Fachkräftemangel im Gesundheitswesen Anwerbung von Pflegekräften im Ausland

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1 Fachkräftemangel im Gesundheitswesen Anwerbung von Pflegekräften im Ausland Brüssel, Juli 2015 Inhaltsübersicht: I. Überblick... 1 II. EU-Studie zur Anwerbung und Bindung von Fachkräften für das Gesundheitswesen Fokus der Studie Erfolgsfaktoren für die Fachkräftegewinnung Austausch bewährter Verfahren... 3 III. Studie zur Anwerbung von internationalen Pflegekräften durch die deutsche Pflegebranche Pflegesituation in Deutschland Fachkräfte aus EU-Staaten Hindernisse Handlungsbedarf... 5 IV. Anwerbung von ausländischen Pflegefachkräften über die Agentur für Arbeit Informations- und Unterstützungsleistungen Anerkennung der Berufsqualifikation... 5 I. Überblick Europa sieht sich nach übereinstimmenden Prognosen mittelfristig mit einem Fachkräftemangel im Sozial- und Gesundheitsbereich konfrontiert. Dabei variieren die Probleme zwischen den Mitgliedstaaten, so verlieren einige Staaten junge Fachkräfte durch Auswanderung, während andere Mitgliedstaaten regionale Ungleichgewichte mit Personalmangel in ländlichen und abgelegenen Regionen aufweisen. Durch die anstehende Pensionierungswelle in den nächsten Jahren wird sich der Fachkräftemangel verschärfen, sodass dieser die Nachhaltigkeit der europäischen Gesundheitssysteme und die Versorgungssicherheit der Patienten gefährdet. II. EU-Studie zur Anwerbung und Bindung von Fachkräften für das Gesundheitswesen Die EU-Kommission hat im Juli 2015 die Ergebnisse einer Studie zu effektiven Strategien für die Anwerbung und Bindung von Fachkräften im 1

2 Gesundheitswesen veröffentlicht. Die Studie betont die Bedeutung und Dringlichkeit einer nachhaltigen Gewährleistung der Personaldeckung, um die Versorgungsqualität der Gesundheitssysteme sicherzustellen und zeigt Handlungsmöglichkeiten und Empfehlungen auf mitgliedstaatlicher sowie EU- Ebene auf. 1. Fokus der Studie Die im Jahr 2013 in Auftrag gegebene Studie fokussiert sich auf acht Themenbereiche, die dem beruflichen Werdegang von Fachkräften im Gesundheitswesen folgen und die zur eingehenden Untersuchung ausgewählt wurden: Anwerbung junger Menschen für das Gesundheitswesen Anwerbung und Bindung von Allgemeinmedizinern für die Primärversorgung in unterversorgten Regionen Aus- und Fortbildung sowie Forschungsmöglichkeiten für eine lebenslange Karriere Anwerbung von Krankenpflegern durch eine Ausweitung der Praxis und die Entwicklung hochwertiger Positionen Verbesserung des Arbeitsumfelds durch professionelle Unabhängigkeit und betriebliche Mitbestimmung Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Fachkräfte im Klinikbereich Wiedereinstieg in den Beruf für Fachkräfte im Gesundheitssektor Unterstützende Maßnahmen für ältere Fachkräfte 2. Erfolgsfaktoren für die Fachkräftegewinnung Die Studie identifiziert verschiedene Erfolgsfaktoren für die Gewinnung und Bindung von Fachkräften. Hier werden Maßnahmen im Rahmen der Aus- und Weiterbildung genannt, wie z.b. Ausbildungs- und Berufschancen für junge Menschen in benachteiligten Regionen, die Möglichkeit der systematischen beruflichen Weiterbildung oder die Attraktivitätssteigerung des Berufsbildes durch die Einräumung neuer Kompetenzen z.b. im Krankenpflegebereich. Ein weiterer wichtiger Aspekt sind die Arbeitsbedingungen. Dort werden neben rein finanziellen Anreizen vor allem Faktoren wie bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie z.b. durch Kinderbetreuungsangebote oder Aktivitäten für das körperliche und geistige Wohlbefinden der Mitarbeiter aufgezählt. Weitere Bereiche betreffen die Erleichterungen des Wiedereinstiegs in den Beruf für Fachkräfte sowie unterstützende Maßnahmen für ältere Mitarbeiter. Grundsätzlich sind die Maßnahmen nach Berücksichtigung der jeweiligen Zielgruppe und nach den konkreten Bedingungen vor Ort auszuwählen und zu kombinieren. Die Studie betont daher die Notwendigkeit gemeinsamer Strategien der eingebundenen Akteure sowie flexibler Initiativen. Auch sollten 2

