3D versus 3D. Kurzfassung. Eine typische Situation

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1 3D versus 3D Kurzfassung Das Ziel, recherchefähige Daten in der Bauforschung zu erzeugen, wird häufig mit dem Wunsch nach einer 3D-Repräsentation der Geometriedaten verbunden. Die Vorstellungen, was ein sinnvolles 3D-Modell auszeichnet, gehen dabei weit auseinander: Vom Kanten-, über ein Volumenmodell bis hin zum typisierten Bauteilmodell in einem datenbankbasierten Informationssystem reicht das Spektrum der Ansprüche. Es wird eine Systematisierung der denkbaren 3D-Modelle vorgeschlagen. Die Alternativen werden bezüglich des Zwecks, der Kompatibilität und des Erzeugungsaufwands diskutiert. Ein Schwerpunkt liegt bei einer Potentialanalyse des jeweiligen Modells für Visualisierungen, Simulationen und automatisierten Recherchen über dem Datenmaterial. Aber auch die Ableitung klassischer Arbeitsgrundlagen wie Grundrisse, Schnitte und Stücklisten wird bei Betrachtung der neuen Möglichkeiten nicht vernachlässigt. Letztendlich beeinflussen die verfügbaren technischen Systeme für Messung, Datenerfassung und -speicherung die Auswahl des geeigneten 3D-Modell-Typs signifikant. Eine typische Situation An einen Hersteller von Software und Aufmasssystemen wenden sich oft Bauforscher und Aufmassspezialisten mit den Fragen ihres konkreten Projektes. Das klingt dann häufig so: Wir müssen ein Angebot für ein verformungsgerechtes 3D-Aufmaß abgeben. Die Pläne sollen im AutoCAD-ADT-Format abgegeben werden. Geht das mit Ihrer Software? Hinter solchen Fragestellungen steht häufig eine gewisse Unsicherheit der Auftraggeber und Dienstleister bezüglich sinnvollen und zukunftssicheren CAD- Datenmodellen. Dabei sollte die Entscheidung, in welchem Format die Ergebnisse eines Aufmaßes, einer Bestandserfassung abgelegt werden sollen, von einem ganz naheliegende Kriterium abhängen: Welche Aufgaben sollen heute und in absehbarer Zukunft mit dem Datenbestand gelöst werden? Sollen Stücklisten und Massen (automatisch) ermittelt werden? Sollen die Daten in ein übergeordnetes Informationssystem (CAFM, GIS oder spezielle Datenbanklösung) kubit GmbH Seite 1 von 11

2 integriert werden. Sollen Visualisierungen abgeleitet werden? Wer betrachtet solche Visualisierungen ausschließlich Fachleute oder auch in der Interpretation technischer Zeichnungen nicht geschulte Laien? Hinter der im Eingangszitat genannten Anforderung 3D steckt häufig nur, dass Höhenangaben und in komplizierteren Situationen Ansichten und Vertikalschnitte zum Verständnis des Bauwerks notwendig sind. Die Anforderung ADT-Format bezieht sich auf den Architekturaufsatz Architectural Desktop des CAD-Systems AutoCAD. Dieses verbreitete System unterstützt dreidimensionale Gebäudemodelle aber auch traditionelle 2D-Grundrisse mit Höheninformation. Diese Angaben genügen also noch nicht, um das Ergebnisformat hinreichend zu beschreiben oder gar eine geeignete Erfassungstechnologie zu charakterisieren. CAD-Modelle Im Folgenden werden die gängigen CAD-Modelle beschrieben und die jeweils geeigneten Anwendungsfälle diskutiert. Grundrisse und Vertikalschnitte Als Ergebnis der herkömmlichen Architekturvermessung werden Bauwerke als maßstäbliche Schnitt- und Ansichtspläne dargestellt. Im CAD-System entstehen dabei abstrakte geometrische Objekte wie Linien, Bögen und Texte, die durch verschiedene Signaturen, Farben und Layerzuordnungen differenziert werden. Alle diese Objekte liegen in einer horizontalen oder vertikalen 2D-Ebene. Die grafische Unterscheidung der Linien erfolgt meist unter zwei Aspekten, 1. der Funktion (Fenster, Wand, Tür usw.) sowie 2. der geometrische Lage bezüglich der Schnittebene (geschnitten, in der Ansicht oder abgelotet). Diese Unterscheidungen sind allerdings der Software nicht bewusst. Das eigentliche Gebäudemodell entsteht also ausschließlich im Kopf des Betrachters. Das CAD- Programm hat nur eine grafische interne Repräsentation der dargestellten Inhalte: Dem CAD-Programm ist nicht bekannt, dass ein Viertelkreis unter bestimmten Umständen gemeinsam mit einer Linie ein Türobjekt symbolisiert. Das CAD-System kann auch elementare Fragestellungen, wie die nach der Anzahl der Räume oder der Türen nicht automatisch beantworten. Dennoch kann sich der Fachmann oder die Expertin mithilfe von verschiedenen Ansichten und Höhenangaben ein sehr gutes Bild von den räumlichen Verhältnissen verschaffen. Die Zeichnung stellt einen kubit GmbH Seite 2 von 11

