen objektiven Mangel an sozialen Fertigkeiten zu haben. Die meisten Sozialphobiker unterschätzen jedoch ihre Fähigkeiten, sich in sozialen Situationen angemessen zu verhalten. Erziehungseinflüsse Zudem können Vorbilder, die selbst ein ängstlich-vermeidendes Verhalten zeigen und die Welt als (unrealistisch) gefährlich darstellen, sowie solche mit einer überkritisch-negativen Haltung gegenüber anderen Menschen die Entwicklung ängstlichen Verhaltens fördern. Ein Erziehungsstil, der durch wenig emotionale Wärme, aber durch viel Kontrolle (so genannte Overprotection) gekennzeichnet ist, kann ebenfalls direkt die Entwicklung einer Sozialen Phobie fördern. Wenn kindliche Angst von den Eltern kritisiert wird oder die Kinder deswegen von ihren Bezugspersonen gehänselt werden, ist das wahrscheinlich ebenso ein fördernder Faktor wie ein grundsätzlich ablehnender Erziehungsstil. Biologische Ursachen Auch aus biologischer Sicht gibt es mehrere Theorien über die Entstehung einer Sozialen Angststörung. So geht man von einer in der Persönlichkeit verankerten, sehr wahrscheinlich vererbbaren Veranla-./0.1/23415678090.3:75;<=85:6/3>?83:5@:8A520628678BC58DE2C58 Beurteilung möglicherweise gefährlicher Situationen zuständig sind, können bei Menschen mit Sozialer Phobie stärker oder leichter erregbar sein. Auch liegt ein Ungleichgewicht bei Überträgerstoffen der Nervenzellen vor. Bei der Sozialen Phobie ist dies vor allem eine Fehlregulation des Dopamin-Systems. Nach anderen Theorien ist das Serotonin- und Noradrenalin-System im Gehirn überempfindlich. Neueste Forschungen geben Hinweise darauf, dass möglicherweise ein Risikogen für Soziale Phobie existiert. Biologische Faktoren alleine reichen aber nicht aus, um eine Angststörung zu entwickeln, sie sind die Grundlage, auf der zusammen mit Entwicklungs- und Umfeldfaktoren eine Angststörung entstehen kann. Entwicklung der Sozialen Angst in Kindheit und Jugend Viele Kinder und Jugendliche erleben sich als schüchtern. Schüchternheit als vorübergehende Angst vor fremden Menschen ist so häufig, dass man ihr keinen Krankheitswert zuschreiben kann. Schüchternheit kann aber die Grundlage für eine spätere Soziale Angststörung werden, wenn wiederholt die Erfahrung negativer Bewertung gemacht wird. Eine andere Art von Risikoveranlagung ist weitgehender: 10 20% aller Kinder haben eine angeborene so genannte «behavioral inhibition». Sie erforschen ihre Umwelt weniger mutig und neugierig und neigen zu Weinerlichkeit. Grund ist eine empfindlichere und intensivere Reaktion ihres Nervensystems auf Umweltreize. Wenn sie wegen dieses Verhaltens von Gleichaltrigen abgelehnt werden, scheinen sie ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer Sozialen Angststörung zu haben. Aus Zwillingsstudien weiss man, dass eine gewisse Vererblichkeit einer biologischen Angstbereitschaft vorliegen kann. Vor allem die generalisierte Soziale Phobie tritt familiär gehäuft auf. Wie entstehen Angstgedanken in meinem Kopf? Wie bereits geschildert, registrieren Menschen mit sozialen Ängsten körperliche Anzeichen von Angst nicht nur besonders früh, sie bewerten diese auch schnell negativ, beispielsweise als Zeichen von Schwäche oder drohendem Versagen. Sie gehen davon aus, dass andere Menschen diese Zeichen ebenfalls schnell bemerken und negativ bewerten. Die Überaufmerksamkeit auf die eigenen Körperreaktionen führt nicht nur zu dem beschriebenen Teufelskreis der Angst (siehe Seite 7), sondern auch zu einer reduzierten Aufmerksamkeit für äussere Vorgänge. Daher kann nicht überprüft werden, ob eine Gefahr real ist. Die verbleibende nach aussen gerichtete Aufmerksamkeit ist auf die Wahrnehmung negativer Reaktionen gerichtet. Bleibt diese aus (was eher die Regel ist), werden neutrale Reaktionen oder fehlende positive Reaktionen sehr schnell als negativ fehlbewertet. 16 17

