Rechtsstellung der Bundesnetzagentur 2017 Deutscher Bundestag
Seite 2 Rechtsstellung der Bundesnetzagentur Aktenzeichen: Abschluss der Arbeit: 9. August 2017 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen.
Seite 3 1. Fragestellung Gefragt wird nach der Rechtsstellung der Bundesnetzagentur, insbesondere nach der aufsichtführenden Behörde und der parlamentarischen Kontrolle. Die Bundesnetzagentur ist eine Regulierungsbehörde mit Sitz in Bonn. Ihre Aufgaben und Befugnisse sind allgemein im Gesetz über die Bundesnetzagentur (BNetzAG) 1 geregelt sowie in nationalen Spezialgesetzen und europäischen Rechtsakten. Nach 2 BNetzAG ist die Bundesnetzagentur auf den Gebieten des Rechts der leitungsgebundenen Versorgung mit Elektrizität und Gas, des Telekommunikationsrechts, des Postrechts und des Rechts des Zuganges zur Eisenbahninfrastruktur tätig. 2. Relative Unabhängigkeit Die Bundesnetzagentur ist eine selbständige Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, 1 S. 2 BNetzAG. Demnach führt das Wirtschaftsministerium die Aufsicht über die Bundesnetzagentur. Gemäß Ziff. IV des Organisationserlasses der Bundeskanzlerin 2 führt jedoch das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur die Fachaufsicht in den Bereichen der Telekommunikationswirtschaft, der Breitbandstrategie und des Telekommunikationsrechts. Die Bezeichnung als selbständige Behörde entspricht Art. 87 Abs. 3 S. 1 Grundgesetz. Das Attribut bezieht sich vor allem auf die organisatorische Ausgliederung aus einem Bundesministerium und auf die Wahrnehmung eigener Aufgaben. 3 Ob bereits daraus auch auf eine gewisse Weisungsfreiheit geschlossen werden kann, ist umstritten. 4 Eine relative Unabhängigkeit 5 der Bundesnetzagentur folgt jedenfalls aus spezialgesetzlichen, insbesondere europarechtlichen Regelungen. 6 Die Bundesnetzagentur soll so in ihren rechtlichen und ökonomischen Beurteilungen nicht nur vor dem Druck marktbeherrschender Unternehmen 1 Gesetz über die Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen vom 7. Juli 2005, BGBl. I S. 1970, 2009. 2 Organisationserlass der Bundeskanzlerin vom 17. Dezember 2013, abrufbar unter https://www.gesetze-im-internet.de/bkorgerl_2013; alle Internet-Quellen zuletzt abgerufen am 8. August 2017. 3 Ibler, in: Maunz/Dürig (Begr.), Grundgesetz-Kommentar, 79. Lfg. 2016, Art. 87 Rn. 254. 4 Für grundsätzliche Weisungsgebundenheit selbständiger Behörden Ibler, in: Maunz/Dürig (Begr.), Grundgesetz-Kommentar, Art. 87 Rn. 254; für grundsätzliche Weisungsfreiheit Oebbecke, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. VI, 3. Aufl. 2008, 136 Rn. 91 ( Sachentscheidungen grundsätzlich ohne Einwirkung des zuständigen Ministeriums ); vermittelnd Hermes, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, 2. Aufl. 2008, Art. 86 Rn. 27 ( in bestimmtem, allerdings unterschiedlichem Maß weisungsfrei gestellt werden kann ). 5 Franzius, Die Bundesnetzagentur zwischen politischer Steuerung und gerichtlicher Kontrolle, DÖV 2013, 714, 715. 6 Weitere Vorschriften neben den im Folgenden genannten bei Franzius, DÖV 2013, 714, 715 Fn. 7.
Seite 4 geschützt werden, sondern auch unbeeinflusst sein von politischen, etwa standortbezogenen Erwägungen. 7 So handeln die nationalen Regulierungsbehörden nach Art. 3 Abs. 3a S. 1 der Telekommunikations- Rahmenrichtlinie 8 unabhängig und holen im Zusammenhang mit der laufenden Erfüllung der ihnen nach den nationalen Rechtsvorschriften zur Umsetzung des Gemeinschaftsrechts übertragenen Aufgaben weder Weisungen einer anderen Stelle ein noch nehmen sie solche entgegen. Weiter heißt es dort jedoch: Dies steht einer Aufsicht im Einklang mit dem nationalen Verfassungsrecht nicht entgegen. Im nationalen Recht schließt 117 Telekommunikationsgesetz (TKG) Weisungen des Wirtschaftsministeriums und des Verkehrsministeriums an die Bundesnetzagentur nicht aus; sie sind jedoch im Bundesanzeiger zu veröffentlichen. 9 Tatsächlich kam es zu solchen Weisungen noch nicht. 10 Anders als die kartellrechtliche Fusionskontrolle kennt das Regulierungsrecht keine Ministererlaubnis. 11 Detaillierte Vorgaben zur Unabhängigkeit der nationalen Regulierungsbehörden enthält auch Art. 35 Abs. 4 der Elektrizitätsbinnenmarkt-Richtlinie. 12 Dort werden unter anderem die rechtliche Trennung von anderen Einrichtungen, die Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit des Personals und die Zuweisung angemessener Haushaltsmittel gefordert. Im nationalen Recht sieht ähnlich der genannten Regelung im TKG auch 61 Energiewirtschaftsgesetz die Veröffentlichung allgemeiner Weisungen mit Begründung vor. 3. Parlamentarische Kontrolle Nach 3, 5 ff. BNetzAG besteht bei der Bundesnetzagentur ein Beirat. Er besteht aus 16 Mitgliedern des Deutschen Bundestages und 16 Vertretern des Bundesrates. Er schlägt den Präsidenten und die Vizepräsidenten der Bundesnetzagentur vor. Seine weiteren Aufgaben und Befugnisse definiert insbesondere 120 TKG: Der Beirat ist an bestimmten Entscheidungen der Bundesnetzagentur beteiligt; die Bundesnetzagentur ist dem Beirat gegenüber auskunftspflichtig. Außerdem besteht ein Eisenbahninfrastrukturbeirat mit ähnlichen Kompetenzen, der ebenfalls aus Mitgliedern des Bundestages und Vertretern des Bundesrates besteht. 13 7 Franzius, DÖV 2013, 714, 715. 8 Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und dienste, ABl. L 108 vom 24. April 2002, S. 33. 9 An der Vereinbarkeit mit Europarecht zweifelt Franzius, DÖV 2013, 714, 715. 10 Attendorn/Geppert, in: Geppert/Schütz (Hrsg.), Beck scher TKG-Kommentar, 4. Aufl. 2013, 117 Rn. 2. 11 Franzius, DÖV 2013, 714, 715. 12 Richtlinie 2009/72/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/54/EG, ABl. L 211 vom 14. August 2009, S. 55. 13 Für weitergehende parlamentarische Kontrolle zur Stärkung der demokratischen Legitimation Franzius, DÖV 2013, 714, 716.
Seite 5 Nach 121 TKG besteht eine Berichtspflicht der Bundesnetzagentur gegenüber den gesetzgebenden Körperschaften des Bundes. Schließlich steht jedem Abgeordneten zur Kontrolle der Bundesnetzagentur das parlamentarische Fragerecht zur Verfügung, soweit sich die Fragen auf den Verantwortungsbereich der Bundesregierung beziehen und insbesondere der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen betroffener Unternehmen einer Beantwortung nicht entgegensteht. ***