Bauliche Veränderungen, Modernisierungen und Instandsetzungen Wie behält der Verwalter den Überblick? Rechtsanwalt Dr. Georg Jennißen Köln

Größe: px
Ab Seite anzeigen:

Download "Bauliche Veränderungen, Modernisierungen und Instandsetzungen Wie behält der Verwalter den Überblick? Rechtsanwalt Dr. Georg Jennißen Köln"

Transkript

1 Bauliche Veränderungen, Modernisierungen und Instandsetzungen Wie behält der Verwalter den Überblick? Rechtsanwalt Dr. Georg Jennißen Köln 11. Pantaenius Immobilientagung 2011

2 I. Darstellung der gesetzlichen Regelungen Bauliche Veränderungen können k beschlossen oder verlangt werden,, wenn jeder Wohnungseigentümer zustimmt, der beeinträchtigt ist, 22 Abs. 1. Modernisierungsmaßnahmen nahmen können k mit doppelt- qualifizierter Mehrheit beschlossen werden, 22 Abs. 2. Modernisierende Instandsetzungen können k mit einfacher Stimmenmehrheit beschlossen werden, 22 Abs. 3.

3 Modernisierungsbegriff Anpassung des Gebäudes an den Stand der Technik Modernisierung i.s.v. 559 BGB (Mietrecht) Gebrauchswert der Mietsache/des Objektes wird nachhaltig erhöht. Die allgemeinen Wohnverhältnisse werden dauerhaft verbessert. Es handelt sich um Maßnahmen, die nachhaltig zur Einsparung von Energie oder Wasser führen.

4 Einschränkung des Modernisierungsrechts Die Eigenart der Wohnanlage darf nicht verändert werden. Kein Wohnungseigentümer darf gegenüber anderen unbillig beeinträchtigt werden.

5 II. Zustimmung aller Beeinträchtigten, 22 Abs. 1 Beeinträchtigungen optischer Gesamteindruck Sicherheit/Statik negative Emissionen (Lärm/Geruch) leichtere Einsehbarkeit intensivere Nutzung (Vergrößerung, Zugänglichkeit)

6 Beeinträchtigung 1. Fall: Die Wohnungseigentümer haben mit Mehrheit beschlossen, nachträglich eine Videoanlage im gemeinschaftlichen Klingeltableau einzubauen. Der Beschluss wird angefochten.

7 Beeinträchtigung Lösung: Nach BGH v V ZR 210/10 kann der nachträgliche Einbau einer Videoanlage im Klingeltableau gem. 22 Abs. 1 verlangt werden, wenn, die Kamera nur durch Betätigung der Klingel aktiviert wird; eine Bildübertragung allein in die Wohnung erfolgt, bei der geklingelt wurde; die Bildübertragung nach spätestens einer Minute unterbrochen wird; die Anlage keine Bilder dauerhaft aufzeichnet. Die theoretische Möglichkeit einer manipulativen Veränderung der Anlage führt nicht zu einer Beeinträchtigung. Diese liegt erst vor, wenn eine Manipulation hinreichend wahrscheinlich ist.

8 Beeinträchtigung 2. Fall: Ein Wohnungseigentümer verbindet zwei Wohnungen und stellt hierzu Wanddurchbrüche che (tragende Wand) her. Lösung: Nach BGH v V ZB 45/00 stellt der Durchbruch einer tragenden Wand als Eingriff in das Gemeinschaftseigentum grundsätzlich eine Beeinträchtigung dar. Diese entfällt jedoch, wenn der betreffende Wohnungseigentümer nachweist, dass hierdurch keine Gefahr für f r die konstruktive Stabilität t des Gebäudes und die Brandsicherheit geschaffen worden ist.

