Der verlorene Bruder der Sonne [23. Jun.]

Ähnliche Dokumente
Die Masse der Milchstraße [28. März] Die Milchstraße [1] besteht ganz grob aus drei Bereichen (Abb. 1):

Das Universum rennt... [18. Jun.] Und das Universum dehnt sich noch schneller aus... Hubble und das Universum

Wie lange leben Sterne? und Wie entstehen sie?

Der Mond des Zwergplaneten Makemake

I.Physikalisches Institut. Prof. Dr. Susanne Pfalzner. Universität zu Köln

Der Wegweiser zu Planet Nine [23. März] äussere Planetensystem Kuiper-Gürtel

Ein Kontaktversuch mit Aliens? [19. März]

Das Erdmagnetfeld als Lebenshilfe?

Planet Nine kurz vor der Entdeckung? [31. Okt.]

Woher kam der Komet Chury? [26. Okt.]

Steuert die Expansion des Universums die Entwicklung des Lebens? [13. März]

Jenseits unseres Sonnensystems. Von Geried Kinast

Die Milchstraße. Sternentstehung. ( clund Observatory, 1940er) Interstellare Materie (ISM) W. Kley: Theoretische Astrophysik 1

Ein Planet(ensystem) um TW Hydrae? [27. Jan.]

Das Milchstraßensystem (Galaxis) Christian-Weise-Gymnasium Zittau - FB Physik - Mirko Hans 1

KOMETEN-NEWS - TEIL 17 [19. Mai] C/2015 V2 (Johnson)

Diebesgut des Kometen Siding Spring [27. März] Erinnern Sie sich?

Das Zentrum der Milchstrasse spuckt kosmische Strahlung

NGC 4755 Herschels Schmuckkästchen im Sternbild Kreuz des Südens

Die Wellen der Venus [18. Jan.]

Stellarstatistik - Aufbau unseres Milchstraßensystems (3)

Woher stammt das Wasser auf dem Mond?

Kosmische Evolution: der Ursprung unseres Universums

Der Pistolenstern. der schwerste Stern der Galaxis?

Kugelsternhaufen. Uralte Außenposten unserer Galaxis W. Stegmüller Folie 2

Stern- und Planetenentstehung

Licht aus dem Universum

Die Entwicklung des Universums vom Urknall bis heute. Gisela Anton Erlangen, 23. Februar, 2011

Astronomie für Nicht Physiker SS 2013

Geburtsstätte neuer Sterne: die Region LH 95 der grossen Magellanischen Wolke. Seite 1

Vom Urknall zur Dunklen Energie

Abb. 1a Schematische Darstellung der Merkurbahn.

Inhaltsverzeichnis Vorwort Einleitung Kapitel 1: Sonnensystem Kapitel 2: Sterne, Galaxien und Strukturen aus Galaxien

Die Entstehung des Sonnensystems

Galaxien, Quasare, Schwarze Löcher

Quasare. Leon Deninger

km/s 70,22 km/s 68,7 km/s 37,5 km/s 17 km/s 15 km/s 7,8 8,0 km/s 0,236 km/s 0,033 km/s

Supernova. Katastrophe am Ende eines Sternenlebens W. Stegmüller Folie 2

Exotisch - Exoplaneten

Neues aus Kosmologie und Astrophysik 1.0

Astronomische Körper unseres Sonnensystems

VERGLEICH AMATEURAUFNAHMEN VERSUS PROFESSIONELLE ASTROFOTOS. von Rudolf Dobesberger

Weltraum. Mit Rätseln, Spielen und Entdecker-Klappen! Band 13 SEHEN I HÖREN I MITMACHEN

Datum: Erasmus+ Name: There s something new under the sun. Lösungsblatt. Die Astronomie: Die Wissenschaft der Himmelskörper und des Weltalls.

1 Amerika Kontinent der Gegensätze

Das Sonnensystem. Teil 2. Peter Hauschildt 6. Dezember Hamburger Sternwarte Gojenbergsweg Hamburg

Einleitung Aufbau des Sonnensystems Entstehung des Sonnensystems. Das Sonnensystem. Stefan Sattler

Wovon Astronomen träumen... Hubert Klahr Jürgen Steinacker Max-Planck-Institut für Astronomie, Heidelberg

Sternhaufen. Geburtsorte der Materie. Dr. Andrea Stolte. I. Physikalisches Institut Universität Köln

Von galaktischen Gaswolken zu stellaren Scheiben: Sternentstehung in Computersimulationen. von Robi Banerjee

Inhaltsverzeichnis. Teleskope 1

Per Anhalter durch das Sonnensystem

Supernovae. Peter H. Hauschildt. Hamburger Sternwarte Gojenbergsweg Hamburg

Unsere Planeten. Kein Planet gleicht einem anderen Planeten. Kein Mond gleicht genau dem eines anderen Planeten.