Auch die gedankliche Vorwegnahme der Problemsituation ist in der Regel mit Gedanken des Versagens oder der negativen Bewertung durch andere verbunden. Die erwarteten Szenarien gleichen Katastrophen, sie werden mit früheren Misserfolgen oder Traumatisierungen verbunden. Dies führt zu einem Anstieg der ängstlichen Erregung und damit zu einem Einstieg in den Stress-Teufelskreis, noch bevor die Situation überhaupt eingetreten ist. Warum habe ich immer noch Angst, obwohl ich so viel über meine Störung weiss? Der wichtigste aufrechterhaltende Faktor ist das Vermeidungsverhalten. Jede Situation, die vermieden wird, bekommt durch das Vermeidungsverhalten den «Qualitätsstempel» GEFÄHRLICH. Denn wenn sie nicht gefährlich wäre, müsste sie nicht vermieden werden. Dieser logische Kurzschluss führt leider dazu, dass nicht überprüft wird, ob die Beurteilung «gefährlich» wirklich zutrifft: Die Soziale Angststörung bleibt bestehen. Eine gefürchtete soziale Situation führt zu einem Anstieg der inneren Angst und Erregung. Kann nun diese Situation vermieden oder abgebrochen werden, führt dies unmittelbar zu einer Verringerung der als unangenehm wahrgenommenen Angstsymptomatik. Jede Vermeidung wird also unmittelbar durch eine Befindlichkeitsverbesserung (Spannungsreduktion) belohnt. Da wir alle uns lieber wohl als unwohl fühlen, werden wir eher unangenehme Situationen vermeiden als diese aushalten, auch wenn es sinnvoll wäre. Wie wird eine Soziale Angststörung erkannt? Habe ich eine Soziale Phobie? Die Diagnose einer Sozialen Phobie kann Ihr Hausarzt, ein Facharzt (Psychiater) oder ein klinisch ausgebildeter Psychologe stellen. Er wird auch beurteilen, welche Art von Sozialer Angststörung Sie haben, ob vielleicht auch ein anderes psychisches Leiden wie eine Depression vorliegt und ob es allenfalls auch körperliche Ursachen für Ihre Symptome (zum Beispiel Krankheiten der Schilddrüse etc.) gibt. Der kleine Fragebogen am Ende dieser Broschüre kann Ihnen einen ersten Hinweis darauf geben, ob Sie Rat bei einer Fachperson suchen sollten. Diese wird Sie gegebenenfalls an eine geeignete Therapieeinrichtung weitervermitteln. Begleiterkrankungen bei der Sozialen Angststörung Depression Besonders bei chronischen Verläufen sowie aufgrund der zunehmenden beruflichen und/oder privaten Einschränkungen in Folge einer Sozialen Phobie treten begleitende Depressionssymptome auf. Diese verstärken die negative Selbstwahrnehmung und schränken die eigenen Verhaltensmöglichkeiten zusätzlich ein. Depressionen gehen zumeist einher mit Energieverlust, mit der Unfähigkeit, Freude zu empfinden, und mit fehlendem Antrieb. Die meisten Menschen mit einer depressiven Störung zeigen auch ohne eine eigentliche Soziale Phobie einen sozialen Rückzug. Sie vermuten eine negative Bewertung durch andere, weil sie sich selber negativ bewerten. Zusätzlich haben sie aber negative Gedanken in den meisten Lebensbereichen, eben auch in sozial sicheren Situationen. Eine Begleitdepression sollte immer zuerst behandelt werden. In der Regel verschwinden die Symptome des sozialen Rückzugs mit der Besserung der Depression. Ist die Depression im Verlauf einer Sozialen Phobie entstanden, kann sie eine erfolgreiche psychotherapeutische Behandlung der Sozialen Phobie erschweren: Wer sich im Leben überhaupt nichts mehr zutraut, traut 18 19

