Gesundheitsgefährdung durch PCB-Belastungen in unseren Schulen? von Hans-Joachim Gärtner

Gesundheitsgefährdung durch PCB-Belastungen in unseren Schulen? von Hans-Joachim Gärtner Überarbeitete und ergänzte Kurzfassung eines Vortrages, gehalten im September 2009 in Thalfang

Hans-Joachim Gärtner Jahrgang 1956, Studium der Biologie und Chemie für das Lehramt, berufliche Tätigkeit im Bildungs- und Erziehungsbereich, mehr als 7 Jahre Tätigkeit an einem mit PCB hoch belasteten Arbeitsplatz. Hauptstraße 85 55768 Hoppstädten-Weiersbach hj.gaertner@web.de Hans-Joachim Gärtner: Gesundheitsgefährdung durch PCB-Belastungen? Seite 2 von 14 Seiten

Einleitung Der nachfolgende Vortrag wendet sich nicht an den Chemiker, den Toxikologen oder den Umweltmediziner. Er richtet sich an interessierte Bürgerinnen und Bürger, die sich über die PCB-Problematik informieren möchten. Aus diesem Grunde werden viele Sachverhalte so einfach wie möglich, aber unverfälscht dargestellt. Dass dies zu Lasten der wissenschaftlichen Fachsprache und ihrer Genauigkeit geht, bitte ich zu entschuldigen. Gliederung Der nachfolgende Vortrag ist in vier Teile gegliedert: 1. Was sind PCB? 2. Die Toxizität der PCB. 3. Grenzwerte und ihre Auslegung. 4. Strategien zur Umsetzung von Sanierungsmaßnahmen. Gliederung 1. Was sind PCB? 2. Die Toxizität der PCB. 3. Grenzwerte und ihre Auslegung. 4. Strategien zur Umsetzung von Sanierungsmaßnahmen. Hans-Joachim Gärtner: Gesundheitsgefährdung durch PCB-Belastungen? Seite 3 von 14 Seiten

Was sind PCB? PCB ist kein Einzelstoff, sondern der Oberbegriff für eine Stoffgruppe, die aus bis zu 209 einzelnen Verbindungen besteht. Diese 209 Verbindungen haben eines gemeinsam: das so genannte Biphenyl-Gerüst. 1 Dieses Biphenylgerüst besteht aus zwei miteinander verbundenen Phenylgruppen. 2 Die Phenylgruppe ist im Wesentlichen eine Verbindung aus Kohlenstoff- und Wasserstoff-Atomen, in der die Kohlenstoffatome ringförmig angeordnet sind. Was sind PCB? Kein Einzelstoff, sondern eine Stoffgruppe Die Stoffgruppe umfasst bis zu 209 Verbindungen Gemeinsam ist das Biphenyl-Gerüst Biphenyl Phenylgruppe 1 Bildquelle: http://de.wikipedia.org/wiki/biphenyl 2 Bildquelle: http://de.wikipedia.org/wiki/phenyl Hans-Joachim Gärtner: Gesundheitsgefährdung durch PCB-Belastungen? Seite 4 von 14 Seiten

