»Alles kann durch das Licht verändert, deformiert oder eliminiert werden. Es ist genauso geschmeidig wie der Pinsel.«Man Ray, amerikanischer Fotograf

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Transkript:

»Alles kann durch das Licht verändert, deformiert oder eliminiert werden. Es ist genauso geschmeidig wie der Pinsel.«Man Ray, amerikanischer Fotograf 04 Belichtungsmessung Das richtig belichtete Bild ist ein eher technisch orientiertes Ziel in der Fotografie. Um es zu erreichen, ist es unabdingbar zu wissen, wie viel Licht Ihnen in der jeweiligen Situation zur Verfügung steht und über welchen fotografischen Spielraum Sie damit verfügen. Das Mittel, um dieses Wissen zu erreichen, ist die Belichtungsmessung. Mit Ihrem kamerainternen oder externen Belichtungsmesser ermitteln Sie die Helligkeit Ihres Motivs oder des Umgebungslichtes, je nachdem, in welche Richtung Sie messen. Bei der Belichtungsmessung gilt ganz besonders, dass Sie die Funktionsweise eines Belichtungsmessers sowie die verschiedenen Messmethoden genau kennen sollten. Denn zum einen legt eine gezielte und überlegte Lichtmessung den Grundstein für eine Belichtungssteuerung, die Ihre Bildidee wie gewünscht ins rechte Licht setzt. Und zum anderen gibt es eine ganze Menge an Fehlerquellen und Fallstricken, die Ihnen einen Strich durch die Rechnung machen können. Glücklicherweise gibt es aber auch mindestens genauso viele Kniffe und Tricks, um mit einer bewusst ausgewählten und angewandten Messmethode zu einem richtigen Ergebnis zu kommen. 74

75

Hier wird deutlich, dass Motive unterschiedlich viel Licht reflektieren: Die weiße Hose wirft mehr Licht zurück als das abgemähte Getreidefeld. 120-400-mm-Tele-Zoom 1:4,5-5,6 mit 120 mm, Blende 5, 1/800 s, ISO 100, Tageslicht 4.1 Messung der Helligkeit Beim Fotografieren gleichen Sie rein technisch das benötigte Licht mit dem vorhandenen Licht ab und steuern dann Menge und Zeit so, dass der Sensor Ihrer Kamera die richtige Portion Licht erhält. Vereinfacht gesagt, braucht der Sensor eine bestimmte Menge Licht, um ein richtig belichtetes Bild zu erzeugen. Wie viel Licht das ist, hängt vom Dynamikumfang Ihres Sensors und dem gewählten ISO-Wert ab. Dieser vorgegebene Soll-Wert ist ausschließlich in der Kameraelektronik gespeichert während des Fotografierens werden Sie ihm nie begegnen oder ihn auf irgendeiner Anzeige lesen. Die Kamera zeigt Ihnen höchstens an, ob Sie mit den eingestellten Werten das Bild über- oder unterbelichten werden. Oder Sie erkennen es am Bildergebnis. Diesem unsichtbaren Soll-Wert muss natürlich auch ein für die jeweilige fotografische Situation ermittelter Ist-Wert entgegenstehen. Dabei handelt es sich um die tatsächlich vorhandene Helligkeit, also die Menge Licht, die Ihrer Kamera effektiv pro Zeiteinheit für das jeweilige Bild zur Verfügung steht. Licht- oder Motivmessung Für die Ermittlung der Helligkeit gibt es zwei unterschiedliche Vorgehensweisen: Entweder Sie messen die Helligkeit des Lichts, die beim Motiv ankommt, oder die Helligkeit des Lichts, das vom Motiv reflektiert wird. Im ersten Fall spricht man von der Lichtmessung. Diese hat den Vorteil, dass allein das Licht gemessen wird, das unabhängig vom Motiv vorhanden ist, also unabhängig von dessen unterschiedlich stark ausfallenden Lichtreflexionen. Eine solche Licht- 76 Belichtungsmessung

