DBW-Stichwort Externes Umweltschutz-Reporting

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1 DBW-Stichwort Externes Umweltschutz-Reporting Professor Dr. Christoph Lange und Dr. Anette von Ahsen beide Universität Essen Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insb. Umweltwirtschaft und Controlling Fachbereich Essen c.lange@uni-essen.de anette.von-ahsen@uni-essen.de

2 DBW-Stichwort Externes Umweltschutz-Reporting 1. Begriff und Arten Das externe Umweltschutz-Reporting umfasst die fallweise und/oder regelmäßige Bereitstellung von Informationen über die umweltschutzbezogene Lage eines Unternehmens an externe Stakeholder. 1 Als umweltschutzbezogene Lage wird dabei zum einen die ökologische Lage bezeichnet, die durch die von der Unternehmenstätigkeit ausgehenden Umweltwirkungen, d. h. insbesondere stoffliche und energetische In- und Outputströme, bestimmt wird. Zum anderen wird sie durch die Interdependenzen zwischen den Umweltwirkungen und der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens determiniert. So können aus den Umweltwirkungen einerseits finanzielle Risiken, etwa in Form entgangener Deckungsbeiträge oder zusätzlicher Kosten bzw. Investitionsauszahlungen, resultieren. Andererseits entstehen möglicherweise Chancen, wie eine erhöhte Wettbewerbsfähigkeit aufgrund von Differenzierungsvorteilen, z. B. durch eine bessere Recyclefähigkeit der Produkte, oder Kostensenkungspotenziale, z. B. durch die Reduzierung des Ressourceneinsatzes. Die Informationen werden mithilfe des Betrieblichen Umweltinformationssystems erfasst, entscheidungsorientiert aufbereitet und zunächst unternehmensintern, z. B. der Unternehmensleitung oder den Umweltschutzbeauftragten, bereitgestellt. Zudem sind sie die Basis für das Reporting an externe Stakeholder, wobei zu differenzieren ist (siehe Abbildung 1): Umweltschutz-Publizität an die allgemeine Öffentlichkeit, z. B. Umwelterklärungen gem. EMAS-II 2 und Umweltberichte, Umweltschutz-Reporting an spezifische Adressaten aufgrund gesetzlicher Informationssonderrechte, z. B. Emissionserklärungen und Abfallwirtschaftskonzepte an die zuständigen Behörden, Umweltschutz-Reporting an spezifische Benutzer aufgrund faktischer Machtpositionen, z. B. Life Cycle Assessment-Reports an Kunden. Umweltschutzbezogene Informationen werden nicht nur einseitig bereitgestellt. Vielmehr handelt es sich um einen wechselseitigen Kommunikationsprozess zwischen dem 1 2 Vgl. Lange/Ahsen/Daldrup (2001), S. 5 f. Vgl. EMAS-II (2001), Anhang III.

3 Unternehmen und seinen Stakeholdern, dem gerade auch in Unternehmenskooperationen eine steigende Bedeutung zukommt. 3 Externe Anspruchsgruppen als Informationsnachfrager des Umweltschutz-Reporting keine Informationssonderrechte gesetzliche Informationssonderrechte faktische Informationsbeschaffungsmöglichkeiten Umweltschutz- Publizität Adressatenspezifisches Umweltschutz-Reporting Benutzerspezifisches Umweltschutz-Reporting Allgemeine Öffentlichkeit Öffentliche Adressaten Nicht-öffentliche Adressaten Spezifische Benutzer Zusammenfassung aller externen Anspruchsgruppen eines Unternehmens Kontroll- und Genehmigungsinstitutionen Statistische Ämter... Arbeitnehmer(-vertreter) Kunden Geschädigte... Versicherungen Kreditinstitute Unternehmenskäufer Ökologisch orientierte Investoren Ökologisch orientierte Kunden(-unternehmen)... Abbildung 1: Arten der Umweltschutz-Publizität 2. Ziele und Ausgestaltung Die Stakeholder eines Unternehmens können Interessen verfolgen, die (möglicherweise) im Konflikt zur Erreichung der Unternehmensziele stehen. Vor diesem Hintergrund ist es das Ziel des Umweltschutz-Reporting, durch den Abbau von Informationsasymmetrien zu erreichen, dass die als strategisch relevant ermittelten Stakeholder ihre Entscheidungen im Sinne der Unternehmensziele ausrichten. Der hierbei angestrebte Nutzen, der aus der verbesserten Zielerreichung resultiert, ist mit den Kosten der Informationsbereitstellung abzuwägen. Für die Ausgestaltung der Umweltschutz-Publizität wird zwischen der Informationsbereitstellung im Rahmen der Berichterstattung einerseits primär über die wirtschaftliche und andererseits primär über die ökologische Lage unterschieden. Als Ziel steht auch hier die Beeinflussung des Entscheidungsverhaltens im Sinne der 3 Vgl. Lange/Schaefer/Daldrup (2001), S