Was sind PCB? PCB sind Biphenylverbindungen 3, die chloriert sind, d.h. am Biphenylgerüst können Chloratome in verschiedener Anzahl gebunden sein. - Ist nur ein Chlor-Atom am Biphenylgerüst gebunden, spricht man von einem Monochlorbiphenyl, - sind zwei Chlor-Atome am Biphenylgerüst gebunden, spricht man von einem Dichlorbiphenyl. - Es können bis zu 10 Chloratome am Biphenylgerüst gebunden sein. Gemeinsam ist also den Chlorbiphenylen, dass sie eine gemeinsame Grundstruktur besitzen, sich aber dennoch im Detail (hier: Anzahl der Chloratome) unterscheiden. Solche Verbindungen mit gleicher Grundstruktur, aber geringfügigen Unterschieden, nennt man Kongenere. Liegt ein Gemisch aus vielen unterschiedlichen Chlorbiphenylen vor, so spricht man von Polychlorbiphenylen (die Vorsilbe poly stammt aus dem Griechischen und bedeutet viele ). Gemeint sein kann auch, dass die Verbindung viele Chlor-Atome enthält. Was sind PCB? Gemeinsam ist das Biphenyl-Gerüst Biphenyl PCB sind chlorierte Biphenyle Monochlorbiphenyl (2-3-4) Dichlorbiphenyl (2,2-2,3-2,3-2,4-..) Trichlorbiphenyl (2,2,3-2,2 4- ) Tetrachlorbiphenyl Decachlorbiphenyl Kongenere 3 Bildquellen: http://de.wikipedia.org/wiki/biphenyl und http://de.wikipedia.org/wiki/polychlorierte_biphenyle Hans-Joachim Gärtner: Gesundheitsgefährdung durch PCB-Belastungen? Seite 5 von 14 Seiten

Was sind PCB? PCB wurden bis zu ihrem weltweiten Verbot im Jahre 2001 im Handel vertrieben, in Großbritannien und Deutschland zum Beispiel unter den Handelsnamen Clophen oder Aroclor. Diese Handelsprodukte enthielten etwa 50 bis 80 PCB-Kongenere und darüber hinaus hochgiftige Verunreinigungen, die bei der großtechnischen Herstellung der PCB entstehen und nicht entfernt werden. Wesentliche Eigenschaften der PCB sind ihre gute Löslichkeit in Ölen und Fetten, die hohe Stabilität (sie zersetzen sich kaum) und dass sie den elektrischen Strom nicht leiten. Dementsprechend wurden sie als Isolierflüssigkeiten, Schmierstoffe usw. verwandt. Was sind PCB? Frühere Handelsprodukte: Clophen, Aroclor 50 bis 80 Kongenere technisch nicht rein, sondern mit hochgiftigen Verunreinigungen Eigenschaften wasserklare bis gelbe Flüssigkeiten sehr gut löslich in Ölen und Fetten leiten den elektrischen Strom nicht sehr stabil, zersetzen sich kaum Verwendung Isolierflüssigkeiten, Schmierstoffe Weichmacher (Lacke, Kunststoffe, Kitte und Vergußmassen.) Sperrflüssigkeiten Hans-Joachim Gärtner: Gesundheitsgefährdung durch PCB-Belastungen? Seite 6 von 14 Seiten

Was sind PCB? Ohne jetzt schon näher auf die Wirkung der PCB auf den Menschen einzugehen, lässt sich über die PCB bereits folgendes aussagen: - Sie sind giftig. - Sie sind aufgrund ihrer hohen chemischen Stabilität biologisch kaum abbaubar, lassen sich also einmal in die Natur eingebracht -nicht mehr aus den natürlichen Kreisläufen entfernen. - Dementsprechend werden sie über die Nahrungskette weiter gegeben und weil sie sich aufgrund ihrer chemischen Struktur insbesondere im Fettgewebe anreichern, erreichen sie auch das Endglied vieler Nahrungsketten den Menschen, und können von diesem, z.b. über die fettreiche Muttermilch, auch weiter gegeben werden. Dies trifft vor allem auf PCB zu, die viele Chloratome enthalten (hochchlorierte Biphenyle). PCB sind also umweltschädigend und somit Umweltgifte. Was sind PCB? PCB sind giftig sind biologisch kaum abbaubar werden über die Nahrung aufgenommen reichern sich in der Nahrungskette an tierische Fette menschliche Fette Muttermilch PCB sind umweltschädigend! Hans-Joachim Gärtner: Gesundheitsgefährdung durch PCB-Belastungen? Seite 7 von 14 Seiten