Große Teleskope für kleine Wellen

Sternentstehung. Von der Molekülwolke zum T-Tauri-Stern. Von Benedict Höger

Millionen von Sonnen Sterne als Bestandteile von Galaxien

Quasare Hendrik Gross

Sterne, Galaxien und das Universum

Lektion 2. Die Planeten Giganten. Dr. Roman Anatolievich Surmenev

1 DER AUFBAU DES UNIVERSUMS

Das neue Bild des Universums

Wie das unsichtbare Infrarotweltall seine Geheimnisse Preis gibt Cecilia Scorza

25 Jahre Hubble Weltraumteleskop

Moderne Instrumente der Sternbeobachtung

Das heiße und energiereiche Universum

Beobachtungen und Theorie der Sternentstehung

Kai Zuber Institut für Kern- und Teilchenphysik TU Dresden

Planetenkonjunktionen, der Stern von Bethlehem und das Ende der Welt im Jahr 2012

Kosmogonie. Entstehung des Sonnensystems

Sternentwicklung (2) Wie Sonne und Erde entstanden sind

D A S U N I V E R S U M

Rainer Köthe. 12 o populäre Irrtümer über. Sonne, Mond. Von funkelnden Fixsternen, kleinen grünen Männchen und dem unendlichen Universum

Sarah Moldenhauer Physik- Vortrag Großräumige Strukturen im Weltall

Urknall und Entwicklung des Universums

Gwendy Lisa. Christine

Die Milchstraße als Beispielgalaxie

Die Sonne. das Zentrum unseres Planetensystems. Erich Laager / Bern 1

Das dunkle Universum

Alles aus Nichts: der Ursprung des Universums. Simon White Max Planck Institute for Astrophysics

BILDAUSWAHL DER KÜNSTLER / FOTOGRAFEN BEI ASTROFOTO

VLT, VLTI (AMBER), ELT

Mittwochsakademie WS 15/16 Claus Grupen

Planeten. 1 Der Zwergplanet Pluto... drehen sich um die Sonne. 2. Alle Planeten unseres ist der Mars. 4

08. NACH. 107-HUYGENS :48 Uhr Seite 1 GESCHICHTE 48

Plutos aktive Oberfläche [26. März]

Unsere weitere kosmische Umgebung

Urknall und. Entwicklung des Universums. Grundlegende Beobachtungen Das Big-Bang Modell Die Entwicklung des Universums 1.1

12. Unsere Milchstraße

Die Entwicklung der Urknalltheorie. Manuel Erdin Gymnasium Liestal, 2012

Es ist hilfreich, mal etwas anders zu denken und alles aus anderer Perspektive zu betrachten! Hier ist ein klein wenig Astronomie als Anregung

Kai Zuber Institut für Kern- und Teilchenphysik TU Dresden

Seitenansichten unserer Milchstraße.

Der Komet im Cocktailglas

Facts zum Weltall und unserem Sonnensystem

Prof. Dr. Werner Becker Max-Planck Institut für extraterrestrische Physik

Zusammenfassung des Vortrags vom 28. April 2012

3.6 Sternsysteme, Weltall

Aus was besteht unser Universum?

Auf der Suche nach Planeten um andere Sonnen

Transkript:

Der verlorene Bruder der Sonne [23. Jun.] Entstehen Sterne alleine oder in Mehrfachsternsystemen [1]? Der Ursprung von Doppelsternen [1] war lange Zeit eines der zentralen Probleme der Astronomie. Untersuchungen von Mehrfachsternsystemen vermuteten bereits lange eine größere Anzahl von Doppelsternsystemen bei jungen Sternen auch im Fall des Sonnensystems [1]. Möglicherweise hat unsere Sonne in der Vergangenheit ihren Bruder verloren. Auf den ersten Blick scheint dies eine verrückte Idee zu sein. Unser Planetensystem [1] besitzt nur einen Zentralstern [1], die Sonne. Jedoch ist das Universum mit Doppel- und Dreifachsternsystemen gefüllt, Einzelsterne scheinen eher die Ausnahme zu sein. Während einige Wissenschaftler der Auffassung sind, daß Einzelsterne ihre Partner im Laufe der Zeit eingefangen haben, sind andere Forscher der Meinung, daß das ursprüngliche Sternsystem zwei oder mehr Sterne besaß und diese Partner im Laufe der Zeit verloren hat. Neue Studie Eine neue Studie [2] kommt zu dem Schluß, daß auch die Sonne nicht immer alleine war; vielmehr könnten die Sonne und andere sonnenähnliche Sterne [1] als Doppelsternsysteme entstanden sein. Diese Schlußfolgerung ziehen die Astronomen aufgrund von Radiodurchmusterungen [1] des Himmels in Sternentstehungsgebieten [1] (Abb. 1). [2] Abb. 1 Die Dunkelwolke Barnard 68. Ein Beispiel für ein Sternentstehungsgebiet ist die molekulare Dunkelwolke bzw. Bok-Globule [1] Barnard 68 [3] im Sternbild Schlangenträger (Oph) [1]. Ihre Entfernung zur Erde beträgt rund 500 Lichtjahre [1]. Dunkelwolken enthalten zahlreiche, winzige feste Teilchen, interstellaren Staub [1], sowie viele verschiedene Moleküle [1]. Dadurch sind die Dunkelwolken im sichtbaren Spektralbereich [1] undurchsichtig. ESO/VLT/FORS Team