4 Unternehmensziele im Vordergrund; so kann etwa versucht werden, durch das Schaffen von Vertrauen eine erhöhte Akzeptanz der mit der Unternehmenstätigkeit verbundenen Umweltwirkungen zu erzielen. Im Rahmen der Umweltschutz-Publizität primär über die wirtschaftliche Lage eines Unternehmens, insb. in Geschäftsberichten, ist der Informationsbereitstellung im handelsrechtlichen Lagebericht eine besondere Bedeutung beizumessen, da hier über ggf. bestehende Berichtspflichten hinausgehend freiwillige Informationen gewährt werden können. Dabei sind aber die Ziele der handelsrechtlichen Rechnungslegung und die (gemeinsamen) Informationsbedürfnisse der Jahresabschlussadressaten, die insb. Informationen über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des berichtenden Unternehmens erwarten, zu berücksichtigen. Daher halten wir es für (rechnungslegungs-)zweckentsprechend, im Lagebericht ggf. zusammengefasst in einem gesonderten Umweltschutz-Kapitel ausschließlich die Interdependenzen zwischen dem Umweltschutz und der wirtschaftlichen Lage eines Unternehmens darzustellen. Informationen primär über die ökologische Lage eines Unternehmens sind dagegen in spezifischen Reporting-Modulen zu veröffentlichen. Hier kommt Umwelterklärungen gem. EMAS-II eine besondere Relevanz zu. In der Verordnung sind die inhaltlichen Bereiche von Umwelterklärungen festgelegt: Ein Schwerpunkt soll auf der Beschreibung und Erklärung der mit den Unternehmenstätigkeiten verbundenen Umweltwirkungen sowie der Umweltleistungen liegen. Zudem sind Umweltpolitik und -ziele sowie das Umweltmanagement darzustellen. Im Gegensatz zu Umwelterklärungen gibt es für freiwillige Umweltberichte keine zwingenden Vorgaben. Allerdings wird national wie international eine meist an den Vorgaben für Umwelterklärungen orientiere Standardisierung, z. B. durch Normen, diskutiert. 4 Das adressatenspezifische Umweltschutz-Reporting reicht von allgemein formulierten Informationssonderrechten öffentlicher Adressaten, z. B. im Rahmen der allgemeinen Regelüberwachung, oder nicht-öffentlicher Adressaten, etwa auf Basis des UmweltHG, bis zu detailliert geregelten Berichtspflichten, wie dies etwa für Emissionserklärungen oder umweltstatistische Datenerhebungen gilt. Auf Basis der häufig engen Kommunikationsbeziehungen ist es beim benutzerspezifischen Umweltschutz-Reporting möglich, das Informationsangebot unmittelbar an den Bedürfnissen des jeweiligen Informationsnachfragers auszurichten. So benötigen z. B. Versicherungen zur Festlegung der Konditionen eines Umwelthaftpflicht-Vertrages, Unternehmenskäufer zur Grenzpreisermittlung im Rahmen eines Environmental Due Diligence Review sowie 4 Vgl. etwa DIN 33922; Global Reporting Initiative (GRI) (1999).

