Plus-Energie-Haus Berghalde Vier Jahre Betriebserfahrung und Betriebsoptimierung Franziska Bockelmann, Christian Kley, M. Norbert Fisch Technische Universität Braunschweig IGS Institut für Gebäude- und Solartechnik, Mühlenpfordtstraße 23, 38106 Braunschweig, Tel:0531-391 3557, Fax: 0531-391 8125 e-mail: bockelmann@igs.tu-bs.de 1. Einleitung Durch ein nachhaltiges Energiekonzept und einen hohen solaren Eigenstromnutzungsanteil stellt das Plus-Energie-Haus eine der Antworten auf die Herausforderungen unserer zukünftigen Energieversorgung dar. Das Forschungsprojekt zum Einfamilienhaus Berghalde ist ein vorbildliches Beispiel für die integrale Planung und ermöglicht die Erforschung zukunftsorientierter Technikund Energiekonzepte. Im Rahmen des von der Forschungsinitiative ZukunftBau und vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (über BMUB) geförderten Forschungsprojekts wird ein ganzheitliches Monitoring durchgeführt, um gesicherte Kenntnisse über die Performance des Gebäudes mit seinen Anlagen zu dokumentieren und auszuwerten. Ein Schwerpunkt der Bearbeitung ist die Umsetzung von Optimierungsmaßnahmen zur Steigerung des Eigenstromnutzungsanteils. Ziel des Projektes ist es, ein Gebäude zu entwickeln und zu betreiben, das die zukünftigen Anforderungen an eine hohe Energieeffizienz sowie einem guten Wohnkomfort erfüllen kann. Mit dem Plus-Energie-Gebäude Berghalde entstand kein energieautarkes Haus, sondern vielmehr ein Stromhaus, das mit dem öffentlichen Stromnetz intelligent kommuniziert ein Smart Building für die zukünftigen Smart Grids. 2. Architektur und Energiekonzept Zur Erreichung des Gesamtzieles - der Einhaltung des Plus-Energie Standards - wurden vorab bei der Planung und Umsetzung folgende Aspekte berücksichtigt: Minimierung des Jahres-Endenergiebedarfs für Heizung und Warmwasser Reduzierung des Jahres-Strombedarfs durch effiziente Haushaltsgeräte und Beleuchtung, Umsetzung einer rationellen Energieerzeugung und verteilung Nutzung der Sonnenenergie zur Stromerzeugung, Gebäudeleittechnik zur Steuerung und Umsetzung eines Lastmanagements sowie ein Monitoring zur Erfolgskontrolle und Betriebsoptimierung.
Architektur Das Ende 2010 fertiggestellte Einfamilienhaus fügt sich auf einem knapp 900 m² großen Südhanggrundstück in die bestehende Bebauungsstruktur ein. Der Baukörper mit einer Wohnfläche von rd. 260 m² gräbt sich mit dem Untergeschoss nördlich in den Hang ein und öffnet sich nach Süden mit einer großzügigen südlichen Fensterfront zur Talseite (siehe Abbildung 1). Die Nord-, Ost- und Westfassade sind dagegen deutlich opaker gehalten. Durch die Hanglage orientieren sich alle Wohnräume nach Süden. Im Erdgeschoss befinden sich die raumhoch verglasten Kinder- und Gästezimmer. Im 1. Obergeschoss der großzügige zusammenhängende Koch-, Ess- und Wohnbereich. Die zueinander versetzten Geschossebenen bilden durch die Auskragung einen baulichen Sonnenschutz für das Erdgeschoss. Die Nebenräume, wie Badezimmer, Wirtschafts- und Haustechnikraum sind auf der Nordseite angeordnet. Erschlossen wird das Gebäude von der tiefer liegenden Straße über eine im Hang integrierte Außentreppe bzw. über eine innenliegende Treppe zwischen Garage und Erdgeschoss. Abbildung 1: Südansicht, Auskragung des Obergeschosses als baulicher Sonnenschutz für das Erdgeschoss [Architekt: Berschneider und Berschneider Architekten] Energiekonzept Grundgedanke des Energiekonzeptes ist eine Versorgung der elektrischen Verbraucher über die Photovoltaikanlage (15kW p, 120 m²), die vollflächig auf dem 17 geneigten Pultdach installiert ist. Der produzierte