Neue Kerncurricula/Lehrpläne/europäische Bildungsstandards und deren Umsetzung im Fremdsprachenunterricht Französisch

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1 Carolus-Magnus-Kreis Vereinigung für deutsch-französische pädagogische und kulturelle Zusammenarbeit e.v. Association pour la coopération franco-allemande culturelle et pédagogique Neue Kerncurricula/Lehrpläne/europäische Bildungsstandards und deren Umsetzung im Fremdsprachenunterricht Französisch Jahrestagung des Carolus-Magnus-Kreises November 2008 Rattenfängerhotel Berkeler Warte Hameln

2 Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Egelhoff, Hans-Günter; Fanio, Uwe-Michael; Pfromm, Dr. Rüdiger: Neue Kerncurricula/Lehrpläne/europäische Bildungsstandards und deren Umsetzung im Fremdsprachenunterricht Französisch Hrsg. vom Carolus-Magnus-Kreis Ausg. - Mönchengladbach 2009 Auflage 600, ISBN

3 Jahrestagung des Carolus-Magnus-Kreises vom 06. November bis 10. November 2008 im Rattenfängerhotel Berkeler Warte Hameln mit dem Thema: Neue Kerncurricula/Lehrpläne/europäische Bildungsstandards und deren Umsetzung im Fremdsprachenunterricht Französisch Der CAROLUS-MAGNUS-KREIS dankt - dem Pädagogischen Austauschdienst (PAD/KMK) für seine Unterstützung - den Sponsoren und Förderern: - der Stadtsparkasse Mönchengladbach - dem Rattenfängerhotel Berkeler Warte Hameln - Karl-Heinz Egelhoff, Stolberg - der Volksbank Hameln-Stadthagen eg für die finanzielle Unterstützung - den Autoren für ihre Beiträge. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei den namentlich verzeichneten Autoren. Redaktion: Fotos: Layout: Lektorat: Hans-Günter Egelhoff, Uwe-Michael Fanio, Dr. Rüdiger Pfromm Hans-Günter Egelhoff, Christine Theiß, Rattenfängerhotel Berkeler Warte Hameln third eye media, Korschenbroich Harald Görner, Mönchengladbach 3

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5 Inhaltsverzeichnis Grußwort von Ursula Wehrmann 6 Bürgermeisterin von Hameln Hans-Günter Egelhoff 7 Ansprache des 1. Vorsitzenden anlässlich des Empfangs des Carolus-Magnus-Kreises am 7. November 2007 im Hochzeitssaal von Hameln Uwe-Michael Fanio 8 Tagungsüberblick Andreas Nieweler 10 Outputorientierung, Kompetenzorientierung, neue Formen der Evaluation Was ändert sich denn noch alles im Französischunterricht? Wolfgang Spengler 13 Die Sprachlosigkeit überwinden Motivierender Französischunterricht in den Klassen 8 10 vor dem Hintergrund von Bildungsstandards und europäischem Referenzrahmen Otto-Michael Blume 17 Kompetenzförderung im Französischunterricht der SI und SII konkrete Beispiele und übertragbare Konzepte Daniela Caspari 21 Kompetenzorientierung und seine Konsequenzen für den Unterricht Atelier: Analyse von Aufgaben zum Lesen in Prüfungen zum mittleren Schulabschluss bzw. DELF scolaire, in Lehrwerken und Lernaufgaben des IQB Judith Oberpenning 28 DELF in der Praxis Rüdiger Pfromm 30 Devenir bilingue en famille et à l école: une perspective développementale Diemo Klocke/Barbara Lege 40 CERTILINGUA Exzellenzlabel für moderne Fremdsprachen Rolf Bade 42 Bildungspolitische Entwicklungen (in Niedersachsen) unter besonderer Berücksichtigung des Gymnasiums Presseecho 45 Impressionen 46 5

