ANONYMUS EX VIENNA. Gunar Letzbor Violine und Leitung

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25.01.2017 ANONYMUS EX VIENNA Ars Antiqua Austria Gunar Letzbor Violine und Leitung SAISON 2016/2017 Abonnementkonzert 4

Mittwoch, 25. Januar 2017 20 Uhr Hamburg, Laeiszhalle, Großer Saal ANONYMUS EX VIENNA ARS ANTIQUA AUSTRIA Gunar Letzbor Violine und Leitung ANONYMUS (XVII. Jhdt.) Toccata Nr. 94 a-moll [o. Bez.] Adagio Allegro Adagio Allegro Adagio Vivace Sonata Nr. 87 Adagio Adagissimo Allemanda adagio a chi Aria adagio Sonata Nr. 4 D-Dur Präludium Aria Variatio Sonata Nr. 77 A-Dur Adagio Allegro Sonata Nr. 73 a-moll Sonata Nr. 74 F-Dur [o. Bez.] Adagio Allegro Arietta Sonata Nr. 69 B-Dur Das Post-Horn Vivace Sonata Nr. 68 a-moll Musicalisch Urwerck Das Konzert wird auf NDR Kultur gesendet. Den Sendetermin finden Sie unter: ndr.de/dasaltewerk Pause 02 Programmabfolge Programmabfolge 03

ARS ANTIQUA AUSTRIA Besetzung ARS ANTIQUA AUSTRIA VIOLINE UND LEITUNG Gunar Letzbor CEMBALO UND ORGEL Erich Traxler BAROCKGITARRE Pierre Pitzl LAUTE Hubert Hoffmann COLASCIONE Daniel Oman VIOLONE Jan Krigovsky Österreichische Barockmusik steht im Mittelpunkt des Repertoires von Ars Antiqua Austria. Die ersten Jahre standen für das 1995 ge gründete Ensemble neben zahlreichen Konzertauftritten ganz im Zeichen der musikwissenschaftlichen Aufarbeitung des Schaffens österreichischer Barockkomponisten. Aus dem reichen Fundus wiederentdeckter Werke entstanden mehrere erfolgreiche Ersteinspielungen. Seit dem Jahr 2002 übernimmt Ars Antiqua Austria die Gestaltung eines eigenen Konzertzyklus im Wiener Konzerthaus, seit 2008 auch im Brucknerhaus Linz. Das Ensemble ist federführend in einer auf mehrere Jahre ausgelegten Konzertreihe mit dem Titel Klang der Kulturen Kultur des Klanges, bestehend aus insgesamt 90 Konzerten in den Städten Wien, Prag, Budapest, Bratislava, Krakau, Venedig, Laibach, Mechelen und Lübeck. Internationale Tourneen führten das Ensemble unter anderem zum Festival de la Musique Baroque nach Ribeauvillé, zu den Festwochen der Alten Musik nach Berlin, zum Monteverdi Festival nach Cremona, an die Münchner Staatsoper sowie zu den Salzburger Festspielen. Auch in den USA und Japan ist das Ensemble ein gern gesehener Gast. Die CD-Einspielung zusammen mit der Mezzosopranistin Bernarda Fink (vier Kantaten von Francesco Conti) ist bereits eine Woche nach der Präsentation mit dem Diapason d or ausgezeichnet worden. 004 04 besetzung Funktion ARS ANTIQUA AUSTRIA 05

GUNAR LETZBOR VIOLINE UND LEITUNG SCHÄTZE AUS DEM ARCHIV Habsburgische Violinmusik aus dem späten 17. Jahrhundert Gunar Letzbor studierte Komposition, Dirigieren und Violine in Linz, Salzburg und Köln. Die Bekanntschaft mit Nicolaus Harnoncourt und Reinhard Goebel veranlasste ihn, sich eingehend mit der Interpretation und Spielpraxis Alter Musik auseinanderzusetzen. Er musizierte in den Ensembles Musica Antiqua Köln, Clemencic Consort, La Folia Salzburg, Armonico Tributo Basel und der Wiener Akademie und war in den vier letztgenannten Ensembles mehrere Jahre erfolgreich als Konzertmeister tätig. Bei zahlreichen Konzertreisen durch Europa, die USA und Japan trat und tritt Letzbor regelmäßig als Solist in Violinkonzerten und Recitals mit großem Erfolg in Erscheinung. 