Je suis Charlie. Predigt über Matthäus 3, 13-17 für den 1. Sonntag nach Trinitatis, 11. Jänner 2015 Das Predigtwort Zu der Zeit kam Jesus aus Galiläa an den Jordan zu Johannes, dass er sich von ihm taufen ließe. Aber Johannes wehrte ihm und sprach: Ich bedarf dessen, dass ich von dir getauft werde, und du kommst zu mir? Jesus aber antwortete und sprach zu ihm: Lass es jetzt geschehen! Denn so gebührt es uns, alle Gerechtigkeit zu erfüllen. Da ließ er's geschehen. Und als Jesus getauft war, stieg er alsbald herauf aus dem Wasser. Und siehe, da tat sich ihm der Himmel auf, und er sah den Geist Gottes wie eine Taube herabfahren und über sich kommen. Und siehe, eine Stimme vom Himmel herab sprach: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe. Die Predigt Je suis Charlie, ich bin Charlie 13 Buchstaben sind um die Welt gegangen 13 Buchstaben gepostet auf facebook, geteilt bis in eine Unendlichkeit und immer wieder so vielen eingefallen in die eigenen Gedanken in den letzten wenigen Tagen... Je suis Charlie. In diese Zeit eines so fremden Ich-bin-Satzes, der auf einmal eine ganz neue innerer Satzbildung eines Terrors ist, der sein kann, und auf einmal Wirklichkeit geworden ist in der Traumstadt Paris In diese Zeit eines so dunklen Ich-bin-Satzes kommt per Mail die Geburtsanzeige von Freunden, die wieder Großeltern geworden sind. Wie von Wundern erfüllt ist diese Geburt, dieser Anfang von Martin, 1
der das Leben so ganz eigen wieder gebracht hat, der ganzen Familie, haben sie doch vor einigen Jahren ein Enkelchen an eine so schwere Krankheit verloren. Und nun ist hier ein kleiner Hier-bin-ich Klick und das Foto erfüllt schon den Bildschirm ganz weltzufrieden in den Armen seiner Mutter zu sehen ist das Kind neugeboren, traumversunken und voll Vertrauen: Hier ist es gut und das Leben ist schön. sind wir die Frage und wir sind Freude und wir sind ganz Angst wollen wir alles sein ein guter Mensch die beste Mutter der Erde. der beste Vater der Welt die liebsten Großeltern der beste Kollege will einer die Formel endlich finden noch eine Gehirnwendung benennen oder eine glückliche Frau sein ein geschicktes Kind ein cooler Lehrer ein toller Redakteur ein guter Interviewer der beste Verkäufer im ganzen Unternehmen wollen einige, dass ein Angeschossener im Krankenhaus in Frankreich überlebt und viele, dass ein Angehöriger nicht an Hunger stirbt. und viele, viele, dass die Gewalt aufhört In dieser Zeit wollen so viele Menschen endlich frei sein Ma liberté longtemps je t ai gardé comme une perle rare Zu der Zeit kam Jesus aus Galiläa an den Jordan zu Johannes Zu dem Wilden, der gerufen hat: So geht es doch nicht weiter: Ihr müsst umkehren, wenn ihr leben wollt. Zu dem kommt Jesus, der sich kleiner fühlt, nicht genug Zu der Zeit kam Jesus aus Galiläa an den Jordan zu Johannes, dass er sich von ihm taufen ließe. Aber Johannes wehrte ihm und sprach: 2
Ich bedarf dessen, dass ich von dir getauft werde, und du kommst zu mir? Dass Jesus an den Jordan kam, wird uns auch von Markus erzählt. Aber da fällt kein Wort zwischen Jesus und Johannes, nur die Taufe an Jesus geschieht. Das Gespräch zwischen den beiden ist eine Entfaltung des Matthäus. Und es entspricht der Absicht des ganzen Evangeliums - nämlich zu singen von der wunderbaren Gerechtigkeit, die an und für uns geschieht und dann durch uns So heißt es noch bei Markus: Du bist mein geliebter Sohn: Bei Matthäus hingegen: Dieser ist mein geliebter Sohn. Aus der Anrede wird eine Erklärung an die Menschheit Später im Taufbefehl und auch an anderen Stellen des Wirkens Jesu fällt die selbe Absicht auf. Matthäus liefert mit seinem Evangelium eine Erklärung an die Menschheit Wohin mit all der Sorge Und mit der Angst die geht ja nicht nur um, die ist ja unser eigen.. Wohin aber gehen wir? Wenn wird die zeit erscheinen? Sehnsuchtsruf unerhört Ach, wenn kömmt der Trost der seinen? Schweigt, es ist schon wirklich hier. Jesus, ach so komm zu mir Und Jesus sagt: Lass es jetzt geschehen Ich muss jetzt Rilke lesen: Überfließende Himmel verschwendeter Sterne prachten über der Kümmernis. Statt in die Kissen, weine hinauf. Hier, an dem weinenden schon, an dem endenden Antlitz, um sich greifend, beginnt der hinreißende Weltraum. Wer unterbricht, wenn du dort hin drängst, die Strömung? Keiner. Es sei denn, dass du plötzlich ringst mit der gewaltigen Richtung jener Gestirne nach dir. Atme. Atme das Dunkel der Erde und wieder aufschau! Wieder. Leicht und gesichtlos, 3
lehnt sich von oben Tiefe dir an. Das gelöste nachtenthaltne Gesicht gibt dem deinigen Raum. Und an uns geschieht, was das Wort Gottes sagt: Siehe, und alles ist richtig. Im Herzen wächst Dein Glaube dieser Stimme nach, die Dich ruft: Fulbert Steffensky gibt seinem Enkelchen Wünsche mit für sein Leben eingedenk der lieben Gro0ßmutter, der er viele seiner Gedanken verdankt, Dorothee Sölle Und der Wunsch, der das Herz Deiner Großmutter brennen ließ: dass Du Wurzeln schlägst in der Gerechtigkeit! Die höchste Form der Verblödung Verirrung (IK) ist, sich selber Zeil und Endpunkt zu sein; nichts anderes wahrzunehmen als sich selbst und für nichts anderes einzustehen als für sich selbst; ständig in Liebesaffären mit sich selbst verwickelt zu sein. Das ist nicht nur amoralisch. Es ist auch eine Form der Erschöpfung in sich selbst, die ins Unglück führt. Wem die Phantasie für fremdes leid anhanden gekommen ist, der ist gezwungen, übermäßig an sich selber zu leiden. Und umgekehrt: Wer mehr kennt und für mehr besorgt ist als für sich allein, den werden die eigenen Sorgen nicht mehr ersticken. Der letzte Wunsch der Toten: Dass Du Dich streckst bis zu deiner anderen Heimat, den Himmel. es muss doch mehr als alles geben, hat jene Dorothee gerne gesagt. Mehr als alles wünscht sie Dir Sie wünscht Dir Gott. Das tun wir, wenn wir Dich taufen: Wir werfen Dich in die Arme Gottes. Wir wissen nicht genau, was wir tun. Wir wissen nicht genau, was wir sagen, wenn wir den großen Namen nennen. Gott weiß es, das genügt. Und siehe, da tat sich ihm der Himmel auf, und er sah den Geist Gottes wie eine Taube herabfahren und über sich kommen. Und siehe, eine Stimme vom Himmel herab sprach: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe. 4
Gott weiß das genügt Und Du: Glaube Dich in ihm Und beten und tun wir das Gerechte! + Amen 5