2 Stromverbrauch auf Kläranlagen - Ausgangssituation

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Transkript:

2. Fachsymposium Mikroschadstoffe.NRW 212 KOSTEN DER MIKROSCHADSTOFFENTFERNUNG / ENERGIEVERBRAUCH - ENERGIEBEDARF VON VERFAHREN ZUR ELIMINATION VON ORGANISCHEN MIKROSCHADSTOFFEN Norbert Biebersdorf, Prof. Dr.-Ing. Markus Schröder Tuttahs & Meyer GmbH, Bochum Dr.-Ing. Laurence Palmowski, Katrin Veltmann ISA RWTH Aachen Andrea Kaste MKULNV NRW 1 Einführung Als 4. Reinigungsstufe können auf Kläranlagen verschiedene Verfahren zur Elimination von organischen Mikroschadstoffen eingesetzt werden. Die Wirksamkeit der Verfahren, z.b. Abwasserozonung oder adsorptive Verfahren mit Einsatz von granulierter Aktivkohle (GAK) bzw. pulverisierter Aktivkohle (PAK), ist mittlerweile auch großtechnisch erprobt und nachweisbar. Echte Betriebserfahrungen über den tatsächlichen Energiebedarf dieser Verfahren liegen aber nur vereinzelt vor bzw. sind bislang nicht veröffentlicht worden. Das Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen (MKULNV) hat an eine Projektgruppe unter Federführung des ISA der RWTH Aachen das Projekt Energiebedarf von Verfahren zur Elimination von organischen Spurenstoffen Phase I [ENVELOS-Phase 1] beauftragt, welches abgeschlossen ist. Die Erkenntnisse aus den im Rahmen des Projektes durchgeführten Befragungen und Literaturrecherchen werden nachfolgend auszugsweise vorgestellt. Weiterhin werden Betriebsergebnisse und Messungen des tatsächlichen Stromverbrauches der PAK-Adsorptionsanlage auf der Kläranlage Böblingen-Sindelfingen vorgestellt und Hinweise zur energieeffizienten Planung gegeben. Der hier vorgestellte Energiebedarf bezieht sich auf den Bereich der Kläranlage mit dem dort anfallenden Strombedarf ohne die gesamt-ökologische Betrachtung über einen CO 2 - Fußabdruck (carbon-footprint) zu den einzelnen Verfahren. 2 Stromverbrauch auf Kläranlagen - Ausgangssituation Im Zuge der Bearbeitung des DWA Arbeitsblattes A 216 Energieanalysen von Abwasseranlagen ist der Stromverbrauch auf deutschen kommunalen Kläranlagen auf Grundlage einer umfassenden Datenerhebung erfasst und ausgewertet worden. Die Häufigkeitsverteilung in Bild 1 gibt den Verlauf des Stromverbrauches pro Jahr bezogen auf den CSB-Einwohnerwert, der sich aus der mittleren CSB-Zulaufbelastung mit Ansatz von 12 g CSB/(E d) ergibt, jeweils nach Größenklassen GK1 bis GK5 getrennt, wieder. Seite 1

2. Fachsymposium Mikroschadstoffe.NRW 212 Betrachtet man den Medianwert, so liegt der spezifische Stromverbrauch für Anlagen der GK5 bei etwa 32 kwh/(e a), für kleinere Anlagen der GK4 liegt der Medianwert etwas höher bei 35 kwh/(e a). Median GK5 = 32 kwh/(e a) Median GK4 = 35 kwh/(e a) Bild 1: Stromverbrauch auf Kläranlagen in der Bundesrepublik Deutschland [nach DWA-A 216, Entwurf] Eine vom MKULNV durchgeführte Auswertung der Energieanalysen in Nordrhein- Westfalen schätzt das Einspar-, bzw. Optimierungspotenzial beim Strombedarf auf etwa 15 bis 3 Prozent, in der DWA-Studie Energiepotenziale in der Deutschen Wasserwirtschaft wird das maximale mittlere Einsparpotenzial für alle Kläranlagen in Deutschland bei 25 Prozent gesehen. Rechnerisch wären damit absolut etwa 5 bis 1 kwh/(e a) an Energieeinsparpotenzial auf den Kläranlagen der GK4 und 5 vorhanden. 3 Ausgesuchte Ergebnisse aus dem Projekt ENVELOS-Phase I Der Energiebedarf von Verfahren zur Elimination von organischen Spurenstoffen bezieht sich im Folgenden auf die Ozonung und die Verfahren der Aktivkohleadsorption. Nicht dargestellt werden AOP-Verfahren, die im Rahmen des ENVELOS-Projektes ebenfalls untersucht worden sind. Zu diesen AOP-Verfahren liegen deutlich weniger Erkenntnisse hinsichtlich der Wirksamkeit zur Spurenstoffelimination und des Energieverbrauches vor, als bei der Ozonung und der Aktivkohlebehandlung. Seite 2

