Der sanierungsrechtliche Ausgleichsbetrag

Größe: px
Ab Seite anzeigen:

Download "Der sanierungsrechtliche Ausgleichsbetrag"

Transkript

1 Der sanierungsrechtliche Ausgleichsbetrag Kurzdarstellung Stadt Braunschweig Abt. Stadtplanung Stelle Stadterneuerung Platz der Deutschen Einheit Braunschweig Stand: Juni 2012 Kontaktdaten für nähere Informationen: Michael Waßmann Stadt Braunschweig, Stelle Stadterneuerung Rathaus Altbau, 3. OG, Zimmer 171. Termine nach Absprache. Telefon: , Fax: , michael.wassmann@braunschweig.de

2 1 Einführung Warum ein Ausgleichsbetrag? Ausgleichsbeträge gleichen den in Geld fassbaren Bodenwertunterschied zwischen Beginn und Ende der Sanierung aus. Der sanierungsbedingte Bodenwertzuwachs wird damit abgeschöpft. Der Ausgleichsbetrag ist ein Finanzierungsbeitrag für die städtebauliche Sanierung, der von den Grundstückseigentümern aufzubringen ist, die die Vorteile der Sanierung erfahren. Im Gegenzug fallen Erschließungs- und Straßenausbaubeiträge nicht an. Im Ausgleichsbetrag kommt die Sozialbindung des Eigentums nach Art. 14 Abs. 2 des Grundgesetzes zum Ausdruck. Würde der Bodenwertzuwachs nicht abgeschöpft, erhielten die Eigentümer einen unverdienten Vermögensvorteil. Da der Ausgleichsbetrag der sanierungsbedingten Bodenwerterhöhung des Grundstücks entspricht, neutralisiert sich die Regelung für den Eigentümer vermögensmäßig, ihm entsteht durch die Sanierungsmaßnahme im Ergebnis weder ein Gewinn noch ein Verlust. Die Erhebung liegt nicht im Ermessen der Gemeinde. Der Gesetzgeber hat die Abschöpfung sanierungsbedingter Bodenwertsteigerungen im Baugesetzbuch zwingend vorgeschrieben. Der Ausgleichsbetrag ist zur Finanzierung der Sanierungsmaßnahme einzusetzen. Damit verbleibt der Ausgleichsbetrag im Sanierungsgebiet und entlastet zugleich die Allgemeinheit, indem sich die aufzubringenden öffentlichen Finanzierungsmittel etwas reduzieren (typischerweise 5 bis 15 % der Sanierungskosten). 2 Entstehen und Funktion des Ausgleichsbetrages Gehäufte städtebauliche Missstände können nach entsprechender vorbereitender Untersuchung ( 141 Baugesetzbuch - BauGB) auf entspr. Beschluss der Gemeinde zu einem städtebaulichen Sanierungsgebiet führen, dass per Sanierungssatzung förmlich festgelegt werden kann (qualifiziertes Sanierungsverfahren). Die Missstände sollen durch Maßnahmen der städtebaulichen Sanierung behoben werden. Hierdurch können sanierungsbedingte Bodenwertsteigerungen eintreten. 2.1 Tätigkeit der Gemeinde Die Gemeinde entwickelt und verfolgt Sanierungsziele und sie passt diese laufend an. Im Sinne dieser Sanierungsziele berät und initiiert, fördert und finanziert, steuert und lenkt, plant und baut die Gemeinde. Dabei werden öffentliche Mittel, v.a. Städtebauförderungsmittel, besonders konzentriert zur Missstandsbehebung und zur Gebietsaufwertung eingesetzt. Der Anschub- und Verfielfältiger-Effekt ist enorm. Je nach Fördergebiet folgen jedem einzelnen Euro Fördergeld 7 bis über 10 an privaten Investitionen. Sie setzt zur Umsetzung der Aufgaben einen Sanierungsträger und ein Quartiersmanagement ein, sie vernetzt die beteiligten Fachämter und ermöglicht eine tiefere politische Beteiligung sowie eine Einbindung der Bürger in politische und verwaltungsmäßige Entscheidungsfindungen. Zur Sicherung der Sanierungsziele setzt sie das gesetzlich geregelte Instrument der sanierungsrechtlichen Genehmigung ein ( 144 BauGB).