messung können Sie nur mit einem externen Belichtungsmesser vornehmen, da der kamerainterne Belichtungsmesser in den allermeisten Fällen nicht auf so hohe Helligkeitswerte ausgelegt ist. Der zweite Fall ist die Motivmessung (auch: Objektmessung), die das vom Motiv reflektierte Licht misst und für die sowohl der interne als auch ein externer Belichtungsmesser geeignet ist. Externer Belichtungsmesser Für die genauere und weniger fehleranfällige Messmethode der Lichtmessung bedarf es eines externen Belichtungsmessers. Dieser kann direkt am Motiv in Richtung der Lichtquelle gehalten werden und misst so die Helligkeit unabhängig vom Motiv. Eine milchig-weiße Kalotte sorgt dafür, dass das Licht gleichmäßig verteilt und etwas reduziert auf die Messzelle trifft. Je nach Ausstattung ist auch eine Spotmessung und/oder eine Funktion zur Blitzbelichtungsmessung integriert, welche die Helligkeit der extrem kurzen Blitze messen und speichern kann. Die von Ihnen an der Kamera gewählte ISO-Zahl müssen Sie auch am externen Messgerät einstellen, um als Ergebnis der Messung den Lichtwert (s. Seite 88) zu erhalten. Wenn Sie zusätzlich noch den an der Kamera voreingestellten Blenden- oder Zeitwert eingeben, wird Ihnen der jeweils andere Wert angezeigt. Diese Handhabung ist in vielen Situationen zu umständlich und verzögert das Fotografieren erheblich, ist dafür aber sehr genau. Wenn die Lichtsituation über mehrere Aufnahmen konstant bleibt, fällt das langsame Fotografieren auch nicht mehr ins Gewicht. Deswegen werden externe Belichtungsmesser vor allem im Studio eingesetzt, wo mit Blitzlicht eine sehr genaue Lichtführung erreicht werden soll, oder Outdoor, wenn mit einem Stativ gearbeitet wird. Nahezu unverzichtbar sind sie bei allen Einsatzgebieten, wo exakt eingesetztes Licht und höchste technische Perfektion eine Grundvoraussetzung sind oder mit dem Zonensystem gearbeitet wird beispielsweise bei Produktaufnahmen sowie Porträtund Fashionaufnahmen für Hochglanzmagazine. Abb. 4.1 Nur mit einem externen Belichtungsmesser wie diesem hier von der Firma Gossen können Sie sowohl das ankommende als auch das vom Motiv reflektierte Licht messen. Nehmen Sie beide Messungen möglichst nah an Ihrem Motiv vor, um Fehlerquellen auszuschließen. Messung der Helligkeit 77

Ein dunkles Motiv wie diese Holzmaserung wird jeden auf neutralgrau geeichten Belichtungsmesser in die Irre führen. Sehr helle Motive wie die weiße Blume suggerieren Ihrem Belichtungsmesser fälschlicherweise, dass viel Licht zur Verfügung steht. Um diesen Fehlern entgegenzuwirken, messen Sie entweder ersatzweise auf etwas anderes oder überbelichten Sie das Bild gezielt. [l.] 85-mm-Festbrennweite 1:1,4 mit 13-mm-Zwischenring, Blende 2, 1/500 s, ISO 100, Tageslicht; [r.] 105-mm-Makro 1:2,8 mit Blende 2,8, 1/200 s, ISO 100, Tageslicht Kamerainterner Belichtungsmesser Meist werden Sie aber auf die Belichtungsmessung Ihrer Kamera zurückgreifen, um die nutzbare Lichtmenge zu ermitteln. Im Gehäuse ist ein weiterer Sensor eingebaut, der für die Messung der Helligkeit des Lichts zuständig ist (selten auch für die Messung der Farbtemperatur). Der Sensor für die Belichtungsmessung deckt das gesamte Bildfeld ab, auch wenn er mit weitaus weniger Messdioden als der Bildsensor bestückt ist. Für die Messung wird ein kleiner Anteil des durch das Objektiv einfallenden Lichts zu diesem Sensor geleitet. Je nach technischer Lösung dieser Lichtumleitung sitzt der Sensor an einer anderen Stelle des Gehäuseinnenraums (s. Seite 30). Da die Messung in der Kamera erfolgt, werden die Spezifika des Objektivs berücksichtigt. Der Belichtungsmesser ist ein eigenständiges, aufwändiges Subsystem der Kamera und liefert dem zentralen Prozessor der Kamera Informationen über Helligkeit und Farbe des Lichts. Je nachdem, welche Messmethode (s. Seite 81) gewählt wurde, wird die ganze Bildfläche oder nur ein Teil davon überhaupt zur Ermittlung dieses Wertes herangezogen. Außerdem können bestimmte Bereiche der Messfläche unterschiedlich stark gewichtet werden, wobei verschiedene Aspekte wie Messmethode, gewähltes AF-Feld oder gewähltes Motivprogramm einen Einfluss auf die Gewichtung haben können. Der Belichtungsmesser in der Kamera misst aber nur das Licht, das auch bei ihm ankommt und das ist bereits vom Motiv reflektiert. Doch auch mit einer Messung der Helligkeit am reflektierten Licht kommen Sie zu einem korrekten Ergebnis, wenn Sie die Funktionsweise des Belichtungsmessers berücksichtigen. Neutralgrau Die Kamera kann nicht wissen, wie viel Licht vom Motiv reflektiert wird. Deswegen behelfen sich die Kamerahersteller an dieser Stelle mit einem durchschnittlichen Ersatzwert, dem so genannten Neutralgrau. Dieses Grau ist dadurch definiert, dass es genau 18 Prozent der einfallenden Lichtmenge reflektiert. In der fotografischen Praxis 78 Belichtungsmessung