sich auch keine Therapie zu. Die gute Nachricht: Beide Störungen sind mit den gleichen Medikamenten behandelbar. Körperliche Erkrankungen Was kann ich gegen eine Soziale Phobie tun? FGHIJKLMNOPQLRSNLNJTUVINWTPJLNVJNOIQRSYZLYKIUVLN Erkrankungen auftreten, die tatsächlich eine soziale Stigmatisierung bewirken können, wie beispielsweise Stottern, starkes Übergewicht, Parkinson-Krankheit, schwere Akne, krankhaftes Schwitzen. Obwohl viele Gemeinsamkeiten mit der Sozialen Phobie bestehen, wird diese Diagnose nicht gestellt, weil eine reale negative Bewertung durch andere möglich ist. Die psychotherapeutische Behandlung ist in diesen Fällen dahingehend verändert, dass diese Menschen lernen müssen, mit der tatsächlichen Aufmerksamkeit (und der damit verbundenen möglichen negativen Bewertung durch andere) umzugehen und zu leben. Soziale Verhaltensmängel Menschen, die nur unzureichende soziale Erfahrung haben erwerben können, das heisst, die vielleicht gar nicht wissen, wie man sich am besten in bestimmten sozialen Situationen verhält, werden immer wieder auf Unverständnis und Ablehnung stossen. Dieser Mangel an sozialer Kompetenz kann je nach Veranlagung ebenfalls zum Bild einer sozialen Angststörung führen. Diese Menschen müssen die fehlenden sozialen Fertigkeiten erst erlernen (soweit dies für ihr Privatund Berufsleben relevant ist). Abgesehen von einem Mangel an sozialen Grundfertigkeiten kann durch private, berufliche oder soziale Veränderungen das Problem entstehen, dass bisherige Kompetenzen nicht mehr ausreichen und es daher zu Erlebnissen des Mangels, der Angst und zu nicht vorteilhaftem Verhalten kommt. Grundsätzlich unterscheidet man die psychotherapeutische Behandlung von der medikamentösen Behandlung. Eine psychotherapeutische Behandlung kann durch einen entsprechend ausgebildeten Psychologen oder Arzt durchgeführt werden. Medikamente darf nur ein Arzt verschreiben. Oftmals arbeiten Psychologen auch mit Ärzten zusammen, so dass auf diese Weise eine kombinierte Behandlung möglich ist. Sprechen Sie mit Ihrem Hausarzt. Er wird Ihnen geeignete Therapieadressen nennen können. Gibt es Medikamente gegen die Soziale Phobie? Gegen eine Soziale Angststörung können hauptsächlich zwei Gruppen von Medikamenten verschrieben werden: die Monoamin-Oxidase- Hemmer (MAOI) und die Selektiven Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer bzw. Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI bzw. SNRI). Diese Medikamente gehören zur Gruppe der Antidepressiva, sind also Medikamente, die ursprünglich zur Behandlung einer Depression entwickelt wurden. Man hat im Laufe der Jahre aber gesehen, dass diese Medikamente auch gegen bestimmte Formen von Angstkrankheiten wirksam sein können. Aus wissenschaftlichen Studien weiss man, dass Neurotransmitter wie Serotonin an verschiedenen Stellen im Gehirn sowohl angstreduzierend als auch angstfördernd wirken können. Bei Sozialer Phobie bewirken Medikamente, die den Serotonin-Spiegel im Verbindungsspalt zwischen den Nervenzellen erhöhen, eine Reduktion der Angst. Wenn zusätzlich eine Depression vorliegt, kann man mit ihnen beide Störungen gleichzeitig behandeln. Wichtig bei einer medikamentösen Behandlung von Angststörungen ist, dass die Dosis der Medikamente ausreichend hoch gewählt wird. Sie bewirken bei vielen Patienten eine Besserung der sozialen Ängste zumindest in einem Ausmass, dass das Vermeidungsverhalten deutlich reduziert werden kann. Zudem scheinen diese Medikamente auch die Fähigkeit, neues aussenorientiertes Verhalten lernen zu können, zu verbessern. 20 21