3 2.2 Preispolitische Konzeption Besondere Bedeutung kommt der Prüfung von Grundstücks- bzw. Wohnungskaufpreisen zu, ob diese sich innerhalb der Grenze des Verkehrswertes befinden. Übersteigen sie den Verkehrswert erheblich, liegt darin unwiderlegbar eine Erschwerung der Sanierung begründet ( 153 Abs. 2 BauGB). Erreicht werden soll allgemein eine Stabilisierung des Grundstücksmarktes im Sanierungsgebiet. Preisspekulationen aus Anlass der städtebaulichen Sanierung sollen vermieden werden. Soweit zu Sanierungszwecken ein Grunderwerb durch die Gemeinde erfolgen muss, ermöglicht die Preisbindung den Einstieg der Gemeinde zu Verkehrswert in fairer Konkurrenz zu anderen Teilnehmern des Grundstücksmarktes. Insbesondere dient die Vorschrift aber auch dem Schutz desjenigen Grundstückskäufers, von dem am Ende die sanierungsbedingten Bodenwertsteigerungen mit dem Ausgleichsbetrag abgeschöpft werden. Soweit der Ausgleichsbetrag entrichtet oder abgelöst ist, ist ein wesentlich überhöhter Kaufpreis kein unwiderlegbarer Versagungsgrund mehr für die sanierungsrechtliche Genehmigung. Das bedeutet aber nicht automatisch, dass eine Kaufpreisprüfung oder gar eine Pflicht zur sanierungsrechtlichen Genehmigung entfällt. Dazu müsste das Grundstück aus dem Sanierungsverfahren entlassen werden ( 163 BauGB). 3 Ermittlung des Ausgleichsbetrages Laut Gesetz ergibt sich die sanierungsbedingte Bodenwerterhöhung aus der Differenz zwischen Endwert und Anfangswert zu einem gleichen Stichtag. Es geht jeweils um den reinen Bodenwert. Der Ausgleichsbetrag entspricht dieser sanierungsbedingten Bodenwerterhöhung in Geld. 3.1 Anfangswert Der Anfangswert ist der Wert ohne Sanierung und ohne Aussicht darauf; Qualitätsstichtag i.d.r. Zeitpunkt der veröffentlichten Beschlussfassung über das Einleiten von vorbereitenden Untersuchungen nach 141 BauGB. Entscheidend ist nur die Qualität des Grundstückes zu diesem Zeitpunkt nach seinen rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten, insbesondere: das Planungsrecht individuelle Rechte und Belastungen (v.a. Geh-, Fahr-, Leitungsrechte, Baulasten u.a.m. Eigenschaften und Beschaffenheit des Grundstückes (Erschließung, Zuschnitt, Lage, Altlasten etc.) das Umfeld, die Infrastruktur 3.2 Endwert Die Qualität zum Endwert ergibt sich aus dem Zustand des Grundstücks nach der rechtlichen und tatsächlichen Neuordnung ( 154 Abs. 2 BauGB). Für den Zustand maßgebend sind insbesondere die Vorbereitung ( 140) und die Durchführung ( 146) der städtebaulichen Sanierung, die auf die Gebietsstruktur, die Lage des Grundstücks, den Entwicklungszustand, Art und Maß der baulichen Nutzung sowie den Erschließungszustand Einfluss nehmen.

