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BASTIA, DAS TOR ZU KORSIKA Bastia wird fast ausschließlich als Verschiffungshafen genutzt vollkommen zu Unrecht, wie ich meine. Denn die größte Stadt Korsikas hat viele liebenswerte Seiten: die von Palmen bestandene Place Saint Nicolas, auf der die Alten in stoischer Ruhe Boule spielen, mondäne Boutiquen am Boulevard Paoli und kleine Geschäfte in den Nebenstraßen, schöne Cafés, in denen weißhäutige Nordländer verstört die Kellner anblinzeln, eine verwinkelte, kühle Altstadt am Hang um den Alten Hafen mit seinen blauen Fischerbooten und oben auf dem Hügel über dem schattigen Park die Bastei (italienisch: bastione), die der Stadt den Namen gab. Stadtgeschichte Bastia wurde erst nach der Aufgabe der Römerstadt Mariana und der Zerstörung ihrer Nachfolgerin Biguglia durch die Korsen im späten 14. Jahrhundert vom genuesischen Statthalter Leonello Lomellini zum Verbindungshafen erkoren. Er ließ oberhalb des Fischerhafens Cardo einen Wehrturm (französisch: Donjon, am gleichnamigen Platz in der Zitadelle) errichten, um den sich bald eine größere Siedlung bildete. Nachdem sie 1480 befestigt wurde, bürgerte sich dafür der Name»Terra Nova«ein, die alte Siedlung vom Hafen nach Norden zu nannte man im Gegensatz dazu»terra Vecchia«. Bastia wurde Sitz des genuesischen Gouverneurs, später der französischen Départements-Verwaltung. Im Zuge des korsischen Unabhängigkeitskrieges plünderte ein Bauernheer Ende Februar 1730 die unbefestigte Unterstadt, deren Bewohner auf die Insel Capraja geflüchtet waren. In Folge der französischen Revolution Napoleon in Omnipräsens: Auf der zentralen Place Saint Nicolas von Bastia kam es 1791 unter Führung der»obristin«, La Colonelle Fiora Oliva, zu einem Aufstand der Bastianer gegen den Klerus. Sie drangen in die Festung ein und belagerten den dortigen Bischofspalast. Der Kirchenfürst hatte sich allerdings frühzeitig abgesetzt. Paoli unternahm als damaliger Regierungspräsident des Départements Korsika und Befehlshaber der Nationalgarde praktisch nichts gegen diesen Aufstand, der wohl seine heimliche Sympathie gefunden hatte. 1796 teilte die französische Zentralgewalt Korsika auch verwaltungstechnisch in die historischen Gebiete Golo (der Norden) und Liamone (der Süden) auf. Die Départementsverwaltungen saßen in Bastia und Ajaccio. 1811 bestimmte dann Kaiser Napoleon seine Heimatstadt Ajaccio zur alleinigen Hauptstadt der Insel. Trotz dieser politischen Abwertung konnte sich Bastia durch seine dem Festland zugewandte Lage zum Handelszentrum und wichtigsten Hafen der Insel entwickeln. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Neustadt während des Rückzugs deutscher Truppen von Sardinien durch amerikanische Bombardierun- BASTIA: STADTGESCHICHTE 157
gen weitgehend zerstört. Begünstigt durch die Urbarmachung der Ostküstenebene und einer stürmischen Entwicklung der Kleinindustrie hat Bastia heute etwa 55.000 Einwohner, mehr als ein Viertel der Inselbevölkerung. Im Hafen werden jährlich etwa 1,2 Million Tonnen Güter umgeschlagen, wobei der Import vom Festland stark überwiegt. Dem Tourismus dient Bastia fast ausschließlich als»umschlagplatz«der An- und Abreisenden sowie als Ausflugsziel. Im Hafen werden jährlich etwa eine Million Passagiere abgefertigt, den Flughafen Bastia-Poretta benutzen etwa 750.000 Reisende. An einem Wochenende Ende Juli, Anfang August kommen hier mit den Fähren gut und gerne 20.000 Fahrzeuge mit knapp 60.000 Insassen an! Das früher übliche Verkehrschaos zwischen dem neuen Hafen und der Oberstadt hat sich gelegt, seitdem am Kai entlang eine Umgehungsstraße und unter dem alten Hafen und der Festung ein Straßentunnel fertiggestellt wurden. So fließt jetzt auch in