Unter den so genannten SSRIs gibt es mehrere verschiedene Präparate verschiedener Firmen, die im Prinzip ähnlich wirken, aber teilweise unterschiedliche Nebenwirkungen haben. In der Regel sind diese Medikamente jedoch gut verträglich. Für die Wirksamkeit anderer Medikamente bei Sozialer Angststörung gibt es bisher keinen überzeugenden Beweis. Insbesondere gibt es keine pflanzlichen Präparate, die für die Behandlung der Sozialen Phobie empfohlen werden können. Sehr wichtig ist, dass diese beiden Medikamentengruppen (MAOI und SSRI/SNRI) nicht kombiniert werden, da es zu gefährlichen Wechselwirkungen kommen kann. Betablocker wirken an bestimmten Stellen (so genannte Betarezeptoren) im Herz-Kreislauf-System. Sie dämpfen die körperlichen Angstsymptome wie erhöhten Puls und Blutdruck, Zittern und Schwitzen, nehmen aber die Angst nicht. Sie können bei spezifischer Sozialer Phobie (Vortragsangst) helfen, die körperlichen Symptome der Angst (Zittern, Erregung, weiche Knie etc.) zu kontrollieren. Für die Behandlung der generalisierten Form sind sie nicht geeignet. Auch bei diesen von vielen Patienten als harmlos eingeschätzten Medikamenten sollten Sie vorher einen Arzt fragen und nicht die Tabletten Ihres Nachbarn oder Kollegen ausprobieren, weil sie ihm so gut geholfen haben. Die wichtigste Gruppe der Beruhigungsmittel, die so genannten Benzodiazepine, ist nicht antidepressiv wirksam und scheint bei Sozialer Phobie eine geringere Wirksamkeit zu haben als zum Beispiel bei der Panikstörung. Diese Medikamente haben ein gewisses Suchtpotential, zudem verschlechtern sie die Lern- und damit Therapiefähigkeit. Wir möchten ausdrücklich vor dem regelmässigen Gebrauch dieser Medikamente warnen. Eine medikamentöse Behandlung muss ausreichend lange durchgeführt werden, zumeist über viele Monate bis mehrere Jahre. Auch ist zu beachten, dass selbst nach längerer und erfolgreicher medikamentöser Behandlung ein Rückfall nach dem Absetzen droht, wenn die Zeit der Behandlung nicht genützt worden ist, um neue Erfahrungen zu machen und neues Verhalten auszuprobieren. Wenn Sie also unter einer wirksamen medikamentösen Behandlung Ihr bisheriges Vermeidungsverhalten nicht aus Angst, sondern aus Bequemlichkeit oder Routine beibehalten, werden Sie wahrscheinlich ohne Medikamente wieder die gleichen Symptome Ihrer Angststörung erleben wie vor der Behandlung. Welche psychotherapeutischen Methoden helfen bei Sozialer Phobie? Am besten erprobt und sehr wirksam bei der Sozialen Angststörung ist die Kognitive Verhaltenstherapie (KVT). Hypnose und Entspannungsverfahren können zudem unterstützend hilfreich sein. Eine gut gelernte Entspannungsmethode kann sehr erleichtern, reicht aber in der Regel nicht aus, um eine Angststörung zu behandeln. Mit einer psychotherapeutischen Behandlung dauert es in der Regel länger, bis die Angst nachlässt, als mit einer medikamentösen Behandlung. Die KVT zeigt aber im Vergleich zur medikamentösen Behandlung länger anhaltende Effekte, weniger Rückfälle und ist auch bei leichteren Formen wirksam. Die Kombination von medikamentöser und psychotherapeutischer Behandlung erzielt deshalb eine schnelle und nachhaltige Besserung. Werden die Medikamente abgesetzt, sollte dies noch während der Psychotherapie geschehen, damit Erfolge auch aus eigener Kraft geschafft werden. Kognitive Verhaltenstherapie Bei der kognitiven Verhaltenstherapie geht man davon aus, dass unvorteilhafte Denk- und Verhaltensweisen zumeist erlernt sind und damit auch wieder verlernt beziehungsweise durch neues, vorteilhafteres Verhalten ersetzt werden können. Kernpunkte des Therapiekonzeptes sind die Veränderung der erhöhten Selbst-Innen-Aufmerksamkeit, der negativen Selbstbewertung, des Vermeidungs- und des Sicherheitsverhaltens. Verändert werden diese ungünstigen Strategien durch Üben mit anderen Menschen, sei es in der Gruppe oder durch Verhaltensexperimente «auf der Strasse». Durch eine Veränderung des Aufmerksamkeits-Fokus von innen nach aussen wird der Patient in die Lage versetzt, seine soziale Wirkung in der Realität zu überprüfen. Vermeidungs- und Sicherheitsverhalten wird unterbunden, da es Lernen verunmöglicht. Die Selbstbewertung ändert sich durch Verhaltensexpe- 22 23