4 3.3 Rechtliche und tatsächliche Neuordnung Die rechtliche Neuordnung ergibt sich aus den Zielen und Zwecken der Sanierung, die planungsrechtliche Auswirkungen auf das Sanierungsgebiet haben, z.b. durch einen Sanierungsbebauungsplan, aber auch durch einen Rahmenplan. Weiter sind Maßnahmen der Bodenordnung und sämtliche rechtliche Regelungen zu berücksichtigen, die für die Grundstücke wirksam sind. Die tatsächliche Neuordnung umfasst alle Ordnungs- und Baumaßnahmen, die im Zuge des Sanierungsverfahrens von der Gemeinde oder durch den Sanierungsträger durchgeführt bzw. begleitet und gefördert wurden. 3.4 Wertrelevante Einflussfaktoren Welche Einflussfaktoren im Sanierungsverfahren wertrelevant sind, benennt 136 Abs. 3 BauGB. Sie beziehen sich vor allem auf Verbesserungen - der Nutzbarkeit des Grundstücks zum Wohnen und Arbeiten (z.b. aufgrund der Festsetzungen des Sanierungsbebauungsplanes), - der Erschließung und - der Gebietsstruktur (Lage- und Umfeldverbesserungen). Allgemeine Verbesserungen im Sanierungsgebiet - Planung und Plandurchführung - Beseitigung störender Anlagen - Verbesserung der Verkehrsführung - Bau neuer Gemeinbedarfs- und Folgeeinrichtungen, Spielplätze, Grünflächen, Quartierszentren - Gestaltungsverbesserungen Bauliche Nutzbarkeit - Änderung der Art der Nutzung, z.b. die Möglichkeit, in Zukunft ein Straßencafe oder ähnliches zu betreiben - Änderung des Maßes der Nutzung - Beschaffenheit des Baugrunds - bestehen bleibende Bebauung ( 16 Abs. 4 ImmoWertV) - Altlasten Erschließung - Verbesserung der Erschießungssituation allgemein, z.b. Verbesserung - einer engen Durchfahrt oder ungünstigen Ausfahrt - neue Erschließungsanlagen, z.b. Bau einer neuen Anlieferungsmöglichkeit - Fortfall einer vorhandenen Erschließung - Realisierung von Geh-, Fahr- und Leitungsrechten - Verkehrsfluss und Dichte im Quartier und in der erschließenden Straße - (Beruhigung oder Hochstufung zur Umgehungsstraße) Qualitative Lageveränderung - günstige oder ungünstige Form des Grundstücks - Lage am Rande des Sanierungsgebiets - Lage in der Nähe bedeutender (neuer) Geschäfte - Einrichtung einer Fußgängerzone - mehr oder weniger Passanten - überdurchschnittliche Länge von Ver- und Entsorgungsleitungen

5 Umfeld - Begrünung - Beseitigung störender Anlagen - Beseitigung störender Emissionen - Verkehrsberuhigung - Gestaltung des öffentlichen Raums 3.5 Nicht für den Wert relevante Einflussfaktoren - Externe Effekte (z. B. Immissionen aus benachbarten Anlagen, angrenzenden Vergnügungsvierteln, überörtlichem Verkehr etc.) - nicht messbare/nicht bestimmbare Auswirkungen - wertneutrale Auswirkungen bzw. Kompensation durch sanierungsbedingte Nachteile (z.b. infolge veränderter Verkehrsführung) 3.6 Problematik bebauter Grundstücke 154 Abs. 2 BauGB versteht unter den Begriffen Anfangs- und Endwert generell Bodenwerte eines unbebauten Grundstücks. Sind Anfangs- und Endwerte für ein bebautes Grundstück zu ermitteln, sind die Bestimmungen des 16 Abs. 4 ImmoWertV einzuhalten, was bedeutet: - Beeinflussung dieses Bodenwertes durch vorhandene Bebauung, wenn z.b. geringere bauliche Ausnutzung als zulässig und dies wirtschaftlich geboten scheint (hohe Restnutzungsdauer) oder gewünscht ist (Denkmalschutz). - u. U. gedämpfter Bodenwert im Anfangs- und Endwert. 4 Bewertungsverfahren Die Gemeinde ist in der Wahl des Verfahrens frei ( 10 Abs. 1 und 15 ImmoWertV). Es gibt eine ganze Reihe von Bewertungsverfahren, die aber einen unterschiedlichen Eignungsgrad für die Ausgleichsbetragsermittlung haben. Die Stadt Braunschweig hat sich für das Niedersachsen-Verfahren als das regelmäßig anzuwendende Verfahren entschieden (v.a. für Bescheide). Dafür sprechen die breite fachliche wie gerichtliche Anerkennung, die Zugrundelegung einer breiten empirischen Basis sowie die relativ hohe Anwendungssicherheit. Es ist für die klassische städtebauliche Sanierung ebenso geeignet, wie für die Sanierung in der Programmkomponente Soziale Stadt und bei Stadtumbauprozessen. Im Einverständnis mit dem Grundstückseigentümer kann auch ein vereinfachtes Begutachtungsverfahren zur Ermittlung der sanierungsbedingte Bodenwerterhöhung verwendet werden, vor allem bei vorzeitiger (vertraglicher) Ablösung (nicht zu verwechseln mit der Regelung in 154 Abs. 2a BauGB! vgl. unten, Abschnitt 4.2). 4.1 Niedersachsen-Verfahren Merkmalserfassung - Ermittlung der rechtlichen und tatsächlichen Merkmale zu den Qualitätsstichtagen des Anfangswertes und des Endwertes - Ermittlung der Missstände des Grundstückes sowie des Umfeldes - Feststellung und Beurteilung der rechtlichen und tatsächlichen Neuordnung des Grundstückes sowie des Umfeldes, einschl. des Planungsrechts - Ermittlung der weiteren Maßnahmen der Sanierung im Umfeld - Festlegen des Wertermittlungsstichtages