Spitzenzeiten wenn beispielsweise während des Feierabendverkehrs auch noch eine Fähre vom Festland ankommt der Verkehr recht schnell ab. Gleichzeitig hat man damit das Problem, daß zwar die meisten Arbeitsplätze der Industriestadt in den südlichen Vororten, die Wohnviertel aber an den Hängen und im Norden liegen, verkehrstechnisch in den Griff bekommen. Dieser beschleunigte Abfluß der Massen hat allerdings zur Folge, daß außer Rucksackreisenden (und die finden kaum eine preiswerte Unterkunft) noch weniger Touristen in Bastia verweilen und die Korsen weithin unter sich bleiben. Ich mach es immer umgekehrt: Ich lasse nach der Entladung im Hafengelände in aller Ruhe die hektische Blechschlange an mir vorüberziehen, wechsle im Hafengebäude oder an der Place Saint Nicolas Geld, trinke am Hafen-Kiosk etwas und suche mir dann wenn alle weg sind einen Parkplatz in der Stadt, um einen Bummel durch die Altstadt und zum Alten Hafen zu machen.»wer langsam reit, kommt grad so weit.«sehenswertes Wer mit der Eisenbahn ankommt, geht über den Vorplatz und dann rechts durch die Avenue Maréchal Sébastiani hinunter zur großen Place Saint Nicolas am neuen Hafen. Wer mit dem öffentlichen Bus eintrifft, kommt meistens sowieso irgendwo hier an. Autofahrer stellen ihr Gefährt am besten in der Tiefgarage unter dem Platz ab; sie ist 7 21 Uhr geöffnet und kostet 5 FF/Stunde Parkgebühr, Sonderkonditionen für längere Parkzeiten. Die Place Saint Nicolas erstreckt sich als langes Rechteck parallel zur Einfahrt des zu Anfang dieses Jahrhunderts fertiggestellten neuen Hafens. Der Platz ist von Palmen und Platanen umstanden, unter denen sich am Nachmittag Bastianer zum Boule- Spiel, andere in den vielen Cafés zum Plausch treffen. Obwohl die Bastianer Napoleon überhaupt nicht leiden können, steht er hier als römischer Kaiser verewigt. Ich habe es allerdings auch schon mitbekommen, wie unter sei- 158 BASTIA: STADTGESCHICHTE
Bastia Saint Florent N 1 cm 100 m D80 D31 AVENUE DU FANGO BOULEVARD BENOITE DANESI Hallenbad Gare SNCF & CFC BOULEVARD MONTÉE SAINTE CLAIRE GÉNERAL GIRAUD Pl. MORO GIAFFERI Justizpalast ROUTE Zitadelle Jardin Romieu Gouverneurspalast & Musée d Ethnographie Corse»Hängende Gärten«Chapelle Sainte Croix Cathédrale Sainte Marie DE VILLE Präfektur PETER MEYER VERLAG Krankenhaus RUE RUE G. PERI FAVALLELI BOULEVARD Campingplätze Cap Corse RUE SALICETTI DES TERRASSES RUE Flughafen Ostküste Castagniccia Corte Ajaccio D80 PLACE SAINT NICOLAS RUE NAPOLÉON BD. GRAL. DE GAULLE RUE DU COLLE R.DU NOUVEAU PORT QUAI DR. FAVALE RUE LUCE AV. MARÉCHAL SEBASTIANI RUE CÉSAR CAMPINCHI Bibliothek BD. PAOLI Toga Post Theater St. Charles AUGUSTE BOULEVARD PAOLI BD. GRAL. GRAZIANI St. Nom de Marie GAUDIN AVENUE EMILE SARI RUE MIOT DE Vieux Port (Alter Hafen) COURS LA QUAI DU N 193 CASAB IANCA DE Air France SANTÉ SUD SNCM QUAI Palazzo der Missionare Markt PLACE DU DONJON Jachthafen Office du Tourisme DES MARTYRS DE LA QUAI DU FANGO Tunnel Corsica Ferries Moby Lines LIBÉRATION Tunnel N 193 Tunnel Nouveau Port Gare Maritime Fischhalle Terra Vecchia St. Jean Baptiste Terra Nova Geschäftszentrum siehe Detailplan Fährhafen Jetée du Dragon Jetée Saint Nicolas Terra Vecchia siehe Detailplan BASTIA: SEHENSWERTES 159