3 graphischen Code zwischen dem Ersteller des Aufmaßes und dem Betrachter dar, der solange funktioniert, wie beide Seiten die Vereinbarungen kennen. Das Fokussieren auf eine Schnittebene bedeutet eine Informationsreduktion, die es dem Betrachter ermöglicht, die einzelne Zeichnung zu deuten und aus einer Menge von Zeichnungen ein mentales 3D-Modell aufzubauen. (File: grundriss.tif Bildunterschrift: Grundriss; der graphische Code ist dem Fachmann gut verständlich. Das 3D-Modell entsteht im Kopf des Betrachters) Vorteil dieses einfachsten CAD-Modells ist die hohe Kompatibilität. Eine linienhafte CAD-Zeichnung kann heute verlustfrei zwischen den verschiedensten CAD- und Informationssystemen ausgetauscht werden. Darüber hinaus kann der Detaillierungsgrad der Darstellung beliebig festgelegt werden. Der Erfassende entscheidet im Wissen um den späteren Verwendungszweck, welche Erscheinungen am realen Objekt signifikant sind. Auch unkonventionelle Formen (und Verformungen) können aus den graphischen Primitiven zusammengesetzt werden. Die kreative Arbeitsweise mit Karton und Bleistift kann nachempfunden werden. Damit sind im Bereich der Dokumentation historischer Bauwerke 2D-Grundrisse und Schnitte inklusive Papierplots nach wie vor unersetzlich. Für durch Linienzeichnungen kubit GmbH Seite 3 von 11

4 nur generalisiert abbildbare Teilobjekte (Ornamente, Statuen und andere organische Formen) können Oberflächenmodelle eine sehr gute Ergänzung darstellen. Um eine spätere photogrammetrische Auswertung zu ermöglichen, ist die Anfertigung von Messbildern (Fotos mit Orientierungsinformation oder Entzerrungen/Abwicklungen) ein probates Mittel. Drahtgittemodell Dieses Modell könnte als Entsprechung der herkömmlichen CAD-Zeichnung im dreidmensionalen Raum interpretiert werden. Alle signifikante Kanten werden als Linien in 3D gezeichnet. Dies lässt sich mit moderneren CAD-Systemen und On-line- Tachymetrie oder Mehrbildphotogrammetrie bewerkstelligen. (File: drahtgitter1.tif drahtgitter2.tif Bildunterschrift: Drahtgitter einer Stützenkonstruktion) In der Praxis sind komplexere Drahtgittermodelle jedoch sehr unübersichtlich. Der Grund liegt zunächst im Fehlen der 3D-Flächen, die durch die Kanten aufgespannt werden. Im Drahtgittermodell können daher bei der Projektion auf die zweidimensionale Bildschirmoberfläche keine Verdeckungen berechnet werden. Es sind immer alle Linien sichtbar. Auch sinnvolle Schnitte lassen sich nicht automatisch generieren, weil etwa die vertikalen Linien beim Horizontalschnitt nur einzelne Punkte ergeben. Außerdem fehlt ein standardisierter grafischer Code zwischen Erfasser und Betrachter der 3D-Zeichnung, der bei der Interpretation unterstützt. kubit GmbH Seite 4 von 11