6 4.1.2 Wertermittlung - Ermittlung des Anfangswertes für den Wertermittlungsstichtag, ggf. unter Zugrundelegung (und grundstücksbezogener Umrechnung) des Anfangsrichtwertes aus den Unterlagen des Gutachterausschusses für Grundstückswerte (unabh. Landesbehörde) - Zuordnung der Missstände und der Maßnahmen entsprechend den Parametern des Niedersachsen-Verfahrens nach Kanngieser/Bodenstein - sodann Einstufung der Missstände und der Maßnahmen in die Klassifikationsrahmen des Niedersachsen-Modells Beispiel für die Lage in einer Anfangs-Bodenrichtwertzone von 160 /qm sowie End- Bodenrichtwertzone von 170 /qm und die grundstücksbezogene Umrechnung nach GFZ: Auszug besondere Bodenrichtwertkarte des Gutachterausschusses, Stichtag , Richtwertzone Hedwigstraße Die in der Richtwertzone getroffene Festlegung eines Anfangs-Bodenrichtwertes von 160 /qm basiert (ggf. unter Berücksichtigung des Planungsrechts) auf Basis einer GFZ von 1,2. Der End-Bodenrichtwert beträgt 170 /qm; das entspricht einer Richtwertsteigerung von 6,3 %. Das markierte Grundstück weist beispielsweise angenommen eine GFZ von 2,8 auf. Die Umrechnung erfolgt mithilfe der Umrechnungskoeffizienten des Gutachterausschusses, die für die GFZ 1,2 = 1,06 und für die GFZ 2,8 = 1,38 betragen. Der Anfangsbodenwert beträgt also (160 /qm x 1,38) / 1,06 = rd. 208 /qm, der Endbodenwert entsprechend 221 /qm, Differenz: 13 /qm. Unverändert bleibt die Richtwertsteigerung bei 6,3 % Parameterzuordnung Folgenden Parametern werden Missstände und Maßnahmen zugeordnet: Dabei sind gebietsbezogene Maßnahmen z.b.: Verbesserung der technischen und sozialen Infrastruktur. rechtliche Neuordnung des Gebietes durch Bodensonderungsmaßnahmen Erstellung von Sanierungs-Bebauungsplänen; Verbesserung der Wohnfunktion und des Fußgängerverkehrs durch verkehrsberuhigende Maßnahmen

7 Grundstücksbezogene Maßnahmen sind z.b.: Verbesserung der Grundstücksstruktur, Regelung der Eigentumsverhältnisse Verbesserung der Erschließungssituation. Sodann erfolgt die Einstufung in die sog. Klassifikationsrahmen. Hiermit werden den Missstände und Maßnahmen je nach Ausprägungsgrad mit einer Matrix Punktwerte zugeordnet. Dies ist ein Akt wertender Erkenntnis, es ist der unbestimmte Rechtsbegriff sanierungsbedingte Bodenwertsteigerung auszufüllen. Die konkreten Missständen und Maßnahmen sind je nach ihrer Bedeutung und auch je nach Entfernung zum Bewertungsgrundstück abzuschätzen und einzuordnen. Ziel ist die Gewinnung einer durchschnittlichen Punkteinstufung für die Summe aller Missstände und aller Maßnahmen über jeweils alle Parameter. Beispiel für eine Einstufung: Im Umfeld des Grundstückes im gleichen sowie einem angrenzenden Straßenzug sind rund ein Viertel der Gebäude unter Inanspruchnahme von Fördermitteln mehr oder weniger durchgreifend modernisiert und instandgesetzt worden. Es gab eine Verbesserung des Grundstückszuschnittes (verbreiterte Zufahrt). In der Nachbarschaft wurde ein Kleinkinderspielplatz komplett umgestaltet und ein Jugendspielplatz neu geschaffen. Die Straße wurde mit Bäumen versehen. Komplex Missstände Kennziffer Maßnahmen Kennziffer 1) Bebauung gering instandsetzungsund modernisierungsbedürftig (z.b. äußere Beschaffenheit) 4 einfache Modernisierung und Instandsetzung 4 2) Struktur überwiegend günstig 1 einzelne Maßnahmen 1 3) Nutzung - keine keine - 0 4) Umfeld einige Infrastrukureinrichtungen fehlen 3 gezielte Ergänzung der Infrastruktur 3 Summe: 8 8 Kennzahl (Kennziffern/4) Ableitung der Wertsteigerung Die der sanierungsbedingten Bodenwertsteigerung wird mit der Kennzahl aus einer Matrix abgeleitet:

8 4.1.5 Berechnung der sanierungsbedingten Bodenwertsteigerung: Die Bodenwerterhöhung beträgt demnach 6,9 %. Also: 208 /qm x 6,9 % = 14,35 /qm. Unter Berücksichtigung der Bodenrichtwertsteigerung von 6,3 % (siehe oben, Ziffer 4.1.2) erscheint dieser individuelle Wert auch plausibel. Der Anfangswert beträgt somit 208 /qm, der Endwert 222,35 /qm. Bei einer angenommenen Grundstücksfläche von 350 qm ergäben sich insgesamt Anfangs-Bodenwert und rd End-Bodenwert, der Ausgleichsbetrag errechnet sich als Differenz also zu Wichtig ist, dass der Endwert auf den gleichen Wertermittlungsstichtag bezogen ist, wie der Anfangswert. Damit werden bloße konjunkturelle Werteinflüsse ausgeschlossen ( 16 Abs. 5 ImmoWertV). Davon zu unterscheiden ist der Qualitätsstichtag. Für den Anfangswert liegt er vor der Sanierung. Für den Endwert hingegen liegt der Qualitätsstichtag beim Abschluss der Sanierung Abschlag für unfertige Maßnahmen Noch unfertige Maßnahmen bzw. ein in der Zukunft liegender Abschluss der Sanierung werden ggf. über eine Abzinsung berücksichtigt ( Pionierabschlag ). Angenommen, bei dem obigen Beispiel wären 25 % der wertsteigernden Maßnahmen noch gar nicht realisiert, jedoch sei ihre Fertigstellung im Mittel innerhalb der nächsten 4 Jahre zu erwarten, so würde sich nach den Regeln der Wertermittlungsverordnung ( 2 Abs. 3 ImmoWertV) sowie der Anlage 9a zur Wertermittlungsrichtlinie (WertR) ein Abschlag von rd. 265 ergeben, also rd. 5 % des Ausgleichsbetrages Beispiele für sanierungsbedingte Bodenwerterhöhungen Ein anschauliches Beispiel das Prinzip der sanierungsbedingten Bodenwerterhöhung mit zwei Qualitätsstichtagen (Beginn und Ende der Sanierung), aber einem einheitlichen Wertermittlungsstichtag (zum Ende der Sanierung) Quelle: Bayerisches Staatsministerium des Innern, Arbeitsblatt Nr. 4 Ausgleichsbeträge in Sanierungsgebieten