1995 gründete er das Ensemble Ars Antiqua Austria. Mit den sieben Musikern dieses Ensembles versucht er, der klanglichen Vielfalt österreichischer Barockmusik durch Erarbeitung eines spezifisch österreichischen Barockstreicherklanges Ausdruck zu verleihen. Gunar Letzbor ist ein begehrter Lehrer für Barockvioline, er unterrichtete unter anderem an den Musikhochschulen in Lübeck und Wien. Als Dozent in Sommerseminaren für Aufführungspraxis bzw. Spielpraxis alter Instrumente gibt er seine Erfahrungen aus seiner Tätigkeit als Ensembleleiter und Solist an junge Musiker weiter. Giovanni Buonaventura Viviani bekam er einen Cannes Classical Award verliehen. Besonderes Aufsehen erregte Letzbors Ersteinspielung der Violinsolosonaten von Johann Joseph Vilsmayr und Johann Paul von Westhoff. Ein Interview mit Gunar Letzbor zum heutigen Programm finden Sie auf ndr.de/dasaltewerk unter der Rubrik Nachgefragt. Im Archiv des Minoritenklosters zu Wien wird eine aus zahlreichen Manuskripten und rund 190 Drucken bestehende Musikaliensammlung verwahrt, von denen die ältesten Beiträge bis ins 17. Jahrhundert zurückreichen. Unter der Nummer XIV/726 findet sich innerhalb dieser Sammlung eine 23cm mal 30cm große Handschrift, die um 1690 entstanden ist und zu den bedeutendsten Quellen österreichischer Barockmusik gezählt werden muss: 198 gut leserliche Seiten mit 102 Violinsonaten, die neben detailgenauen Abschriften bekannter Werke berühmter Komponisten wie Heinrich Ignaz Franz Biber, Johann Heinrich Schmelzer und Antonio Bertali freie Bearbeitungen und Adaptionen diverser Violinkompositionen von u. a. Giovanni Buonaventura Viviani enthält. Zudem bietet die Handschrift XIV/726 auch zahlreiche interessante Beiträge wenig bekannter Komponisten wie Nikolaus Faber oder Jan Ignác František Vojta sowie eine ganze Reihe von anonymen Stücken, die sich streckenweise durch eine überragende musikalische Qualität auszeichnen möglich, dass ihre Urheber gar nicht ganz so unbekannt waren, doch man weiß es eben nicht. Acht dieser meist als Sonaten betitelten Kompositionen aus habsburgischer Zeit, die anonym überliefert und besonders hochklassig geraten sind, ist das heutige Konzert gewidmet. Es handelt sich dabei um ausgesprochen virtuose Stücke, die stilistisch dem Vorbild der Musik von Heinrich Ignaz Franz Biber verpflichtet sind. Biber, der 1644 im böhmischen Wartenberg geboren wurde (heute Stráž pod Ralskem/Tschechien), ging als bedeutendster deutscher Geiger des Salzburger Barock in die Musikgeschichte ein. Er war ein komponierender Virtuose, den Mittlerweile wurden Letzbors CD-Aufnahmen mit den Violinsonaten und den Rosenkranz-Sonaten von Biber sowie die Einspielungen mit Werken von Schmelzer, Vejvanovsky, Muffat, Weichlein, Aufschnaiter, Mozart, Caldara, Bononcini und Viviani mehrfach ausgezeichnet. Für seine Interpretation der Capricci Armonici von Minoritenkloster und Alserkirche in der Alservorstadt in Wien, Kupferstich, um 1730 06 leitung programm 07