Energiebedarf auf der Kläranlage [kwh/m³] Energiebedarf auf der Kläranlage [kwh/(e a)] 2. Fachsymposium Mikroschadstoffe.NRW 212 3.1 Ozonung - Berechnung des Energiebedarfs einer Ozonung bei Anlieferung von Flüssigsauerstoff Energiebedarf auf der Kläranlage Unter Berücksichtigung der großen Anzahl an variablen Parametern für die einzelnen Verfahrensschritte (Ozongenerator, Ozoneintragssystem, Restozonvernichter, Prozesssteuerung, Kühlung sowie Nachbehandlung des Abwassers) kann für jede Ozondosis ein minimales, mittleres und maximales Szenario zusammengestellt werden (s. Bild 2). In dieser Betrachtung wird Ozon vor Ort aus angeliefertem, reinem Sauerstoff hergestellt.,45,4,35,3 minimaler Energiebedarf mittlerer Energiebedarf maximaler Energiebedarf 4 3,25,2 2,15,1 1,5 2,5 g/m³ 5, g/m³ 7,5 g/m³ 1, g/m³ 15, g/m³ Ozondosis Bild 2: Minimaler, mittlerer und maximaler Energiebedarf auf der Kläranlage bei einer Ozonung mit Anlieferung von Flüssigsauerstoff in Abhängigkeit der Ozondosis Im Mittel wird auf der Kläranlage für eine Ozonung,17 kwh/m³ (entspricht 15 kwh/(e a)) benötigt. In Abhängigkeit der gewählten Betriebsparameter und Gegebenheiten schwankt dieser Energiebedarf zwischen:,2 kwh/m³ (1,8 kwh/(e a)) bei niedriger Ozondosis und günstigen Randbedingungen (kein Hebewerk nötig, Kühlung mit Abwasser, Nachbehandlung im Schönungsteich) und,41 kwh/m³ (37 kwh/(e a)) bei höchster Ozondosis und ungünstigen Randbedingungen (1 m Förderhöhe, Kühlung mit Kühlaggregat, Nachbehandlung im Sandfilter) Bei der Ozonung macht der Energiebedarf für die Ozonherstellung sowie für die Kühlung des Ozongenerators den wesentlichen Anteil aus (vgl. Bild 3). Seite 3

Energiebedarf auf der Kläranlage [kwh/m³] Energiebedarf auf der Kläranlage [kwh/(e a)] 2. Fachsymposium Mikroschadstoffe.NRW 212,45,4,35,3,25,2 Nachbehandlung Kühlung kat. Restozonvernichtung Ozonein- und -austrag Ozonerzeugung Pumpen 4 3 2,15,1 1,5 2,5 g/m³ 5, g/m³ 7,5 g/m³ 1, g/m³ 15, g/m³ Ozondosis Bild 3: Aufteilung des Energiebedarfs auf der Kläranlage bei einer Ozonung mit Lieferung von Flüssigsauerstoff in Abhängigkeit der Ozondosis (alle weiteren Parameter mit Mittelwert angesetzt) 3.2 Adsorptive Verfahren 3.2.1 Energiebedarf von Adsorptionsverfahren Aus der großen Bandbreite der in der Literatur angegebenen Energiebedarfswerte für eine Adsorptionsstufe mit PAK bzw. GAK wird, wie bei einer Ozonung deutlich, dass unterschiedliche Randbedingungen, Systemgrenzen sowie Dosierungen zu berücksichtigen sind. Da GAK in ein Filterbett eingebaut ist, wird die Kohle nicht direkt pro Volumen an zu behandeltem Abwasser dosiert. Um jedoch einen Vergleich mit anderen Verfahren zu ermöglichen, wird eine äquivalente Dosis berechnet, indem die GAK-Masse im Filter auf das über die Laufzeit eines Filterbetts behandelte Abwasservolumen bezogen wird. Da nur wenige Angaben zur Laufzeit von GAK-Filtern zur Spurenstoffelimination existieren, ist die berechnete Dosis mit Unsicherheit behaftet. 3.2.2 Berechnung des Energiebedarfs einer Filtration mit GAK (Energiebedarf auf der Kläranlage) Der Bedarf an Energie auf der Kläranlage für eine GAK-Filtration liegt zwischen,6 und,17 kwh/m³ (5,36 15,21 kwh/(e a)). Es ergibt sich kein Unterschied bzgl. des Energiebedarfs auf der Kläranlage zwischen der Verwendung von frischer und regenerierter GAK. Die Aufteilung der benötigten Energie zwischen Pumpwerk, Vorfiltration, GAK-Filtration und Nachbehandlung des Rückspülwassers ist im Bild 4 dargestellt. Seite 4

