Prof. Dr. Eugen Nipp Fürstl. Studienrat t 20. Juni 1960 von Felix Marxer
III Fürstl. Studienrat Prof. Dr. Eugen Nipp Am Abend des 20. Juni 1960 ist Fürstl. Studienrat Prof. Dr. Eugen Nipp einem Anfalle seines Herzleidens unerwartet rasch, kurz vor der Erfüllung seines 74. Lebensjahres erlegen. Man wusste zwar von seiner Krankheit; aber er hatte sich von einer vorausgehenden Krise erholt und durfte auf Besserung hoffen. Man sah ihn wieder auf d:r Strasse, und die Arbeit in seinem Weinberg schien ihm Erholung zu bringen. Um so grösser war die Bestürzung und Trauer, als sich die Todesnachricht im Lande verbreitete. Dr. Eugen Nipp konnte auf ein reiches und erfülltes Leben im Dienste der Jugend und der Heimat zurückblicken. Seine Familie verliert mit ihm den allzeit liebenden, verstehenden und treubesorgten Vater. Viele trauern um den treuen Freund und den ehemaligen gütigen Lehrer. Die Heimat aber hat mit ihm einen glühenden Patrioten und eine der markantesten Gestalten aus dem öffentlichen Leben der letzten vierzig Jahre verloren. Studienrat Dr. Eugen Nipp wurde am 1. August 1886 in Balzers geboren. Bald erkannte man die hervorragende Begabung des Knaben. In Schwyz maturierte er 1907 mit glänzendem Erfolge. Nach Studien in Wien promovierte er 1911 mit der Dissertation «Die romanischen Orts- und Flurnamen im Fürstentum Liechtenstein» mit Auszeichnung zum Dr. phil. Nach weiteren Studien an der Universität Fribourg trat er 1913 in den Dienst der Landesschule Vaduz. Von 1920 bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand im Jahre 1952 stand er dieser Schule als Direktor vor. Vielseitig gebildet und stets wachen Geistes für die Erfordernisse der Zeit hat er seinem Lande seine reichen Fähigkeiten zur Venügung gestellt.
IV Unvergessen ist sein erschütternder Hilferuf «Ein Land in Not», den er in Form einer Broschüre an alle Gutgesinnten richtete, als im Jahre 1927 der Rhein seinen Damm durchbrach und das Land in eine Katastrophe stürzte. Dr. Nipp war aktiver Politiker, gewandt in Wort und Schrift, dessen vornehme Gesinnung selbst seine Gegner anerkannten. Aber die Parteipolitik war ihm Mittel zum Zweck. Er befasste sich mit Politik, um dem Wohle des Landes zu dienen, um seinen Idealen nachzuleben: Für Gott, Fürst und Vaterland. Das Vertrauen des Volkes berief ihn in den Landtag. Als Mitglied der Redaktionskommission arbeitete er an der Verfassung von 1921 mit und jahrzehntelang war er Mitglied des Obersten Gerichtshofes. Die Förderung des Weinbaues lag ihm besonders am Herzen, und als Weinbaukommissär hat er mehr als zwanzig Jahre lang die Interessen der Weinkultur in Liechtenstein vertreten. Seine hohen Ideale aber trachtete er besonders als Lehrer und Erzieher zu verwirklichen. Dr. Nipp lehrte an einer Schule, die von Schülern des ganzen Oberlandes besucht wurde. Man kann ungefähr ermessen, von welch entscheidendem Einfluss auf die Denk- und Handlungsweise vieler Jahrgänge von Männern und Frauen das fast vierzigjährige Wirken eines Lehrers sein kann und wie er dadurch die Zukunft des Volkes entscheidend mitgestaltet. Dr. Nipp war sich dieser hohen Verantwortung des Lehrerberufes bewusst. Die Sorge um das Wohl der Heimat, um die Erhaltung alten Sprach- und Kulturgutes und ehrwürdiger Tradition, um den Schutz der Pflanzen und Naturdenkmäler war ihm ein ständiges Anliegen. Sein lebensnaher und temperamentvoller Unterricht vermittelte den Schülern viel Wissen und praktische Kennnisse. Aber wenn ihm die Anforderungen der Praxis an den jungen Menschen auch bekannt waren, so weigerte er sich entschieden, in der blossen Vermittlung von Wissensstoff stecken zu bleiben und damit dem Materialismus schon in der Schule Vorschub zu leisten. Bildung umfasste nach seiner Ansicht nicht nur Wissen, sondern auch Gesinnung und Charakter. Ssin weiter geistiger Horizont und seine souveräne Beherrschung des Stoffes