der Musikhistoriker Charles Burney in seiner General History of Music Ende des 18. Jahrhunderts zu den wichtigsten Musikerpersönlichkeiten seiner Zeit zählte. Über die Ausbildung Bibers kann nur spekuliert werden: Erst am 2. Juli 1666 ist in Krumau (Česky Krumlov) ein Eintrag über ihn in einem Rechnungsbuch zu finden, aus dem hervorgeht, dass ihn ein Auftrag des Marschalls und Kriegsrats Zikmund Myslík von Hyršov in das malerische südböhmische Städtchen führte. Ab 1668 ist Bibers Mitwirkung in dem Orchester des Fürstbischofs von Olmütz, Karl von Liechtenstein-Castelcorn, in Kremsier belegt eine Tätigkeit, die Biber offenbar wenig befriedigte, und die er u. a. für Dienstfahrten nach Absam in Tirol nutzte, um bei dem berühmten Geigenbauer Jacob Stainer neue Instrumente für die bischöfliche Kapelle zu beschaffen. (In einem Begleitbrief zur Übergabe einer Viola da gamba schrieb Stainer, der vortreffliche Virtuos herr Biber würde die herausragende Qualität des Instruments mit Sicherheit erkennen.) Dass Biber nicht nur an der Geige ein Virtuose war, belegt ein Brief des Bischofs an Johann Heinrich Schmelzer, in dem es heißt: es hat der entwichene Biber die viol di gamb und den Violinbaß gespielt. Der Brief entstand, nachdem Biber im Jahr 1670 ohne Erlaubnis in den Dienst des Salzburger Erzbischofs Maximilian Gandolf Graf von Kuenburg getreten war, der über eines der besten Orchester im süddeutsch-alpenländischen Raum verfügte zu einer Zeit, in der sich der Komponist als Virtuose und Autor bizarrphantastischer Instrumentalwerke längst einen Namen gemacht hatte. Erst 1676 bat Biber in Kremsier um offizielle Entlassung, offenbar mit Erfolg, da er später dem Olmützer Bischof für die Vermittlung eines Losbriefs dankte, mit dem die Beendigung des früheren Dienstverhältnisses bestätigt wurde: Das Euer hochfürstl. Gnad. mier bey meinem Gnädigen Herren Graffen Christoph Philip einen Losbrief gnädigst angebracht haben. Zudem bat Biber den Bischof um ein Dienstzeugnis und versprach, es mit dem werck selbst möglichsten fleisses abzudienen. Am 12. Januar 1678 wurde Biber in Salzburg an der Seite von Andreas Hofer zum Vizekapellmeister ernannt, bevor er rund ein Jahr später den Rang eines Hofrichters erhielt. Nach zahlreichen weitere Ehrungen übernahm er nach dem Tod Hofers im Jahr 1684 das Amt des Salzburger Hofkapellmeisters; zudem wurde er zum Präfekten des Institutum pueorum ex Capella ernannt, der Knabensingschule am Kapellhaus, das für die weitere Entwicklung der Hofkapelle von großer Bedeutung war. Durch Kaiser Leopold I. wurde Biber 1690 dann in den Adelsstand erhoben. Bei seinem Gesuch zu dieser Nobilitierung gab er als Referenz an, dass er für den Kaiser bereits in der Vergangenheit in Linz und Lambach mit Violino soli Proben seines Könnens gegeben und sein Spiel dem Herrscher allergnädigst beliebt hatte. Am 3. November wurde der Komponist schließlich vom Salzburger Fürsterzbischof Johann Ernst Graf von Thun in den Stand eines Truchseß er hoben, der höchsten Auszeichnung, die ein Salzburger Landesherr zu vergeben hatte. FREI NACH BIBER In sämtlichen im Konvolut XIV/726 zusammengefassten Sonaten wird das virtuose Potenzial der damaligen Violintechnik à la Biber ausgereizt. Vor diesem Hintergrund ist es wahrscheinlich, dass es ein Geiger war, der sich die Mühe machte, mehr als einhundert Sonaten in einer Handschrift zu vereinen