3 diese Initiativen Instrumente zur Kontrolle und Auswertung entsprechender Personalgewinnungsmaßnahmen anhand Zielvorgaben, Fristen und standardisierter Indikatoren umfassen. Als mögliche Indikatoren zählt die Studie insoweit Beschäftigungsquote, Index zur Stabilität des Personalstands, Fluktuationsquote, Anzahl der unbesetzten Stellen und Dauer bis zur Neubesetzung, Ausbildungszahlen und Daten zur beruflichen Zufriedenheit auf. 3. Austausch bewährter Verfahren Die Studie berücksichtigt zudem, dass die zur Bekämpfung des Fachkräftemangels verfolgten Strategien in den Mitgliedstaaten differieren und betont daher die Bedeutung des Wissenstransfers und des Austauschs bewährter Verfahren zwischen den Mitgliedstaaten. Hier sieht die Studie auch eine wichtige Aufgabe für die EU in der Förderung des grenzüberschreitenden Erfahrungsaustausches. Maßnahmen zur Gewinnung von Fachkräften finden aktuell überwiegend auf nationaler, regionaler oder kommunaler Ebene statt. Hier könnten eine EU-finanzierte Forschung und europaweite Verbreitung und Erfassung der Ergebnisse in einer EU-Wissensdatenbank einen bedeutenden Mehrwert bei der Entwicklung neuer Strategien und innovativer Ansätze leisten. Die Studie kommt zu dem Fazit, dass in Anbetracht des drohenden Fachkräftemangels sowohl kurzfristige Maßnahmen als auch nachhaltige Planungen erforderlich sind, um die Versorgungsqualität im Gesundheitswesen aufrecht zu erhalten. Dazu muss die Schaffung attraktiver Arbeitsbedingungen im Gesundheitswesen langfristig auf der mitgliedstaatlichen sowie europäischen politischen Agenda bleiben. III. Studie zur Anwerbung von internationalen Pflegekräften durch die deutsche Pflegebranche 1. Pflegesituation in Deutschland Auch der Pflegebereich in Deutschland ist von dem Fachkräftemangel betroffen und wird sich aufgrund des demografischen Wandels mittelfristig zuspitzen. Eine ergänzende Handlungsalternative zur Begegnung dieses Problems ist die Anwerbung von Pflegefachkräften aus dem Ausland. Diesbezüglich hat die Bertelsmann Stiftung am die Studie Internationale Fachkräfterekrutierung in der deutschen Pflegebranche veröffentlicht. Die Studie zeigt, dass die Mehrheit der deutschen Pflegeunternehmen trotz Personalmangels bislang mit der gezielten Anwerbung ausländischer Fachkräfte zurückhaltend ist. Für die Studie wurden etwa 600 Unternehmen in Deutschland befragt. Demnach haben derzeit 61 % freie Stellen, durchschnittlich bleiben 4,3 Stellen unbesetzt. Bislang haben nur etwa 16 % der deutschen Pflegebetriebe Fachkräfte im 3