5 (File: drahtgitter2.tif drahtgitter3.tif Bildunterschrift: Das selbe Drahtgitter aus zwei Blickwinkeln eine klare Interpretierbarkeit ist nicht gegeben) Oberflächenmodell Wird das Drahtgittermodell so erweitert, dass zwischen den Objektkanten 3D-Flächen aufgespannt werden, entsteht ein Oberflächenmodell. In der Praxis werden häufig stückweise planare Flächen erzeugt. Gekrümmte Objekte werden durch zahlreiche kleinere, ebene Polygone approximiert (Bounding Representation). Da mehr als drei Punkte nur in ausgezeichneten Fällen auf einer Ebene liegen, wird das Oberflächenmodell häufig als Dreieckvermaschung realisiert. Durch ein Oberflächenmodell können ebene Schnitte gelegt werden. Als automatisch ableitbare Ergebnis entstehen Polygone (z. B. Höhenlinien). Diese Polygone beschreiben jedoch nur den geometrischen Schnittverlauf. Ein echter 2D-Plan, der die Erwartungen von Bauforschern und Architekten erfüllt, entsteht nicht. Es entstehen keine symbolischen Darstellungen von Türen, Treppen usw. Durch das flächige Abbild der Wirklichkeit, sind Verdeckungen in jeder beliebigen Schrägansicht berechenbar. Auch komplexe Formen bleiben für den Betrachter im Gegensatz zum Drahtgittermodell interpretierbar. Eine wesentliche Erweiterung der Oberflächenmodelle besteht darin, fotorealistische Texturen aufzubringen. Dazu sind orientierte Fotos vom Objekt erforderlich. kubit GmbH Seite 5 von 11

6 (File: vermaschung.tif Bildunterschrift: Dreiecksvermaschung mit Textur als Oberflächenmodell.) Durch die neue Technik der 3D-Laserscanner ist die Erstellung komplexer Oberflächenmodelle mit vertretbarem Aufwand möglich geworden. Die von mehreren Standpunkten in einem einheitlichen Koordinatensystem aufgenommenen Punktwolken können weitgehend automatisch (dreiecks-)vermascht werden. Die Vermaschung ist ungleich wertvoller als die reine Punktwolke, weil die Topologie explizit repräsentiert wird. Die Berechnung von Schnitten und Volumina in reinen Punktwolken ist nicht möglich. (File: punktwolke.tif Bildunterschrift: Die Punktwolke erlaubt keine Schnittberechnung, bildet aber die Grundlage einer Vermaschung.) kubit GmbH Seite 6 von 11

7 Sind die Oberflächen geschlossen, spricht man auch vom Volumenmodell. Auch mit einem Oberflächenmodell ist es dem CAD-System nicht möglich, Stücklisten zu erstellen, weil dieses Modell keine weitere Bedeutung trägt, als den 3D- Raum in Inneres und Äußeres zu teilen. Für einzelne geschlossene Oberflächen lassen sich jedoch Volumen und Oberflächeninhalt ermitteln. Die meisten CAD-Systeme unterstützen Oberflächenmodelle, sodass eine weitgehende Kompatibilität gewährleistet werden kann. Interessante Anwendungsfälle für Oberflächenmodelle sind: Visualisierungen; der Betrachter kann sich frei durch einen virtuellen Raum bewegen und sich einen Eindruck vom Original-Objekt verschaffen ohne vor Ort zusein,dokumentation organischer Formen; Statuen, Ornamente und ähnliches können als uninterpretierter digitaler Abguss gespeichert werden. Dokumentation in Bauforschung und Archäologie; möglichst viele Daten für die Beantwortung zukünftige Fragestellungen werden gesammelt, es erfolgt keine sofortige Interpretation, Bauwerksüberwachung; Verformungen können durch die Überlagerung der Oberflächenmodelle von verschiedenen Zeitpunkten auch quantitativ erfasst werden; im Bergbau können Abbauvolumen bestimmt werden, Schadens- und Maßnahmekartierung; auf dem Oberflächenmodell können Markierungen angebracht werden, die mit einer Datenbank und Sachdaten verknüpft sind. Bauteilmodell Moderne Architektur-CAD-Programme (CAAD) gestatten dem Nutzer, Gebäude nicht nur mit den geometrischen Objekten Linie, Bogen, Polylinie usw. zu zeichnen, sondern den Aufbau eines Modells aus Architekturelementen wie Tür, Wand, Unterzug usw. vorzunehmen. Diese intelligenten Bauteile beeinflussen sich gegenseitig. So kann eine Tür nur innerhalb einer Wand existieren. Wird die Tür gelöscht, schließt sich die Öffnung. Jedes Bauteil kann sich unterschiedlich darstellen: In der Schrägansicht sieht man ein 3D-Oberflächenmodell, in der Draufsicht sieht man 2D-Schnittansichten, die auch noch im Maßstab variiert werden können. Der aus traditionellen 2D-Zeichnungen bekannte und bewährte graphische Code wird durch die Software erzeugt. kubit GmbH Seite 7 von 11

8 (File: bauteil2.tif Bildunterschrift: Intelligente Bauteile beeinflussen einander und sind Träger von Sachdaten.) (File: bauteil3.tif Bildunterschrift: Die selben Bauteile in einer automatisch generierten Schnittdarstellung.) Da das Architektur-CAD-Programm die Bedeutung und den Zusammenhang der Objekte kennt, ist es jederzeit möglich, Stücklisten und Massen automatisch abzuleiten. kubit GmbH Seite 8 von 11