und zwar einer, der als bedeutender Virtuose sein Handwerk verstand, was nicht nur durch den hohen Anspruch, den die versammelten Stücke bei einer Aufführung ses musikalischen Schlachtengemäldes finden an die Musiker stellen, belegt wird. Offenbar sich zahlreiche Col-legno-Effekte: Wo die Strich stand er in der Tradition der von Schmelzer, Bertali und Biber begründeten Violinschule, die sich chenden Passagen, mus man anstad des Geigens sindt, heißt es in der Partitur bei den entspre von den ita lienischen Vorbildern absetzte, und mit dem Bogen klopfen auf die Geigen, es mus die in vielen Punkten ihrer Zeit voraus war. Denn wol probirt werden. Ein weiteres Kunstmittel innerhalb dieses eigenständigen Violinmusikstils der deutschen Violinschule war die Skordatur, nördlich der Alpen waren Doppelgriffe, die das mit Hilfe derer die unterschiedlichsten Affekte mehrstimmige Musizieren auf der Geige ermöglichten, weit verbreitet. Zudem wurden schwierig in seinen Rosenkranzsonaten mit vierzehn bedient werden konnten eine Technik, der Biber auszuführende hohe Lagen auf dem Griffbrett verschiedenen Violin-Stimmungen ein musikalisches Denkmal setzte. Eines dieser Stücke, die ebenso selbstverständlich verwendet, wie man mit unterschiedlichen Bogenstricharten experimentierte. Dass diese Klangmittel mitunter auch mungen eine einmalige Stellung in der Geschich aufgrund ihrer vielen verschiedenen Violin-Stim programmatisch genutzt wurden, überrascht te des Violinspiels einnehmen, findet sich auch kaum, da Biber eine besondere Vorliebe für dieses Genre hatte und während seiner Jahre im arbeitung Heinrich Schmelzers unter dem Titel in der Handschrift XIV/726, allerdings in einer Be Dienst des Salzburger Erzbischofs Graf von Kuenburg mit seiner 1673 entstandenen Battalia zer in seiner Adaption fast 90 Prozent von Bibers Die Türkenschlacht. Dabei übernahm Schmel eine der originellsten Schöpfungen barocker Notentext, fügte program matische Titel wie Der Programm musik überhaupt geschaffen hatte. In Türken Belägerung der Statt Wien, Der Türcken dem als Sonata überschriebenen Kopfsatz die Stürmen sowie Vic tori der Christen hinzu und Heinrich Ignaz Franz von Bibern, Kupferstich aus: Sonatae für Violine und Basso continuo, Nürnberg 1681 08 programm programm 09

komponierte einen achttaktigen Schluss, der dreimal wiederholt werden soll fertig war das neue Werk! Diese als Parodie bekannte Praxis war im Barockzeitalter üblich und verbreitet. Auch Johann Sebastian Bach recycelte nicht nur aus eigenen Kantatenjahrgängen, sondern auch aus seinen weltlichen Kompositionen und Instrumentalkonzerten, während Georg Friedrich Händel mit seinen borrowings auch immer wieder auf Stücke anderer Komponisten zurückgriff. Dem Wiener Violinvirtuosen, der die Handschrift XIV/726 wahrscheinlich anfertigte, waren Bibers Rosenkranzsonaten offenbar nicht bekannt, weshalb er das Werk nur unter der Autorenschaft Schmelzers anführte. Wäre ihm später das Original aufs Notenpult gekommen, hätte der um Genauigkeit bemühte Musiker diesen Fehler mit Sicherheit korrigiert, denn seine Abschriften gedruckter Werke erscheinen in der Regel in nahezu fehlerfreien Übertragungen. Allerdings gibt es auch Abweichungen, von