PRIDE NEWSLETTER

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1 NEWS 1.11 PRIDE NEWSLETTER Kehrtwende im Krankenstand Projektergebnisse der buw Holding GmbH

2 NEUES AUS DEM VERBUNDPROJEKT PRIDE PRIDE wird gefördert von: Liebe Leserin, lieber Leser Impressum Der Stolz auf die eigene Arbeit, gepaart mit der Anerkennung Dritter, sind wichtige Motivatoren, die zur treibenden Kraft für die gesamte wirtschaftliche Entwicklung werden können. Gelingt es, für den Wert der professionellen Dienstleistungsarbeit ein ähnliches Bewusstsein zu wecken wie für die industrielle Facharbeit, so wird die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen spürbar gestärkt. Von dieser These geht das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Verbundvorhaben PRIDE»Wertschöpfungstransparenz und Wertschätzung als Innovationsressourcen für den Dienstleistungsbereich«aus. Ziel des Vorhabens ist es, die Wechselwirkungen zwischen Wertschöpfung, Wert-schätzung, Stolz und Anerkennung bei Dienstleistungstätigkeiten aufzudecken und, basierend auf wissenschaftlichen Studien und betrieblichen Erprobungen, zur Etablierung eines neuen Leitbildes der Dienstleistungsfacharbeit beizutragen. Zu diesem Zweck arbeiteten unter Federführung des Fraunhofer Instituts Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) neben einer Reihe von wissenschaftlichen Experten auch Vertreter aus fünf deutschen Unternehmen eng zusammen. In loser Folge werden jetzt die Ergebnisse aus betrieblicher Praxis und wissenschaftlicher Forschung im Rahmen von Newslettern publiziert. Newsletter beschäftigt sich mit dem Teilprojekt der buw Holding GmbH:. Förderkennzeichen 01FB08038 Mit Erfolg hat die Mitarbeiter umfassende buw Unternehmensgruppe neue Stellschrauben bei der Mitarbeitermotivation identifiziert und justiert. Die Personalentwickler des Unternehmens analysierten zuvor sowohl frustrierende als auch motivierende Arbeitssituationen und leiteten daraus praxistaugliche Maßnahmen ab, um den Mitarbeiterstolz und damit auch die Mitarbeiterbindung zu erhöhen. Wir wünschen Ihnen eine spannende Lektüre! Sibylle Hermann Fraunhofer IAO Nobelstr Stuttgart Ansprechpartner Sibylle Hermann Telefon sibylle.hermann@iao.fraunhofer.de Autor Reinhard Myritz Bildnachweis buw