Die Toxizität der PCB Bevor auf den nächsten Punkt Die Giftigkeit von PCB für den Menschen eingegangen wird, muss zum Begriff der Giftigkeit noch einiges gesagt werden. Giftigkeit ist zwar eine Eigenschaft von Stoffen, sie hängt aber von verschiedenen Faktoren ab: - So wirken Giftstoffe auf unterschiedliche Lebewesen unterschiedlich: was zum Beispiel für Insekten giftig ist, muss nicht unbedingt für den Menschen giftig sein und umgekehrt. - Die Giftigkeit hängt von der aufgenommenen Menge ab: eine Prise Salz ist für den Menschen nicht giftig, wohl aber Salz in größeren Mengen. - Sie hängt ab vom Aufnahmeweg (über die Atemwege, den Verdauungsweg, die Haut oder direkt in die Blutbahn) und damit davon ab, wie schnell welche Menge eines Giftstoffes in den Körper gelangt und dort wirken kann. - Und sie hängt ab von individuellen Anfälligkeiten: Menschen sind nicht gleich, sie unterschieden sich in ihren Erbanlagen oder in ihren Vorerkrankungen. Liegt zum Beispiel eine nervenschädigende Vorerkrankung bei einem Menschen vor (zum Beispiel durch eine zu hohe Blutzuckerkonzentration) haben nervenschädigende Gifte z.b. die PCB eine größere Wirkung als bei Menschen, die diese Vorerkrankung nicht haben. Der Fachbegriff für solche Anfälligkeiten lautet Disposition. Toxizität Toxizität (Giftigkeit) ist eine Stoffeigenschaft ist für unterschiedliche Lebewesen unterschiedlich hängt ab von der aufgenommenen Menge hängt ab vom Aufnahmeweg Atemweg Verdauungsweg Haut hängt ab von individuellen Anfälligkeiten (Disposition) Hans-Joachim Gärtner: Gesundheitsgefährdung durch PCB-Belastungen? Seite 8 von 14 Seiten

Die Toxizität der PCB Die Einschätzung der Giftigkeit von PCB durch die Arbeitsmedizin lässt sich bereits aus den bis 1989 geltenden MAK-Werten ablesen, bevor PCB in Deutschland verboten wurde. MAK steht für maximale Arbeitsplatzkonzentration. MAK-Werte geben an, welche Konzentration eines Stoffes an einem Arbeitsplatz bei einer Arbeitszeit von 8 Stunden täglich und 40 Stunden wöchentlich maximal vorliegen darf, damit kein Gesundheitsschaden eintritt. Für PCB lag der MAK-Wert zwischen 0,7 und 1,1 mg/m³ Luft. Als Vergleich ist der MAK-Wert des Giftes Blausäure (Cyanwasserstoff), das jeder aus Krimis oder Agentenfilmen kennt, in der Folie darunter angegeben. Aber bereits seit Beginn der industriellen Produktion im Jahre 1929 ist die Giftigkeit von PCB für den Menschen immer wieder bestätigt worden. Es gibt eine Vielzahl von dokumentierten Industrieunfällen, bei denen PCB freigesetzt und Arbeiter/innen vergiftet wurden. Bereits 1937 trat in den USA eine erste Kommission zusammen, die sich mit der Giftigkeit von PCB beschäftigte. In Japan wurden 1968 etwa 14.000 Menschen durch PCB-verseuchtes Reisöl vergiftet. 1972 verbot die japanische Regierung dementsprechend den Import, die Produktion und den Vertrieb von PCB. Aufgrund der Umweltgefährdung und der Gefährlichkeit für den Menschen folgten in Deutschland und weltweit weitere Maßnahmen: - Das Verbot der Verwendung außerhalb geschlossener Systeme, - das generelle Verbot und - Richtlinien für die Sanierung von Gebäuden und die Entsorgung von PCB-haltigen Stoffen. Toxizität Giftigkeit von PCB Maximale Arbeitsplatzkonzentration bis 1989 MAK PCB : 0,7 1,1 mg/m³ Luft MAK HCN: 2,1 mg/m³ Luft Hinweise auf die Giftigkeit durch Industrieunfälle seit 1929 Nahrungsmittelvergiftung 1968 in Japan (14.000 Betroffene) Konsequenzen 1978: Verwendung nur in geschlossenen Systemen. 1989: Generelles Verbot. 1994: PCB-Richtlinie Hans-Joachim Gärtner: Gesundheitsgefährdung durch PCB-Belastungen? Seite 9 von 14 Seiten