Energiebedarf auf der Kläranlage [kwh/m³] Energiebedarf auf der Kläranlage [kwh/(e a)] 2. Fachsymposium Mikroschadstoffe.NRW 212 2,2,15 Rückspülwasserbehandlung GAK-Filtration Vorfiltration Pumpwerk,1 1,5 minimales Szenario mittleres Szenario maximales Szenario Bild 4: Energiebedarf auf der Kläranlage für eine nachgeschaltete Filtration mit GAK (frisch oder regeneriert) 3.2.3 Berechnung des Energiebedarfs einer PAK-Zugabe in ein Kontaktbecken (Energiebedarf auf der Kläranlage) Im Gegensatz zu GAK kann PAK nicht regeneriert werden. Die verbrauchte Kohle wird dem behandelten Abwasser mit dem Klärschlamm entnommen und der Schlammbehandlung zugeführt. Es wird hier von der Verfahrenskette Voreindickung-Faulung-Nacheindickung- Entwässerung-Trocknung-Verbrennung ausgegangen. Eine landwirtschaftliche Verwertung des Schlamms wird aufgrund des erhöhten Gehalts an Spurenstoffen durch die enthaltene Aktivkohle ausgeschlossen. Die PAK-Zugabe führt zu einem Mehranfall an Klärschlamm. Die dafür im Rahmen der Schlammbehandlung zusätzlich nötige Energie wird für unterschiedliche PAK-Dosierungen ermittelt. Dabei wird angenommen, dass die thermische Energie, die bei der Verbrennung der Aktivkohle mit dem Schlamm freigesetzt wird, Verwendung findet. Es ergeben sich je nach gewähltem Szenario thermische Energiebilanzen auf der Kläranlage von ca. -,18 kwh/m³ bis -,8 kwh/m³ behandeltem Abwasser (bzw. -16,4 bis -7,2 kwh/(e a)). Der elektrische Strombedarf auf der Kläranlage beträgt zwischen,23 und,133 kwh/m³ (2,1 bis 12,2 kwh/(e a)). Bild 5 fasst die gesamte benötigte Energie auf der Kläranlage zusammen. Seite 5