Fürs Vaterland: Kriegsveteranen und Kadetten nach dem Schwur unterm Denkmal für die gefallenen Soldaten nem Denkmal dicke Knallfrösche gezündet wurden. Der Palazzo der Missionare an der hinteren Schmalseite beherbergte die genuesischen Statthalter bzw. später die Départementspräfektur, diente aber zeitweilig auch als Gericht und Kaserne. Heute ist ein Gymnasium darin untergebracht. Nach rechts gelangen Sie durch die Rue Miot zum Boulevard Paoli, der belebten Hauptgeschäftsstraße. Hier, in der parallel liegenden Rue César Campinchi und den rechtwinklig dazu verlaufenden Nebenstraßen der Neustadt liegen Kaufhäuser, Boutiquen, Sportgeschäfte, Buchhandlungen und Restaurants, die hauptsächlich nach der langen Mittagspause von einer buntgemischten Schar einheimischer und fremder Bummelanten bevölkert werden. Zur Terra Nova Am oberen Ende des Boulevard Paoli erreichen Sie beim Justizpalast nach links abbiegend über den Boulevard Auguste Gaudin den Cours Docteur Favale, den ehemaligen Zitadellengraben. Rechter Hand steht in einer Parallelstraße die Kirche Ste. Nom de Marie mit einer ständigen Krippenausstellung (Musée des Santonniers, 9 11.30 und 14 17 Uhr geöffnet, Eintritt frei). Links des Doppeltores zur Zitadelle steht unter dem Türmchen der ehemalige Galgen. Durch das unter Ludwig XV. instandgesetzte Tor ge- 160 BASTIA: SEHENSWERTES
langen Sie zur Place du Donjon, die nach dem dortigen runden Wehrturm, dem ersten der Stadt, benannt ist. Links befindet sich der ursprüngliche Gouverneurspalast, der 1530 fertiggestellt wurde und in dem heute das Musée d Ethnographie Corse untergebracht ist. Lediglich die Volkskunde-Abteilung ist wirklich sehenswert. Sie bietet einige Einblicke in das frühere Leben auf dem Lande. Im Hof ist der Kommandoturm des U-Bootes»Casabianca«aufgestellt, das während des Zweiten Weltkrieges mehrmals Widerstandskämpfer und Waffen von Algier nach Korsika brachte, siehe auch Ajaccio. Im Keller der Zitadelle erinnern Gedenktafeln an die über 30.000 im Ersten Weltkrieg gefallenen Korsen des 173. Infanterie-Regiments. Das Museum war zur Zeit der Recherche wegen Renovierung geschlossen. Die Wiedereröffnung ist für 2001 vorgesehen. Schöne Ausblicke über die»terra Vecchia«und den Alten Hafen ergeben sich von den»hängenden Gärten«des genuesischen Gouverneurs, in denen Sie sich im Schatten prima vom womöglich ersten Korsika-Stadtbummel erholen können. Durch die Gassen gegenüber dem Palast geht es weiter zur ehemaligen Cathédrale Sainte Marie. Die Kirche wurde 1495 auf Veranlassung des Bischofs von Mariana errichtet und war von 1570 bis zur Verlegung des Bischofssitzes nach Ajaccio im Jahre 1801 dessen Dom. Die überladene barocke Innenausstattung wurde im 17. Jahrhundert geschaffen. Die figürliche Darstellung Mariä Himmelfahrt eines unbekannten Künstlers aus Siena (Toskana) steht im rechten Seitenschiff. Sie stammt aus dem 18. Jahrhundert und wird alljährlich am 15. August, ihrem»ehrentag«, in einer Prozession durch die Oberstadt geleitet. Die nahe Chapelle Sainte Croix aus dem Jahre 1600 wurde ebenfalls in barocker Bauform errichtet, fügt sich aber unauffällig in die Reihe der Wohnhäuser ein. Sie ist im barocken Louis-quinze-Stil ausgestattet. In einer Seitenkapelle wird ein dunkles Eichen-Kruzifix aufbewahrt, das zwei Fischer 1428 leuchtend auf der See treibend gefunden haben wollen und das deshalb von den Seeleuten der Stadt verehrt wird, besonders während der jährlichen Prozession am 3. Mai. Geöffnet ist die Kirche meistens zwischen 9 und 17, im Sommer bis 19 Uhr, mittags 12 14 Uhr und Sa, So fürs Publikum geschlossen. Der Alte Hafen & die Terra Vecchia Durch den stillen Jardin Romieu, unter dessen großen Kiefern und Lorbeerbäumen man Schatten findet, gelangen Sie über eine Treppe hinunter zum Quai du Sud am Alten Hafen, an dem in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts schon der französische Romancier Honoré de Balzac seine Milieu-Studien durchführte. Die südliche Mole Jetée du Dragon bietet einen besonders guten Überblick über den Fischerhafen, in dem nur wenige Jachten, dafür aber um so mehr Fischerboote Platz finden, hinüber zu den am Hang aufsteigenden mittelalterlichen, bis zu sechsstöcki- BASTIA: SEHENSWERTES 161