Politische Stabilität durch Ungleichheit : das Beispiel Kenya Neubert, Dieter

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Transkript:

www.ssoar.info Politische Stabilität durch Ungleichheit : das Beispiel Kenya Neubert, Dieter Veröffentlichungsversion / Published Version Konferenzbeitrag / conference paper Empfohlene Zitierung / Suggested Citation: Neubert, Dieter: Politische Stabilität durch Ungleichheit : das Beispiel Kenya. In: Friedrichs, Jürgen (Ed.) ; Deutsche Gesellschaft für Soziologie (DGS) (Ed.): 23. Deutscher Soziologentag 1986: Sektions- und Ad-hoc-Gruppen. Opladen : Westdt. Verl., 1987. - ISBN 3-531-11864-1, pp. 25-28. URN: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-149808 Nutzungsbedingungen: Dieser Text wird unter einer Deposit-Lizenz (Keine Weiterverbreitung - keine Bearbeitung) zur Verfügung gestellt. Gewährt wird ein nicht exklusives, nicht übertragbares, persönliches und beschränktes Recht auf Nutzung dieses Dokuments. Dieses Dokument ist ausschließlich für den persönlichen, nicht-kommerziellen Gebrauch bestimmt. Auf sämtlichen Kopien dieses Dokuments müssen alle Urheberrechtshinweise und sonstigen Hinweise auf gesetzlichen Schutz beibehalten werden. Sie dürfen dieses Dokument nicht in irgendeiner Weise abändern, noch dürfen Sie dieses Dokument für öffentliche oder kommerzielle Zwecke vervielfältigen, öffentlich ausstellen, aufführen, vertreiben oder anderweitig nutzen. Mit der Verwendung dieses Dokuments erkennen Sie die Nutzungsbedingungen an. Terms of use: This document is made available under Deposit Licence (No Redistribution - no modifications). We grant a non-exclusive, nontransferable, individual and limited right to using this document. This document is solely intended for your personal, noncommercial use. All of the copies of this documents must retain all copyright information and other information regarding legal protection. You are not allowed to alter this document in any way, to copy it for public or commercial purposes, to exhibit the document in public, to perform, distribute or otherwise use the document in public. By using this particular document, you accept the above-stated conditions of use.

Sektion Entwicklungssoziologie Sprecher: Georg Elwert (Berlin) Politische Stabilität durch Ungleichheit. Das Beispiel Kenya Dieter Neubert (Mainz) 1. Einleitung Kenya gehört weltweit zu den Ländern mit der größten Einkom menskonzentration. Trotz gegenteiliger Prognosen hat sich das politische System als relativ stabil erwiesen, und die Regie rung wurde schon viermal in relativ freien Wahlen bestätigt. Dem Staatsapparat Kenyas ist es gelungen, Entwicklungsmaßnah men zur Bestandssicherung des politischen Systems zu instru mentalisieren. Sie werden dazu benutzt, bei einem großen Teil der Bürger den Anschein zu erwecken, daß sie deren Erwartun gen erfüllen wollen und können. Die Ungleichheit wird legiti miert, und selektive Privilegierung einiger zuvor benachtei ligter Teile der Bevölkerung vermittelt Hoffnung auf indivi duellen sozialen Aufstieg. 2. Erwartungen an die Politik Die Erwartungen der Bürger an die Politik sind durch die Er fahrungen des zurückliegenden sozialstrukturellen Wandels ge prägt. Ein beträchtlicher Teil der kenyanischen Bevölkerung hat in diesem Zeitraum, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß, eine Verbesserung der sozialen Lage erfahren. Die untere Un terschicht wurde dagegen noch weiter abgedrängt, so daß sich der Gegensatz zwischen den Ärmsten und der Elite noch weiter verschärfte. Bildung ist das entscheidende strategische Gut, teiligung durch individuellen sozialen Aufstieg um die Benach zu überwinden. Aufstiegshoffnung und die Funktion des Bildungssystems als Ver teilungsagentur sozialer Chancen führen zu einem meritokratischem Ideal, das Ungleichheiten (über die Gleichheit der Chan- 25

cen) legitimiert und globale Interessengegensätze aus dem Blickfeld verdrängt. Die Aufmerksamkeit der Bürger richtet sich deshalb in erster Linie auf konkrete staatliche Lei stungen, die ihnen den angestrebten Aufstieg ermöglichen oder eine direkte Verbesserung des Lebensstandards erbringen (neue Schulen, Gesundheitseinrichtungen, Straßen, Wasserleitungen usw.). Dies sind in der Regel konkrete Einzelprojekte, die den Bewohnern eines bestimmten Gebietes zugute kommen. Je nach Ein zugsgebiet eines Projekts ergeben sich Rivalitäten zwischen Ge meinden, Bezirken oder größeren Regionen; tionelle, lokale und ethnische Loyalitäten dabei werden tradi aktiviert und die tatsächlich existierenden sozioökonomischen Gegensätze über deckt. 3. Die Struktur des Politiksystems Formal ist Kenya eine parlamentarische Einparteiendemokratie mit Gewaltenteilung. Die verfassungsmäßigen Organe werden aber in ihren Funktionen durch informelle Patron-Klient-Beziehungen ergänzt. An der Spitze Kenyas steht ein vom Volk gewählter Prä sident, der aus dem Parlament heraus sein Kabinett ernennt. Die Parlamentarier werden in regelmäßigen und relativ freien Wah len mit einfacher Mehrheit in ihrem Wahlkreis gewählt. Die fak tische Macht im Staat ist auf den Präsidenten konzentriert, und die Bürokratie fungiert als wichtiges Kontrollorgan. Die Teil habe an der Macht über das Parlament, über ein Regierungsamt oder über die Bürokratie bringt in hohem Maß persönliche öko nomische Vorteile. Ein öffentliches Amt erleichtert nicht nur den Zugang zu Krediten oder Staatsaufträgen für das eigene Un ternehmen, sondern bietet vielfältige Möglichkeiten zu Korrup tion und Vetternwirtschaft. Großunternehmer, Politiker und Spitzenbeamte sowie die Manager der staatlichen oder para staatlichen Unternehmen stehen in enger Beziehung miteinan der und üben mitunter mehrere Funktionen gleichzeitig aus. 4. Konfliktregulierung und Partizipation Die Parlamentsabgeordneten sind die entscheidenden Adressaten für die Wünsche der Bürger. Sie sollen dafür sorgen, daß in 26