6 Grußwort der Oberbürgermeisterin Ursula Wehrmann Sehr geehrte Kongressteilnehmerinnen und -teilnehmer! Ich wünsche Ihnen eine interessante und erfolgreiche Tagung, für den diesjährigen deutsch-französischen Kongress einen guten Verlauf sowie eine schöne Zeit in der Rattenfängerstadt Hameln. Zwei Nachbarländer, dazu geschaffen, einander zu ergänzen, so hat Charles de Gaulle einmal den Charakter der deutschfranzösischen Freundschaft beschrieben, und das gilt insbesondere auch in Zeiten der Globalisierung. In Europa wird es auch in naher Zukunft keinen erkennbaren Fortschritt geben ohne eine enge deutsch-französische Zusammenarbeit. Seit über fünf Jahrzehnten setzt sich der Carolus-Magnus-Kreis als eine Ver - einigung von engagierten Universitätsprofessoren und Dozenten, Französischlehrern aller Schulformen sowie auch Studenten und Fremdsprachenassistenten für diese deutsch-französische Zu - sammen arbeit ein und pflegt diese Freundschaft. Wir alle wissen, wie wichtig das gute Miteinander in einem friedlich vereinten Europa ist, erkennen und begreifen das als eine gemeinsame Aufgabe und Verantwortung. Die Grundlage für das gegenseitige Verstehen ist aber immer die Sprache, und darum drehen sich auch die Inhalte des Kongresses: Im Mittelpunkt Ihrer Tagung 2008 stehen die neuen Kerncurricula/Lehrpläne und europäischen Bildungsstandards und deren Umsetzung im Fremdsprachenunterricht Französisch. Gute Fremdsprachenkenntnisse sind eine wichtige Voraussetzung, um sich in einem grenzenlosen Europa frei bewegen zu können. Sie beschäftigen sich in diesen Tagen mit den Anforderungen eines zeitgemäßen Französischunterrichts. Der Mensch begreift am schnellsten, was er mag : Lernen mit Lust bringt also mehr als sture Büffelei. Ich wünsche Ihnen des - halb in diesen Tagen einen lebhaften, impulsreichen Erfah rungs - austausch mit vielen guten Ergebnissen, interessanten Be geg nungen und dass Sie für den Fremdsprachenunterricht wichtige Erkenntnisse gemeinsam entwickeln werden. Ursula Wehrmann Bürgermeisterin 6

7 Hans-Günter Egelhoff Ansprache des 1. Vorsitzenden anlässlich des Empfangs im Hochzeitssaal der Stadt Hameln am 7. November 2008 Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin, wir, der Carolus-Magnus-Kreis, freuen uns, von Ihnen im Hochzeitssaal der Stadt Hameln empfangen zu werden. Ich muss gestehen, dass ich vor dem historischen Stadtrundgang vorhin von Hameln nur den Rattenfänger und das BHW kannte. Vor zwei Jahren waren wir in Mittelwihr und haben die Altstadt von Colmar bewundert. Ich habe den Eindruck gewonnen, dass die mittelalterlichen Häuser denen von Colmar in nichts nachstehen. Sie wissen, dass wir im vorigen Jahr in Mönchengladbach waren. Wie ich gelesen habe, haben Hameln und Mönchengladbach etwas Wesentliches gemeinsam: Benediktiner. Um 850 gründete die Benediktinerabtei Fulda ein Nebenkloster nicht weit vom bestehenden Dorf Hameln und 974 wurde Mönchengladbach durch die Benediktiner durch ein Kloster auf dem Abteiberg gegründet, das heute das Rathaus ist. Den Carolus-Magnus-Kreis kennen Sie schon durch die Festschrift und die Dokumentation des Deutsch-Französischen Kongresses von Mönchengladbach In diesem Jahr haben wir uns kein gesellschaftspolitisches Thema vorgenommen, sondern wir wollen uns einem fachspezifischen Thema widmen, das jedoch von Europa vorgegeben wird und ihren Niederschlag in neuen Lehrwerken und Curricula findet: den neuen europäischen Bildungsstandards. Aber wie immer verbinden wir das Nützliche mit dem Angenehmen: Wir lernen Ihre Stadt kennen. Heute machen wir eine historische Nachtwächterführung durch das beleuchtete Hameln, Kinooder Theaterbesuch stehen auf dem Programm und eine Exkursion ins Weserbergland. Ob wir hier eine Hochzeit feiern, das wissen wir allerdings noch nicht. In Erinnerung an Ihren Empfang möchte ich Ihnen im Namen des CMK einen Bildband über den Niederrhein ans Herz legen, den Sie bei einem Glas Wein genießen können. Vielen Dank. Hans-Günter Egelhoff Hans-Günter Egelhoff 7