9 III. Anspruch auf bauliche Veränderung Kommunikationsfreiheit Informationsfreiheit Barrierefreiheit Umsetzung öffentlich-rechtlicher Verpflichtungen Verkehrssicherungspflichten

10 Anspruch auf bauliche Veränderung Fall: Ein deutscher Staatsbürger bringt auf seinem Balkon eine Parabolantenne an. Als die Eigentümergemeinschaft Beseitigung verlangt, argumentiert er, dass die Parabolantenne notwendig sei, um sein Informationsbedürfnis zu erfüllen. Lösung: Nach BGH v V ZR 10/09 kann jeder Wohnungseigentümer unabhängig von seiner Staatsbürgerschaft die Anbringung einer Parabolantenne fordern, wenn nur so seinem Informationsinteresse gedient werden kann. Besteht insoweit ein Anspruch, haben dennoch die Wohnungseigentümer das Mitspracherecht, wo und wie die Parabolantenne angebracht wird. Schafft der betreffende Wohnungseigentümer vollendete Tatsachen, ohne diese Entscheidung der Wohnungseigentümer herbeizuführen, muss er die Antenne wieder beseitigen.

11 IV. Zustimmungsform 22 Abs. 1 a.f.:.: Bauliche Veränderungen können k nicht gem. 21 Abs. 3 beschlossen oder gem. 21 Abs. 4 verlangt werden. 22 Abs. 1 n.f.:.: Bauliche Veränderungen können k beschlossen oder verlangt werden, wenn jeder beeinträchtigte Wohnungseigentümer zustimmt. Gesetzgeber in BT-Drucks. 16/887, S. 28: Die Neufassung soll die entstandenen Missverständnisse vermeiden, der bisherigen Praxis Rechnung tragen und daher i.d.r.. einen Beschluss der Eigentümer vorsehen. H.M. sieht die Beschlussfassung jedoch als zwingend an.

12 V. Abgrenzung baulicher Veränderungen Abgrenzung zwischen Sonder- und Gemeinschaftseigentum Gemeinschaftseigentum: Heizungsrohre vertikal (OLG Hamm MDR 1993, 866). Gemeinschaftseigentum: Verbrauchserfassungsgeräte (OLG Hamburg ZMR 1999, 502). Sondereigentum: Heizkörper, Heizungsrohre horizontal, Thermostatventile (BGH v V ZR 176/10; a.a.. OLG Hamm ZMR 2001, 839; OLG München, M MDR 2008, 620). Gemeinschaftseigentum: Rauchwarnmelder in Wohnungen, soweit gesetzlich vorgeschrieben (AG Ahrensburg ZMR 2008, 78; AG Rendsburg ZMR 2009, 239; LG Hamburg ZWE 2011, 286; zweifelhaft nach vorstehender BGH-Rechtsprechung)

13 Abgrenzung baulicher Veränderungen von Modernisierungen (Heizungsanlage) Bauliche Veränderungen = Zustimmung aller Umstellung von Fernwärme rme auf Zentralheizung (OLG Frankfurt, DWE 1987, 51) Umstellung von Zentralheizung auf Fernwärme rme (OLG Düsseldorf WE 1998, 188) Jedoch einfacher Mehrheitsbeschluss bei Umstellung von Öl-/Zentralheizung auf Fernwärme, rme, wenn die bisherige Anlage alt ist (30 Jahre) und erhebliche Instandsetzungsmaßnahmen nahmen zur Einhaltung der Energieeinsparverordnung notwendig werden (LG Nürnberg-Fürth, rth, ZMR 2011, 750).

14 Abgrenzung baulicher Veränderungen von Modernisierungen Umstellung von Heizkörper auf Fußbodenheizung (OLG Karlsruhe WuM 1987, 97). Umstellung von Gasheizung mit Brennwerttechnik auf Blockheizkraftwerk (LG Koblenz ZWE 2009, 282) Anbringung von Sonnenkollektoren (OLG München M ZMR 2005, 825).

15 Heizungsmodernisierungen nach 22 Abs. 2 WEG Verringerung des Energieverlustes der Heizungsanlage Wärmerückgewinnung Einsparung von Primärenergie, renergie, nicht von Kosten (LG Hamburg v /04)

16 Abgrenzung von Modernisierung zu modernisierender Instandsetzung bei Wärmedämmmaßnahmen Beseitigung von Feuchtigkeitsschäden = Instandsetzung = einfacher Mehrheitsbeschluss vorbeugende Maßnahmen der WärmedW rmedämmung mmung = Modernisierung = doppelt qualifizierte Mehrheit mehr als 10% der Fassade sind sanierungsbedürftig rftig = Pflicht zur Erneuerung der gesamten Fassade nach 9 Abs. 3 EnEV = einfacher Mehrheitsbeschluss

