INA-Massiv-Nadellager mit neuem Kunststoffkäfig Karlheinz Kühn und Erich Lunz INA-Sonderdruck aus Konstruktion Heft Nr. S 1, März 2003 Springer VDI-Verlag, Düsseldorf
Laut ist out INA-Massiv-Nadellager mit neuem Kunststoffkäfig Karlheinz Kühn und Erich Lunz Hoch belastbar, kleiner radialer Bauraum, geringe bewegte Massen, geräuscharm, montage- und wartungsfreundlich, wirtschaftlich. So lauten zentrale Forderungen, die moderne Wälzlagerungen mit Standard-Massiv-Nadellager heute erfüllen müssen. Um diese Ziele zu erreichen, spielt bei der Auslegung der Lager neben Konstruktion, Berechnung und Fertigung auch der verwendete Werkstoff eine immer wichtigere Rolle (Bild 1). Kunststoff hat als Werkstoff im letzten Jahrzehnt erheblich an Einsatzpotenzial gewonnen. Das zeigt sich auch bei so klassischen Präzisions-Maschinenelementen wie den Wälzlagern. Denn mittlerweile werden hier immer stärker spezifische Eigenschaften der Kunststoffe serienmäßig für funktionsbestimmende Lagerbauteile eingesetzt. Um die Vorteile dieses Werkstoffs weiter zu nutzen, hat INA seine Massiv-Nadellager der Baureihen NK und NKI in bestimmten Hüllkreis- und Bohrungsdurchmessern jetzt mit Kunststoffkäfig ausgestattet. Massiv-Nadellager mit und ohne Innenring sind bewährte Maschinenelemente zur Gestaltung raumsparender und radial sehr tragfähiger Lagerungen. Diese Lager bestehen aus spanend gefertigten Lagerringen und Nadelkränzen. Die Käfige der Nadelkränze sind bei kleineren Lagern schon heute aus Kunststoff. Im mittleren Abmessungsbereich wird als häufigster Werkstoff Bandstahl eingesetzt, der gestanzt, gebogen und geschweißt ist. Daneben gibt es kalt umgeformte Käfig- Ausführungen und spanend produzierte Formen aus Messing und Stahl. Für besondere Anwendungen werden auch Käfige aus Bronze und Leichtmetall verwendet oder Stahlkäfige speziell beschichtet für Rennmotoren beispielsweise versilbert. Lager mit Käfig sind die Standardlösung für Wälzlagerungen und kinematisch hoch beanspruchte Lagerstellen. Dagegen werden vollnadelige Lagerungen nur bei sehr hohen Belastungen, relativ niedrigen Drehzahlen und Schwenkbewegungen eingesetzt. Aufgabe der Käfige Obwohl der Käfig im Wälzlager verschiedene Aufgaben erfüllen muss, wird seine Bedeutung für die Lagerstelle oft unterschätzt. Häufig nur als reiner Halter für die Wälzkörper eingestuft, trägt er jedoch wesentlich zur optimalen Funktion der Lagerung bei. Moderne Nadelkränze sind damit wichtige Bauteile, die Führungsaufgaben im Lager übernehmen und relativ hohen Belastungen ausgesetzt sein können. Nadelkäfige müssen: Die Nadelrollen achsparallel führen. Das ist die Hauptaufgabe der Käfige, da ein Schränken der Nadelrollen die Laufflächen zusätzlich belastet und der Käfig dann hohe Querkräfte aufnehmen muss. Durch das Taschenspiel sind die Kräfte zwar nicht Null, sie lassen sich jedoch durch ein gutes Design der nadelführenden Taschen auf ein Minimum reduzieren. Die Wälzkörper auf Abstand voneinander halten. Dadurch wird die Funktion des Lagers auch bei hohen Drehzahlen sichergestellt. Gleichzeitig kommt es nicht zum gegenseitigen Anlaufen der Wälzkörper untereinander. Das verhindert gegenläufige Reibung und vermindert Geräusche. Eine minimale Stegbreite mit hoher Stabilität haben. Um ein Maximum an Nadelrollen im Käfig unterzubringen, sollen die Käfigstege möglichst schmal sein. Für die Stabilität des Käfigs und um Stegbrüche zu vermeiden, müssen sie allerdings noch eine ausreichende Breite 2
Dauertemperatur t des stillstehenden Lagerringes 160 C 150 140 130 120 110 100 90 80 Bild 1 INA-Radial-Nadellager Hertz sche Pressung bei Radialkraft und Kippmoment Bild 2 70 500 1000 2000 5000 10000 h 30000 Käfig-Gebrauchsdauer in Stunden bei Einsatz von Motoröl, Maschinenöl oder Wälzlagerschmierfette K! nach DIN 51825 als Schmiermittel Gebrauchsdauer von Kunststoffkäfigen, bezogen auf die Temperatur und den Schmierstoff aufweisen. Dieser schwierige Spagat zwischen minimaler Breite und höchster Stabilität kann durch entsprechendes Know-how und jahrelange Erfahrung in der Konstruktion und Fertigung von Wälzlagern und Käfigen gelöst werden. Die