Strom deckt tagsüber in erster Linie den anfallenden Strombedarf im Gebäude und wird zusätzlich in zwei Batterien (7 kwh und 20 kwh, Blei/Gel) gespeichert, um in den Abendstunden u.a. die künstliche Beleuchtung zu versorgen. Neben der vorrangigen Direktstromnutzung wird der solar erzeugte Strom für die Beladung der Elektro-Mobilität genutzt. Ein weiterer Überschuss wird erst dann in das öffentliche Netz eingespeist. Die Wärmeversorgung erfolgt über eine erdgekoppelte elektrische Wärmepumpe in Kombination mit drei Erdsonden (100 m Länge). Die Wärmeübergabe im Gebäude erfolgt über eine Fußbodenheizung sowie zusätzlichen Heizkörpern in den Bädern. Die Fußbodenheizung wird mit einer Vorlauftemperatur von 24 bis 28 C betrieben und nach der Oberflächentemperatur des Fußbodens geregelt. Im Sommer wird die
Fußbodenheizung zur Kühlung und zusätzlich zur Regenerierung der Erdsonden verwendet. Die Trinkwassererwärmung erfolgt zentral im Durchfluss-Prinzip (Kreuzstrom WT außen am Pufferspeicher) mit dezentraler Nacherwärmung durch elektronische Mini-Durchlauferhitzer an den Zapfstellen. Der hygienische Luftwechsel wird durch eine mechanische Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung sichergestellt. Angesaugt und vorkonditioniert wird die Außenluft über einen Erdreichwärmetauscher. (Abbildung 2) Abbildung 2: Energiekonzept Plus-Energie-Gebäude (EWT = Erdwärmetauscher) 3. Monitoring - Ergebnisse In den vier Betriebsjahren wurden bisher folgende Maßnahmen, Optimierungen und Änderungen umgesetzt: Tabelle 1: Im Projekt umgesetzte Maßnahmen und Optimierungen, 2011-2014 Zeitraum Maßnahmen 02/11 09/11 E-Mobilität Smart Anfang 2012 seit 2012 04/13 Einbindung der Batterien (7 kwh und 20 kwh) Umsetzung der PV-Regelung in der Heizperiode Entkopplung 20 kwh-batterie aufgrund von Einbindungs- und Ansteuerungsproblemen 12/13 03/14 Pufferspeichererweiterung seit Anfang 2012 / seit 06/14 E-Mobilität Fiat 500 / E-Mobilität BMWi3 2012 2013 Anpassung der Heiz-Vorlauftemperaturen an das Nutzerempfinden seit 05/2014 PV-Regelung nicht in Heizperiode verwendet Normalbetrieb
In Abbildung 3 ist der über die PV-Anlage produzierte und im Haus genutzte sowie vom Netz bezogene und eingespeiste Strom dargestellt. Im Vergleich zu einem niedrigen solaren Deckungsanteil am Gesamtstromverbrauch von 32% in 2011, konnte dieser 2012 infolge der Veränderungen und der Optimierungen auf 48% gesteigert werden. Aufgrund des schlechteren PV-Ertrags und dem gestiegenen Stromverbrauch sowie dem Wegfall der 20 kwh Batterie, lässt sich 2013 nur ein Deckungsanteil von 34% erzielen. 2014 konnte der Einbruch von 2013 wieder durch einen guten Solarertrag aufgefangen werden. Der Deckungsanteil steigt auf 43%. Der von der PV-Anlage produzierte Strom konnte 2011 zu 18% selber genutzt werden (PV-Eigennutzungsanteil). In den Jahren von 2012 bis 2014 konnte der Eigenstromdeckungsanteil auf 33% bzw. 30% angehoben werden. Das Ziel der 30%igen Selbstnutzung des produzierten Stroms wird durch die Änderungen und Optimierungen in 2012 bis 2014 vollständig erfüllt. In 2011 ergibt sich ein bilanzieller Überschuss von 80%. Aufgrund der monovalenten Versorgung durch die Wärmepumpe in 2012 in Verbindung mit der Erhöhung des Eigenstromnutzungsanteils verringert sich der Überschuss auf 44% und in 2013 nochmals auf 13% (geringe Globalstrahlung). 2014 wird durch den üblichen PV- Ertrag ein EnergiePlus von 44% erzielt. Abbildung 3: Jahresbilanz elektrische Energie und Eigenstromnutzungsanteile (2011 bis 2014) Der Stromertrag der PV- Anlage (15 kw p ) liegt in den ersten beiden Jahren sowie 2014 um 16.000 kwh/a (rd. 1.100 kwh/kw p ) und damit über dem prognostizierten Stromertrag von 15.000 kwh/a. 2013 bricht der Stromertrag aufgrund geringerer Solareinstrahlung auf 14.000 kwh/a (930 kwh/kw p ) ein (Abbildung 4). Es ist zu