rimente, Selbstbelohnung und -verstärkung sowie durch konstruktive Rückmeldung der Gruppenmitglieder und des Therapeuten. Typischer Ablauf einer kognitiven Verhaltenstherapie Nach einer genauen Erhebung der Leidensgeschichte und der persönlichen Situation wird eine individuelle Lerngeschichte der Sozialen Angststörung erarbeitet. Da oftmals auch eine familiäre Belastung oder Begleiterkrankungen vorliegen, wird ein persönliches Krankheitskonzept mit dem Patienten erarbeitet, das seine Lerngeschichte und [\]^_^àbacde[cfd_^\g^_hicbaijfakflma^[cfn^o^\p\kbf^q^_]^\ aufgenommen und besprochen. Eine Liste von «gefährlichen» Situationen wird erstellt und diese werden nach Schwierigkeitsgrad geordnet. Sicherheitsverhalten in typischen Situationen wird identifiziert, damit es in therapeutischen Situationen nicht verwendet wird. Während der ganzen Therapie wird die Aussenaufmerksamkeit durch Beobachtungsübungen systematisch trainiert. Betroffene lernen, andere Menschen genau anzuschauen, zu beschreiben und ihr Verhalten zu bewerten. Auch mit der eigenen Körperhaltung wird experimentiert, da die Wahrnehmung anderer Menschen auch von der eigenen Körperhaltung (gedrückt, versteckt, gerade, aufrecht, stolz) abhängt. Die umfassende Information über die zu behandelnde Störung, das Führen eines Therapietagebuches, Übungsprotokolle, «Hausaufgaben» wie selbstständiges Üben, Video-Feedback und positive Selbstverstärkung gehören zum festen Repertoire jeder Kognitiven Verhaltenstherapie. Expositionsbehandlung Die in der Kognitiven Verhaltenstherapie eingesetzte Expositionsmethode, das heisst das Verbleiben in einer, objektiv ungefährlichen, angstauslösenden Situation, führt zur Erfahrung des Nachlassens der Spannung und des Ausbleibens der gefürchteten Gefahr. Bei der Behandlung der Sozialen Angststörung dient diese Methode sehr viel unmittelbarer der Veränderung der unvorteilhaften Denk- und Beurteilungsgewohnheiten. Der Patient lernt in Verhaltensexperimenten mit anderen Menschen, seine Grundannahmen (Ich werde negativ beurteilt...) zu überprüfen und zu korrigieren. Wenn die geübte Situation ausreichend lange dauert, wie zum Beispiel bei einem Restaurantbesuch, stellt sich normalerweise ein Nachlassen der Spannung ein. Zudem erwirbt der Patient in der Therapie eine Fülle neuer positiver Erfahrungen in bisher vermiedenen Situationen. Je aussenaufmerksamer, aktiver, risikobereiter und fleissiger geübt wird, umso grösser und nachhaltiger wird auch der Erfolg sein. Vor einer Exposition werden die befürchteten negativen Erwartungen benannt. Die kritische Situation wird aufgesucht und das gefürchtete Verhalten (beispielsweise Essen im Restaurant, Ansprechen fremder Menschen) ausprobiert. Währenddessen und danach wird überprüft, ob die befürchtete negative Erwartung eingetroffen ist. Besonders wirksam sind so genannte Mittelpunktsübungen, das heisst Übungen, die möglicherweise die Aufmerksamkeit anderer Menschen auf sich ziehen (gezieltes Ansprechen, Reklamationen, Ungeschicklichkeiten zeigen). Grundsätzlich werden aber nur Alltagssituationen oder leicht abgewandelte Alltagssituationen geübt. Mit einer roten Pappnase ausserhalb der Fasnacht herumzulaufen oder auf einer Strassenkreuzung