Wälzkörper bei Transport und Einbau der Lager sicher halten. Beim Einbau und Handling der Lager dürfen die Nadelrollen nicht heraus fallen. Außerdem müssen die Lager sowohl von Hand als auch maschinell problemlos eingebaut werden können. Betriebssicher über einen weiten Temperaturbereich sein. Hierzu gehört neben guten Gleiteigenschaften auch eine ausreichende Festigkeit, Maß- und Formbeständigkeit im erforderlichen Temperaturbereich. Bestimmte Funktionsflächen aufweisen. Es müssen beispielsweise die komplizierten Käfigtaschen ausgebildet werden können. Ein Schmierstoff-Reservoir sicher stellen. Bei Fettschmierung soll durch die entsprechende Gestaltung des Käfigs Raum für Schmierstoff-Reserven geschaffen werden. Dadurch lassen sich die Nachschmierfristen verlängern. Bei Ölschmierung muss der Schmierstoff ungehindert zuführbar sein. Um diese Aufgaben funktionsgerecht zu erfüllen, werden an den Werkstoff und die Form der Käfige bestimmte Anforderungen gestellt. Käfigwerkstoff Polyamid PA66-GF/H Durch gezielte Forschung auf dem Gebiet der Kunststoffe wurden für Anwendungen in der Wälzlagertechnik verstärkt verschleiß- und druckfeste Materialien mit immer besserer Form- und Alterungsbeständigkeit bei thermischer und dynamischer Beanspruchung entwickelt. Als thermoplastischen Käfigwerkstoff setzt INA wärmestabilisiertes, glasfaserverstärktes Polyamid PA66-GF/H ein. Dieses Material hat eine gute Festigkeit und Elastizität. Wärmestabilisatoren werden zugegeben, um den Kunststoff vor oxidativem Abbau und thermischer Schädigung (Molekülabbau, Verfärbung) zu schützen und damit die Käfige an der oberen Temperaturgrenze eine bessere Wärmestabilität haben. Glasfaserverstärkte Polyamide haben gegenüber unverstärkten Ausführungen eine erhöhte Maßstabilität bei thermischer Beanspruchung und eine höhere Wärmealterungs- Beständigkeit. Der Kunststoff ist im Spritz-Gieß-Verfahren gut formbar. In Verbindung mit funktionsgerechter Konstruktion und dem INA-fertigungstechnischen Know-how werden so die unterschiedlichsten Käfigformen hergestellt. Spritz-Gieß-Verfahren erlaubt ein präzises Ausformen der Käfige. Genutzt wird das beispielsweise, um am Käfig den Hinterschnitt der Nadelhalterung anzuspritzen und Haltenasen gegen den Wälzkörper-Durchhang anzubringen. Die Dichte von Polyamid PA66-GF/H beträgt nur etwa 16% der Dichte von Stahl oder Messing. Dadurch sind auch die Kräfte aus der Massenträgheit des Käfigs kleiner. Das wirkt sich besonders bei Beschleunigungen und Verzögerungen an Wälzkörpern und Käfigen aus. Der Schlupf im Lager Gleitbewegungen der Wälzkörper auf den Laufbahnen ist nämlich um so geringer, je kleiner die Masse der umlaufenden Teile ist. Bild 3 Höhere Tragzahlen durch Kunststoffkäfig 3
Körperschallmessung an je 5 Prüflingen Körperschall in [g] 2 1,8 1,6 1,4 1,2 1 0,8 0,6 0,4 0,2 0 mit Stahlkäfig NK 32/20 mit Kunststoffkäfig NK 32/20 TN Bild 4 Gleit- und Notlaufeigenschaften sind bei Polyamidkäfigen besonders gut ausgebildet. Durch die positiven Gleiteigenschaften des Kunststoffs auf geschmierten Stahlflächen und die geringe Rauheit der Käfigoberfläche ist die Käfigreibung sehr niedrig. Das führt zu einer geringeren Wärmeentwicklung im Lager. Bei richtiger Schmierung treten keine Unterschiede zwischen Metall- und Polyamidkäfigen auf. Kommt es allerdings auch nur zu kurzfristiger Mangelschmierung, dann zeigen sich die Vorteile des Kunststoffs gegenüber Stahl besonders deutlich. Diese günstigen Notlaufeigenschaften von Polyamid wurden in vielen sogenannten Auslaufversuchen nachgewiesen. Die dabei erreichten Laufzeiten nach dem Abstellen der Schmierstoffzufuhr lagen um ein Mehrfaches über denen von Metallkäfigen. Polyamid PA66-GF/H ist beständig gegen fast alle gebräuchlichen Schmierstoffe, organische Lösungsmittel und verdünnte alkalische Reinigungsmittel. Vor dem Einsatz der Lager sollte jedoch die Verträglichkeit des verwendeten Schmierstoffs gegenüber dem Käfigwerkstoff geprüft werden (Bild 2). Die Käfige sind für Dauer-Betriebstemperaturen von 50 º C bis +120 º C geeignet. Kurzzeitige Temperaturspitzen bis +150 º C wirken sich nicht negativ auf