Floristische Rundbriefe (Flor. Rundbr.) 36(1-2), 1-9 Bochum 2002 EIN BEMERKENSWERTER NEUFUND FÜR DEUTSCHLAND. - Georg Hetzel und Lenz Meierott -

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Transkript:

Floristische Rundbriefe (Flor. Rundbr.) 36(1-2), 1-9 Bochum 2002 RUMEX er/status DC. IN WÜRZBURG - EIN BEMERKENSWERTER NEUFUND FÜR DEUTSCHLAND - Georg Hetzel und Lenz Meierott - Kurzfassung Es wird über den Neufund von Rumex cristatus DC. für Deutschland berichtet und dessen Gesamtverbreitung diskutiert. Die Vorkommen im Stadtgebiet von Würzburg werden pflanzensoziologisch belegt. Die Art wird als lokal eingebürgert eingestuft. Abstract It is reported about the first finding of Rumex cristatus pc. in Germany. Its distribution in Europe is discussed and its floristical status and phytosociological connections. Keywords Rumex cristatus, establishment of neophytes, distribution, first record for Germany. Aktuelle Angaben über adventive Vorkommen von Arten der Gattung Rumex sind für Deutschland eher spärlich und beziehen sich in der Regel auf R. triangulivalvis, einen fest etablierten Neophyten nordamerikanischer Herkunft (vgl. MANG 1964, SUKOPP & SCHOLZ 1966, LANG 1981). Daneben liegen Meldungen u.a. vor für R. eonfertus (PRASSE 1996: Berlin), R. longifolius (FASEL 1995, LUDWIG 1995) - dessen südliche Arealgrenze allerdings noch Norddeutschland erreicht sowie R. stenophyllus (MÜLLER & KALLEN 1988), dessen Vorkommen zumindest an der unteren Saale möglicherweise als ursprünglich anzusehen sind (RECHINGER 1957). Zu den heute ver~chwundenen Importbegleitem der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts zählen ephemerophytische Arten wie R. puleher (im südlichen Oberrheingebiet nach QUINGER 1990 möglicherweise archaeophytisch, hier aktuell noch vorhanden), R. obovatus und R. dentatus (vgl. z.b. QUINGER 1990, DÜLL & KUTZELNIGG 1980). Ein ähnliches Schicksal droht vermutlich bald auch dem als Gemüsepflanze aus der Mode gekommenen und in neuerer Zeit nur mehr selten verwildert beobachteten Rumex patientia (HAEUPLER & SCHÖNFELDER 1988, SCHÖNFELDER & BRESINSKY 1990, QUINGER 1990). Aktuell und offenbar auch historisch nicht fur Deutschland nachgewiesen ist dagegen Rumex eristatus DC., der Griechische Ampfer, eine Sippe, die R. patientia L. nahesteht und mit diesem sowie R. kerneri BORB. nach RECHINGER (1957) zu der schwerpunktmäßig im Südosten Europas beheimateten Subseetio Patientiae zählt. Allgemeine Verbreitung von Rumex cristatus DC. Das ursprüngliche Areal von Rumex eristatus umfasst Griechenland (wie dies auch durch das Synonym Rumex graeeus BOISS. et HELDR. ausgedrückt wird), West-Anatolien, kleinere Teile der europäischen Türkei und des südlichen Makedoniens, sowie Sizilien; Angaben für Süditalien sind zweifelhaft (nach RECHINGER 1957,1964, DAVIS 1967, JALAS & SUOMINEN 1979, PIGNATTI 1982). Als Neophyt ist R. eristatus seit etwa einem halben Jahrhundert aus England bekannt und inzwischen dort eingebürgert (LOUSLEY & KENT 1981, CLEMENT & FOSTER 1994, STACE 1997). Lokale Einbürgerungen werden weiter aus der Schweiz von Genf-La-Treille (RECHINGER 1957, HESS/LANDOLT/HIRZEL 1967) und Wien (RECHINGER 1957, ADLER et 1