hat sich Neutralgrau als ein sehr gut funktionierender Durchschnittswert für die meisten Farben und Motive erwiesen, weswegen alle Belichtungsmesser auf diesen Wert geeicht sind. Die Kameras gehen in ihren internen Berechnungen insofern davon aus, dass jedes Motiv 18 Prozent der vorhandenen Helligkeit reflektiert und dementsprechend die vorhandene Helligkeit um 82 Prozent stärker ist als der gemessene Wert. So können sie aus dem gemessenen Wert einen Wert für die vorhandene Helligkeit errechnen und damit den für die Belichtung nötigen Ist-Wert. Abb. 4.2 Um bei weißen oder schwarzen Motiven einen richtigen Messwert zu erhalten, messen Sie stattdessen auf etwas Graues. Ersatzmessung Da Ihre Motive jedoch nur selten aus genormtem Grau bestehen dürften, öffnet sich hier ein weites Feld für Fehler in der Belichtung, denen Sie gezielt begegnen müssen. Wenn Sie auf zu helle oder zu dunkle Flächen messen, weil Ihr Motiv beispielsweise eine schwarze Katze oder ein Schneemann ist, verfälscht das Ihre Belichtungsmessung. Denn statt wenigstens annähernd 18 Prozent reflektieren solche Motive deutlich mehr beziehungsweise weniger des einfallenden Lichts. Wenn Sie diesem falschen Messwert folgen, erhalten Sie überbelichtete Bilder von dunklen Motiven und unterbelichtete Bilder von hellen Motiven in beiden Fällen werden die Ergebnisse matschig grau statt schwarz oder weiß sein. Wie hier bei den Observatorien auf dem Roque de los Muchachos ist das Motiv oft zu weit weg, um die Messung mit einem externen Belichtungsmesser direkt am Objekt vorzunehmen. Für solche Motive ist der kamerainterne Belichtungsmesser sinnvoller und bequemer. 105-mm-Makro 1:2,8 mit Blende 3,5, 1/1600 s, ISO 100, Tageslicht Messung der Helligkeit 79

Statt auf zu helle oder zu dunkle Motivteile zu messen, bieten sich durchschnittlich helle Flächen aus Asphalt, Gras, Pappe oder Stein für die Ersatzmessung an. 24-mm-Festbrennweite 1:1,8 mit Blende 11, 1/500 s, ISO 100, Tageslicht Licht, das von der Seite oder durch das Sucherokular in die Kamera fällt, kann die Belichtungsmessung durcheinanderbringen und zu falschen Messwerten führen. 24-mm-Festbrennweite 1:1,8 mit Blende 10, 1/640 s, ISO 100, Tageslicht In solchen Situationen ist es mit einer Motivmessung unmöglich, korrekte Messergebnisse zu erzielen. Sie können nur entweder gezielt in die Belichtungssteuerung eingreifen (s. Seite 84) oder eine Ersatzmessung vornehmen. Dazu wählen Sie eine andere Fläche, die in ihrer Helligkeit eher dem Durchschnitt entspricht und messen dort die Helligkeit. Anschließend stellen Sie Blende und Zeit entweder manuell ein (s. Seite 107) oder benutzen den Belichtungsspeicher (s. Seite 110). Um ganz sicher zu gehen, haben Puristen zu diesem Zweck eine normierte Graukarte in der Fototasche eine graue Hauswand, eine asphaltierte Straße oder ein Stück Pappe tun es zur Not aber auch. Sogar eine Messung auf farbige Flächen von entsprechender Helligkeit führt zu passenderen Messergebnissen als eine Messung auf schwarze oder weiße Flächen. Störlicht Lichtstreifen, die bei Gegenlichtsituationen in die Kamera fallen, stören auch die Belichtungsmessung. Eine passende Gegenlichtblende auf dem Objektiv mindert dieses Risiko deutlich. Eine weitere Fehlerquelle ist das Licht, das durch den Sucher in die Kamera eindringt und eine korrekte Belichtungsmessung stört. Normalerweise verdecken Sie mit Ihrem Gesicht das Okular, so dass dieser Fehler nur in besonderen Situationen auftritt. Wenn Sie mit einem Stativ oder aus der Hüfte fotografieren oder direkt vor einer sehr hellen Lichtquelle stehen, kann das einfallende Licht die Belichtungsmessung stören. Achten Sie in solchen Fällen darauf, das Sucherokular entweder abzudecken oder keine Halb- oder Vollautomatiken für die Belichtungssteuerung zu benutzen. 80 Belichtungsmessung