17 Instandsetzung I Fall: In einer Wohnung bildet sich Schimmel. Lt. Gutachten sind dafür Mängel an der Fassade der Giebelseite verantwortlich. Die Wohnungseigentümer beschließen en mit Mehrheit, alle Hausfassaden dämmen zu lassen. Der Beschluss wird angefochten. Lösung: Erfolglos! Es handelt sich um eine modernisierende Instandsetzung. Diese muss ordnungsmäß äßiger Verwaltung entsprechen. Hierbei haben die Wohnungseigentümer ein umfangreiches Ermessen, ob sie eine Volldämmung aller Fassadenteile beschließen en (OLG Frankfurt v W 138/08).

18 Instandsetzung II Fall: Ohne dass Feuchtigkeitsschäden in einzelnen Wohnungen bereits feststellbar sind, wollen die Wohnungseigentümer eine Fassadensanierung mit WärmedW rmedämmung mmung durchführen. hren. Mehr als 20% der Fassadenfläche weist Putzschäden auf, die sich nicht durch einfachen Fassadenanstrich beheben lassen. Die Wohnungseigentümer fragen sich nun, welche Mehrheitsverhältnisse notwendig sind. Lösung: a.) Die Wohnungseigentümer können k mit einfacher Mehrheit die Fassadensanierung mit WärmedW rmedämmung mmung beschließen. en. b.) Die Wohnungseigentümer können k nicht beschließen, en, die Putzschäden auszubessern und die Fassade anzustreichen. Dieser Beschluss wäre w als Verstoß gegen die EnEV nichtig.

19 Instandsetzung III Abwandlung: Die Fassade weist Schäden im Umfange von weniger als 10% der Fläche aus. Dennoch wollen die Wohnungseigentümer die Fassadensanierung mit WärmedW rmedämmung mmung beschließen. en. Mehrheitsverhältnisse? Lösung: Es handelt sich um eine Modernisierungsmaßnahme nahme nach 22 Abs. 2 WEG, die mit doppelt-qualifizierter Mehrheit beschlossen werden kann. Es ist aber zunächst eine Kosten-Nutzenanalyse notwendig, ob sich die Maßnahmen durch Energieeinsparung im Laufe von 10 Jahren amortisiert (OLG Hamm v I 15 Wx 139/08). Sonst entspricht sie nicht ordnungsgemäß äßer Verwaltung (a.a. Hogenschurz in Jennißen, en, WEG, 22 Rz. 67; Spielbauer/Then, WEG, 22 Rz. 19).

20 Instandsetzung IV Fall: In einer Wohnung sind Feuchtigkeitsschäden aufgetreten. Durch Sachverständigengutachten wird festgestellt, dass hierfür r die bauphysikalische Situation des Gebäudes durch den nachträglichen Einbau sehr dichter Fenster verantwortlich ist. Die Schimmelpilzbildung ließe e sich vermeiden, wenn nunmehr auch die Außenw enwände nde wärmegedämmt mmt würden. w Die Wohnungseigentümer lehnen per Mehrheitsbeschluss diese Maßnahme ab. Hiergegen klagt der betroffene Wohnungseigentümer. Lösung: Nach Auffassung des LG Köln, K ZMR 2010, 793 ist auch bei Feuchtigkeitsschäden den Wohnungseigentümern ein Ermessen über das Ob und Wie eröffnet. Abzuwägen seien: - die finanzielle Leistungsfähigkeit der Gemeinschaft - die Kosten-/Nutzenanalyse - eine akute Verschlechterung der Maßnahme (Eilbedürftigkeit). Nur wenn das Ermessen der Wohnungseigentümer auf Null reduziert sei, bestünde Handlungspflicht.