erkennen, dass der kumulierte Verlauf des PV-Ertrages 2011, 2012 sowie 2014 sehr gut übereinstimmt. Abbildung 4: Kumulierter Gesamtstromverbrauch, PV- Stromertrag und Eigenstromnutzung (2011 2014) Strombilanz für 2011 bis 2014 Der jährliche Gesamtstromverbrauch (inkl. Mobilität und MSR) beträgt 9.027 kwh/a in 2011 und erhöhte sich bis 2013 auf 12.244 kwh/a. 2014 sank der Stromverbrauch, bedingt durch die nicht umsetzbare Übersteuerung, wieder auf 10.447 kwh/a. Auf die Wohnfläche bezogen ergibt sich ein Stromverbrauch von 34,7 kwh(m² Wfl a) bis 47,1 kwh/(m² Wfl a). In Abbildung 5 ist der Stromverbrauch nach den einzelnen Abnehmern, wie Wärmepumpe, MSR, etc. aufgeschlüsselt. Die Wärmepumpe ist der mit Abstand größte Stromverbraucher im Gebäude. Der Stromverbrauch zur Bereitstellung der Raumheizung und Trinkwarmwasserbereitung nimmt rund ein Drittel des Gesamtstromverbrauchs ein. Die System- Auslegung und der optimale Betrieb der Wärmepumpe (möglichst hohe Jahresarbeitszahl) sind entscheidend für den Plus-Energie- Standard. Unter dem Aspekt Sonstiges wird der Stromverbrauch aller Geräte aufgezeichnet, wie Kleinverbraucher (Staubsauger, Kaffeemaschine, etc.), IKT, Computer, Drucker, die nicht separat erfasst werden können sowie sämtlicher Stromverbrauch über Steckdosen. Die umfangreiche Ausstattung mit Messtechnik und die rechnerunterstützte GLT führen in diesem Bereich zu einem Stromverbrauch von über 1.000 kwh/a (10%), die im Wesentlichen dem wissenschaftlichen Begleitprogramm geschuldet sind. Für die Beladung der E-Mobilität wurde in den letzten vier Betriebsjahren 10% (820 1.821 kwh/a) des Gesamtstromverbrauchs eingesetzt. Es sollte zudem hervorgehoben werden, dass die Batterieverluste durch die Be- und Endladung
sowie Standby-Betrieb bereits einen prozentualen Anteil von 6% des Stromverbrauchs ausmachen. Abbildung 5: Jahres-Stromverbrauch nach Kategorien (2011 bis 2014; 2011 war noch keine Batterie angeschlossen) Wärmebilanz für 2011 bis 2014 Abbildung 6 zeigt die Anteile von Wärmebereitstellung und Wärmeverbrauch für das Gebäude, aufgeschlüsselt nach Wärmeerzeuger, Wärmeverteilung (Pufferspeicher und Rohrleitungen) und Wärmeübergabe (Fußbodenheizung / Badheizkörper und Trinkwarmwasser). Insgesamt werden im Jahr 2011 11.202 kwh/a Wärme und in den folgenden Jahren bis zu 17.073 kwh/a Wärme erzeugt. Der spezifische Wert für die Erzeugung liegt zwischen 43,1 kwh/m² Wfl a und 65,7 kwh/m² Wf a. Die Wärmebereitstellung erfolgte 2011 zu 75 % durch die Wärmepumpe und zu 25 % durch die thermische Solaranlage. Durch die Abdeckung der Solarkollektoren im März 2012 wird der Wärmebedarf seit dem zu 100% über die Wärmepumpe gedeckt. Ein Anteil von rd. 8 % (1.090 kwh/a bis 1.200 kwh/a) der Wärmebereistellung entfällt auf die Trinkwarmwasserbereitung. Zur Raumheizung werden ~ 75 bis 80% (8.753-13.834 kwh/a) benötigt. Die Verluste durch Speicherung und Zirkulation machen in den vier Betriebsjahren 12% aus. Bezogen auf die Wohnfläche ergeben sich ein Heizwärmeverbrauch von 33,7 bis 53,2 kwh/m²wfla und ein Wärmeverbrauch von 3,9 bis 4,7 kwh/m² Wfl a für die Trinkwarmwasserbereitung (ohne Speicher- und Zirkulationsverluste). Der gemessene Wärmeverbrauch für die Heizung liegt in allen vier Betriebsjahren (witterungsbereinigt 39,0 kwh/m² Wfl a bis 52,4 kwh/m² Wfl a) unterhalb des kalkulierten Bedarfs von 65,9 kwh/(m² Wfl a).