4.2 Messmethoden Sie können an Ihrer Kamera unterschiedliche Methoden zur Messung der Helligkeit einstellen. Die Bezeichnung und technische Umsetzung dieser Messmethoden unterscheiden sich je nach Kamerahersteller ein wenig, letztlich sind es jedoch nur drei Grundformen, auf denen alle Messmethoden basieren. Hinter jeder Methode steckt ein komplexer Algorithmus, der genau festlegt, welcher Teil des im Sucher angezeigten Bildfeldes bei der Ermittlung der Helligkeit berücksichtigt wird, welcher Teil nicht und in welchem Umfang die berücksichtigten Teile gewichtet werden. Diese Formeln basieren auf der Helligkeitsauswertung von Tausenden unterschiedlicher Fotos, die durch die Kamerahersteller vorgenommen wurde. Probieren Sie ruhig einmal an Ihrer Kamera aus, wie sich die Wahl einer anderen Messmethode bei gleichem Bildausschnitt und gleicher Lichtsituation auf die vorgeschlagene Blende-Zeit-Kombination auswirkt. Je kontrastreicher das Motiv ist, desto größer werden die Unterschiede ausfallen. Abb. 4.3 Mit einer Spotmessung können Sie auch bei Gegenlichtaufnahmen gezielt die Belichtung kleiner Bildelemente ermitteln. Sowohl bei Hoch- und Querformaten wird nur ein kleiner Kreis in der Bildmitte berücksichtigt Spotmessung Mit der Spotmessung können Sie die Belichtung auf ein Bildelement punktgenau abstimmen. Bei ihr wird nur ein sehr kleiner Teil von ca. zwei Prozent des Bildfeldes für die Messung herangezogen. Diese Fläche wird meistens durch den zentralen Kreis im Sucher markiert oder ist seltener an das aktivierte AF-Messfeld gekoppelt. Alle Bildteile, die sich außerhalb dieses Bereichs befinden, haben keinen Einfluss auf die Messung. Einige Kameras bieten zusätzlich oder alternativ noch eine Selektivmessung an, die nach demselben Prinzip funktioniert, nur dass die relevante Fläche mit vier bis fünf Prozent etwas größer ist. Die Spotmessung bietet für verschiedene fotografische Situationen besondere Vorteile insbesondere bei kontrastreichen Motiven mit großen Flächen kön- Messmethoden 81

