Studie zur Ermittlung der Asbestfaserfreisetzung bei Asbestzementplattenbruch

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Transkript:

Studie zur Ermittlung der Asbestfaserfreisetzung bei Asbestzementplattenbruch durchgeführt im Auftrag der Stadt Wien Wiener Umweltschutzabteilung Magistratsabteilung 22 Magistrat der Stadt Wien Dresdner Straße 45 A-1200 Wien Studie abgeschlossen im Dezember 2017 Dr. Lydia Sedlacek Dr. Robert Sedlacek enviro-chem gmbh Geschäftsführer: Dipl.-Ing. Dr. Robert Sedlacek Raiffeisenbank Traisen-Gölsental Allgemein beeideter und Ingenieurbüro gerichtlich zertifizierter Sachverständiger IBAN AT88 3244 7001 0070 0112 für Technische Chemie, für Asbest, Umweltschäden und Umweltchemie BIC RLNWATWWLFD TechnischenUmweltschutz zertifiziert gemäß ISO 9001:2008 und Toxikologie FN 246866 p UID: ATU 57922305 Firmenbuchgericht: Handelsgericht Wien

ESRSS-171222-6540-1600-4825 Seite 2 von 10 Inhaltsverzeichnis 1 Abstract/Zusammenfassung... 3 2 Umfang und Zweck... 4 3 Literaturrecherche... 4 4 Allgemeines... 4 4.1 Zugrundeliegende Normen und Gesetze... 4 4.2 Asbest aus technischer Sicht - allgemeines... 5 4.3 Asbest aus umwelttechnischer und medizinischer Sicht - allgemeines... 5 5 Ergebnisse... 6 5.1 Ergebnisse der Literaturrecherche... 6 5.2 Aufbau der Versuchsanordnung... 7 5.3 Durchführung der Versuche... 7 5.4 Ergebnisse... 9 6 Diskussion/Schlussfolgerungen... 9

ESRSS-171222-6540-1600-4825 Seite 3 von 10 1 Abstract/Zusammenfassung Häufig werden asbesthaltige Dach- und Fassadenplatten unsachgemäß demoniert und brechen. An den Bruchkanten werden Asbestfasern unkontrolliert freigesetzt. Das gegenständliche Projekt bringt eine Klärung über das Ausmaß der Faserfreisetzung. Sowohl die deutsch- als auch die englischsprachige Literatur gibt nur Luftfaserkonzentrationen (Fasern pro Kubikmeter Raumluft, F/m³) von Asbestfasern wieder. Dabei werden sowohl produktionsspezifische Faserkonzentrationen, Faserkonzentrationen beim kontrollierten Rückbau und Faserkonzentrationen beim sogenannten unkontrollierten Rückbau untersucht, gemessen und veröffentlicht. Darüber gibt es eine Vielzahl an Studien, welche die Umgebungsluft sowohl innerhalb von kontaminierten Gebäuden, als auch in der Außenluft angeben. Untersuchungen zur absoluten Faserfreisetzung (Fasern pro cm Bruchkante) konnten in der Literatur nicht gefunden werden. Die tatsächliche Faserkonzentration bezogen auf eine Bruchlänge (z. B.: 1 cm) beim Bruch einer Faserzementplatte, wie sie zum Beispiel beim unsachgemäßen Rückbau von Faserzementplatten von Dächern oder an Fassaden passiert, wurde bis dato nicht näher untersucht. Dies ist insofern interessant, da dies einen in der Praxis sehr häufigen Fall darstellt. Die Gesamtmenge an lungengängigen Fasern ergibt dann das Potential für eine etwaige Gesundheitsgefährdung an. Erst bei Kenntnis der tatsächlichen freigesetzten Fasermenge kann mittels Simulationssoftware eine Ausbreitung abgeschätzt werden. Bei den durchgeführten Bruchexperimenten zeigte sich, dass die Faseranzahl, welche je cm Bruchfläche frei wird, stark variiert. Dies hängt mit Sicherheit einerseits vom Alter der Platte, vom Verwitterungsgrad als auch von der Plattendicke ab. Während optisch oberflächlich glatte Platten, welche neu auf einem Dachboden als Reservedeckung gelagert worden sind, in einem Bereich von 1.190 3.140 F/cm liegen, sind beanspruchte Platten, also Platten welche nach einer dem Verfasser unbekannten Zeit demontiert und entsorgt worden sind in einem Bereich von 12.000 25.400 F/cm. Benetzt man die Platten mit normalem Wasser, zeigt sich, dass die benetzten Platten deutlich weniger Fasern freisetzen und diese in einem Bereich von 860 940 F/cm liegt.