ale 1994) gemeldet. In Zentralspanien soll sich R. cristatus seit etwa zwei Jahrzehnten in rascher Ausbreitung befinden (G. LOPEZ GONZÄLEZ in Flora iberica 11, 1990; ein Beleg der Societe pour l'echange (Lambinon), leg. P. Montserrat, in M trägt den Vermerk: "Plante en expansion en Espagne. Peut-etre a t-elle ete introduite avec des semences de plantes fourrageres; elle abonde aussi en sud de Madrid.»). Erst kürzlich wurde ein Fund aus Südfrankreich publiziert (AMAT 1996). Diagnostische Unterscheidungsmerkmale Rumex cristatus / Rumex patientia Rumex cristatus kann mit dem habituell ähnlichen R. patielltia verwechselt werden. Es sei deshalb eine Merkmalstabelle eingefügt, in der die wesentlichen Unterscheidungsmerkmale zusammengefasst sind (Kompilation aus RECHINGER 1957, 1964, DAVIS 1967, LOPEZ GONZÄLEZ 1990, ADLER et ale 1994, STACE 1997). Rumex patientia Rumex cristatus Höhe 80-200 cm 60-120 (200) cm Grundblätter (15)20-30(40) x (4)7-9(17) cm 20-30(50) x 10-15(25) cm Basis gestutzt bis keilförmig (sel- Basis mehrminder herzförmig ten schwach herzförmig) Sekundämerven der (in der Spreitenmitte) in einem (in der Spreitenmitte) in einem Grundblätter Winkel von 45-60 vom Haupt- Winkel von 60-90 vom Hauptnerv abzweigend nerv abzweigend Innere Perigonblätter reif braun reif rötlichbraun 4-8 mm lang, 4-10 mm breit 6-8 mm lang, 6-7 mm breit (bei ssp. patientia 4-6 x 4-8 mm) Valven Valven ganzrandig Valven am Rand unregelmäßig (selten unscheinbar - bis höchstens gezähnelt (0,5-1mm) 0,3 mm - gekerbt) eine oder seltener alle Valven mit alle Valven mit Schwielen, die (meist ungleichen) Schwielen Schwiele der vorderen Valve 2-3 mm lang, die übrigen deutlich kleiner Chromosomenzahl 2n = 60 (nach RECHINGER 1964, 2n = 80 (nach STACE 1997) STACE 1997) 2

Rumex patientia (oben: aus KUBAT 1990 unten: aus STACE 1997) Rumex cristatus (oben: aus LOPEZ GONzALES 1990 unten: aus STACE 1997). 3

An Belegen im Bayerischen Staatsherbar (M) sowie an eigenen Aufsammlungen (Herbar Meierott) konnten diese Merkmalsunterschiede weitgehend nachvollzogen werden. Während sich die Maße der Grundblätter und der inneren Perigonblätter mehr oder minder überschnitten, waren die in der Tabelle fett gedruckten Merkmale Grundblattbasis und insbesondere Sekundärnervenwinkel und Valvenzähnung durchgehend eindeutig ausgeprägt. Sekundärnervenwinkel Rumex patientia: 8 Belege in M (Deutschland - 40-60(65) 047 Österreich) 8 Belege aus Nordbayern 40-60(65) 053 Sekundärnervenwinkel Rumex cristatus: 8 Belege in M (überwiegend 60-85 070 Griechenland) 7 Belege Würzburg 70-90 077 Rumex cristatus im Stadtgebiet von Würzburg Erstmals 1986 wurde R. cristatus von einem vermutlich schon länger existierenden Vorkommen im Stadtgebiet von Würzburg belegt (Herbar Dunkel, als "R. patientia"). Der Erstautor beobachtete die Population seit 1989. Die Pflanzen erwiesen sich als identisch mit den wenigen erstmals 1993 auf einer Deponie bei Eibelstadt se Würzburg beobachteten Individuen (vgl. HETZEL & MEIEROTT 1998, dort noch als R. cf. cristatus geführt). Inzwischen erlaubten genauere Literaturrecherchen, Vergleiche mit von RECHINGER determinierten und in Griechenland gesammelten Belegen im Bayerischen Staatsherbar (M) sowie freundliche Bestätigungen durch die Herren Melzer (Zeltweg) und Dr. Lippert (München) eine Absicherung der Bestimmung. Das Würzburger Vorkommen liegt nördlich des Hauptbahnhofs an den Hangfüßen und Hängen der ausgedehnten Gleisanlagen (MTB 6125/4); von dort ausstreuend erreichen kleinere Bestände und Vorposten die Steinburg (MTB 6125/3) im NW, die Ständerbühlstraße im Westen und die Raiffeisenstraße (Baywa Gelände) im Osten. Damit ergibt sich eine W 0-Ausdehnung des lokalen Areals von etwa 2,2 km. Eine Massierung der Vorkommen ist im Bereich einer reich strukturierten Böschung (ca. 50x500 m) zwischen den DB Anlagen und der Nordtangente (B 27) zu beobachten, ein' Gebiet, das weder als leicht zugänglich noch als leicht einsehbar gelten kann und offenbar zumindest seit Kriegsende keiner geregelten Nutzung unterliegt. Hier bewächst R.cristatus voll besonnte bis halbschauige, ebene oder bis zu 30 abfallende, vorzugsweise s- oder sw-exponierte Flächen in einem sehr sta.rk anthropogen geprägten Umfeld. Die Beschaffenheit der Substrate reicht von locker sandig-steinig über geschottert-kiesig bis zu sehr altem, groben Bauschutt (z.t. wohl Trümmerschutt aus der Nachkriegszeit), weist also in der Regel hohen Skelettanteil auf und kann damit als besonders durchlässig (trocken), basenreich und sich leicht erwärmend gelten. Die flächig oder saumartig ausgebildeten, mäßig lückigen bis geschlossenen, sehr vitalen Bestände erreichen eine Wuchshöhe von bis zu 2 m und siedeln bevorzugt an Böschungen (auch an erst seit etwa 1970 existierenden Straßen), im Randbereich geschotterter Stell- und Lagerplätze sowie längs von Wegen. 4