3 Veränderung des Krankenstands, Grafik: buw Kehrtwende beim Krankenstand Die Vereinigung von Höflichkeit mit Stolz ist»kaum jemand macht sich ein Bild davon, nach Ansicht von Arthur Schopenhauer wie hart dieser Job ist«, charakterisiert ein Meisterstück und das tägliche Brot der Eitelberg die von Vorurteilen geprägte telefonischen buw-kundenbetreuer. Situation.»Telefonieren kann doch jeder, ist Das sieht auch Lennart Eitelberg von der buw die gängige Meinung.«Holding GmbH aus Osnabrück so und fühlt sich durch die Resultate des Verbundprojektes»Pride«bestätigt. Er ist als getan. Die hauptsächlich im Sitzen ausge- Mit dem Telefonieren aber ist es allein nicht Referent für die strategische Personalentwicklung des bundesweit agierenden dem Headset auf dem Kopf, begrenzt die übte Tätigkeit vor dem Bildschirm, stets mit Dienstleisters tätig. Der weitaus größte Teil Bewegungsmöglichkeit der Kundenberater der rund Beschäftigten arbeitet als auf den jeweiligen Arbeitsplatz. Kundenberater in einem der buw-callcenter. Hinzu kommt eine kontinuierliche Geräuschkulisse durch viele gleichzeitig sprechende Berater und ein Raumklima, welches nicht immer den Bedürfnissen aller Mitarbeiter entspricht. Neben diesen physischen Rahmenbedingungen sind die Mitarbeiter mitunter auch psychischem Stress ausgesetzt, beispielsweise dem Ärger mit Kunden. Zur körperlichen Belastung gesellt sich deshalb rasch auch eine emotionale Erschöpfung zwei Faktoren, die der Leistung einzelner Mitarbeiter abträglich sind und unter Umständen sogar ihre Gesundheit beeinträchtigen können. Der Krankenstand und die Frühfluktuation, also die Beendigung des Arbeitsverhältnisses von Mitarbeitern innerhalb der ersten sechs Monate, sind deshalb in der Callcenter -Branche vergleichsweise hoch. Entsprechend schlagen darum auch die Lohnfortzahlungskosten bzw. die Kosten für die Rekrutierung und vor allem das intensive Training neuer Kundenberater zu Buche. Das Arbeitsklima und die Motivation der Kundenberater leiden unter diesen Bedingungen ebenfalls. Wenn dann noch die soziale Anerkennung fehlt, kann sich ein gesunder Stolz auf die eigene Arbeit und das Unternehmen nicht entfalten. Ist der Callcenter-Agent also idealtypisch für einen Dienstleistungs-Job mit schlechtem Image?»Für uns stellt diese Situation eine zentrale Herausforderung dar«, fasst Lennart Eitelberg zusammen,»denn wir stehen als Unternehmen im Wettbewerb. Also haben wir überlegt, an welchen Stellschrauben wir drehen können, um die Situation grundsätzlich zu optimieren. Herausgekommen ist ein Personalentwicklungsmodell, das im Kern auf höhere Wertschätzung setzt und aus vier Handlungsfeldern besteht: Erstens intensivieren wir unser betriebliches Gesundheitswesen. Zweitens machen wir unsere Kundenberater jetzt noch stärker als vorher fit für die Übernahme von mehr Eigenverantwortung. Drittens entwickeln wir in einem Integrationsplan für neue Mitarbeiter unsere Einarbeitungsmaßnahmen weiter, und viertens verstärken wir das Betreuungsverhältnis zwischen Kundenberatern und Vorgesetzten um einen wertschätzenden Umgang im Team, um so das Stolzempfinden zu steigern.«der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten. Im Jahr 2010 ist es buw gelungen, im Vergleich zum Vorjahr den Krankenstand und damit die Lohnfortzahlungsquote um gut ein Prozent zu reduzieren. Nach Aussage des Personalentwicklers bedeute dies eine reale Kostenersparnis von annähernd Euro im Jahr. Mit dem Slogan»Fit im Job mit Dr. Bob«entwickelte das buw-team eine Identifikationsfigur, die für das ganzheitliche Konzept des betrieblichen Gesundheitsmanagements steht. Hinter»Dr. Bob«verbirgt sich eine Vielzahl von Maßnahmen mit dem

4 Ziel, durch gesunde Mitarbeiter langfristig Produktivität und Qualität zu sichern, Fehlzeiten zu reduzieren und dank eines gewachsenen Gesundheitsbewusstseins und mehr Eigenverantwortung zur Mitarbeiterbindung beizutragen. Ein zweiter Aspekt betrifft neue Wege der Anerkennung im Rahmen der betrieblichen Weiterbildung. Ziel ist es, den Handlungsund Entscheidungsspielraum der Kundenberater zu erweitern und ihnen damit mehr Verantwortung und mehr Mitbestimmung zu übergeben.»der Zusammenhang ist ganz klar«, weiß Lennart Eitelberg,»je mehr ich selbst entscheiden und gestalten kann, umso zufriedener bin ich mit meiner Arbeit. Ich bin dann stolz auf die eigene Leistung, aber auch auf mein Unternehmen, das mir diese Leistung zutraut und auf mich baut.«das sei nicht zuletzt auch eine Kostenfrage, ergänzt er. Erst nach vielen Monaten Schulung und Einarbeitungszeit sei ein Kundenberater ein Experte auf seinem Gebiet. Ein Kundenberater ist also für das Unternehmen umso teurer, je früher er das Handtuch wirft und kündigt. Mit der dritten und vierten Stellschraube wird vor allem dieser Frühfluktuation begegnet. Das Handlungsfeld besteht aus eng miteinander verflochtenen Maßnahmen zur Integration neuer Kundenberater. Zu diesem Integrationsplan gehört u.a. ein Patensystem. Hier kümmern sich erfahrene High Performer von Anfang an um die Neuen, natürlich auf freiwilliger Basis. Die Mitarbeiter entscheiden auch weitgehend selbst, wie ihre Arbeitsplätze oder Pausenräume gestaltet werden, um sie individuellen Anforderungen anzupassen. Dafür steht ihnen ein Motivationsbudget zur Verfügung, um Pflanzen, Kaffeemaschinen oder ähnliche Dinge kaufen zu können. Die Koordination des Motivationsbudgets übernimmt eine von den Kundenberatern gewählte Vertrauensperson, die neben dem Betriebsrat eine zusätzliche»stimme«des Teams gegenüber den Führungskräften darstellt. Das buw-projekt wird von der EBS Business School wissenschaftlich begleitet. EBS-Experte Tobias Krämer kommentiert:»wir hatten die These aufgestellt, dass Emotionen und besonders Ärger und Stolz in Dienstleistungsberufen und hier insbesondere bei Kundenberatern in Callcentern von besonderer Bedeutung seien. Wir vermuteten, dass Ärger vor allem durch angreifendes Verhalten entsteht und langfristig bei häufigen, intensiven Gefühlen zu einer emotionalen Ermüdung der Mitarbeiter führt. Stolz dagegen scheint vor allem durch Anerkennung zu entstehen und zu einer emotionalen Bindung der Mitarbeiter an das Unternehmen zu führen.«um dies zu untersuchen, wurden buw-kundenberater und Teamleiter mehrfach interviewt. buw-beraterin im Kundengespräch, Foto: buw