ESRSS-171222-6540-1600-4825 Seite 4 von 10 2 Umfang und Zweck Häufig werden asbesthaltige Dach- und Fassadenplatten unsachgemäß demoniert und brechen. An den Bruchkanten werden Asbestfasern unkontrolliert freigesetzt. Das gegenständliche Projekt bringt eine Klärung über das Ausmaß der Faserfreisetzung. Im Rahmen des gegenständlichen Projektes wird anhand einer orientierenden Literaturrecherche der aktuelle wissenschaftliche Wissensstand erhoben und mittels Versuchsapparatur die tatsächliche Asbestfaserfreisetzung anhand von gängigen Asbestzementprodukten Dachplatte, Fassadenplatte ermittelt. Die Messung der Anzahl und Konzentration an freigesetzten Asbestfasern erfolgt anhand von anerkannten österreichischen, deutschen und internationalen technischen Normenwerken. 3 Literaturrecherche Die der Studie zugrundeliegende Literaturrecherche wurde automationsunterstützt sowohl in englischer als auch deutscher Sprache durchgeführt wobei eine sogenannte Deep Search Strategie angewendet worden ist. Insgesamt wurden mehr als 250.000 Seiten im Internet abgefragt und analysiert. Die Suche umfasste neben medizinischen Datenbanken wie pubmed, etc. auch juristische Datenbanken, sowie Datenbanken nationaler und internationaler Umweltschutzabteilungen. 4 Allgemeines 4.1 Zugrundeliegende Normen und Gesetze Die folgenden relevanten österreichischen Gesetze, technischen Richtlinien, sowie Normen wurden bei der Durchführung der Studie angewendet: Grenzwerteverordnung 2011 GKV 2011, BGBl. II Nr. 429/2011 idgf TRGS 519 Asbest: Abbruch-, Sanierungs- oder Instandhaltungsarbeiten ausgegeben im Jänner 2014 idf vom 02.03.2015 ÖNORM EN ISO 16000-7 : Innenraumluftverunreinigungen - Teil 7: Probenahmestrategie zur Bestimmung luftgetragener Asbestfaserkonzentrationen ausgegeben im Dezember 2007 VDI 3492: Messen von Innenraumluftverunreinigungen - Messen von Immissionen - Messen anorganischer faserförmiger Partikel - Rasterelektronenmikroskopisches Verfahren ausgegeben im Juni 2013 VDI 3866, Blatt 5: Untersuchung von Materialproben auf Asbesthaltigkeit

ESRSS-171222-6540-1600-4825 Seite 5 von 10 mittels Rasterelektronenmikroskopie mit energiedispersivem Analysensystem (REM/EDX) ausgegeben im Juni 2017 4.2 Asbest aus technischer Sicht - allgemeines Asbest (griechisch "asbestos" = "unauslöschlich") ist die faserige Form der mineralischen Silikate, die zu den gesteinsbildenden Mineralien der Serpentingruppe und der Amphibolgruppe gehören. Man unterscheidet zwischen Serpentin-Asbesten und Amphibol-Asbesten. Weißasbest (Chrysotil) ist mit 94 Prozent der früheren Weltproduktion der am häufigsten vorkommende Asbest. Gemäß Merkblatt M 367 der AUVA wurde Asbest wegen seiner technisch positiven Eigenschaften zwischen 1950 und 1990 reichlich verwendet. Allein in Österreich wurden jährlich 30 bis 40 Tausend Tonnen Asbest (überwiegend Weißasbest) verarbeitet. Hinsichtlich ihrer Verwendung unterscheidet man zwischen Hartasbest- und Weichasbestprodukten. Typische Hartasbestprodukte sind Dach- und Fassadenbeläge, Lüftungskanäle, Rohrleitungen, Fensterbänke und Arbeitsplatten, Formstücke wie Blumentröge, Fußbodenbeläge, Bremsbeläge sowie Behälter für Chemikalien 4.3 Asbest aus umwelttechnischer und medizinischer Sicht - allgemeines Bei mechanischer Beanspruchung kommt es zu einer Auffaserung des Minerals und damit zu immer dünneren Fasern, welche dann lungengängig sind (sogenannte WHO-Fasern 1 ). Das bedeutet, dass diese Fasern durch die Einatmung direkt in die Lunge gelangen können. Auf Grund ihrer Beständigkeit und nadelförmigen Gestalt können Asbestfasern, die sich in der Lunge einlagern, nicht mehr abgebaut werden. Zunächst kommt es zu einer lokalen entzündlichen Reaktion mit dem Ziel, die Faser zu beseitigen. Da dies jedoch nicht möglich ist, werden diese Fasern mit Bindegewebe umhüllt. So entsteht ein bindegewebsbildender Prozess mit starker Schrumpfungsneigung, die so genannte Lungenfibrose (= 1 WHO-Fasern sind Fasern mit einer Länge > 5 µm, einem Durchmesser < 3 µm und einem Länge-zu-Durchmesser-Verhältnis von > 3:1, kritische Fasergeometrie für die Lungengängigkeit