Als Kontaktvegetation besonders bezeichnend sind von üppigen Clematis vitalba-schleiem überzogene thermophile und neophytische Gebüsch- und Gehölzgesellschaften mit Robinia pseudacacia, Ailanthus altissima, Prunus mahaleb und Syringa vulgaris, die sich im steil ansteigenden Böschungsbereich auf Trümmerschutt, weiter oberhalb auch auf flachgründigen Standorten über anstehendem Muschelkalk entwickelt haben. Zu den mehr oder weniger genutzten Bereichen vermitteln Dauco-Melilotion-Gesellschaften oder ruderale Therophyten-Gesellschaften. wie z.b. Bromus sterilis-rasen. Bezüglich der Bestandesstruktur lässt sich im Allgemeinen eine deutliche Schichtung erkennen: unter den für den physiognomischen Aspekt charakteristischen, hochwüchsigen und lückigen R. cristatus-herden bauen Bromus sterilis, Alliaria petiolata und Ballota nigra ein meist von reichlich Clematis vitalba, aber auch Galium aparine und Bryonia dioica überranktes, relativ geschlossenes Stockwerk auf. Wie die Tabelle erkennen lässt, ist für die floristische Zusammensetzung der R. cristatus-bestände eine für zentral-mitteleuropäische Verhältnisse eher ungewöhnliche Gemengelage relativ thermophiler Arten der nitrophilen Säume (Artemisietea-Arten) und ihrer Kontaktvegetation (Clematis vitalba, Ailanthus altissima; Sisymbrion-Arten wie Bromus sterilis; in geringerem Umfang Dauco-Melilotion-Arten) charakteristisch. Floristisch bemerkenswert' ist neben dem relativ hohen Anteil an (kulturflüchtigen) Neophyten das Auftreten von Nepeta cataria und Centaurea diffusa im Gefüg~ der Gesellschaft. Soziologisch sind die Bestände in den Bereich Alliarion-Arction (A 1-5) bzw. Dauco Melilotion (A 7-9) oder - als Initiale - Sisymbrion (A 6) zu stellen. Damit kann R. cristatus im Gebiet als Artemisietea-Art (mit Optimum ii}nerhalb der Artemisienea) eingestuft werden. Die Würzburger Population besteht aus w~nigen Hundert Individuen, an offenen Stellen wurden vereinzelt Jungpflanzen beobachtet. Damit und aus dem lokalen Verteilungsmuster (s.o.) lässt sich auf ein schwach expansives Moment der Art schließen. Weiter kann vermutet werden, dass R. cristatus - ähnlich Plantago indica, Lepidium densiflorum, Salsola kali, Sisymbrium loeselii (vgl HETZEL, MEIEROTT & ULLMANN 1992) oder Centaurea diffusa (vgl. HETZEL & ULLMANN 1981) ein persistierendes Element der Würzburger Nachkriegszeit darstellt und als seit längerem lokal eingebürgert zu betrachten ist. 5