Abbildung 6: Jährliche Wärmemengen aufgeteilt in Erzeugung, Verteilung und Übergabe in 2011 bis 2014 (nicht witterungsbereinigt) 4. Komfort Zur detaillierten Analyse des thermischen Komforts im Plus-Energie-Haus werden neben den Langzeitmessungen von Raumtemperatur und Feuchte zusätzliche Kurzzeitmessungen im Wohn- und Essbereich durchgeführt. Ziel des Spot-Monitorings ist es, die operativ empfundenen Raumbedingungen zu ermitteln, um so das Raumklima individuell bewerten zu können. Aus den gemessenen Größen kann der PMV-Index (Predicted Mean Vote) ermittelt werden, der eine Vorhersage über das zu erwartende mittlere Votum zur thermischen Behaglichkeit erlaubt. Im Rahmen des Forschungsprojektes wurden bisher zu folgenden Perioden Messungen durchgeführt: Winter: 04. - 14.02.2014 und 23.01. 03.02.2015 Übergang: 08. - 22.05.2014 Sommer: 14. - 21.08.2014 Winter: 23.01. 10.02.2015 Anhand der Auswertung der einzelnen Messgrößen kann der Raumkomfort in der Berghalde zu verschiedenen Jahreszeiten (Abbildung 7 und Abbildung 8) bewertet werden. Die Raumtemperatur liegt größtenteils im guten Normbereich. Die relative
Luftfeuchte schwankt zwischen den beiden Wintermessungen extrem. Im Winter 2014 herrschten noch akzeptable bis feuchte Bedingungen, während im Winter 2015 die Feuchte bereits in den zu trockenen Bereich abfällt. In der Übergangszeit liegen die Werte über dem akzeptablen bis eingeschränkten Bereich (feucht). Im Sommer 2014 konnte die Feuchte-Messung aufgrund fehlerhafter Aufzeichnungen nicht ordnungsgemäß durchgeführt werden. Der PMV-Wert streut im tageszeitlichen Verlauf. Dabei ist festzustellen, dass tagsüber (10 20 Uhr, blaue Markierung) ein guter bis akzeptabler Komfort im Gebäude erzielt wird und der PMV in der Nacht abfällt. Da in der Nacht die Einhaltung des PMV im Wohn- und Essbereich nicht erforderlich ist, wirkt sich diese Feststellung nicht verschlechternd auf den Raumkomfort aus. Es ist jedoch festzustellen, dass im Winter 2015 ein eingeschränkter Komfort vorliegt, da die Werte unter dem Bewertungskriterium -0,5 liegen. Tabelle 2: Bewertungskriterien des Raumkomforts Feuchtefühler defekt Abbildung 7: Bewertung der operativen Raumtemperatur und relativen Feuchte gemäß DIN EN ISO 7730
Abbildung 8: Bewertung PMV im tageszeitlichen Verlauf 5. Fazit In Zukunft wird es in der Planung von Gebäuden nicht nur um die Reduzierung des Heizenergiebedarfs, sondern auch um eine integrale Betrachtung des gesamten Strombedarfs eines Gebäudes gehen. Das Leitmotiv zur Entwicklung und zum Betrieb des Gebäudes beruht darauf, dass eine optimale Nutzung der Sonnenenergie umgesetzt werden sollte, so dass mehr Energie gewonnen wird als das Gebäude benötigt. Somit kann ein hoher solarer Eigenstromnutzungsanteil erzielt werden. Das primäre Ziel, den Plus-Energie Standard bei gleichzeitig hoher Nutzerzufriedenheit zu erreichen, wird seit vier Betriebsjahren vollständig erfüllt und stetig optimiert. Das realisierte Plus-Energie-Wohnhaus mit einer hohen solaren Eigenstromnutzung ist ein wichtiger Baustein für unsere zukünftige Energieversorgung und der Umsetzung erneuerbarer Energien und Quellen. 6. Danksagung Das Forschungsprojekt Betriebsstrategien für EnergiePLUS-Gebäude am Beispiel der Berghalde (Aktenzeichen II 3-F20-13-1-001 / SWD - 10.08.18.7-13.33) wird mit Mitteln der Forschungsinitiative ZukunftBau des Bundesinstitutes für Bau-, Stadt- und Raumforschung gefördert.