ESRSS-171222-6540-1600-4825 Seite 6 von 10 Berufskrankheit 27a: Asbeststaublungenerkrankung [Asbestose] mit objektiv feststellbarer Leistungsminderung von Atmung oder Kreislauf). Auf Grund ihrer Form können Asbestfasern auch durch die Lunge bis zum Lungen- und Rippenfell durchdringen und auch dort bindegewebsbildende Prozesse hervorrufen, die so genannten Pleuraplaques. Darüber hinaus können sie bis in die Bauchhöhle vordringen und dort ähnliche Veränderungen am Bauchfell verursachen. In Folge dieser Veränderungen können sich nach einer Jahrzehnte langen Latenzzeit, in der keine Asbestfaser-Exposition mehr vorhanden war, bösartige Erkrankungen wie Lungenkrebs oder ein Mesotheliom (bösartiger Tumor des Rippenfells) entwickeln. Dies stellt auch die besondere Gesundheitsgefährdung durch Asbestfasern dar. Wird festgebundener Asbest (also z. B.: Asbestzement) mechanisch beansprucht, so kommt es zur Freisetzung von Fasern, welche aufgrund ihrer Größe lungengängig sind. Diese Fasern sind so zu klassifizieren, als ob sie schwachgebundener Asbest sind. 5 Ergebnisse 5.1 Ergebnisse der Literaturrecherche Sowohl die deutsch- als auch die englischsprachige Literatur gibt nur Luftfaserkonzentrationen (Fasern pro Kubikmeter Raumluft, F/m³) von Asbestfasern wieder. Dabei werden sowohl produktionsspezifische Faserkonzentrationen, Faserkonzentrationen beim kontrollierten Rückbau und Faserkonzentrationen beim sogenannten unkontrollierten Rückbau untersucht, gemessen und veröffentlicht. Darüber gibt es eine Vielzahl an Studien, welche die Umgebungsluft sowohl innerhalb von kontaminierten Gebäuden, als auch in der Außenluft angeben. Untersuchungen zur absoluten Faserfreisetzung (Fasern pro cm Bruchkante) konnten in der Literatur nicht gefunden werden. Die tatsächliche Faserkonzentration bezogen auf eine Bruchlänge (z. B.: 1 cm) beim Bruch einer Faserzementplatte, wie sie zum Beispiel beim unsachgemäßen Rückbau von Faserzementplatten von Dächern oder an Fassaden passiert, wurde bis dato nicht näher untersucht. Dies ist insofern interessant, da dies einen in der Praxis sehr häufigen Fall darstellt. Die Gesamtmenge an lungengängigen Fasern ergibt dann das Potential für eine etwaige Gesundheitsgefährdung an. Erst bei Kenntnis der tatsächlichen freigesetzten Fasermenge kann mittels Simulationssoftware eine Ausbreitung abgeschätzt werden.