5 Parallel dazu führten Kundenberater über zwei Wochen ein sogenanntes Stolz-Tagebuch, notierten akribisch Ursachen für ihren Ärger, aber auch Situationen, in denen sie Stolz empfanden. Vollständige Anonymität war durchweg gewährleistet, um das Ergebnis nicht zu verfälschen. Rund 500 einzelne Stolz- und ebenso viele Ärger- Ereignisse listeten die Kundenberater auf. Das Fazit des Forschers:»Bei den Kundenberatern steigt die Bindung an den Job und auch an den Arbeitgeber umso mehr, je selbständiger sie agieren und je mehr Verantwortung sie übernehmen dürfen. Sie spulen dann nicht einfach nur angelernte Informationen ab, als drückte man gewissermaßen auf einen Knopf. Stattdessen stellen sie sich den Herausforderungen durch die Kunden und entwickeln dank der größer gewordenen Entscheidungsfreiheit innerhalb ihrer Tätigkeit Stolz auf ihre Arbeit und ihr Unternehmen. Das ist ganz entscheidend für das Thema Fluktuation und Absentismus, denn die wachsende Identifikation von Mitarbeitern mit ihrem Arbeitgeber spielt eine entscheidende Rolle für mögliche Wechselabsichten.«Ein Projektziel ist erreicht worden: Die Mitarbeiter empfinden nicht zuletzt dank»dr. Bob«und der vielfältigen Möglichkeiten, auf Wunsch mehr Eigeninitiative entfalten zu dürfen, eine höhere Wertschätzung. Ein schwerpunktmäßig auf Prävention basierendes betriebliches Gesundheitsmanagement erleichtert ihnen die Arbeit, hält sie fit und leistungsfähig und hilft auf diesem Weg auch durch eine höhere Arbeitsmotivation die eigenen Leistungen steigern zu können. Der Stolz auf das Erreichte steigt ebenso wie auch der Stolz auf den Arbeitgeber, der aufgrund seines professionellen Gesundheitsmanagements sogar im Top-Job-Wettbewerb 2011 eine Top-Plazierung erreicht hat. Autor: Reinhard Myritz buw Holding GmbH Rheiner Landstraße Osnabrück EBS Business School Rheingaustr Oestrich-Winkel Projektergebnisse Optimierung des betrieblichen Gesundheitsmanagements»Fit im Job mit Dr. Bob«mit einer Fülle von Maßnahmen als zentrales Element einer neuen Gesundheitskultur Erweiterung der Handlungsspielräume der Kundenberater mit Hilfe der betrieblichen Weiterbildung, um ihnen mehr Mitbestimmungsmöglichkeiten und Verantwortung zu geben Strukturieren eines Integrationsplans zur Einarbeitung für neue Mitarbeiter mit einer Fülle von Maßnahmen, um vorhandene Ressourcen wie Qualifikation und Eigeninitiative besser zu nutzen Intensivierung des Betreuungsverhältnisses zwischen Kundenberatern und Vorgesetzten, um einen wertschätzenden Umgang im Team zu fördern und so das Stolzempfinden zu steigern. Im Jahr 2010 gelang es buw, im Vergleich zum Vorjahr die Krankenquote und damit die Lohnfortzahlung um gut ein Prozent zu reduzieren und bis zu Euro einzusparen.