Meine Erwartungen an mein Austauschsemester waren: Französisch lernen und meine zweite Heimat endlich besser kennen lernen.

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1 Mein Austauschsemester in Mons Belgien Mein Name ist Stefanie, 26, Studentin an der PH Bern im Profil V-6. Ich habe im Frühling 2014 mein 4. Semester der Ausbildung zur Primarschullehrerin an der HELHa (Haute Ecole Louvain en Hainaut) in Mons, Belgien durchgeführt. Meine Entscheidung im Ausland zu studieren fiel ich aus den folgenden zwei Gründen: Ich mag ich das Entdecken fremder Kulturen, das Reisen und Kennenlernen neuer Leute. Es gehört zu meinen Leidenschaften, wenn immer möglich auf Reisen zu gehen. Deswegen habe ich mich auch gleich in die Idee ein Austauschsemester zu machen verliebt. Zur Wahl eine Hochschule auf Französisch zu besuchen, habe ich mich ehrlich gesagt ein wenig gezwungen. Französisch ist mir bisher noch nie sehr nahe gelegen und ich mühte mich immer mehr damit ab als wirklich Freude an der Sprache zu empfinden. Doch als zukünftige Primarschullehrerin möchte ich den Kindern die Sprache mit einer gewissen Motivation und auf einem guten Niveau unterrichten können. Wer versucht meinen Nachnamen laut auszusprechen wird vielleicht heraushören, dass er etwas Nordisches hat. Hier findet sich auch der Grund, warum ich mein Auslandsemester in Belgien absolvierte. Mein Vater ist im Norden des Landes aufgewachsen, bevor er mit 27 Jahren meine Mutter bei einem Arbeitseinsatz im Kongo kennen gelernt hatte. Nach ihrer Rückkehr nach Europa, haben sich meine Eltern in der Schweiz niedergelassen wo ich schliesslich aufgewachsen bin. Wir haben aber die Familie, insbesondere meine Grosseltern in Belgien regelmässig besucht. Belgien als Gastland zu wählen war daher eine einfache Entscheidung. Ein wenig mehr gezögert habe ich jedoch bei der Wahl der Region. Eigentlich hat es mich in den Norden gezogen, in meine zweite Heimat, dort wo man niederländisch (der belgische Dialekt: flämisch) spricht. Doch wie gesagt, habe ich schlussendlich die Sprache entscheiden lassen. Französisch. Und somit fiel die Wahl auf den Süden Belgiens, auf das frankophone Wallonien. Ich habe die Stadt Mons (auf flämisch Bergen, weil es hier im Vergleich zum restlichen Belgien ein wenig hügeliger ist) gewählt, da sie nur eine Zugstunde von Brüssel und rund 60 Km von der französischen Grenze entfernt liegt. Gute Ausgangslage um kleine Reisen am Wochenende zu unternehmen. Zudem machte das Städtchen bei meinen Internetrecherchen einen herzigen Eindruck. Und da ich wusste, dass die Schule kaum Austauschstudenten nahm, was mir sehr sympathisch war, musste ich nicht lang hin und her überlegen. In meiner Klasse waren wir schlussendlich zwei Austauschstudentinnen. Beide von der PH Bern. Meine Erwartungen an mein Austauschsemester waren: Französisch lernen und meine zweite Heimat endlich besser kennen lernen. Die Anreise mit dem Zug war unkompliziert. Da ich die Strecke bereits kannte, habe ich mir im Voraus einen Rail Pass (ab 26 Jahre > Rail Pass, bis 26 Jahr GO-Pass) organisiert. Mit diesem Zugpass kann man zwischen zwei beliebigen Stationen in