ESRSS-171222-6540-1600-4825 Seite 7 von 10 5.2 Aufbau der Versuchsanordnung Für die in dieser Studie durchgeführten Versuche wurden nur flache Faserplatten verwendet, da aufgrund des Produktionsprozesses davon auszugehen ist, dass sich Welleternitplatten im Bruchverhalten bezüglich Faserfreisetzung analog zu flachen Dach- bzw. Fassadenplatten verhalten. Da die absolute Anzahl an lungengängigen Fasern erfasst werden sollte (sogenannte WHO- Fasern), wurden die Brüche an Originalplatten (zur Herkunft der Platten siehe 5.3.) in einer geschlossenen Apparatur durchgeführt. Insgesamt betrug die Kubatur der geschlossenen Versuchsanordnung ca. 6 Liter. Um sicherzustellen, dass es bei etwaigen Zwischenfällen nicht zu einer Kontamination der Umgebung kommen kann, wurden die Versuche in einer temporär aufgebauten Sanierungszone ( Schwarzbereich ) mit Unterdruck gemäß TRGS 519 durchgeführt. Der Zutritt erfolgte über ein Schleusensystem. Während der Versuche wurde der Unterdruck ausgeschaltet um keinen Einfluss auf die Versuche auszuüben. Nach Beendigung der Versuche wurde die Sanierungszone gemäß ÖNORM EN ISO 16000-7 und VDI 3492 freigemessen. 5.3 Durchführung der Versuche Für die Durchführung der Versuche wurden Dachplatten bzw. Fassadenplatten, welche nachweislich asbesthaltig waren, verwendet. Die Asbesthaltigkeit wurde durch Untersuchung der Platten gemäß VDI 3866, Blatt 5 mittels Rasterelektronenmikroskopie mit angeschlossenem energiedispersivem System vor Versuchsbeginn festgestellt. Da die absolute Faseranzahl festgestellt werden sollte, wurde sowohl während des Bruches, als auch danach die gesamte Luft innerhalb der Versuchsapparatur gleichzeitig mit 2 Probenahmeköpfen abgesaugt und gemäß VDI 3492 ausgewertet. Insgesamt wurden je Versuch 150 Liter je Probenahmekopf abgesaugt, gesamt also 300 Liter. Das bedeutet, dass bei einem Rauminhalt der Versuchsapperatur von ca. 6 Liter diese 50-fach abgesaugt worden ist. Zusätzlich wurden die Bruchkanten mit der zweiten Filterapperatur abgesaugt, da diese Fasern lose an der Bruchkante angelagert sind und beim umsachgemäßen Umgang (z.b. Werfen) mit den gebrochen Platten freigesetzt werden können.

ESRSS-171222-6540-1600-4825 Seite 8 von 10 Folgende Platten wurde für die erste Versuchsserie herangezogen: Tabelle 1: Verwendete Platten Versuchsnummer Beschreibung Plattengröße (Breite x Länge x Dicke) 1 200 x 400 x 4 mm 2 200 x 400 x 4 mm 3 200 x 400 x 4 mm 4 200 x 400 x 4 mm 5 Weiße Platte 200 x 400 x 5 mm 6 200 x 400 x 4 mm 7 Weiße Platte 200 x 400 x 5 mm 8 Braune Platte 300 x 600 x 5 mm 9 Graue Platte 200 x 400 x 5 mm 10 200 x 400 x 4 mm 11 befeuchtet 300 x 600 x 5 mm 12 befeuchtet 300 x 600 x 5 mm Bei den Platten 1, 2, 3, 4, 6 und 10 handelt es sich um Platten, welche trocken und neu, d.h. ungebraucht und mit intakter Werksbeschichtung, auf einem Dachboden gelagert worden sind, um offenbar als Reservedeckung bei einem Schaden am betreffenden Dach eingesetzt zu werden. Das genaue Alter der Platten ist unbekannt. Die Platten selbst sind unzerstört. Die übrigen Platten stammen aus einer Absetzmulde in einem Altstoffsammelzentrum, über die Herkunft der Platten ist dem Verfasser nichts bekannt. Aufgrund der Beschaffenheit ist jedoch davon auszugehen, dass diese Platten eine unbekannte Zeit als Dach- bzw. Fassadenplatte im Einsatz waren. Die Platten für die Versuche 1 10 wurden in der Versuchsapparatur im trockenen Zustand gebrochen, die Platten für die Versuche 11 und 12 wurden vor dem Brechen an der Oberfläche einseitig mittels normalem Leitungswasser befeuchtet. Die Auswertung der Filter erfolgte mittels Rasterelektronenmikroskop mit energiedispersivem Analysensystem (REM/EDX) analog VDI 3492 wobei abweichend zur VDI 3492 die Auswertefläche deutlich vergrößert worden ist und 5,3 mm² betragen hat.