Die Toxizität der PCB Zusammenfassend lässt sich zur Giftigkeit der PCB folgendes sagen: 1. PCB verursachen bei hohen Konzentrationen akute und chronische Vergiftungen. Im Jahr 2000 hat das US Department of Health and Human Services die Studie Toxicological Profile for polychlorinated Biphenyls (PCBs) mit Hinweisen auf zahlreiche Erkrankungen herausgegeben, die durch PCB beim Menschen und bei Tieren verursacht werden können. Diese Studie von über 900 Seiten, die im Internet abrufbar ist 4, gibt Hinweise auf eine sehr große Anzahl von PCB-verursachten Krankheiten beim Menschen, bei denen fast alle Organsysteme betroffen sind. Die dort beschriebenen Krankheitsbilder reichen von Müdigkeit, Kopfschmerzen bis hin zu Nervenerkrankungen und Veränderungen des Blutbildes. Charakteristisch ist, dass sich PCB-Vergiftungen sehr unspezifisch äußern, d.h. bei unterschiedlichen Menschen durch unterschiedliche Erkrankungen. Ein Grund, dass solche Vergiftungen sehr schwer festzustellen sind. Einen Sonderfall stellen die Krebserkrankungen dar: Durch PCB verursachte Krebserkrankungen wurden bislang nur im Tierversuch nachgewiesen. 2. PCB verursachen bei niedrigen Konzentrationen möglicherweise Erkrankungen Während die Giftigkeit von PCB in hohen Konzentrationen unstrittig ist, ist die mögliche Giftwirkung in niedrigen Konzentrationen sehr umstritten. Für diesen Bereich fehlen genügend wissenschaftliche Studien und damit die wissenschaftliche Absicherung. Dennoch bleibt festzuhalten, dass sich selbst bei niedrigen Konzentrationen ein hochwirksamer Giftstoff in der Umwelt des Menschen befindet, den es so weit wie möglich zu beseitigen gilt. Aus diesem Grunde sollten nicht Hysterie oder Panikmache im Vordergrund stehen, sondern die Minimierung dieser Umweltgifte. Hierzu sind zwei Schritte vor gezielten Bau- oder Sanierungsmaßnahmen notwendig: - Die systematische Erfassung der PCB-Konzentrationen in Materialen und in der Raumluft; - die Bewertung der Konzentrationen anhand der vorgegebenen Grenzwerte. Toxizität Giftigkeit von PCB (Zusammenfassung) Akute und chronische Vergiftung bei hohen Konzentrationen 2000: Studie des US Departments of Health and Human Services mit abgesicherten Hinweisen auf zahlreiche Erkrankungen Krebserkrankungen nur bei Tierversuchen. Gesundheitsschädigungen bei niedrigen Konzentrationen wissenschaftlich nicht abgesichert allerdings gibt es nicht genug Studien. Konsequenzen Keine Hysterie und Panikmache! Sondern Einhaltung der Grenz- und Richtwerte! 4 http://www.atsdr.cdc.gov/toxprofiles/tp17.pdf Hans-Joachim Gärtner: Gesundheitsgefährdung durch PCB-Belastungen? Seite 10 von 14 Seiten