laut zu singen macht für die Bewältigung von Alltagssituationen keinen Sinn. Kognitiv-verhaltenstherapeutische Gruppentherapie Bereits die Teilnahme an einer Gruppentherapie kann für einen Menschen mit Sozialer Angststörung eine erste grosse therapeutische Herausforderung sein, weswegen wir diese Form der Behandlung bevorzugen. Weitere Vorteile sind die gegenseitige Unterstützung der Teilnehmer untereinander und die Tatsache, dass eine Gruppentherapie kostengünstiger ist als eine entsprechende Anzahl von Einzeltherapien, aber sicher genauso wirksam. Da es noch nicht viele Psychotherapeuten gibt, die sich auf die Behandlung der Sozialen Phobie spezialisiert haben, können mit Gruppenangeboten mehr Patienten behandelt werden. Vermeidend-selbstunsichere Persönlichkeitsstörung Wenn Sie an einer vermeidend-selbstunsicheren Persönlichkeitsstörung und unter den Symptomen einer generalisierten sozialen Phobie leiden, kann sich die Teilnahme an einer kognitiv-verhaltenstherapeutischen (Gruppen-)Therapie auf jeden Fall lohnen. Oftmals führen die Erfolge einer solchen Therapie zu einem Mehr an Selbstbewusstsein, 24 25

was eine selbstständige Weiterentwicklung ermöglicht. Zusätzlich kann eine längerfristige Einzelpsychotherapie sinnvoll sein. Hierbei ist besonders wichtig, mit dem Therapeuten ein positives therapeutisches Bündnis herzustellen, das es Ihnen ermöglicht, sich akzeptiert und geschätzt zu fühlen. Für die Behandlung einer Persönlichkeitsstörung bieten die verschiedenen Psychotherapieschulen differenzierte Therapieansätze an. Was kann ich selber gegen meine sozialen Auch ohne Therapie können Sie etwas verändern: Üben Sie sich im Blickefangen: Die meisten Menschen schauen weg, wenn man ihnen direkt in die Augen schaut; seien Sie nicht der Erste, der wegschaut. Halten Sie Ihre Augen im Alltag offen, beobachten Sie Ihre Umgebung genau und neugierig. Machen Sie sich eine Liste von Situationen, die Sie bis anhin vermieden haben, die Sie aber wieder meistern wollen. Fangen Sie mit den leichteren Problemen an und steigern Sie den Schwierigkeitsgrad mit zunehmendem Erfolg. Grundsätzlich sollten Sie schwierige soziale Situationen nicht mehr vermeiden, sondern aushalten. Überprüfen Sie dabei, ob Sie jemand missbilligend ansieht. Gehen Sie davon aus, dass jeder nicht ausdrücklich negative Blick entweder positiv oder allenfalls uninteressiert ist. Belohnen Sie sich für jeden Ihrer Erfolge, so macht das Üben mehr Spass und ist noch wirksamer. Führen Sie selber ein «Erfolgstagebuch». Um die Anspannung in schwierigen Situationen besser zu bewältigen, empfiehlt sich das Lernen einer Entspannungstechnik. Was sollte ich nicht tun? Vermeiden Sie Alkohol, Benzodiazepine und andere Beruhigungsmittel sowie Drogen aller Art vor oder in kritischen sozialen Situationen. Um zu lernen, brauchen Sie Ihre volle Aufmerksamkeit. Vermeiden Sie Sicherheitsverhalten, lassen sie Amulette, Glücksbringer und Ähnliches zu Hause, verzichten Sie auf Rituale und «die Zigarette vorher». Die Soziale Angststörung ist keine unheilbare Krankheit. Durch eine adäquate medikamentöse oder psychotherapeutische Behandlung bzw. eine kombinierte Therapie, unterstützt durch Ihren eigenen Besserungswillen ist eine Heilung möglich. So können Sie wieder unbeschwert auf andere Menschen zugehen und soziale Anlässe wie Partys und Aperos in vollen Zügen geniessen. Impressum Autor Dr. med. Torsten Berghändler Abteilung für Psychosomatik Bereich Medizin Universitätskliniken / Kantonsspital Basel Hebelstrasse 2 4031 Basel Tel.: 061 265 25 25 E-mail: tberghaendler@uhbs.ch Es gibt Selbsthilfeprogramme in Buchform, die bei diesen