2 Belgien für 7.60 Euro (GO-Pass ist etwas günstiger: 5 Euro) innerhalb eines Tages fahren. Für die Strecke Basel bis Arlon (erste Station in Belgien) habe ich ein Ticket gelöst und anschliessend für die Strecke Arlon Mons den Rail Pass benutzt. Die Fahrt dauert rund 8 Stunden. Die ersten zwei Nächte habe ich im Hotel Ibis verbracht, das gleich neben dem Bahnhof in Mons liegt. Da mein Zimmer in einer Studenten-WG erst ein paar Tage nach meiner Ankunft freigeworden ist, habe ich zudem noch die Jugendherberge im Altstädtchen kennen lernen dürfen. Während meines Semesters habe in einer Student-WG im Domaine de Bruyères gewohnt. Dieses Quartier liegt gleich neben dem Universitätsgelände FUCAM, wo die HELHa ab dem Sommer 2014 ihre Kurse unterrichten wird (Chaussée de Binche). Während meines Semesters hatten wir jedoch noch im alten Schulgebäude im Stadtzentrum Unterricht (liegt etwa 10 Velominuten vom FUCAM entfernt). Die Studenten-WGs im Domaine de Bruyères sind geräumig und modern. Sie haben drei Schlafzimmer (mit Kleiderschrank, Bürotisch, Bücherregal), ein grosses Wohnzimmer, Badzimmer, eine zusätzliche Toilette und gut eingerichtete Küche. Für die zukünftigen Erasmusstudenten der HELHa sind diese Wohnungen sehr praktisch, da sie gleich neben dem Unigelände liegen. Der Mietpreis ist 300 Euro pro Person. Die Wohnung wurde mir von der HELHa organisiert, indem ich auf meinem Anmeldeformular für das Austauschsemester, das entsprechende Kästchen angekreuzt habe. Eigentlich wollte ich selber eine WG suchen, habe mich aber dann bequemerweise dafür entschieden die HELHa diese Aufgabe für mich zu erledigen. Schlussendlich empfand ich dies aber als sehr mühsam. Bis kurz vor meiner Abreise habe ich keine näheren Informationen über meine Unterkunft erhalten. Die Organisation war sehr undurchsichtig und ich wusste nie so richtig, wer überhaupt für mich zuständig war. Um für alle Interessierten den Start zu erleichtern: Wendet euch an Frau Arnould (carine.arnould@helha.be) wenn ihr Fragen zur Unterkunft habt! Mons ist eine Studentenstadt und es gibt hier sehr viele kleine Studentenwohnungen (sogenannte Kots ). Es wäre auf jeden Fall kein Problem, vor Ort und auf eigene Faust ein Kot zu suchen. Das nächste Mal würde ich dies machen. Der Vermieter hat mir ein Fahrrad zur Verfügung gestellt, welches ich gratis benutzen durfte. Aber aufgepasst, Mons ist nicht die fahrradfreundlichste Stadt in Belgien ;) Man tut sich ein wenig schwer damit Abstellplätzen zu finden. Ansonsten ist es jedoch praktisch ein Velo zu haben. Auch mit dem Bus kommt man in Mons sehr gut herum. Das Frühlingssemester in Belgien beginnt recht früh. Es dauert von Mitte Januar bis Juni. Dazwischen hat man eine Woche Karnevalferien und zwei Wochen Osterferien. Die ersten paar Wochen in der Schule empfand ich als sehr stressig. Mein etwas eingerostetes Französisch wurde von allen Seiten frisch aufpoliert. Ich sass im

3 Unterricht und verstand nur alle paar Sätze. Obwohl ich mich auf so was Ähnliches eingestellt hatte, war es nicht weniger frustrierend es dann auch so zu erleben. In der ersten Woche habe ich alle Kurse besuchte um einen Einblick zu erhalten. Danach habe ich mich mit dem Direktor, Herr Degand, getroffen und mit ihm mein Learning Agreement besprochen und angepasst. Ich habe folgende Kurse besucht: Formation scientifique, Formation géographique, Religion, Psychologie d apprentissage, Utilitsation l ordinateur, Approche théorique de la diversité culturelle, Mathématique, Education plastique, Education musicale, Activité interdisciplinaire, Atelier de formation professionnelle. Mein liebstes Fach war Diversité culturelle, welches man mit dem Modul Heterogenität an der PH vergleichen kann. Es war sehr spannend die Sozialstrukturen und die Geschichte Belgien genauer kennen zu lernen. Der speziellste Kurs für mich war der Religionsunterricht. Da es in Belgien katholische Schulen gibt, in denen der Religionsunterricht noch obligatorisch ist, gehört der Kurs Religion zur Grundausbildung der Lehrer. Trotz Anfangszweifel, war der Kurs schlussendlich eine sehr bereichernde Erfahrung da ich endlich einmal einen näheren Einblick in die Bibel erhielt. Wir haben oft die Texte zusammen gelesen und interpretiert, was zu einem lebendigen und interessanten Austausch führte. Das Niveau der Kurse empfand ich im Allgemeinen ein wenig tiefer als in Bern. Mit der Sprachbegrenzung gab dies dann jedoch ein idealer Mix, welcher mich weder über- noch unterforderte. Am Unterricht sehr gefallen hat mir, dass viel Wert auf die praktische Arbeit gelegt wurde. Zum Beispiel haben wir zusammen mit Primarschülern ein Projekt erarbeitet und umgesetzt (ein Event-Nachmittag in einem Altersheim). Zudem zeigten uns die Dozenten immer viele praktische Beispiele für unseren zukünftigen Unterricht auf. Weniger angenehm fand ich an der HELHa, dass man sich in einer sehr kleinen Umkreis bewegt, der nicht allzu viel Raum für Selbstständigkeit lässt. Die familiäre Atmosphäre hatte jedoch auch tolle Seiten. Das zweiwöchige Praktikum in einer 4.Klasse (in Mons) gehörte zu den schönsten und anstrengendsten Erlebnissen während meines Austauschs. Ich habe das Thema Heidi gewählt um den Schülerinnen und Schüler das Leben in den Bergen und die Schweizer Kultur näher zu bringen. Während den zwei Wochen habe ich mit meiner Praktikumspartnerin die Geschichte Heidis auf mehrere Arten erzählt (Bilderbuch, Buch, Hörbuch) und mit den Kindern verschiedene Themen und Produkte erarbeitet (Heidi-Lied, Jodeln, Ziegenkäse, Berge der Schweiz, Volkstanz, Autorin des Buchs, Charakteren in der Geschichte u.a.). Am Ende des Praktikums hatte die Schule zufälligerweise ihren jährlichen Tag der offenen Türe und wir hatten die Möglichkeit eine kleine Ausstellung zum Thema Heidi zu gestalten. Dieser Tag gab uns zudem die Gelegenheit die Eltern der Schülerinnen und Schüler kennen zu lernen. Die HELHa verfügt über ein bescheidenes Sportangebot mit fünf Kursen. Einmal in der Woche habe ich den Zumba-Kurs besucht. Ansonsten ist die Wohnung im Domaine de Bruyères so gelegen, dass man schnell im Grünen draussen ist. Ich bin regelmässig in den Wald joggen gegangen.