8 Uwe-Michael Fanio Tagungsüberblick Die 31. Jahrestagung des Carolus-Magnus-Kreises, deren Ergebnisse in der vorliegenden Broschüre dokumentiert sind, fand vom November 2008 im Rattenfängerhotel Berkeler Warte in Hameln statt. Sie führte über 30 Pädagogen zusammen, die unter dem Titel Neue Kerncurricula/Lehrpläne/europäische Bildungsstandards und deren Umsetzung im Fremdsprachenunterricht Französisch fünf Tage die aktuellen, auf den ministeriellen Vorgaben beruhenden Bedingungen des Fremdsprachenunterrichts Französisch und die damit verbundenen pädagogischen Herausforderungen diskutierten und deren Umsetzung in der Praxis erprobten. Die aus der ganzen Bundesrepublik angereisten und in verschiedenen Schulformen unterrichtenden Kolleginnen und Kollegen tauschten dabei auf der Grundlage der Referate ihre konkreten und oft sehr unterschiedlichen Erfahrungen engagiert aus und trugen dazu bei, dass die fundierten Vorträge und Ateliers de travail von lebhaften Diskussionsforen begleitet waren und alle Teilnehmenden vielfältige Denk anstöße und sehr differenzierte Anregungen für ihren Unterricht mitnehmen konnten. Die überwiegend auf die aktuelle Schulpraxis ausgerichteten Vorträge und Workshops/Ateliers sind im Folgenden kurz dargestellt: Im Einstiegsreferat ging der Lehrer und Fachleiter Andreas Nieweler (Detmold) unter dem Titel Outputorientierung, Kompetenzorientierung, neue Formen der Evaluation was ändert sich denn noch alles im Französischunterricht? auf die neuen Ziele des Französischunterrichts ein, dessen heutige Outputorientierung eindeutig an den klar formulierten Kernkompetenzen festzumachen sei, die erfolgreiche Kommunikation in möglichst vielen Lebenslagen sichern sollen. Andreas Nieweler betonte, dass trotz der beispielhaft vorgegebenen europäischen Bildungsstandards der Bildungspluralismus in der Bundesrepublik ganz unterschiedliche Wege zum gleichen Ziel zulasse und der Arbeit im Sekundar - bereich II noch richtungsweisende Standards fehlen. Herr Nieweler plädierte für eine gezielte Zusammenführung der sehr sinnvollen Kompetenzen. Wolfgang Spengler (Solingen) gab in seinem Workshop/Atelier Die Sprachlosigkeit überwinden motivierender Fremdsprachenunterricht in den Klassen 8 10 vor dem Hintergrund von Bildungsstandards und europäischem Referenzrahmen vielfältige Anregungen für einen motivierenden Fremdsprachenunterricht, der vor allem das Ziel verfolgt, den Sprechanteil der Schüler drastisch zu erhöhen und damit die Kommunikation in der Fremdsprache Französisch fast zu einer Selbstverständlichkeit werden zu lassen. Wolfgang Spengler setzt dabei primär auf oft streng ritualisierte Partnerarbeit, die gezielte und intensive Kommunikation ermöglicht und die größtmögliche Schülerzahl aktiviert. Der Referent bewies allen Teilnehmern durch das praktische Ausprobieren fast aller Schülerübungen, wie sehr die auf sprachliche Kommunikation ausgerichtete gründlich vorbereitete Partner- und Gruppenarbeit Schüler wirklich zum Sprechen motivieren kann und sie zu kreativen und weitgehend angstfreien Sprachanwendern reifen lässt. Otto-Michael Blume (Hilden) setzte die workshoporientierte Seminararbeit unter dem Titel Kompetenzförderung im Franzö - sischunterricht der S I und S II konkrete Beispiele und übertragbare Konzepte fort und konzentrierte sich dabei auf den kompetenzorientierten Unterricht für etwas ältere Lerner, wobei er für ein weites Kompetenzkonzept warb, das auch schwer mess - bare Kompetenzen wie z.b. Empathiefähigkeit einschließt und den Primat des Inhalts betont. Otto-Michael Blume präsentierte Unterrichtsgegenstände, die angstfreies und spaßbereitendes Lernen ermöglichen und damit Motivation gezielt fördern sollen. Der Referent gab vielfältige Anregungen, wie z.b. mit Filmsequenzen, Videoclips oder Chansons kreativ zu arbeiten ist und somit die unterschiedlichsten Kompetenzen vom Hörverstehen über interkulturellem Lernen bis zum kreativen Schreiben aktiv und höchst motivierend gefördert werden können. Die sorgfältig ausgewählten Film- und Videosequenzen konnten alle Teilnehmer überzeugen, gerade visuelle Medien verstärkt im kreativen Französischunterricht einzusetzen und dabei teilweise fast spielerisch Schüler zu bewegen, Kompetenzen zu erwerben und zu festigen. Professorin Dr. Daniela Caspari (Berlin) ging in ihrem Impulsreferat Kompetenzorientierung und seine Konsequenzen für den Unterricht auf den Paradigmenwechsel im Fremdsprachenunterricht ein, der heute eindeutig an den Bedürfnissen der Lerner orientiert und auf die Teilhabe an der Kommunikation im Zielland ausgerichtet sei. Der heute erwartete kompetenzorientierte Unterricht erfordere aktive Lerner, neue Lernstrategien und Testverfahren, die gerade entwickelt werden. 8