6 Abb.: Rumex cristatus auf Bahngelände in Würzburg (Fotos Meierott)

Rumex cristatus - Gesellschaft Aufnahmenummer 1 2 3 4 5 6 7 8 9 Aufnahmefläche m 2 6 12 7 7 4 5 10 30 24 Deckungsgrad (%) 75 95 95 95 90 60 90 70 95 Artenzahl 11 11 7 11 8 11 10 27 19 abs 0/0 rki Rumex cristatus 4 3 3 2 3 + 2 2 3 9 100 V Artemisietea-Arten Alliaria petiolata + + 3 2 + 6 67 IV Galium aparine + 1 2 1 1 6 67 IV Artelnisia vulgaris r + + 1 5 56 111 Baiiota nigra + 2 + 5 56 111 Cirsium arvense r + + 4 44 111 Bryonia dioica + + + 3 33 11 Daucus carota + + + 3 33 11 Centaurea diffusa 2 + 2 22 11 Picris hieracioides 1 1 2 22 11 Nepeta cataria 1 + 2 22 11 Gehölz-Begleiter Clematis vitalba + 3 4 3 + 3 3 8 89 V Ailal1thus altissima 1 1 + 1 4 44 111 Prunus mahaleb 2 r 2 22 11 Fraxinus excelsior + + 2 22 11 Sisymbrion-Arten Bromus sterilis + 3 3 1 6 67 IV Lactuca serriola + + 3 33 11 Hordeum murinum 2 + 2 22 11 Begleiter Agropyron repens 2 2 22 11 Dactylis gl()merata + 2 22 11 Je I-mal: Acer campestre (1:+); Polygonum dumetorum (1:+); Chelidonium majus (2:+); Lamium album (2:~); Geum urbanum (4:+); Robinia pseudacacia (4:+); Crataegus monogyna (5:2); Ligustrum vulgare (5:2); Rosa canina (5:+); Lapsana communis (6: +); Rubus armeniacus (6: 1); Sambucus nigra (6: 1); Senecio viscosus (6:+); Sonchus oleraceus (6: 1); Arenaria serpyllifolia (8:3); Capsella bursa-pastoris (8:+);- Chenopodium album (7:+); Cirsium vulgare (8:+); Conyza canaden Sil5 (8:+); Erigeron annuus (8:+); Geranium pusillum (8:r); Lepidium ruderale (8:+); Medicago lupulina (8:2); Plantago major (8:+); Poa annua (8:+); Poa compressa (8:2); Saxifraga tridactylites (8: I); Senecio vernalis (8: 1); Taraxacum officinale agg. (8:+); Tragopogon dubius (8:r); Veronica arvensis (8: 1); Acer pseudoplatanus (9:+); Arctium spec. (9:+); Atriplex patula (9:+); luglans regia (9:+); Torilis arvensis (9:r); Tripleurospermum inodorum (9:+) Alle Aufnahmen: Stadtgebiet von Würzburg, MTB 6125/3 und 4 Danksagung Für Auskünfte danken wir Dr. F.-G. Dunkel (Karlstadt), OStR Mag. H. Melzer (Zeltweg) und Dr. W. Lippert (München), letzterem auch für die Erlaubnis, im Münchner Staatsherbar arbeiten zu dürfen. 7