Grenzwerte und ihre Auslegung Anhand der Grenzwerte lassen sich aus gemessenen PCB-Konzentrationen bestimmte Handlungsweisen ableiten. 1. Werden PCB-Konzentrationen höher als 50 mg PCB pro Kilogramm Material (z.b. in Fugenmaterial) festgestellt, so ist dieses Material als PCB-belastet einzustufen, es ist als Sondermüll zu entsorgen und meldepflichtig. 2. Bei PCB-Konzentrationen, die größer als 3000 ng/m³ Raumluft sind, müssen sofortige Maßnahmen zur Abwehr einer möglichen Gefahr für Leben und Gesundheit nach sich ziehen (z.b. durch Sanierungsmaßnahmen). Diese Bestimmung der PCB-Richtlinie wird nicht in allen Bundesländern gleichermaßen angewendet. Die Verwaltungsvorschrift, mit der die PCB-Richtlinie in Rheinland-Pfalz 1995 eingeführt wurde, rechnet den 3000er Wert auf die Verweildauer von Personen in den belasteten Räumen um. Befinden sich also Personen nur 8 Stunden (statt 24 Stunden) in einem Raum, so wird wegen der kürzeren Verweildauer (1/3) ein dreifach höherer Wert angenommen: 9000 ng/m³. Dieser Wert gilt auch für die rheinlandpfälzischen Schulen. Wird jedoch auch dieser Wert überschritten, so geht auch die rheinland-pfälzische Landesregierung von einem kurzfristigen Sanierungsbedarf aus (Landtagsdrucksache 12/7431 von 1995). 3. Bundesweite Einigkeit besteht bei den weiteren Grenzwerten: Bei Konzentrationen zwischen 300 ng/m³ und 3000 ng/m³ sind die PCB-Quellen aufzuspüren und zu beseitigen. Solange sind die PCB- Konzentrationen durch Lüften, Reinigen und Entstauben zu minimieren. Die Landesregierung sieht laut o.g. Landtagsdrucksache bei solchen Konzentrationen einen mittelfristigen Sanierungsbedarf. 4. PCB-Konzentrationen unter 300 ng/m³ sind als langfristig tolerabel anzusehen. Auch wenn die Diskussion um PCB-Konzentrationen und ihre Gefährlichkeit insbesondere dann, wenn es um Kinder geht, mitunter sehr emotional geführt wird, so sollte sie sich zunächst immer und sehr nüchtern an den genannten Grenzwerten orientieren. Denn auch wenn diese als willkürlich gesetzt erscheinen, sie bieten zumindest eine rechtliche Orientierung zum Handeln. Voraussetzung ist allerdings eine systematische Erfassung der Giftstoffkonzentrationen. Grenzwerte Grenzwerte und ihre Auslegung Materialwerte maximal 50 mg PCB/kg Raumluftwerte PCB > 3000 ng/m³ : Maßnahmen zur Abwehr einer möglichen Gefahr für Leben und Gesundheit (PCB-RL 1994) PCB > 9000 ng/m³ Sanierungsmaßnahmen bei kürzer Verweildauer (VV RP zur Einführung der PCB-Richtlinie 1995) Kurzfristiger Sanierungsbedarf (LTDS-RP 12/7431, 1995) PCB > 300 ng/m³: Aufspüren und Beseitigen der Quellen, Lüften, Reinigen, Entstauben (PCB-RL 1994) Mittelfristiger Sanierungsbedarf (LTDS-RP 12/7431, 1995) PCB < 300 ng/m³: Langfristig tolerabler Wert (PCB-RL 1994) Konsequenzen Systematische Erfassung der Werte! Hans-Joachim Gärtner: Gesundheitsgefährdung durch PCB-Belastungen? Seite 11 von 14 Seiten