9 Uwe-Michael Fanio Tagungsüberblick In dem anschließenden Atelier unter dem Titel Analyse von Aufgaben zum Lesen in Prüfungen zum mittleren Schulabschluss bzw. DELF scolaire, in Lehrwerken und Lernaufgaben des IQB setzten sich die Teilnehmer unter Anleitung der Referentin mit den bislang in Unterrichtsmaterialien überwiegend gebotenen Aufgabenformen auseinander, die angeblich das Erwerben von Kompetenzen fördern sollen, oft aber nur punktuell abtesten. In seinem Referat Devenir bilingue en famille et à l école: une pespective développementale stellte Dr. Rüdiger Pfromm (Alfter) Gedanken aus seinem demnächst erscheinenden neuen Buch vor und ging dabei u.a. auf neue Erkenntnisse der Hirnforschung ein. Obwohl trotz intensiver Forschung noch nicht erwiesen sei, ab welchem Alter sinnvoll kognitiviert werden könne, plädierte Dr. Pfromm für ein enseignement précoce als unverzichtbare Notwendigkeit und betonte, dass Kinder viel früher als lange gedacht gezielt lernen können und ihre linguistischen Kompetenzen deshalb eine deutlich frühere Förderung erfahren sollten, was sich in Lehrplänen und Stundentafeln niederschlagen müsste. In seinem Vortrag Bildungspolitische Entwicklungen (in Niedersachsen) unter besonderer Berücksichtigung der Gymnasien ging Rolf Bade vom Niedersächsischen Kultusministerium in Hannover auf die aktuellen bildungspolitischen Entwicklungen ein, die von Standardisierung, internationalen Kompetenzstufenmodellen und Zentralabitur (G 8) geprägt seien. Rolf Bade betonte die Notwendigkeit der von Schulinspektionen konkret unterstützten Qualitätsorientierung, die in Niedersachsen zunehmend von der 'eigenverantwortlichen Schule' mit selbst gewählten Schwerpunkten realisiert werden soll, die in schuleigenen Programmen fixiert werden. Rolf Bade verteidigte die verkürzten und früher einsetzenden Bildungszeiten und plädierte für mehr Schüler mit Hochschulreife ohne Absenkung des Bildungsniveaus und mahnte zu Geduld in der schwierigen Umbruchphase, die mit Reibungsverlusten, aber auch der Eröffnung neuer Chancen verbunden sei. Uwe-Michael Fanio In ihrem Vortrag DELF in der Praxis stellte Judith Oberpenning (Bad Nauheim) das gegenwärtig praktizierte Diplôme d'etudes en Langue Française vor, indem sie den Aufbau mit den 6 Niveaustufen präsentierte und anschließend von der praktischen Arbeit mit Schülern als Vorbereitung auf die DELF-Prüfungen und von ihren persönlichen Erfahrungen als Prüferin berichtete. Judith Oberpenning machte deutlich, wie sehr die Vorbereitung auf DELF-Prüfungen und die Prüfungen selbst den heute geforderten kompetenzorientierten Unterricht unterstützen und Schüler motivieren, sich mit der Fremdsprache Französisch vertiefter auseinanderzusetzen. In ihrem Kurzreferat CERTILINGUA Exzellenzlabel für moderne Fremdsprachen stellten die beiden Referenten Diemo Klocke und Barbara Lege (Hameln) das sich noch in der Pilotphase befindliche Projekt vor, das durch bilingualen Unterricht in einer modernen Fremdsprache und durch das Erreichen des Niveaus B2 in mindestens 2 modernen Fremdsprachen Schüler verstärkt fördern soll. Durch diese gezielte Förderung der Mehrsprachigkeit soll eine internationale Hochschulreife mit erleichtertem Zugang zu internationalen Hochschulen erreicht werden. Des Wei - teren ist intendiert, interkulturelles Lernen zu vertiefen und auf internationaler Ebene gezielter erfolgreich zusammenzuarbeiten, wobei gleichzeitig auch die Schulen in die Lage versetzt werden sollen, Erfahrungen auszutauschen und international zu kooperieren. 9