Literatur ADLER, W., OSWALD, K. u. R. FISCHER (1994): Exkursionsflora von Österreich. Stuttgart und Wien. AMAT, R. (1996): Presence de R umex cristatus dans les Alpes-de-Haute-Provence. Monde des Plantes (Toulouse) 456 : 22-23. CLEMENT, E.J. u. M.C. FOSTER (1994): Alien Plants of the British Isles. London. DAVIS, P.H. (1967): Flora ofturkey, vol. 11. Edinburgh. DÜLL, R. u. H. KUTZELNIGG (1980): Punktkartenflora von Duisburg und Umgebung. Opladen. FASEL, P. (1995): Neufund des Nordischen Ampfers Rumex longifolius DC. (= Rumex domesticus Hartrn.) in Nordrhein-Westfalen. - Flor. Rundbr. 29(1): 42-43. HAEUPLER, H. u. P. SCHÖNFELDER (1988): Atlas der Farn- und Blütenpflanzen der Bundesrepublik Deutschland. Stuttgart. HESS, H.E., LANDOLT, E. u. R. HIRZEL (1967): Flora der Schweiz und angrenzender Gebiete. Bd. 1, Basel und Stuttgart 1967. HETZEL, G. u. L. MEIEROTT (1998): Zur Anthropochorenflora fränkischer Deponiestandorte. - Tuexenia 18: 377-415. HETZEL, G., MEIEROTT, L. u. I. ULLMANN (1992): Beobachtungen zu Konstanz und Dynamik in der Anthropochoren-Flora des Stadtgebietes von Würzburg. - Tuexenia 12: 341-360. HETZEL, G. u. I. ULLMANN (1981): Wildkräuter im Stadtbild Würzburgs. Die Ruderalvegetation der Stadt Würzburg mit einem Vergleich zur Trümmerflora der Nachkriegszeit. - Würzb. Universitätsschr. Regionalforsch. 3. JALAS, J. u. J. SUOMINEN, ed. (1979): Atlas Florae Europaeae, vol. 4. Helsinki. KUBAT, K. (1990): Rumex. In: HEINY, S. u. B. SLAVfK, ed., Kvetena ceske republiky, vol. 2. Praha. LANG, W. (1981): Der Weidenblatt-Arppfer (Rumex triangulivalvis), eine neue adventive Art der Pfälzer Flora. - Mitt. Pollichia 69: 180-184. LOUSLEY, J.E. u. D.H. KENT (1981): Docks and knotweeds of the British Isles. London. LOPEZ GONzALEZ, G. (1990): Rumex. In: Flora iberica, vol. II, p. 595-634, Madrid. LUDWIG, W. (1995): Kurze Hinweise auf neue Rumex longifolius-funde. - Hess. Flor. Br. 44(3): 40-41. MANG, F. (1964): Der Weidenblättrige Sauerampfer und seine Verbreitung im Ästuar der EIbe. - Die Heimat (Neumünster) 71: 362-364. MÜLLER, R. u. H.W. KALLEN (1988): Rumex stenophyllus Ledeb. an der EIbe in Niedersachsen. - Flor. Rundbr. 21(2): 80-85. PIGNATTI, S. (1982): Flora d'italia, vol. I. Bologna. PRASSE, R.(1996): Rumex confertus Willd., ein Bestandteil der wildwachsenden Flora Berlins und Brandenburgs. - Flor. Rundbr. 30(2): 80-82. QUINGER, B: Polygonaceae. In: SEBALD, 0., SEYBOLD, S. u. G. PHILIPPI (1993): Die Farn- und Blütenpflanzen Baden-Württembergs, Bd. I, 2. Aufl., S. 514-576. Stuttgart. RECHINGER, K.H. (1957): Rumex. In: HEGI, Illustrierte Flora von Mitteleuropa, Bd. 111/1, 2. Aufl., S. 353-400. -- (1964): Rumex. In: TUTIN, T.G. et al., ed., Flora europaea, vol. I, p. 82-89. Cambridge. SCHÖNFELDER, P. u. A. BRESINSKY (1990): Verbreitungsatlas der Farn- und Blütenpflanzen Bayerns. Stuttgart. STACE, C. (1997): New Flora of the British Isles, ed. 2. Cambridge. SUKOPP, H. u. H. SCHOLZ (1966): Neue Untersuchungen über Rumex triangulivalvis (Danser) Rech. f. in Deutschland. - Ber. Deutsch. Bot. Ges. 78: 455-465. 8

Anschrift der Verfasser Georg Hetzel Storchsgasse 22 96049 Bamberg georg.het~el@ t-online.de Prof. Dr. Lenz Meierott Am Happach 43 97218 Gerbrunn lenz.jutta.meierott@t-online.de 9