ESRSS-171222-6540-1600-4825 Seite 9 von 10 5.4 Ergebnisse Die folgenden Tabellen fassen die Ergebnisse der Versuche 1 12 zusammen: Tabelle 2 bis 4: Ergebnisse Versuchsnummer 1 2 3 4 Filternummer L-01 L-02 L-03 L-04 L-05 L-06 L-07 L-08 gezählte Fasern 117 240 42 462 232 709 83 601 Fasern auf Filter 7.800 16.000 2.800 30.800 15.467 47.267 5.533 40.067 Summe Fasern Bruch 23.800 33.600 62.733 45.600 Länge Bruchkante cm 20 22 20 21 Fasern/cm Bruchkante 1.190 1.563 3.137 2.224 Versuchsnummer 5 6 7 8 Filternummer L-09 L-10 L-11 L-12 L-13 L-14 L-15 L-16 gezählte Fasern 3.344 764 276 575 60 3.567 464 2.044 Fasern auf Filter 239.758 50.933 18.400 38.333 4.000 513.432 66.788 294.212 Summe Fasern Bruch 290.692 56.733 517.432 361.000 Länge Bruchkante cm 20 20 20 30 Fasern/cm Bruchkante 14.250 2.795 25.364 12.033 Versuchsnummer 9 10 11 12 Filternummer L-17 L-18 L-21 L-22 L-19 L-20 L-23 L-24 gezählte Fasern 1.249 1.218 51 304 65 138 66 126 Fasern auf Filter 179.780 175.318 7.341 43.758 9.356 19.864 9.500 18.136 Summe Fasern Bruch 355.098 51.098 29.220 27.636 Länge Bruchkante cm 21 31 31 32 Fasern/cm Bruchkante 17.322 1.675 943 864 6 Diskussion/Schlussfolgerungen Bei den durchgeführten Experimenten zeigte sich, dass die Faseranzahl beim Bruch stark variiert (siehe Tabelle 5). Dies hängt mit Sicherheit einerseits vom Alter der Platte, vom Verwitterungsgrad als auch von der Plattendicke ab. Während optisch oberflächlich glatte Platten, welche neu auf einem Dachboden als Reservedeckung abgelagert worden sind, in einem Bereich von 1.190 3.140 F/cm liegen, sind beanspruchte Platten, also Platten welche nach einer dem Verfasser unbekannten Zeit demontiert und entsorgt worden sind in einem Bereich von 12.000 25.400 F/cm. Benetzt man die Platten mit normalem Wasser, zeigt sich, dass die benetzten Platten deutlich weniger Fasern freisetzen und diese in einem Bereich von 860 und 940 F/cm liegt. Der jeweils 2. Filter pro Messung, mit dem zusätzlich die Bruchkanten abgesaugt wurden, zeigt eine deutlich höhere Faserbelegung als der 1. Messfilter. Diese Fasern sind lose an der Bruchkante angelagert und werden beim unsachgemäßen Umgang mit den gebrochenen

ESRSS-171222-6540-1600-4825 Seite 10 von 10 Platten freigesetzt. Sie tragen somit deutlich zum Faser-Freisetzungspotential beim unsachgemäßen Rückbau von Asbestzementplatten bei. Tabelle 5: Zusammenfassung der Ergebnisse Versuchsnummer 1 2 3 4 6 10 Beschreibung Länge der Bruchkante (cm) Summe Fasern Bruch (F) Faserfreisetzung pro cm Bruchkante (F/cm) 20 23.800 1.190 22 33.600 1.563 20 62.733 3.137 21 45.600 2.224 20 56.733 2.795 31 51.098 1.675 5 Weiße Platte 20 290.692 14.250 7 Weiße Platte 30 517.432 25.364 8 Braune Platte 30 361.000 12.033 9 Graue Platte 21 355.098 17.322 11 12 befeuchtet befeuchtet 31 29.220 943 32 27.636 864