4 Ansonsten habe ich meine Freizeit ich oft mit meinen Mitbewohner verbracht. Ich wohnte mit einer Sozialarbeiterin aus Kanada und einem Französischstudenten aus der Türkei zusammen. Unsere Nachbarn waren ebenfalls eine Gruppe von Austauschstudenten und so haben wir oft gemeinsam gekocht, Party gemacht und Mons entdeckt. In Mons ist am Freitagabend am meisten los, weil sich dann alle Studenten im Marche aux herbes treffen (ein Platz mit lauter Bars und Clubs), ansonsten ist die Stadt eher ruhig und wer gerne Party macht, dem empfehle ich Brüssel als die Ausgangsstadt. Auch in meiner Klasse habe ich ein paar sehr gute Freundschaften geschlossen. Besonders mit zwei Studentinnen die unter der Woche in Mons wohnten, habe ich oft etwas unternommen. Ich fand es toll, dass meine Hochschule nur von Belgiern besucht wurde und ich zugleich in der WG andere Erasmusstudenten um mich hatte. Dies war eine gute Mischung von kulturellem Austausch. Am Wochenende war ich oft mit dem Zug unterwegs (Rail Pass), habe meine Familie in Flandern besucht, Städtereisen gemacht, Konzerte und Clubs in Brüssel besucht. Mons hat kulturell nicht all zu viel zu bieten, aber die Stadt ist gut gelegen und man ist sehr schnell in einem anderen Teil des Landes. Dennoch einige Must-Dos in Mons: - Cinema Art Plaza, ein kleines Kino im Stadtzentrum mit regelmässig wechselndem Programm und eher unbekannten Filmen im Programm - Maison Folie, ein umgebautes Theater mit kleiner Bar und Bühne, wo es regelmässig Slam-Abende gibt - Club Alhambra, mit tollem DJ-Aufgebot und Tanzfläche - La vie est belge die originellste Bar in Mons - Chez Billy, die beste Friterie in der Stadt, aber erst ab 20 Uhr geöffnet Für alle die Belgien nicht kennen: Besonders der Norden hat wunderschöne Städte, die man einfach einmal gesehen haben muss (Brugge, Gent, Leuven, Antwerpen). Und kulinarisch kommt man auf seine Kosten. Zu probieren gilt: möglichst viele verschiedene Friterien, Waffeln, Zoetekoek, belgische Pralinen und das Bier (oder die Biere, wenn man die Delirium Bar in Brüssel besucht). Meine Erwartungen an das Austauschsemester haben sich ganz klar erfüllt! Ich habe die belgische Kultur besser und zudem von einer anderen Seite kennen gelernt und mir fällt die Verständigung auf Französisch nun leichter als zuvor. Meine Hass-Liebe zu dieser Sprache hat sich in eine echte Freundschaft entwickelt! Zudem kann ich diesen erfüllten Erwartungen viele unvergessliche Erlebnisse und neue Freundschaften hinzufügen. Belgien ist ein Land das es zu entdecken lohnt! Es ist von einer vielseitigen Kultur und einer interessanten Geschichte geprägt und bietet weit mehr als die besten Pommes der Welt. Für alle, die sich für ein Austauschsemester entscheiden: Nehmt eine grosse Portion Geduld mit und geht es mit offenen Augen an. Dann werdet ihr das aufregendste halbe Jahr eurer Ausbildung erleben! Für Mons-Interessierte und bei sonstigen Fragen: stefanie.debruyne@stud.phbern.ch

5 Die Abteilung Pädagogik der HELHa zügelt aufs neue Universitätsgebäude (orange, im Hintergrund) Meine Klasse nimmt am grössten Umzug von Stühlen auf der Welt teil. Jeder hat seinen eigenen Stuhl von der alten Schule bis zum neuen Universitätsgebäude getragen.

6 Ich und mein geliebtes Fahrrad in den Strassen von Mons. Wohnzimmer meiner Studenten-WG im Domaine de Bruyères

7 Einkaufsstrasse im Zentrum von Mons. La Grand Place im Zentrum von Mons

8 Erinnerungen aus dem Praktikum: Heidis Erlebnisse in der Bergen, geschrieben von Sarah Projekt im Praktikum: Ausstellung über die Geschichte Heidi an der Tag der offenen Türe