Energiebedarf auf der Kläranlage [kwh/m³] Energiebedarf auf der Kläranlage [kwh/(e a)] 2. Fachsymposium Mikroschadstoffe.NRW 212,2,15,1 Schlammbehandlung Sandfilter PAK Zugabe + Rühren + Rezirkulation Pumpwerk 15 1,5 5 -,5-5 -,1-1 -,15 -,2 minimales Szenario mittleres Szenario maximales Szenario -15 Bild 5: Energiebedarf auf der Kläranlage für eine PAK-Zugabe in ein Kontaktbecken 4 PAK-Adsorptionsanlage auf der Kläranlage Böblingen-Sindelfingen 4.1 Beschreibung der Anlagenkonfiguration Die Kläranlage Böblingen-Sindelfingen mit einer Ausbaugröße von 25. E behandelt das Abwasser der nahezu ausnahmslos im Mischverfahren entwässerten Städte Böblingen und Sindelfingen (11. Einwohner, mittlere Belastung rd. 14. EW) sowie der ansässigen Gewerbe- und Industriebetriebe. Der maximale Mischwasserzufluss beträgt 2. l/s, der maximale Trockenwetterabfluss liegt bei weniger als 8 l/s. Die mechanische Reinigungsstufe der Kläranlage besteht aus einer Feinrechenanlage, einem belüfteten Sandfang und einer Vorklärung. Die biologische Reinigungsstufe umfasst eine Tropfkörperanlage mit nachgeschalteter Denitrifikation und einer Nachklärung sowie einer Simultanfällung zur Phosphorelimination. Der Ablauf der Nachklärung wird über das bereits mit dem Flockungsfilter erstellte Pumpwerk bis zu einem Zufluss von 1. l/s der Aktivkohleadsorptionsanlage zugeführt. Nur der Zufluss, der bei Regenwetter über 1. l/s hinausgeht, wird mit separaten Pumpen direkt zur Filtration gefördert. Trotz der Bypass-Führung bei Regenwetterbedingungen werden mehr als 9% der Jahreswassermenge in der Aktivkohleadsorptionsanlage behandelt. Die Aktivkohleadsorptionsanlage besteht aus einem Reaktionsbecken mit einem Volumen von 1.8 m³ und einem Sedimentationsbecken von 7.2 m³ und einer Oberfläche von 1.8 m². Zur definierten Einmischung der Flockungs-und Flockungshilfsmittel (Polymer) wurden zwischen Reaktionsbecken und Sedimentationsbecken ein Einmischbecken und ein Aggregationsbecken erstellt. Der im Sedimentationsbecken abgesetzte Schlamm wird über eine Schneckenpumpe kontinuierlich abgezogen und gemeinsam mit dem Zulauf aus dem Pumpwerk dem Reaktionsbecken zugeführt. In diesen Volumenstrom erfolgt auch die Dosierung der Pulveraktivkohle (PAK). Der überschüssige Schlamm aus der Seite 6

2. Fachsymposium Mikroschadstoffe.NRW 212 Aktivkohleadsorptionsanlage wird über eine Pumpe im Reaktionsbecken abgezogen und der nachgeschalteten Denitrifikation zugeführt. Der Ablauf des Sedimentationsbeckens, dessen Wassermenge kontinuierlich aufgezeichnet wird, fließt in freiem Gefälle der Flockungsfiltration zu, die aus 16 Kammern (je 37,5 m² Filterfläche, insgesamt 6 m²) mit einem mehrschichtigen Filterbettaufbau (1,4 m Anthrazit,,4 m Quarzfiltersand,,2 m Basalt) besteht. Zum besseren Rückhalt der noch aus dem Sedimentationsbecken abtreibenden Feststoffe erfolgt in den Zulauf der Flockungsfiltration eine weitere Dosierung von Flockungsmitteln. Die Phosphatelimination erfolgt hauptsächlich als Simultanfällung durch die Zugabe von FeClSO4 in den Zulauf der Nachklärung. Auch das zum Zwecke der Verbesserung der Absetzeigenschaften in der Aktivkohleadsorptionsanlage zugegebene FeClSO4 sowie die Dosierung von FeClSO4 in den Zulauf zum Flockungsfilter zur wirkungsvolleren Abtrennung der aus der Sedimentation abtreibenden abfiltrierbaren Stoffe bewirken eine sehr weitgehende Phosphorentnahme. Der aus den Vorklärbecken abgezogene Primärschlamm wird über Voreindicker statisch eingedickt und mit dem über Zentrifugen maschinell vorentwässerten Überschussschlamm aus der nachgeschalteten Denitrifikation, der auch den überschüssigen Schlamm aus der Aktivkohleadsorption beinhaltet, den Faulbehältern zugeführt. Die Entwässerung des ausgefaulten Schlammes erfolgt in Kammerfilterpressen, anschließend wird dieser extern in Braunkohlekraftwerken mit verbrannt. Das bei der Faulung entstehende Methan wird im Blockheizkraftwerk verstromt. Die Eigenstromversorgung des Klärwerkes erreicht knapp 5 Prozent. Zusammenfassend ist das Fließschema der Anlage in Bild 6 dargestellt. Bild 6: Fließschema Kläranlage Böblingen-Sindelfingen Seite 7