9 4.1.8 Ausgleichsbeträge auch bei sinkenden Bodenwert bzw. Verkehrswerten Insgesamt sinkende Bodenwerte stehen einer Ausgleichsbetragserhebung nicht entgegen, sofern eine sanierungsbedingte Bodenwerterhöhung gutachtlich nachgewiesen werden kann. In Zeiten sinkender Preise, ob aus konjunkturellen Gründen oder aufgrund externer Effekte (z.b. steigende Lärmbelastung durch benachbarte Verkehrsadern), wirken die Sanierungserfolge zumindest preisstabilisierend bzw. begrenzen die Sanierungserfolge den Preisverfall. Auch das sind abzuschöpfende Wertvorteile im Sinne des 154 BauGB. 4.2 Vereinfachte Ausgleichsbetragsermittlung Mit einer 2007 erfolgten Neuregelung ( 154 Abs. 2 a BauGB) ermöglicht der Gesetzgeber eine vereinfachte Ausgleichsbetragsermittlung auf Basis der Kosten für die Erweiterung oder Verbesserung der Erschließungsanlagen. Die Anwendung dieser Option setzt einen Satzungsbeschluss mit Wirkung für das ganze Sanierungsgebiet voraus, zulässig auch im laufenden Verfahren. Dafür muss plausibel anzunehmen sein, dass die sanierungsbedingte Bodenwerterhöhung nicht wesentlich über der Hälfte des Erschließungsaufwandes liegt. Maximal 50 % des Erschließungsaufwandes dürfen bei der Berechnung dieses sog. kleinen Erschließungsbeitrages einfließen. Jedes Grundstück trägt davon nach seinem Flächenanteil am gesamten Sanierungsgebiet ohne die Flächen der Verkehrsanlagen. Der Vorteil liegt in dem u. U. erheblich geringeren Verwaltungsaufwand. Auf der anderen Seite liegen aber auch die Einnahmen geringer, als beim richtigen Ausgleichsbetrag. Dies kann zur Anwendung der Bagatellklausel führen ( 155 Abs. 3 BauGB), was aber dem Sinn der Neuregelung zuwiderläuft. Vor allem darf die Neuregelung nicht hierzu instrumentalisiert werden. Es ist aber zu bedenken, dass bei einer inhomogenen Verteilung von Maßnahmen, Kosten und Effekten im Sanierungsgebiet einige Eigentümer mit der vereinfachten Ausgleichsbetragserhebung besser, andere schlechter gestellt werden. Unter diesen Gesichtspunkten wäre die Ermessensentscheidung zu treffen. Das vereinfachte Verfahren bietet sich unbeschadet der gesetzlichen Voraussetzungen an bei nicht zu großen, relativ homogenen Gebieten mit nicht zu unterschiedlich ausgeprägten Bodenwerterhöhungen. Verwaltungsvereinfachung und mögliche Mindereinnahmen müssen abgewo-

10 gen sein. Hingegen würde ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz vorliegen bei weitläufigen und inhomogenen Gebieten, wo Grundstücke ohne oder mit kaum messbarer Bodenwerterhöhung nun gleichwohl mit einem Ausgleichsbetrag belastet werden, während Grundstücke im Umfeld bedeutend wertsteigernder Maßnahmen deutlich entlastet werden (Quersubventionierung). Für das flächenmäßig ausgedehnte und sehr inhomogene Westliche Ringgebiet scheidet die vereinfachte Ausgleichsbetragserhebung nach 154 Abs. 2a BauGB jedenfalls aus. 5 Anrechnung, Entfall, Bagatellklausel, Gemeinbedarfsgrundstücke Das Gesetz nennt in 155 Abs. 1 BauGB Anrechnungstatbestände: - Vorteile oder Bodenwerterhöhnungen durch die Sanierung, die in anderen Verfahren berücksichtigt werden (z.b. im Umlegungsverfahren gemäß 45 bis 84 BauGB) - eigene Leistungen: selbst bewirkte Bodenwerterhöhnungen bzw. aufgewendete Kosten für bestimmte Maßnahmen, - zulässigerweise bereits als Kaufpreis entrichtete Bodenwerterhöhungen, also Erwerb eines Grundstückes von der Gemeinde zum Endwert oder Erwerb eines Grundstückes von einem Dritten von der Gemeinde genehmigt zu einem Preis, der den Verkehrswert (Anfangswert) wesentlich überschreitet 155 Abs. 2 BauGB: Der Ausgleichsbetrag entfällt in Umlegungsgebieten nach 153 Abs. 5 BauGB. Bagatellen: Von der Ausgleichsbetragserhebung kann für Sanierungsgebiete oder Teile abgesehen werden, wenn nur geringfügige Bodenwerterhöhungen ermittelt werden oder die Erhebung unverhältnismäßigen Aufwand bedingt ( 155 Abs. 3 BauGB). Diese Ermessensentscheidung der Verwaltung kann nicht vom Betroffenen beantragt werden. Sie dient nur dem öffentlichen Interesse, ungerechtfertigten Verwaltungsaufwand zu vermeiden. Auch Grundstücke, die für Zwecke des Gemeinbedarfs genutzt werden (gleich, ob durch privaten oder öffentlich-rechtlichen Eigentümer bzw. Träger), unterliegen grundsätzlich der Ausgleichsbetragspflicht. Soweit unverrückbarer bzw. auf absehbare Zeit bleibender Gemeinbedarf vorliegt (Sakralbauten, Friedhöfe, öff. Plätze, private Erschließungsstraßen) fällt ein Ausgleichsbetrag jedoch unter Umständen nicht bzw. nur teilweise an oder der Ausgleichsbetrag wird nur in reduziertem Umfang erhoben. Soweit die Voraussetzungen erfüllt sind, kann auch ein (teilweiser) Erlass aus öffentlichem Interesse geboten sein. Hier kommt es jedoch auf den Einzelfall an, so dass pauschale Aussagen nicht getroffen werden können. 6 Erhebung 6.1 Heranziehungsbescheid Im Regelfall wird der Ausgleichsbetrag durch Bescheid erhoben; der Eigentümer wird herangezogen ( 154 Abs. 4 BauGB). Der richtige Zeitpunkt ist normalerweise nach Abschluss der Sanierung gegeben ( 154 Abs. 3 BauGB), also - nach Aufhebung des Sanierungsgebietes ( 162 BauGB) oder - nach Entlassung einzelner Grundstücks aus den Rechtswirkungen der Sanierung ( 163 BauGB) Mit einer Aufhebung des Sanierungsgebietes Westliches Ringgebiet ist nicht vor 2017 zu rechnen. Die Aufhebung würde auch in mehreren Schritten jeweils für Teilbereich erfolgen, in denen die Sanierung jeweils abgeschlossen ist bzw. alle maßgeblichen Ziele erreicht sind.