Strategien zur Umsetzung von Sanierungsmaßnahmen Systematisches Vorgehen ist ein methodisches und planvolles Vorgehen. Aus diesem Grunde empfiehlt sich die folgende Vorgehensweise bei der Erfassung von Giftstoffen: 1. Ein systematisches Erfassen von Giftstoffkonzentrationen darf sich nicht nur auf PCB beschränken. Es gibt eine Vielzahl von Stoffen, die aus Baumaterialien freigesetzt werden können. Dementsprechend sind so viele Baugiftstoffe wie möglich zu erfassen (Schadstoffkataster). 2. Es sind nicht nur Stichproben zu entnehmen, sondern alle Räume, beispielsweise einer Schule, zu erfassen. 3. Die festgestellten Schadstoffkonzentrationen sind mit Hilfe der Grenzwerte dahingehend zu bewerten, in welcher Form sich Handlungsbedarf andeutet. 4. Da Stoffkonzentrationen von verschiedenen Bedingungen abhängig sind (Innen- und Außentemperatur, Lüftungsbedingungen) sind die Messungen unter möglichst gleichen Bedingungen durchzuführen. Aufgrund der geringen Stoffkonzentrationen und der benutzten Messverfahren müssen auch mehrere Messungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten durchgeführt werden. Erst eine Vielzahl von Messungen ergibt ein bewertbares Gesamtbild und damit eine Handlungsgrundlage. 5. In Schulen sollten die Messungen auch unter schulischen Arbeitsbedingungen (Raumtemperatur, Lüftung, Menschen im Raum, nicht in den Ferien) durchgeführt werden. So kann die Bewegung von Schülern im Raum zum Beispiel Staubaufwirbelungen verursachen, die in einem leerstehenden Klassenraum nicht vorkommen. 6. Wichtig für die Untersuchungen ist auch das Untersuchungsinstitut: Sind die Mitarbeiter/innen zum Beispiel entsprechend geschult, die Messbedingungen einzuhalten? Ist das Institut mit PCB-Messungen unter Beachtung entsprechender Vorschriften gut oder weniger gut vertraut? Ist das Institut auf weitere Aufträge aus der Region angewiesen oder nicht? Hat es entsprechende Referenzen aufzuweisen? Strategien zur Umsetzung von Sanierungsmaßnahmen Systematische Erfassung der Giftstoffe Welche Giftstoffe? Systematische Erfassung der wichtigsten Baugiftstoffe. Wo? Erfassung aller Räume. In welchen Konzentrationen? Interpretation der Messwerte anhand der Richtlinien. Unter welchen Bedingungen? Innen- und Außentemperaturen Ohne Lüftung, mit Lüftung, Stoßlüftung Zu welchem Zeitpunkt? Unter schulische Arbeitsbedingungen? Kontrollmessungen Von welchem Untersuchungsinstitut? Wahrung der Unabhängigkeit Hans-Joachim Gärtner: Gesundheitsgefährdung durch PCB-Belastungen? Seite 12 von 14 Seiten

Strategien zur Umsetzung von Sanierungsmaßnahmen Zum systematischen und planvollen Vorgehen gehört bei der Bewertung der festgestellten Messwerte und der daraus zu schlussfolgernden Handlungen das systematische Einbeziehen aller Beteiligten (Schulträger, Ratsfraktionen, Schulaufsicht, Schulleitung, Schulelternbeirat, Schülervertreter, Personalrat und ggf. auch die Presse). Es bietet sich an, einen Sanierungsausschuss zu bilden, der unter Bestellung eines unabhängigen Sanierungsbeauftragten (Baufachmann mit entsprechenden PCB-Sanierungsreferenzen) aufgrund der gemeinsamen Bewertung des Ist-Zustandes entsprechende Sanierungsstrategien entwickelt. Im Falle von Sanierungsmaßnahmen sollte zum Beispiel nicht nur eine Minimierung der Grenzwerte auf unter 300 ng/m³ im Vordergrund stehen (dann verbleiben u.u. noch Reste im Gebäude), sondern die Giftfreiheit des Gebäudes. Bei Sanierungsarbeiten sind entsprechend zertifizierte Unternehmen zu beauftragen das Entfernen PCBbelasteten Fugenmaterials erfordert zum Beispiel andere Maßnahmen als das Entfernen von unbelastetem Fugenmaterial. Sachverständige sollten Sanierungsmaßnahmen grundsätzlich kritisch konstruktiv begleiten. Sie sollten auch von allen Beteiligten gleichermaßen akzeptiert werden. Alle Maßnahmen sind allein schon aus rechtlichen Gründen so genau wie möglich zu dokumentieren. Grundsätzlich sollten alle Maßnahmen von Anfang an auch von der lokalen Presse begleitet werden. Öffentliche Vorwürfe der Panikmache, der Rufschädigung usw. verbieten sich im Interesse aller Betroffenen von selbst. Strategien zur Umsetzung von Sanierungsmaßnahmen Systematisches und kooperatives Vorgehen Einbeziehen aller Beteiligten Bildung eines Sanierungsausschusses Festlegen von Strategien Bestellung eines unabhängigen Sanierungsbeauftragten Beauftragung zertifizierter Unternehmen Begleitung durch kritische Sachverständige Dokumentation aller Maßnahmen Intensive Öffentlichkeitsarbeit Hans-Joachim Gärtner: Gesundheitsgefährdung durch PCB-Belastungen? Seite 13 von 14 Seiten