Die Radiodurchmusterung Die neue Studie untersuchte die erste Radiodurchmusterung der Riesenmolekülwolke [1] im Sternbild Perseus [1], die Perseus-Molekülwolke [1]. Sie befindet sich in rund 600 Lj Entfernung. Die VANDAM-Durchmusterung (VLA/ALMA Nascent Disk and Multiplicity) [1] basiert auf Radiobeobachtungen des VLA (Very Large Array) [1] und des ALMA (Atacama Large Millimeter/submillimeter Array) und umfaßt junge Sterne in diesem Sternentstehungsgebiet. Die betreffenden jungen Sterne sind allesamt jünger als 4 Millionen Jahre. Im Vergleich beträgt das Alter der Sonne bereits rund 5 Milliarden Jahre. Sterne werden in dichten Kernen im Inneren von riesigen kalten Staub- und Gaswolken (aus molekularem Wasserstoff [1]) geboren. Am Himmel erscheinen diese Wolken im Sichtbaren wie Löcher inmitten von Sternfeldern (Abb. 1); ihr Licht wird von Staubkörnern verschluckt. Nur mithilfe von Radiobeobachtungen können Sternentstehungsgebiete wie die Perseus- Molekülwolke detailliert untersucht werden. Mithilfe der Radiowellen blicken die Astronomen sozusagen in die Staubwolke hinein. Die neuen Beobachtungen konzentrierten sich auf Einzelund Doppelsterne in den dunklen Bereichen der Perseus-Molekülwolke (Abb. 2). Abb. 2 Die Perseus-Molekülwolke. Die Perseus-Molekülwolke erstreckt sich über rund 6 Grad (12 Vollmonddurchmesser) im Sternbild Perseus. Oben links befindet sich der junge Sternhaufen IC 348 [1]. Weiter rechts befindet sich die Sternentstehungsregion NGC 1333 [1]. Die Molekülwolke enthält große Staubmengen, die den Blick auf neue Sterne verdecken. Die unter ihrer eigenen Massen kollabierenden Protosterne [1] befinden sich in dichten Kokons, die sich inmitten der Riesenmolekülwolke tummeln. R. Nemiroff (MTU)/J. Bonnell (UMCP) Mithilfe der Studie wollen die Forscher die Frage beantworten, ob neue Sterne in Einzel- oder Doppelsternsystemen entstehen: Wieviele Sterne entstehen dabei? In einem einfachen Modell entstehen sämtliche Sterne als Doppelsterne. Bei der Perseus-Molekülwolke handelt es sich um eine typische Sternentstehungsregion, in der vor allem Sterne mit geringen Massen entstehen. Wie sieht die Situation in anderen Molekülwolken aus?