denen manche Rätsel aufgeben. Der Beginn der Sonate Nr. 75 stimmt beispielsweise notengetreu mit dem Beginn von Bibers Sonate Nr. 6 aus dessen Sonatae violino solo von 1681 überein. Nach dem kontrapunktisch kunstvoll ausgestalteten Kopfsatz folgt im Wiener Konvolut allerdings ein Passagagli -Tanz im Adagissimo, in dem die düstere Stimmung des Präludiums in Variationen durchgängig beibehalten wird. In Nr. 6 des Biber- Drucks schließt sich ebenfalls eine Paßacagli an, in der sich die Stimmung allerdings aufhellt und das Thema variiert wird; der Satz endet mit virtuosem Figurenwerk, bevor die Sonate nach einem kurzem Adagio in Skordatur weitergeführt wird. Hat Biber mehrere Fassungen seiner Sonaten geschrieben, mit denen er seinen Ruhm als komponierender Virtuose begründete? Oder hat sich ein anderer Komponist der originalen Einleitung bedient, um sie nach eigenem Gutdünken fortzusetzen? In der Handschrift XIV/726 sucht man bei der So nate 75 den Namen Biber jedenfalls vergeblich, ebenso wie bei der Sonate Nr. 4, in der nur das schwungvolle Anfangsmotiv von Bibers erster Violinsonate übernommen wird, um anschließend gänzlich anders fortgesetzt zu werden. POSTHORN UND URWERCK Für Spekulationen sorgen auch die in ins Manuskript aufgenommenen Stücke von Giovanni Buonaventura Viviani, die Ähnlichkeiten mit seinen im Druck erschienenen Werken aufweisen, sich aber dennoch deutlich von ihnen unterscheiden. Dabei fallen die in der Wiener Handschrift geführten Kompositionen des viele Jahre in Innsbruck wirkenden Komponisten und Violinisten wesentlich virtuoser aus als die in Italien gedruckten Versionen. Hat Viviani während seiner Dienste als Leiter der Innsbrucker Kaiserlichen Hofmusik den Stil seiner früher entstandenen Werke um virtuose Elemente angereichert und so dem Zeitgeist bzw. dem Stil seiner neuen Umgebung angepasst? Vielleicht hatte er auf diese ja bei der Drucklegung in seiner Heimat bewusst verzichtet, um seine zahlenden Kunden nicht durch zu große spieltechnische Herausforderungen abzuschrecken. Oder stammen die Änderungen von dem Schreiber der Sammlung, dem Vivianis Werke in violintechnischer Hinsicht nicht anspruchsvoll genug erschienen, der aber den Urheber aus Vorsicht, jemand könnte die Stücke wiedererkennen, nannte? Wie auch immer, bei den nicht im Druck erschienenen Werken musste der Schreiber der Wiener Handschrift weniger vorsichtig sein, da sich hier die Musik nach Herzenslust auch ohne Nennung des ursprünglichen Komponisten bearbeiten ließ. Dafür, dass diese Abweichungen tatsächlich alle vom Urheber des Manuskripts stammen, spräche jedenfalls die Tatsache, dass die spieltechnischen Figuren und geigerischen Kunstgriffe in den Stücken unterschiedlicher Herkunft Ähnlichkeiten aufweisen; dass der Schreiber auch die eine oder andere eigene Komposition in die Sammlung aufnahm, ohne seinen Namen zu nennen, ist wahrscheinlich und würde gängiger Praxis entsprechen. In jedem Fall belegen die anonymen Stücke nicht nur den hohen Standard des Geigenspiels nördlich der Alpen. Sie präsentieren sich dem Hörer als ungemein klangsinn liche Kompositionen, die (wie etwa die Sonate F-Dur Nr. 74) elegant und in mit leichter Hand geführtem Satz über eine