11 Auf Antrag kann auch eine vorzeitige Festsetzung erfolgen, wenn ein berechtigtes Interesse besteht und der Ausgleichsbetrag hinreichend sicher ermittelt werden kann. Abgesehen davon können von der Gemeinde auch Vorauszahlungen verlangt werden, die auf den endgültigen Betrag angerechnet werden. 6.2 Ablösung Die Gemeinde kann auch die Ablösung des Ausgleichsbetrages zulassen, allerdings nur vor Abschluss der Sanierung ( 154 Abs. 3 Satz 2 BauGB). Die Ablösung wird in einem öffentlich-rechtlichen Vertrag geregelt, unter Umständen kombiniert mit einer zu verrechnenden Bezuschussung von Maßnahmen der Modernisierung und Instandsetzung ( 177 BauGB). Der Ablösebetrag kann ausdrücklich auch höher als der Ausgleichsbetrag festgelegt werden, um die (künftigen) Kosten der Sanierung zu decken. Die frühzeitige Ablösung des Ausgleichsbetrages hebt die Ausgleichsbetragsverpflichtung dauerhaft auf. Deswegen kann sie im Interesse des Grundstückseigentümers liegen, weil er damit möglicherweise günstiger gestellt ist, als zu einem späteren Zeitpunkt. Außerdem entfällt dann die besondere Strenge bei der sanierungsrechtlichen Prüfung von Grundstückskaufpreisen, d.h. der Grundstückseigentümer kann freier über sein Grundstück verfügen (vgl. oben, Abschnitt 2.2) Insbesondere bei der Ablösung des Ausgleichsbetrages kommt zum Tragen, dass die Gemeinde in der Wahl des Wertermittlungsverfahrens frei ist. Es können auch vereinfachte Verfahren angewendet werden, insbesondere kann eine überschlägige, zonale Ermittlung des Ausgleichsbetrages erfolgen. Auszug besondere Bodenrichtwertkarte des Gutachterausschusses, Stichtag , Richtwertzone Hedwigstraße Ausgehend von dem unter Ziffer gezeigten Beispiel eines Anfangs-Bodenrichtwertes von 160 /qm (bei einer GFZ von 1,2) erfolgt eine Umrechnung anhand der tatsächlichen GFZ des konkreten Grundstückes von 2,8. Dies führt zu einem Anfangsbodenwert von 208 /qm. Der Endbodenrichtwert von 170 /qm wird analog angepasst zu einem der Endbodenwert entsprechend 221 /qm. Die Differenz beider Werte beträgt 13 /qm, was einer Wertsteigerung bei 6,3 % entspricht. Dieser Ausgleichsbetrag wäre dann maßgeblich für die Ablösung. Bei einer Grundstücksfläche von z.b. 350 qm wäre insofern grundsätzlich ein Ablösebetrag von zu zahlen. Der Ablösebetrag kann von der Gemeinde auch höher festgelegt werden, um die Kosten der Sanierungsmaßnahmen zu decken ( 154 Abs. 3 Satz 2 BauGB). Auf der anderen Seite ist bei einer vorzeitigen Ablösung in der Regel ein Pionierabschlag für unfertige Sanierungsmaßnahmen zu ermitteln und ggf. einzuräumen (vgl. Ziffer 4.1.6). 6.3 Eigenheiten der Ausgleichsbetragserhebung Der Ausgleichsbetrag ruht, abweichend von anderen öffentlichen grundstücksbezogenen Abgaben, nicht als öffentliche Last auf dem Grundstück. Ausgleichsbetragspflichtig ist immer der aktuelle Eigentümer bzw. bei zurückliegendem Abschluss der Sanierung der Eigentümer zum Zeitpunkt des Abschlusses. Im Gegensatz zu anderen Grundbesitzabgaben werden Erbbauberechtigter oder Nießbrauchsinhaber und dergleichen nicht herangezogen sondern der Eigentümer.