Abb. 4.4 Die mittenbetonte Integralmessung berücksichtigt vor allem den unteren Teil des Bildes, was insbesondere für Landschaftsaufnahmen oft passend ist. Wenn Sie jedoch im Hochformat messen, können so wie bei dem Tulpenbild wichtige Bildelemente bei der Messung unberücksichtigt bleiben. Für eher flächige Bilder mit gleichmäßigen Kontrasten funktioniert diese Messmethode jedoch auch gut im Hochformat. nen Sie damit die Belichtung ganz gezielt auf das wichtigste Bildelement ausrichten. Am deutlichsten wird dieser Vorteil bei Porträts im Gegenlicht, bei einem einzelnen Motiv vor einem einfarbigen Hintergrund oder bei Scheinwerferlichtsituationen auf der Bühne oder im Theater. Diese Messmethode bietet sich aber auch an, um den Motivkontrast Ihres Bildes zu ermitteln. Wenn Sie nacheinander auf der hellsten und dunkelsten Stelle des Bildes messen, können Sie aus den jeweils passenden Blende-Zeit-Kombinationen den Motivkontrast in Blenden-, Zeit- oder Lichtwertstufen errechnen. Die Spot- oder Selektivmessung ist das genaueste Messwerkzeug und sollte deswegen immer dann eingesetzt werden, wenn die Lichtsituation kniffelig ist oder es auf möglichst präzise und hohe technische Bildqualität ankommt. Mittenbetonte Integralmessung Diese Messmethode wird bereits seit mehreren Jahrzehnten in Kameras eingesetzt. Entwickelt ist sie für Standardaufnahmen im Querformat, bei denen das Hauptmotiv in der Bildmitte sitzt und oben der Himmel als einheitlich helle Fläche die Belichtung durcheinanderbringen würde. Deswegen wird zur Messung lediglich eine in vielen Fällen ovale oder auch trapezförmige Fläche herangezogen, die quer ausgerichtet ist. Bei manchen Kameramodellen ist sie zusätzlich etwas nach unten verschoben ist, was zu unsauberen Messergebnissen im Hochformat führt, da eine Seite vernachlässigt wird. Der Messbereich gewichtet die Mitte stärker als die Ränder und Ecken des Bildfelds. Bei manchen Systemen werden die Ecken und der obere Bildrand gar nicht bzw. der untere Bildbereich im Messfeld stärker berücksichtigt. Bei einigen Kameraherstellern hat das Messfeld auch eine kreisrunde, mittig angeordnete Form. Für viele fotografische Aufnahmesituationen insbesondere bei einer zentralen Ausrichtung des Messbereichs liefert die mittenbetonte Messung ein gutes oder sehr gutes Ergebnis. Das gilt nicht nur für Landschafts- oder Architekturaufnahmen, sondern auch für Bilder mit geringem Kontrast. Auch dann, wenn sich viele Kontrastunterschiede sehr kleinteilig auf der Bildfläche verteilen, erhalten Sie mit dieser Methode einen brauchbaren Mittelwert für die Belichtung. 82 Belichtungsmessung

Die mittenbetonte Integralmessung berücksichtigte bei diesem Bild vor allem das Kopfsteinpflaster. Die Person hingegen ist zu klein und zu weit am Bildrand, um einen großen Einfluss auf das Messergebnis auszuüben, so dass sie als Silhouette abgebildet wird. 105-mm-Makro 1:2,8 mit Blende 10, 1/500 s, ISO 100, Tageslicht Matrixmessung Die Methode mit den größten Unterschieden zwischen den verschiedenen Kameramodellen ist die Matrixmessung (auch: Mehrfeld- oder Mehrzonenmessung), bei der das Sucherfeld vollständig zur Messung herangezogen wird. Die Fläche wird je nach Kamerahersteller in unterschiedlich viele und unterschiedlich große Messflächen unterteilt, die alle einzeln zur Belichtungsmessung herangezogen und unterschiedlich stark gewichtet werden können. Andere Kamerawerte und -einstellungen können die Gewichtung der einzelnen Felder flexibel beeinflussen, beispielsweise das gewählte Motivprogramm oder das aktive Autofokusfeld. Aber auch zwischen Hochund Querformat kann mittels eines Sensors unterschieden werden. Anhand fest definierter Parameter wird dann die Belichtungsmessung entsprechend ausgewählt. Die Matrixmessung ist sicherlich die flexibelste, komfortabelste und am weitesten entwickelte Messmethode, die heutige Kameras zu bieten haben. Und für unbeschwertes Fotografieren, häufig wechselnde Lichtsituationen oder unerfahrene Fotografen ist sie sicherlich auch die erste Wahl. Allerdings hat sie für die gezielte Fotografie einen sehr großen Nachteil: Sie ist für den Fotografen nicht nachvollziehbar. Wann welche Bildelemente wie und warum gewichtet werden, ist in der Kameraprogrammierung festgelegt und entzieht sich so der Kontrolle des Fotografen. Lerneffekte, Erfahrungswerte oder die genaue Kenntnis eines präzisen Messwerkzeugs der Fotografie sind mit dieser Methode nicht zu erreichen. Für das gezielte Fotografieren ist die Matrixmessung deswegen weniger geeignet, wohl aber, wenn es schnell und unkompliziert sein soll. Abb. 4.5 Eine Matrixmessung teilt die Sucherfläche in mehrere unterschiedliche Teilflächen auf, die verschieden gewichtet werden. Dabei werden auch Hoch- und Querformate unterschieden. Je nach Kamerahersteller sind Zahl und Anordnung der Messfelder sehr unterschiedlich. Messmethoden 83