Gesundheitsgefährdung durch PCB in unseren Schulen? 5 Grundsätzlich sollte immer von einer potenziellen Gefahr für die menschliche Gesundheit ausgegangen werden, wenn sich ein Gift- oder Gefahrstoff in der Lebenswelt des Menschen befindet und die Möglichkeit der Aufnahme besteht. In der Regel liegen in Gebäuden keine PCB-Konzentrationen vor, bei denen eine akute Gesundheitsgefährdung besteht. Für den Niedrigdosisbereich gibt aber die PCB-Richtlinie klare Handlungsanweisungen, um mögliche und noch unbekannte Gesundheitsrisiken auszuschließen. Diese Handlungsanweisungen bestehen in einem klaren Minimierungsgebot ab bestimmten Material- und Raumluftkonzentrationen. Dieses Minimierungsgebot sollte unbedingt beachtet werden nicht nur aus juristischen Gründen, sondern auch wegen der hohen Emotionalität des Themas (es geht um Eltern und ihre Kinder). Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass Lehrkräfte mitunter über Jahrzehnte an einer Schule tätig sind und bei Verwaltungskräften und der Schulleitung eine höhere Verweildauer im Gebäude anzusetzen ist als bei normalen Lehrkräften und Schülern/innen, so dass die Möglichkeit einer Giftstoffanreicherung im Körper besteht. Die PCB-Giftstoffproblematik ist zu lange bekannt und zu brisant, um einen Handlungsbedarf bei PCB- Konzentrationen oberhalb von 300 ng/m³ zu verneinen. Oftmals wird aber gegen einen bestehenden Handlungsbedarf eingewandt, dass insbesondere niedrig chlorierte PCB sehr schnell verstoffwechselt würden. Der Trugschluss besteht bei dieser Argumentation darin, dass der Abbau von PCB mit dem Verschwinden aus dem Körper gleich gesetzt wird. Dies ist aber nicht unbedingt der Fall. Es entstehen bei der Verstoffwechselung durchaus auch Abbauprodukte, über deren negative Wirkungen im menschlichen Körper noch zu wenig bekannt ist. Eine potenzielle Gesundheitsgefährdung ist also immer dann gegeben, wenn bei zu hohen PCB- Konzentrationen nicht schnell und systematisch im Sinne der PCB-Richtlinie gehandelt wird. Und noch gefährlicher wird die Situation, wenn entgegen den Vorgaben der PCB-Richtlinie unsachgemäß saniert wird. Eine Gesundheitsgefährdung insbesondere für die Zukunft lässt sich also durch schnelles und systematisches Handeln im Sinne der PCB-Richtlinie und unter Einbeziehung externen, unabhängigen und kritischen Sachverstandes durchaus vermeiden. Gesundheitsgefährdung in unseren Schulen? Ja wenn ein klarer Handlungsbedarf missachtet wird; wenn die Problematik verharmlost wird; wenn unsachgemäß saniert wird. Nein wenn sofort und systematisch gehandelt wird; wenn die Problematik ernst genommen wird; wenn externer Sachverstand einbezogen wird. 5 Dieser Teil wurde nachträglich hinzugefügt. Er war nicht Bestandteil des Vortrages in Thalfang. Hans-Joachim Gärtner: Gesundheitsgefährdung durch PCB-Belastungen? Seite 14 von 14 Seiten