12 Für die Festsetzung und Erhebung des Ausgleichsbetrages ist eine Frist für die sog. Festsetzungsverjährung zu beachten. Diese beträgt 4 Jahre, beginnend mit dem Jahr, dass auf den Zeitpunkt des Abschlusses der Sanierung (Entlassung eines Grundstückes bzw. Aufheben der Sanierungssatzung) folgt. Wurde beispielsweise für ein Grundstück durch Verwaltungsakt mit Wirkung zum 15. März 2012 der Fortfall der Rechtswirkungen der Sanierung beschieden, beginnt die Frist am 1. Januar 2013 und Festsetzungsverjährung tritt ein mit Ablauf des 31. Dezember Eine Satzungsaufhebung per 30. Juni 2017 führt demgemäß für die betroffenen Grundstücke zur Festsetzungsverjährung mit Ablauf des 31. Dezember Billigkeitsmaßnahmen Da mit dem Ausgleichsbetrag der sanierungsbedingte Bodenwertgewinn abgeschöpft wird, ist in der Heranziehung zur Zahlung regelmäßig keine unbillige Härte zu sehen; die Heranziehung steht im öffentlichen Interesse. Wie bei allen öffentlich-rechtlichen Abgaben geht die Ausgleichsbetragsforderung privatrechtlichen Verpflichtungen und Forderungen vor. Das Aufbringen des fälligen Ausgleichsbetrages kann im Einzelfall gleichwohl eine erhebliche finanzielle Belastung bedeuten, etwas weil der Betrag in keinem angemessenen Verhältnis zur (augenblicklichen) wirtschaftlichen Situation des Grundstückes steht oder die Forderung sonstigen sachlichen oder aus persönlichen Gründen unbillig ist, also sogenannte Härtefälle vorliegen. Auch ein öffentliches Interesse kann der Ausgleichsbetragserhebung im Einzelfall entgegenstehen. Nach dem Gesetz kann auf Härtefälle bzw. öffentliche Interessenslagen reagiert werden mit - Stundung, - Umwandlung in ein (angepasstes) Tilgungsdarlehen, - teilweisem oder ganzem Absehen von der Erhebung bzw. einem Forderungserlass. Hierüber ist ggf. im Einzelfall eine Entscheidung zu treffen. Rechtzeitig vor dem Heranziehungsbescheid wird der Ausgleichsbetragspflichtige detailliert auf diese Möglichkeiten hingewiesen und bei Bedarf dann auch individuell beraten. 6.5 Steuerliche Berücksichtung Unter Umständen kann der zahlungspflichtige Eigentümer den entrichteten Ausgleichs- bzw. Ablösebetrag steuerlich gelten machen, und zwar - als Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten der Immobilie und/oder - als Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben. Dies prüft das Veranlagungsfinanzamt. Zu diesem Zweck stellt die Gemeinde (auf Anfrage) eine steuerliche Bescheinigung über - den entrichteten Betrag, - den Rechtsgrund der Zahlung (Bescheid, Ablösung etc.), - die prozentuale Wertsteigerung sowie - ggf. ursächliche wesentliche Qualitätsverbesserungen des Grundstückes im Rahmen der Sanierung (Verbesserung der Bebaubarkeit oder Erschließung) aus. Im Näheren: vgl. Bundessteuerblatt 2003, Teil I, S. 492.