2. Fachsymposium Mikroschadstoffe.NRW 212 4.2 Betriebsergebnisse Die Aktivkohleadsorptionsanlage wurde am 25.Oktober 211 angefahren. Nach der Phase der Erstinbetriebnahme und weitgehend stabilen Betriebszuständen werden seit Januar 212 Ergebnisse aufgezeichnet, welche die Wirksamkeit der Adsorptionsstufe bei einer Dosierung von 1 g PAK je Kubikmeter behandeltem Abwasser hinsichtlich der ausgewählten Parameter (Carbazepin, Diclofenac, Ibuprofen, Benzotriazole, Estrogene Gesamtaktivität und Iomeprol sowie CSB, Pges und auch geringfügig AFS) eindeutig belegen. Der Betrieb der Filtration hat sich nach Inbetriebnahme der Aktivkohleanlage kaum verändert. Da die abfiltrierbaren Stoffe im Ablauf der Sedimentation i.d.r. geringer als im Ablauf der Nachklärung sind, konnten die ohnehin schon langen Standzeiten der Filterkammern, nochmals auf derzeit 46 Stunden verlängert werden. In der Schlammfaulung haben sich nach Aussage der Betriebsleitung seit Inbetriebnahme der Pulveraktivkohleanlage keine betrieblich relevanten Veränderungen ergeben. Auch bei der Schlammentwässerung liegt der mittlere TR-Gehalt im entwässerten Schlamm entsprechend den jahreszeitlichen Schwankungen wie im gleichen Zeitraum des Vorjahres bei 32 %. Vor Inbetriebnahme der Aktivkohleadsorption lag der mittlere Schlammanfall bei rd. 6.74 kg TR/d. Der jetzige Schlammanfall ist um rd. 6 kg TR/d angestiegen, was mit der zugegebenen Pulveraktivkohlemasse und der Masse der daran adsorbierten Schadstoffe korrespondiert. Aus einer Massenbilanz mit Vergleich des gemessenen Überschlussschlammabzuges und den aus der Sedimentation abtreibenden Feststoffen mit den aus den verschiedenen Quellen eingetragenen Feststoffen ergibt sich, dass offensichtlich eine (Schadstoff)Masse von rd.,8 g TS pro g PAK an die Pulveraktivkohle adsorbiert wird. Der Mehrschlammanfall ergibt bei einem TR-Gehalt von 32 % im entwässerten Schlamm eine zusätzlich zu entsorgende Schlammmasse von rd. 68 t/a, was etwa einer Steigerung von 9 Prozent entspricht. 4.3 Stromverbrauch Der Stromverbrauch der Adsorptionsstufe wird in Sindelfingen weitgehend separat gemessen. Er setzt sich hauptsächlich aus der Beschickung der Aktivkohleadsorption (zusätzliche Förderhöhe zur Überwindung der hydraulischen Verluste innerhalb der Aktivkohleadsorptionsanlage, etwas weniger als 1 m) und der Rücklaufschlammförderung (Förderhöhe rd. 1,2 m) sowie der Umwälzung des Kontaktbeckens, der Einmisch- und Aggregationsbecken und den Stromverbräuchen der PAK-Dosieranlage und den Treibstrahlpumpen zusammen (vgl. Bild 7). Der seit Januar 212 gemessene Stromverbrauch für die Aktivkohleadsorption liegt mit einer behandelten Abwassermenge von 13.5. m 3 /a und einem mittleren Anschlusswert von 14. EW 12 hochgerechnet auf ein Jahr bei ca. 36. kwh/a bzw. bei 2,6 kwh/(e a). Die Flockungsfiltration weist einen jährlichen Stromverbrauch von 42. kwh/a bzw. 3, kwh/(e a) auf. Der übrige Betrieb der Gesamtanlage benötigt 4.3. kwh/a was rd. 3,6 kwh/(e a) ergibt. Der Stromverbrauch für die PAK-Anlage und die Flockungsfilteranlage beträgt damit 5,6 kwh/(e a). Seite 8