ihrem Wahlkreis die erwünschten staatlichen Entwicklungslei stungen erbracht werden. Für sie gilt es, aus dem Parlament heraus, mit Regierungsvertretern Kontakt aufzunehmen und um Unterstützung für die Projekte im eigenen Wahlkreis zu wer ben. Jeder Parlamentarier bringt durch seinen zurückliegenden Wahlerfolg und durch die Aktivitäten in seinem Wahlkreis eine politische Gefolgschaft mit. Im Austausch von politischer Un terstützung gegen staatliche Ressourcen entsteht eine Kette von Patron-Klient-Beziehungen, die von der lokalen Ebene bis zum Präsidenten reicht. Auseinandersetzungen zwischen den Regionen werden durch deren Vertreter geführt. Da lokale Konkurrenten jeweils gemeinsame Patrone haben, wird gleichzeitig die Integration in das Ge samtsystem hergestellt. Auch die Bürokratie ist in diese Austauschprozesse eingebunden. Die Parlamentarier vermitteln zwischen lokalen Führern und Bü rokratie und unterstützen die Bürokratie in ihrer Arbeit. Im Gegenzug ist die Bürokratie den Parlamentariern bei der Res sourcenbeschaffung behilflich. Die gegenseitigen Beziehungen von Politik und' Bürokratie führen zu einer Interessenvernet zung, so daß sich die Bürokratie nicht als eigenständige und unabhängige Kraft formiert hat. Der Anreiz, durch die Wahl ins Parlament politische Macht und beträchtliche ökonomische Vorteile zu erhalten, führt zu einem heftigen und extrem kostpieligen Kampf um Wählerstimmen, den sich nur Mitglieder der Oberschicht leisten können. Die Gelder fließen als Spenden in Selbsthilfeprojekte, werden für Wahlver anstaltungen, Freibier, aber auch zum Kauf von Stimmen aufge wendet. Die Gewählten sind zudem gezwungen, die Bedürfnisse der Bevölkerung ernst zu nehmen und sie ein Stück weit zu erfüllen. Gemessen an den sozialen Gegensätzen und an den Erwartungen bleiben aber die tatsächlichen Leistungen weit zurück. Unzu friedene richten ihren Kritik gegen den jeweiligen Abgeordne ten, an dessen Stelle ein anderer gewählt wird. Wahlen dienen so auch als Ventil für den Unmut, Kritik wird auf diese Weise 27

personalisiert und vom System abgelenkt. Ungleichheit erhält in diesem System eine neue Bedeutung; sie zeigt vorhandene Entwicklungsmöglichkeiten und dient als (scheinbarer) Beleg für die Möglichkeit, eigene Forderungen durchzusetzen. So wie die Aufstiegsillusion soziale Ungleichheit als individu ell aufhebbar erscheinen läßt, suggerieren die Wahlen eine Chance, die Teilhabe an den nationalen Ressourcen wirksam beeinflussen zu können. Trotz der symbolischen Wirkung der Politik, besteht die Ge fahr wachsender Unzufriedenheit in der breiten Bevölkerung und bei der Elite. Denn das System ist im Grundprinzip infla tionär: nur neue und bessere Leistungen dienen dem Parlamen tarier vor den Wählern als Nachweis für effektive Arbeit, und nur weitere Spitzenpositionen und Pfründe sichern die Loyali tät der Elite. Zudem nimmt die persönliche Bereicherung in der Elite durch skupellose Ausnutzung ihrer Ämter extreme Ausmaße an und ruft zunehmend öffentliches Unbehagen hervor. Schon mehrfach bemühten sich Oppositionspolitiker, diese Unzufrie denheit zu nutzen. Die herrschende Elite reagierte mit büro kratischen Schikanen bei der Zulassung zur Wahl, und wenn dies nicht ausreichte, mit Repressalien bis hin zum politi schen Mord. Solange es der Regierung gelingt, durch selektive Privilegie rung die Hoffnung auf staatliche Hilfen zu stärken und die symbolische Funktion staatlicher Leistungen zu erhalten, be stehen gute Aussichten für die herrschende Elite, ihre Vor machtstellung zu sichern. Literatur Neubert, D. 1986: Sozialpolitik in Kenya, Münster (Lit Verlag) 28