21 Instandsetzung V Fall: In der Dachgeschosswohnung ist Feuchtigkeit aufgetreten. Ein Gutachter stellt fest, dass dies sowohl durch eine KältebrK ltebrücke als auch durch Nutzerverhalten verursacht ist. Die Eigentümergemeinschaft lehnt per Mehrheitsbeschluss eine Tätigkeit ab. Lösung: Beschluss wird vom Gericht für f r ungültig erklärt. rt. Auch bei kumulativer Kausalität t für f r Schimmelflecken besteht ein Anspruch des einzelnen Wohnungseigentümers gegen seine Miteigentümer auf Beschlussfassung geeigneter Sanierungsmaßnahmen nahmen (LG München M ZMR 2010, 67).

22 Bauliche Veränderung oder Modernisierung bei Austausch von Holz- gegen Kunststofffenster LG München M I NZM 2010, 370: Kunststofffenster sind gegenüber Holzfenstern moderner. Sie sind haltbarer, müssen nicht gestrichen werden, verursachen damit geringere Instandhaltungskosten, sind der Gefahr der Schimmelbildung und des Verfaulens nicht ausgesetzt. Eine Kosten-/Nutzenanalyse sei nicht erforderlich, da die Wirtschaftlichkeit der Maßnahme aus vorgenannten Gründen gerichtsbekannt sei.

23 Zitat aus Hausbautipps 24 Holzfenster benötigen im Gegensatz zu Kunststofffenster weniger Energie bei der Herstellung und Entsorgung. Holzfenster binden mehr CO² und lassen sich unproblematisch entsorgen. Bei Bränden sind sie sicherer. Sie vermitteln Wärme W und Behaglichkeit und laden sich nicht elektrostatisch auf.

24 VI. Kostenverteilung bei Instandsetzungsmaßnahmen nahmen am Dach oder an der Fassade Verteilungsschlüssel ssel der Gemeinschaftsordnung stets anwendbar 16 Abs. 4 WEG nicht anwendbar, da die Abdichtung von Fassaden und Dächer D nicht dem Gebrauchsmaßstab stab entspricht (s. hierzu BGH NJW 2010, 2512).

25 Kostenverteilung bei baulichen Veränderungen 16 Abs. 6 WEG: Ein Wohnungseigentümer, der einer Maßnahme nach 22 Abs. 1 nicht zugestimmt hat, ist nicht berechtigt,, einen Anteil an Nutzungen, die auf einer solchen Maßnahme beruhen, zu beanspruchen; er ist nicht verpflichtet,, Kosten, die durch eine solche Maßnahme verursacht sind, zu tragen. Satz 1 ist bei einer Kostenverteilung gem. Abs. 4 nicht anzuwenden.

26 Kostenverteilung Fall: Die Wohnungseigentümer beschlossen mit Stimmenmehrheit, das gemeinschaftliche Schwimmbad zu sanieren und gleichzeitig durch Hinzunahme eines Teils der ehemaligen Hausmeisterwohnung zu erweitern. Der Kläger war in der Versammlung nicht anwesend und hat nicht zugestimmt. Ihm werden im Rahmen der Jahresabrechnung anteilige Kosten für f r die Maßnahme in Rechnung gestellt. Insoweit ficht er den Beschluss über die Jahresabrechnung an. Lösung: LG München M v S 19089/10: Der Kläger ist an den Kosten der Maßnahme zu beteiligen und die Klage abzuweisen. 16 Abs. 6 sei nur dann anwendbar, wenn ein Wohnungseigentümer nicht zugestimmt hat, nicht zustimmen musste und nicht beeinträchtigt ist (kritisch: Elzer,, ZMR 2011, 508).

27 Zusammenfassung Nach BGH sind Heizkörper, Ventile und horizontale Rohre sondereigentumsfähig. Die Nichteinhaltung der EnEV kann zu nichtigen Beschlüssen ssen und Busgeldtatbeständen führen. f Die Zustimmung zu baulichen Veränderungen soll nur in Beschlussform zulässig sein. Es besteht auch Anspruch auf bauliche Veränderungen. Ein Kostenverteilungsbeschluss nach 16 Abs. 4 kommt bei Fassaden- und Dachsanierung nicht in Betracht. Die Kostenbefreiung nach 16 Abs. 6 soll nur greifen, wenn ein Wohnungseigentümer nicht zugestimmt hat, der auch nicht zustimmen musste (fehlende Beeinträchtigung, str.).

28 Noch ein Gedicht