2. Fachsymposium Mikroschadstoffe.NRW 212 Bezugsgrößen: 13,5 Mio m 3 /a 14. EW 12 1 g PAK/m 3 Bild 7: Stromverbrauch der Aktivkohleadsorption in Sindelfingen aufgeteilt nach Einzelkomponenten (ohne Filtration). 4.4 Hinweise zur energieeffizienten Planung Im Zuge der Vorplanung wurden bereits unterschiedliche Beckengeometrien mit Lageplananordnungen innerhalb eines Variantenvergleiches insbesondere bezüglich der Jahreskosten (Kapital- und Betriebskosten) bewertet. Rechteckige Beckenformen und kaskadierte PAK-Kontaktbecken bewirken einen deutlichen Mehrbedarf an Energie aufgrund größerer hydraulischer Verluste und erhöhter Umwälzleistungen. Der spezifische Energieeintrag liegt bei Rechteckbecken mit rd. 2 W/m 3 Beckenvolumen um Faktor 5 höher als im Kontaktbecken in Sindelfingen, welches als äußerer Ring um das Sedimentationsbecken angeordnet ist. Die hydraulischen Verluste der Adsorptionsstufe von weniger als 1 m resultieren aus der kompakten Lageplananordnung (siehe Bild 8) und der tangentialen Rohrleitungsanbindung an das Kontaktbecken, welches einstraßig ausgebildet ist. Kaskadierte Kontaktbecken mit Umlenkung des Zulaufes führen zwangsläufig zu deutlich höheren hydraulischen Verlusten. Den größeren Anteil an den Betriebskosten hat neben den Kapitalkosten die Beschaffung der Pulveraktivkohle. Hier ist daher besonderes Augenmerk auf eine bedarfsgerechte Dosierung zu legen. Seite 9

2. Fachsymposium Mikroschadstoffe.NRW 212 Bild 8: Lageplanausschnitt der Aktivkohleadsorptionsanlage und Filtration Sindelfingen 5 Zusammenfassung und Ausblick Die Auswertung des Energiebedarfes auf deutschen Kläranlagen der Größenklassen GK4 und GK5 zeigt einen Medianwert von 35 bis 32 kwh/(e a). Fachleute gehen davon aus, dass hier im Mittel ein Potenzial zur Effizienzsteigerung von 5 bis 1 kwh/(e a) vorhanden ist. Als zusätzliche 4. Reinigungsstufe werden mittlerweile die Ozonung und die Verfahren der Aktivkohleadsorption in Deutschland großtechnisch eingesetzt, um organische Mikroschadstoffe zu eliminieren. Sämtliche Verfahren führen zu erhöhten Betriebskosten und sind mit einem Mehrbedarf an Energie verbunden. Eine effiziente Planung hilft den Aufwand in Grenzen zu halten. Hier sind Dosiertechnik, Hydraulik und Umwälzung als wesentliche Stellschrauben aufgezeigt. Am großtechnischen Beispiel der Pulveraktivkohle-Adsorption auf der Kläranlage Böblingen-Sindelfingen wird der tatsächliche betriebliche und energetische Mehraufwand dargestellt. Es handelt sich um einen spezifischen Stromverbrauch auf der Kläranlage von 2,6 kwh/(e a) für die PAK- Adsorption und 3, kwh/(e a) für die Flockungsfiltration. Für beide Verfahrensstufen fallen somit 5,6 kwh/(e a) an. Seite 1

2. Fachsymposium Mikroschadstoffe.NRW 212 Die weitergehenden Verfahren, wie die PAK-Adsorption in Sindelfingen, leisten einen wesentlichen Beitrag zum Gewässerschutz und letztendlich zur Daseinsvorsorge. Effiziente Planungen helfen, den notwendigen Aufwand an Betriebsmitteln, zu denen auch der Stromverbrauch zählt, in Grenzen zu halten. Verfasser: Norbert Biebersdorf Tuttahs & Meyer GmbH, 44789 Bochum Co-Autoren: Prof. Dr.-Ing. Markus Schröder Tuttahs & Meyer GmbH, 5266 Aachen Dr.-Ing. Laurence Palmowski, Katrin Veltmann ISA RWTH Aachen Andrea Kaste MKUNLV NRW Kontaktadresse: Norbert Biebersdorf Universitätsstraße 74 44789 Bochum Tel. +49 () 234 3335-54 Fax: 234 3335-11 E-Mail: n.biebersdorf@tum-bochum.de Seite 11