5 ökologisch orientierte Kunden zur Lieferantenbewertung unterschiedliche umweltschutzbezogene Informationen. Voraussetzung, um die Ziele des Umweltschutz-Reporting erreichen zu können, ist die Vertrauenswürdigkeit der gewährten Informationen. Diese kann erhöht werden, indem der Informationsanbieter Grundsätze ordnungsmäßigen Umweltschutz-Reporting beachtet. 5 Hier bestehen intensive Standardisierungsbemühungen, die meist auf den Anforderungen gem. EMAS-II basierend zur Ausfüllung der Prämisse der Wesentlichkeit etwa die Grundsätze der (1) Vollständigkeit, (2) Richtigkeit und Willkürfreiheit, (3) Klarheit, (4) Dialogorientierung sowie (5) Stetigkeit vorschlagen. Zudem bietet sich zur Gewährleistung der Vertrauenswürdigkeit die externe Prüfung der bereitgestellten Informationen an; teilweise bestehen sogar Prüfungspflichten. Für die Erhöhung der Aussagefähigkeit des Umweltschutz-Reporting im Sinne der Interpretierbarkeit und Vergleichbarkeit kommt schließlich der entscheidungsorientierten Verdichtung quantitativ erfassbarer (umweltschutzbezogener) Sachverhalte mit Hilfe von Kennzahlen eine große Bedeutung zu. 3. Ausblick: Erweiterung zum Sustainability Reporting? Vor dem Hintergrund der zunehmenden Bedeutung des Sustainability-Leitbildes wird vermehrt eine Ausweitung des Umweltschutz-Reporting um ökonomische und soziale Informationen gefordert (sog. triple bottom line ), wobei jedoch meist weitgehend offen bleibt, was v. a. unter der sozialen Dimension zu verstehen ist. Leitfäden für ein Sustainability Reporting 6 versuchen, hier eine Konkretisierung vorzunehmen, indem etwa relevante Themenbereiche (z. B. Arbeitssicherheit, Interessen sozialer und ethnischer Minderheiten) abgegrenzt und jeweils Kennzahlen vorgeschlagen werden. Ergebnisse einer ersten umfassenden empirischen Studie 7 zeigen sowohl die wachsende Bedeutung einer solchen Konzeption als auch die große Unterschiedlichkeit der Berichtsinhalte. Zudem werden die Sustainability Reports häufig durch Informationen im Internet ergänzt. Denkbar sind sogar Konzeptionen, die es verschiedenen Stakeholdergruppen ermöglichen, sich selbständig den jeweiligen individuellen Interessen entsprechende Reports zu generieren. Hierzu müssen entsprechende Data-Warehouses, in denen der Datenbestand des Unternehmens zur Verfügung gestellt wird, konzipiert werden. Über ein Webportal können 5 6 Vgl. Steven/Schwarz/Letmathe (1997), S ; Fédération des Experts Comptables Européens (2000), insb. S. 3 und S ; Lange/Ahsen/Daldrup (2001), S. 199 sowie die dort angegebene Literatur. Vgl. z. B. Global Reporting Initiative (GRI) (1999).

6 die unterschiedlichen Funktionalitäten genutzt werden, wobei über entsprechend definierte Zugriffsrechte zu steuern ist, welche Daten von welchen Stakeholdern abgerufen werden können. Literaturhinweise Deutsches Institut für Normung e.v. (1997) DIN 33922: Leitfaden. Umweltberichte für die Öffentlichkeit, Berlin. EMAS-II (2001): Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. März 2001 über die freiwillige Beteiligung von Organisationen an einem Gemeinschaftssystem für das Umweltmanagement und die Umweltbetriebsprüfung (EMAS). In: AblEG Nr: L 114 vom 24. April 2001, S. 1. Fédération des Experts Comptables Européens (2000): Towards a Generally Accepted Framework for Environmental Reporting, Bruxells Global Reporting Initiative (GRI) (1999): Sustainability Reporting Guidelines, Boston. Lange, Christoph/Ahsen, Anette von/daldrup, Herbert (2001): Umweltschutz-Reporting. Umwelterklärungen und -berichte als Module eines Reportingsystems, München, Wien Lange, Christoph/Schaefer, Sigrid/Daldrup, Herbert (2001): Integriertes Controlling in Strategischen Unternehmensnetzwerken. In: Controlling 13. Jg. (2001), Heft 2, S Steven, Marion/Schwarz, Erich J./Letmathe, Peter (1997): Umweltberichterstattung und Umwelterklärung nach der EG-Öko-Audit-Verordnung. Grundlagen, Methoden, Anwendung. Heidelberg. SustainAbility/United Nations Environment Programme (2000): The Global Reporters. The first international benchmark survey of corporate sustainability reporting, London. 7 SustainAbility/United Nations Environment Programme (2000).