streckenweise enorm avancierte Harmonik verfügen. Besonders hervorzuheben ist dabei das Musicalisch Urwerck Nr. 68, in dem programmatisch das reglementierte Ticken und Läuten einer Uhr aufgegriffen wird; allein dieses kuriose Werk in fantasievollem musikalischen Satz verdiente es, häufiger gespielt zu werden und bekannter zu sein! Gleiches gilt natürlich auch für die Sonate B-Dur Das Post-Horn Nr. 69, in der nach einleitendem Ruf des Boten im rasantem Vivace-Tempo sein immer wilder werdender Ritt nachgezeichnet zu werden scheint, während die langsameren Abschnitte für das Überbringen der einzelnen Botschaften stehen könnten. Harald Hodeige 10 programm programm 11

Konzertvorschau NDR Das Alte Werk Abo-Konzert 5 Freitag, 24. März 2017 20 Uhr Hamburg, Laeiszhalle, Großer Saal Israel in Egypt Concerto Köln NDR Chor Philipp Ahmann Leitung Gillian Webster Sopran Franz Vitzthum Altus Benjamin Hulett Tenor Andrew Foster-Williams Bass GEORG FRIEDRICH HÄNDEL Israel in Egypt Oratorium in drei Teilen für Soli, Chor und Orchester HWV 54 (Fassung der Uraufführung von 1739) Sonderkonzert 4 Donnerstag, 23. Februar 2017 20 Uhr Hamburg, St. Johannis-Harvestehude Chants du sud et du nord Hirundo Maris Arianna Savall Sopran, Gotische Harfe, Tripelharfe Petter Udland Johansen Tenor, Hardangerfidel, Cister Sveinung Lilleheier Gitarre, Dobro Miquel Angel Cordero Kontrabass, Colascione David Mayoral Perkussion HILDEGARD VON BINGEN O Virtus Sapientiae CLAUDIO MONTEVERDI Si dolce è il tormento SANTIAGO DE MURCIA Jotas LUCAS RUIZ DE RIBAYAZ Tarantela FRANCESCO D ASSISI Preghiera TELEMANN-FESTIVAL HAMBURG, 23. BIS 25. JUNI UND 24. NOVEMBER BIS 3. DEZEMBER 2017 GEORG PHILIPP TELEMANN ZUM 250. TODESJAHR Das Festivalprogramm wird im März 2017 bekannt gegeben (ndr.de/telemann-festival). Ein Festival von NDR Das Alte Werk in Kooperation mit Elbphilharmonie Hamburg. Unterstützt von der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius und der Kulturbehörde Hamburg. Philipp Ahmann sowie sephardische Lieder und traditionelle Lieder aus Katalonien und Norwegen Karten im NDR Ticketshop im Levantehaus, Tel. (040) 44 192 192, online unter ndrticketshop.de Foto: [M] Klaus Westermann/NDR, Image Source/Plainpicture 12 vorschau

Foto: Irene Zandel impressum Herausgegeben vom NORDDEUTSCHEN RUNDFUNK Programmdirektion Hörfunk Bereich Orchester, Chor und Konzerte Leitung: Andrea Zietzschmann NDR Das Alte Werk Redaktion: Angela Piront Redaktionsassistenz: Janina Hannig Redaktion des Programmheftes: Dr. Ilja Stephan Der Text von Dr. Harald Hodeige ist ein Originalbeitrag für den NDR. Fotos: [M] EHStock/gettyimages, Photocase (Titel); Ars Antiqua Austria (S. 5); Wildundleise.de (S. 6); Imagno (S. 7); AKG-Images (S. 9) Steven Haberland NDR (S. 12) NDR Markendesign Gestaltung: Klasse 3b; Druck: Nehr & Co. GmbH Litho: Otterbach Medien KG GmbH & Co. Musik auch und kratzig muss schroff sein. NILS MÖNKEMEYER NDR Das Alte Werk im Internet: ndr.de/dasaltewerk dasaltewerk@ndr.de Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des NDR gestattet. DIE KONZERTE DER REIHE NDR DAS ALTE WERK HÖREN SIE AUF NDR KULTUR 14 impressum UKW-Frequenzen unter ndr.de/ndrkultur, im Digitalradio über DAB+ Hören und genießen