Die Perseus-Molekülwolke In der Perseus-Molekülwolke existieren zwei Arten sehr junger Sterne: Sterne mit einem Alter von weniger als 500.000 Jahren (Klasse 0) und Sterne mit einem Alter von 500.000-1 Million Jahre (Klasse 1); beide Arten sind von eiförmigen Kokons [1] umgeben. Die Gesamtheit der sehr jungen Sterne enthält 55 Sterne in 24 Mehrfachsternsystemen (mit 5 Doppelsternsystemen) und 45 Einzelsterne. Im Ergebnis enthielten alle Doppelsternsysteme, die mehr als 500 Astronomische Einheiten (AE) [1] voneinander entfernt waren, sehr junge Systeme mit jeweils 2 Sternen der Klasse 0, die mit ihren Längsachsen in Richtung der eiförmigen Kokons ausgerichtet waren. Die Astronomen verglichen ihre Beobachtungen daraufhin mit anderen Durchmusterungen von Sternentstehungsgebieten, einschließlich der Gould Belt Survey [1] und Daten des James Clerk Maxwell-Teleskops [1]. Dabei stellten die Forscher fest, daß der dichteste Bereich des eiförmigen Kokons sich etwa in der Mitte befindet und jeweils 2 Dichtekonzentrationen entlang der Mittelachse des Kokons entstehen. Später kontrahieren die beiden Regionen erhöhter Dichte unter ihrem eigenen Gewicht und enden als Sterne der Klasse 0. Daraus schließen die Wissenschaftler, daß Einzelsterne niedriger Masse - wie die Sonne - nicht primordial [1] sind, sondern vielmehr das Ergebnis innerhalb einiger Millionen Jahre auseinanderbrechender Doppelsternsysteme (Abb. 3). Dies impliziert, daß jeder dichte Kern innerhalb eines Sternentstehungsgebietes, typischerweise eiförmige Kokons, zweimal so viel Materie in Sterne verbaut als bisher angenommen. Abb. 3 Junges Doppelsternsystem in der Perseus-Molekülwolke. Die Radioaufnahme zeigt ein sehr junges Doppelsternsystem, das jünger ist als eine Million Jahre. Das System stammt aus einem dichten ovalen Kern in der Perseus-Molekülwolke. Die meisten Sterne dieser Molekülwolke entstehen als Doppelsterne in dichten Kokons. In diesem Beispiel fanden die Forscher zwei dichte Kerne (Sterne), die auf die Entstehung eines Doppelsterns hindeuten. [Farbcodierung: rot-dünnere Materiekonzentration, orange-dichtere Materiekonzentration. Entfernung in Lj (light years).] [2] Die neuen Erkenntnisse sollen zum Verständnis beitragen wie Doppelsterne entstehen und welche Rolle sie im frühen Stadium der Sternentstehung spielen. Die Wissenschaftler sind sich nun ziemlich sicher, daß sonnenähnliche Sterne in Doppelsternen geboren werden (Abb. 4, 5).

Abb. 4 Das α Centauri-System. Die beiden hellsten Sterne des α Centauri-Systems befinden sich in einem Doppelsternsystem. In Wirklichkeit handelt es sich um ein Dreifachsternsystem. Wikipedia Commons/Skatebiker Abb. 5 Dreifachsternsystem der Perseus-Molekülwolke. Die Aufnahme zeigt ein Radiobild eines Dreifachsternsystems, das sich in einer staubigen Scheibe der Perseus-Molekülwolke befindet. Der helle Fleck auf der linken Seite entspricht einem jungen Stern, die beiden hellen ovalen Flecken auf der rechten Seite einem doppelten Sternenpaar; insgesamt ist ein Dreifachsternsystem entstanden. B. Saxton/ALMA (ESO/NAOJ/NRAO), NRAO/AUI/NSF Fazit Die neuen Daten könnten der Beginn eines neuen Trends sein, um Radioteleskope zur Untersuchung von Sternentstehungsregionen zu nutzen. Interessanterweise stützen die Ergebnisse die sog. Nemesis-Hypothese [1]. Diese Theorie nimmt an, daß die Sonne in der Vergangenheit einen Begleitstern, Nemesis, besaß (Abb. 6). Angeblich soll Nemesis für die Auslöschung

der Dinosaurier [1] verantwortlich gewesen sein. Der vermeintliche Planet wurde jedoch niemals gefunden. Abb. 6 Künstlerische Darstellung des vermeintlichen Brudersterns der Sonne. Bisher konnte ein vermeintlicher Doppelsternpartner der Sonne, der Planet Nemesis, nicht beobachtet werden. Möglicherweise existierte jedoch in der Vergangenheit des Sonnensystems ein zweiter Stern, ein Doppelsternpartner der Sonne. Google Plus Die neuen Ergebnisse könnten die Nemesis-Hypothese stützen. Möglicherweise gab es in der Vergangenheit tatsächlich einen zweiten Stern innerhalb des Sonnensystems. Zwar beweist die neue Studie nicht die Existenz eines Sterns, der für die Auslöschung der Dinosaurier verantwortlich ist, jedoch ist es möglich, daß vor einigen Milliarden Jahren zwei Sterne im Sonnensystem kreisten. Dies hätte weitreichende Konsequenzen für die frühe Geschichte des Sonnensystems und die Entstehung der Planeten. Allerdings wäre ein Bruder der Sonne mindestens 17 mal so weit entfernt wie der Planet Neptun [1]. Falls Sie Fragen und Anregungen zu diesem Thema haben, schreiben Sie uns unter kontakt@ig-hutzi-spechtler.eu Ihre IG Hutzi Spechtler Yasmin A. Walter Quellenangaben: [1] Mehr Information über astronomische Begriffe www.wikipedia.de [2] Mehr Information zur neuen Studie news.berkeley.edu Sadavoy, S. I., et al., MNRAS 469 (4), 3881-3900 (2 May 2017) [3] Mehr Information über Barnard 68 https://www.eso.org/public/news/eso9934/