4 Ausland rekrutiert. Stattdessen haben 20 % versucht, Personal von der Konkurrenz abzuwerben oder den Krankenstand der Belegschaft zu senken (83 %). Die Zurückhaltung der Unternehmen ist laut den befragten Unternehmen darauf zurückzuführen, dass die Anwerbung ausländischer Fachkräfte mit vielen Hindernissen verbunden sei. Genannt wurden der hohe (Kosten- )Aufwand für die Rekrutierung, Sprachprobleme sowie rechtliche Hürden. Für über die Hälfte der Pflegebetriebe ohne Rekrutierungserfahrung im Ausland sei dies daher auch künftig keine Option. 2. Fachkräfte aus EU-Staaten Bei Krankenpflege- und Altenpflegeeinrichtung haben in den vergangen drei Jahren ein Fünftel versucht, Fachkräfte im Ausland zu gewinnen. Bei den ambulanten Pflegediensten hat sogar nur jeder Zehnte internationale Rekrutierungsversuche unternommen. Soweit Pflegekräfte im Ausland angeworben werden, zeigt sich eine klare Präferenz zur Rekrutierung aus EU- Mitgliedstaaten. In den letzten drei Jahren waren 93 % der international anwerbenden Unternehmen in EU-Staaten aktiv, nur 31 % der Unternehmen rekrutierten Pflegekräfte auch in Ländern außerhalb der EU. Dabei konzentrierten sich zwei Drittel der Unternehmen bei der Auslandsrekrutierung ausschließlich auf die EU. Wichtigstes EU-Herkunftsland war dabei Spanien, wo 61 % aller Unternehmen mit internationaler Rekrutierungserfahrung Fachkräfte anwarben, gefolgt von Polen (19%), Kroatien (16%), Rumänien (14%), Italien (13%) und Griechenland (12%). Die Rekrutierungsversuche außerhalb der EU verteilten sich vor allem auf osteuropäische (Bosnien und Herzegowina, Ukraine, Russland, Moldawien) und asiatische (China, Philippinen, Vietnam) Staaten. 3. Hindernisse Insgesamt gaben 83 % der befragten Unternehmen an, bei Anwerbeerfahrung bereits auf bürokratische Hemmnisse gestoßen zu sein. Zwei Drittel berichteten von Schwierigkeiten bei der Anerkennung von Berufsqualifikationen. Diesbezüglich ist anzumerken, dass bei der Rekrutierung aus EU-Staaten aufgrund bestehender Anerkennungsmechanismen geringere Probleme bestehen. Zudem hatten 60 % Schwierigkeiten mit der Einwanderungserlaubnis für Angehörige aus Staaten außerhalb der EU. Gleichzeitig gaben 60% der Befragten an, mit den gewonnenen Fachkräften zufrieden zu sein. 48 % schätzen ihre Einsatzbereitschaft sogar höher ein als die ihrer deutschen Mitarbeiter. Dagegen wird die Praxiserfahrung bei ausländischen Fachkräften mit 53 % schlechter eingestuft als bei deutschen Kollegen. 4

5 4. Handlungsbedarf Zur Vereinfachung der internationalen Fachkräftegewinnung gaben zwei Drittel der Unternehmen den Abbau rechtlicher Hürden und 87 % bessere Angebote an Sprach- und Integrationskursen an. Insbesondere kleine und mittlere Betriebe benötigten Unterstützung. Hilfreich für eine erfolgreichere Anwerbung aus dem Ausland seien zudem bessere Informationen für die Unternehmen, ein einheitliches Verfahren bei der Berufsanerkennung von Pflegefachkräften sowie einfachere Zuwanderungsregeln. IV. Anwerbung von ausländischen Pflegefachkräften über die Agentur für Arbeit 1. Informations- und Unterstützungsleistungen Unterstützung bei der Rekrutierung von Pflegefachkräften im Ausland bietet die Agentur für Arbeit über die Zentrale Auslands- und Fachvermittlung (ZAV). Diese sucht im Auftrag der örtlichen Arbeitsagenturen im Ausland nach geeigneten Bewerbern und vermittelt ausschließlich Bewerber mit Abschluss einer mindestens dreijährigen Ausbildung oder eines Studiums. Die ZAV gewinnt schwerpunktmäßig Pflegekräfte in anderen EU-Staaten und sucht auf Informations- und Auswahlveranstaltungen in Europa qualifizierte Pflegekräfte und berät sie zu Arbeitsmöglichkeiten sowie Lebens- und Arbeitsbedingungen in Deutschland. Darüber hinaus werden auch außerhalb der EU in Drittstaaten Pflegekräfte angeworben. Erster Ansprechpartner für suchende Unternehmen ist daher der Arbeitgeber- Service der örtlichen Agentur für Arbeit, der entsprechende Beratungsleistungen erbringt. Voraussetzung für die Vermittlung ist u.a., dass das Gehalt und die sonstigen Arbeitsbedingungen den geltenden tariflichen bzw. ortsüblichen Voraussetzungen entsprechen. 2. Anerkennung der Berufsqualifikation Bei der Anerkennung der ausländischen Berufsqualifikation ist zwischen Staatsangehörigen aus der Europäischen Union und Staatsbürgern aus Drittstaaten zu unterscheiden. Für in der EU erworbene Krankenpflegeausbildungen gilt gemäß der EU-Berufsqualifikationsrichtlinie grundsätzlich eine automatische Anerkennung. Voraussetzung für die Erteilung der Berufsurkunde sind allerdings zudem ausreichende Sprachkenntnisse. Für Pflegekräfte mit Abschlüssen aus Drittstaaten muss generell ein Anerkennungsverfahren durchgeführt werden. Bis zur Anerkennung ist ggf. eine Beschäftigung als Krankenpflegehilfskraft möglich. 5