den Käfigwerkstoff aus. Für Spezialanwendungen kann der Käfig auch farblich gekennzeichnet werden. (Tabelle 1). Höhere Tragfähigkeit der neuen Massiv-Nadellager Die werkstoffspezifischen Eigenschaften von Polyamid PA66-GF/H führen zu einer deutlichen Leistungssteigerung der neuen INA-Massiv-Nadellager. Zusätzlich wurde bei der Auslegung der Käfige darauf geachtet, dass mehr Wälzkörper im Käfig untergebracht werden können. Durch die höhere Wälzkörperanzahl sind die Nadellager jetzt statisch und dynamisch belastbarer. Bei der Baugröße NK 50/35 TN liegt die dynamische Tragzahl C r beispielsweise 18% über der Ausführung mit Stahlkäfig (Bild 3). Das ermöglicht bei gleicher Belastung gegebenenfalls kleiner dimensionierte Lagerungen. Stahlkäfig Materialeigenschaften Niedrigeres Laufgeräusch durch Kunststoffkäfig Eine Hauptforderung vieler Wälzlager- Anwendungen lautet: Geräuscharmer Lauf. Für den zulässigen Geräuschpegel von Elektromotoren sind Lager mit niedrigem Laufgeräusch sogar von zentraler Bedeutung. Der vom Wälzlager erzeugte Körperschall wird auch durch das Anlaufen der Wälzkörper gegen die Stege des Käfigs verursacht. Die dadurch entstehenden Geräusche sind bei Kunststoffkäfigen deutlich niedriger als bei Käfigen aus Stahlblech, da die Wälzkörper nicht mit metallischen Stegflächen in Berührung kommen. Bild 4 zeigt die Körperschall-Messung an fünf Nadellagern der Baureihe NK 32/20 mit Stahl- und Kunststoffkäfig (1g = 9,81 m/s 2 ). Der Körperschall bei Lagern mit Polyamidkäfig liegt dabei bis zu 70% unter den Werten der Lager mit Stahlkäfig. Damit können die neuen INA- Massiv-Nadellager auch für Anwendungen eingesetzt werden, die höhere Anforderungen an das Laufgeräusch stellen. Kunststoffkäfig Dichte 7,85 g/cm 3 1,31 g/cm 3 E-Modul 212 000 N/mm 2 7500 N/mm 2 Zugfestigkeit 300 400 MPa 150 MPa (trocken) Reibungskoeffizient 0,4 0,7 0,23 0,25 gg. Stahl Temperaturbereich 200 º C bis +400 º C 50 º C bis +120 º C Körperschall-Messung bei Nadellagern mit Stahl- und Kunststoffkäfig Wärmeausdehnungskoeffizient 0,0000119 K 0,000048 K Tabelle 1 Mechanische und thermische Eigenschaften von PA66-GF/H- und Stahlkäfigen 4
Bild 5 Käfig mit elastischen Nasen Elastische Nasen für einfachen Lagereinbau Bei Nadellagern mit Käfig tritt durch die Schwerkraft der Nadelrollen ein Durchhang der Wälzkörper auf. Zur einfachen Lagermontage haben die Taschen der neuen INA-Kunststoffkäfige deshalb patentierte, elastische Rückhalterungen. Die als Nasen ausgebildeten Elemente fixieren die Wälzkörper gegenüber der Außenlaufbahn in anliegender Position. Dadurch wird der Nadel-Durchhang vermieden und das Lager kann problemlos auf die Welle geschoben werden. Die Halteelemente sind reine Montagehilfen, die sich nach geringer Laufzeit der Wälzlager automatisch glätten (Bild 5). Tendenzen für Lager mit Kunststoffkäfig INA-Massiv-Nadellager mit Kunststoffkäfig unterscheiden sich in Konstruktion und Leistung deutlich von Standardlösungen. Sie repräsentieren höchsten Stand der Technik und sind für die meisten Anwendungen bestens geeignet. Bei bestimmten Abmessungen liegt der Anteil mit PA66-GF/H-Käfigen mittlerweile sogar schon bei 100%. Generell gibt es nur wenige spezielle Bereiche, für die keine Polyamidkäfige eingesetzt werden können. Hier stehen dann Lager mit anderen Käfigwerkstoffen zur Verfügung. Durch ihre günstigen Eigenschaften, den ständigen Verbesserungen und die immer ausgereifteren Fertigungstechniken gewinnen Kunststoffkäfige in der Wälzlagertechnik weiter an Bedeutung. Aus dieser Grundlage heraus werden neue Kunststoffkäfige entstehen, die verstärkt für Anwendungen genutzt werden können, bei denen heute noch ausschließlich metallische Werkstoffe notwendig sind. An solchen Aufgaben arbeitet INA schon jetzt, um auch in Zukunft Massiv-Nadellager zu liefern, die ganz an den Bedürfnissen seiner Kunden ausgerichtet sind. 5 Autorenhinweis: Karlheinz Kühn ist Leiter Technische Schriften bei der INA-Schaeffler KG in Herzogenaurach. Erich Lunz ist Leiter Produktgruppe Nadellager bei der INA-Schaeffler KG in Herzogenaurch.
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