Bemühungen sehr hilfreich sein können. Sie finden im Kapitel «Literatur» einige Empfehlungen. Auch Selbsthilfegruppen können die eigenen Bemühungen sehr unterstützen, vor allem, wenn einige Mitglieder Therapie-Erfahrung haben. Fragebogen Grafiken Prof. Dr. J. Margraf Psychiatrische Universitätsklinik, Basel Dr. med. Torsten Berghändler Universitätskliniken / Kantonsspital Basel Für Menschen mit Vortragsangst empfehlen sich Rede- oder Rhetorik- Kurse, beispielsweise an einer Volkshochschule. Auflage 1. Auflage, 28 000 Exemplare Deutsch, Juli 2004 26 27

Weiterführende Literatur Fragebogen Lydia Fehm, Hans-Ulrich Wittchen, Wenn Schüchternheit krank macht, Ein Selbsthilfeprogramm zur Bewältigung Sozialer Phobie. Hogrefe Verlag, Göttingen 2004 Christophe Andre, Patrick Legeron, Bammel, Panik, Gänsehaut. Die Angst vor den Anderen. Kiepenheuer 1999 Hansruedi Ambühl, Barbara Meier, Ulrike Willutzk, Soziale Angst verstehen und behandeln. Pfeiffer bei Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2001 Jürgen Margraf, Katharina Rudolf, Soziale Kompetenz, Soziale Phobie. Schneider Verlag, Hohengehren 2003 Wittchen H.U. u.a., Hexal-Ratgeber Angst. Karger-Verlag, Basel 1995 Selbsthilfegruppen Stelle für «Koordination und Förderung von Selbsthilfegruppen in der Schweiz, KOSCH» Laufenstrasse 12 4053 Basel 061 333 86 01 http://www.offenetuer-zh.ch/shg/soziale_phobie.htm Der Fragebogen auf der Rückseite beinhaltet Probleme und Beschwerden, die jeder von uns kennt. Bitte lesen Sie jede Frage sorgfältig durch und entscheiden Sie, wie sehr Sie in den letzten sieben Tagen, einschliesslich heute, durch diese Beschwerden gestört oder bedrängt worden sind. Überlegen Sie bitte nicht erst, welche Antwort den besten Eindruck machen könnte, sondern antworten Sie so, wie es für Sie persönlich zutrifft. Machen Sie hinter jeder Frage ein Kreuz in das Kästchen, welches für Sie am besten zutrifft. Beantworten Sie bitte jede Frage! Zählen Sie anschliessend die Anzahl Kreuze pro Spalte zusammen und multiplizieren Sie sie mit der angegebenen Gewichtung. Zählen Sie anschliessend alle Punkte zusammen. Aufgrund der Gesamtpunktezahl können Sie anhand der Skala auf der Rückseite eine Auswertung vornehmen. Der Fragebogen gibt Hinweise auf eine mögliche Soziale Angststörung. Bei Unsicherheit sollten Sie einen Arzt konsultieren. Web-Links http://www.sozphobie.de http://www.sozialphobie-dd.de http://www.toastmasters.ch Institutionelle Hilfe Wenn Sie Fragen oder Interesse an der in dieser Broschüre beschriebenen Gruppentherapie haben, können Sie sich auch direkt an die Abteilung für Psychosomatik im Kantonsspital Basel (Telefon 061 265 25 76) wenden. 28 29

Überhaupt Wenig Mittel Stark nicht Es störte Es war sehr Ich konnte mich nicht unangenehm, es kaum sehr. aber ich aushalten. konnte es aushalten. 1. Vor Zuhörern oder Zuschauern handeln, etwas leisten oder sprechen 2. Im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen 3. Sich bei einem Treffen oder einer Konferenz ohne Vorbereitung zu Wort melden 4. An einem Leistungs-, Geschicklichkeits- oder Wissenstest teilnehmen 5. Gegenüber jemandem, den Sie nicht gut kennen, Meinungs unterschiede oder Missfallen äussern 6. Versuch, jemanden kennen zu lernen Anzahl Kreuze Gewichtung 0 1 2 3 Punkte Gesamtpunktezahl: Skala 0 6 Punkte: Sie können davon ausgehen, dass Sie nicht an einer Sozialen Phobie leiden 7 9 Punkte: Es liegt möglicherweise eine leichte Soziale Phobie vor über 10 Punkte: Es ist sinnvoll, Ihren Hausarzt aufzusuchen und eine genaue Abklärung zu machen. Ihr Hausarzt kann Sie über eine eventuell notwendige Behandlungen am Besten informieren 30