9 Die CAAD-Programme sind für den Neubau konzipiert. Diese Systeme kennen im Wesentlichen genormte, unverformte Bauteile. Daher ist die Modellierung des tatsächlichen Zustandes eines (historischen) Bauwerks im in der Bauforschung üblichen Detaillierungsgrad nicht möglich. Nur von Entwicklern des CAAD Vorgedachtes kann mit der kompletten Bauteilintelligenz genutzt werden. Dieses K- O-Kriterium lässt zumindest gegenwärtig die ausschließliche Dokumentation eines Gebäudes als Bauteilmodell als unzureichend erscheinen. Im Bauteilmodell ist momentan nur ein stark generalisiertes Modell des Bauwerks abbildbar. Für die Verwaltung von Gebäuden (Facility Management; CAFM) sind Bauteilmodelle ebenso geeignet, wie für Umbauplanungen und Variantenanalyse. Durch das inhärente 3D-Modell sind jederzeit fotorealistische Visualisierungen möglich. Trotz zahlreicher Standardisierungsbestrebungen (STEP, IFC) sind 3D- Bauteilmodelle noch nicht verlustfrei zwischen verschiedenen CAAD-Applikationen austauschbar. (File: bauteil1.tif Bildunterschrift: Visualisierungen sind ebenso wie Stücklisten aus Bauteilmodellen ableitbar. Es sind jedoch meist nur normierte Bauteile aus dem Neubau verfügbar.) Adäquate Messtechnologien Bei der Entscheidung für ein geeignetes CAD-Modell ist auch der Aufwand zur Erzeugung zu beachten. Im Weiteren werden einige Erfassungstechnologien aus der subjektiven Autorensicht diesbezüglich beleuchtet. kubit GmbH Seite 9 von 11

10 Die Erstellung von Grundrissen und Schnitten erfolgt heute idealerweise tachymetrisch. Dabei wir ein handelsüblicher, reflektorloser Tachmeter mit CAD- Software verbunden. Der Tachymeter sollte einen sichtbaren Laserpunkt aufweisen und auch für kurze Zielweiten geeignet sein. Sämtliche Pläne entstehen direkt im Angesicht des Objektes. Per Handaufmaß und Konstruktion werden die Lücken des Aufmaßes geschlossen. Inkonsistenzen werden somit frühzeitig erkannt und können sofort korrigiert werden. (File: tachywoman.tif Bildunterschrift: Tachymetrie deckt das breiteste Spektrum ab.) Im Außenbereich kommt neben der Tachymetrie auch die Photogrammetrie zum Einsatz. Ebene Fassaden können mit geeigneter Software leicht entzerrt und anschließend vektoriell überzeichnet werden. Anspruchsvolle, räumlich gegliederte Geometrien können per Mehrbildauswertung (oder speziell Stereoauswertung) manuell ausgewertet werden. Kann das Objekt durch einen mathematischer Regelkörper wie Zylinder oder Kegelstumpf beschrieben werden, kann eine Abwicklung des orientierten Fotos berechnet werden. Ist ein detailliertes Oberflächenmodell gewünscht, ist der Einsatz eines 3D-Scanners und adäquater Vermaschungssoftware rationell. Bauteilmodelle stellen eine starke Generalisierung der Wirklichkeit dar. Der beste Workflow zur Erzeugung solcher Modelle gestaltet sich wie folgt: kubit GmbH Seite 10 von 11

11 1. Vollständige oder vereinfachte tachymetrische Aufnahme des Bauwerks als 2D-Darstellungen mit Höheninformationen. 2. Halbautomatische Objektbildung im 3D-Bauteilmodell der jeweiligen Zielapplikation. Für beide Schritte ist gute Softwareunterstützung verfügbar. Für die korrekte Objektbildung - insbesondere die Konstruktion der durchgehenden Wände - ist der Blick auf das gesamte Bauwerk wichtig. Ein sukzessives direktes on-line-messen der 3D-Bauteile ist zwar möglich, aber für ausgedehnte Objekte (Fassaden, Wände) fehleranfällig. Der erste Schritt, die klassische 2D-Aufnahme, ermöglicht außerdem die Erfassung von Details, die im Bauteilmodell nicht (oder nicht effizient) abbildbar sind. Autor Dr. Oliver Bringmann, Informatiker kubit GmbH Software für Vermessung, Bau und Architektur Fon: Oliver.Bringmann@kubit.de Altplauen 19, Dresden kubit GmbH Seite 11 von 11