V erfüllte seine Schüler mit Bewunderung und Hochachtung. Das zeigte sich besonders in seinen Lieblingsfächern, den Sprachen. Und wenn er, der geborene Philologe, auch hie und da vergass, dass er nur Realschüler vor sich hatte, so hat er mit seinen beiläufig eingestreuten Exkursionen ins Reich der Sprachwissenschaft nicht nur den Unterricht aufgelockert. Er hat manch einem Schüler eine Ahnung vermittelt, dass Sprache Leben und Geist und nicht nur eine Sammlung von Vokabeln und Regeln ist. Ganz in seinem Element aber war er im staatsbürgerlichen Unterrichte, dem seine besondere Sorgfalt galt. Hier schöpfte er aus seinem reichen Wissen und seiner vielfältigen Erfahrung als Mann des öffentlichen Lebens und ehemaliger Parlamentarier. Hier sprach der überzeugte Patriot, der begeisterte Liechtensteiner, hier sprach das Herz mit. Vielen Hunderten von Männern und Frauen, die heue im Leben stehen, hat Dr. Nipp die ersten staatsbürgerlichen Begriffe vermittelt. Seine Tätigkeit in der Schule und auf dem Gebiete der Sprachforschung und Kulturgeschichte hat ihm Anerkennung von höchster Stelle eingetragen. 1918 wurde er vom Landesfürsten mit dem Titel eines Professors ausgezeichnet. 1936 wurde ihm der Titel eines fürstlichen Studienrates verliehen. Mit Studienrat Prof. Dr. Nipp hat der Historische Verein eines seiner prominentesten Mitglieder verloren. Das Studium alten Sprachgutes und der Volkssagen und -Bräuche hat ihn zeit seines Lebens beschäftigt. Von der Sprache her suchte er das Dunkel um die Herkunft unserer rätischen Ahnen zu erhellen und viele Rätsel in der Kulturgeschichte unseres Landes zu lösen. Seine Arbeit im Jahrbuch 24 über «Alte Sprachüberreste und fremdes Kulturgut in Liechtenstein» bildet einen wichtigen Beitrag zur Namensforschung in unserem Lande. Seine geistsprühende Skizze über «Volk, Sprache, Spruch und Brauch» im Buch «Das Fürstentum Liechtenstein im Wandel der Zeiten und im Zeichen seiner Souveränität», das 1956 anlässlich der grossen Souveränitätsfeier herausgegeben wurde, hat allgemein Beachtung gefunden und beweist eine einzigartige Einfühlungsgabe in Sprache und Denken des Volkes.
VI Seinen Freunden und Mitarbeitern im Historischen Verein, Oberlehrer Alfons Feger und dem unvergesslichen Kanonikus J. B. Büchel, hat er in den Jahrbüchern mit tiefgefühlten Nachrufen ein Denkmal ihres Wirkens gesetzt. Dr. Nipp gehörte dem Historischen Verein seit 1912 an; 33 Jahre ist er dessen Schriftführer gewesen. Als er im Jahre 1955 aus dem Vereinsvorstande zurücktrat, erwählte ihn die Generalversammlung in Anerkennung seiner grossen Verdienste einstimmig zum Ehrenmitglied. Möge ihm Gott reichlich vergelten, was er der Jugend und seinem Lande in reicher Fülle schenkte. Möge er in Frieden ruhen in der Erde seiner Heimat, zu der er sich noch in seiner letzten veröffentlichten Arbeit mit den Worten des Minnesängers stolz bekannte: «Du bist min, ich bin din: Des solt tu gewis sin. Du bist beslozzen in minem Herzen, Verloren ist das sluzzelin, Du musst immer darinne sin».