10 Andreas Nieweler Outputorientierung, Kompetenzorientierung, neue Formen der Evaluation Was ändert sich denn noch alles im Französischunterricht? 1. Die neuen Rahmenbedingungen: Turbo-Abi und Schul - zeitverkürzung bei dauerhaft schlechten PISA-Ergebnissen Die Bildungslandschaft ist mal wieder im Umbruch. Durch die Schulzeitverkürzung im gymnasialen Bildungsgang von neun auf acht Jahre (G 8) stellt sich augenblicklich das Problem, dass der Unterrichtsstoff eines ganzen Jahres neu verteilt oder ersatzlos gestrichen werden muss. Die Vorbereitung der Schulen auf das Turbo-Abi war bislang dilettantisch. Schulministerin Barbara Sommer (CDU) hat in NRW den Vorschlag unterbreitet, die Schulbuchverlage sollten die verpflichtenden von den fakultativen Unterrichtsinhalten abgrenzen und kenntlich machen. Man mag darin einen Versuch erkennen, den schwarzen Peter den Lehrer/ -innen bzw. den Fachkonferenzen zuzuschustern. 2. Outputorientierung, Bildungsstandards, Kernlehrpläne: der Französischunterricht am Scheideweg? Seit 2005 wird die Qualitätsentwicklung in den Schulen aller Bundesländer der BRD in einem gemeinsam vereinbarten Maßstab, nämlich an abschlussbezogenen Standards, ausgerichtet. Ermöglicht wurden sie in den modernen Fremdsprachen durch ein genaues Modell der Kompetenzbeschreibung. Manche sprechen von einem Paradigmenwechsel von der Input- zur Outputorientierung. In den Fremdsprachen haben wir seit 2000 ein Instrument, das dieses Output im Sinne von Fertigkeiten und Kompetenzen genau beschreibt. Der Gemeinsame europäische Referenzrahmen (GeR) (Europarat 2001) definiert, was Lernende lernen müssen, um kommunikativ erfolgreich handeln zu können. Durch die Formulierung einer Skala von Kompetenzstufen wird es der Lehrkraft ermöglicht, die bereits erworbenen Kompetenzen einer Lerngruppe mit der internationalen Norm des GeR abzugleichen, besonders um festzustellen, in welchem der Kompetenzbereiche defizitäre oder positive Abweichungen in der diagnostizierten Lerngruppe zu verzeichnen sind. Es gibt 4 große Kompetenzbereiche, die sich z. T. überlappen: savoir: Wissenskompetenz savoir faire: Handlungskompetenz savoir apprendre: Lernkompetenz savoir être: persönlichkeitsbezogene Kompetenz/Einstellungen (und Haltungen) Werden all diese Bereiche im Französischunterricht ausreichend berücksichtigt? Diese Frage lässt sich nur im Zusammenhang der Bildungsstandards beantworten. Bildungsstandards beschreiben, über welche fachlichen Kompetenzen Schüler/-innen am Ende eines bestimmten Bildungsabschnittes (z. B. am Ende der Sekundarstufe I) verfügen sollen. Sie sind nichts anderes als erwünschte Lernergebnisse und Leis - tungserwartungen. In dieser Gestalt sind sie jedoch eine völlig neue Form curricularer Vorgaben. Sie decken jedoch nur die Kernbereiche eines Faches ab, nicht die gesamte Breite des Lernbereichs. Die Festlegung und Beschreibung dieser Kompetenzen liegt auf nationaler Ebene in der Zuständigkeit der Kultusministerkonferenz (KMK). Diese hat 2003 für die Fächer Französisch/Englisch als 1. Fremdsprache, Deutsch und Mathematik die nationalen Bildungsstandards vorgelegt. Das bedeutet, unser curricularer Leitkurs Französisch als 2. Fremdsprache ist durch die bisher vorliegenden Standards nicht betroffen. Auf der Ebene der Bundesländer definieren Bildungs- und Lehrpläne die in den jeweiligen Fächern zu erreichenden Kompetenzen. Wegbereitend wurde im Auftrag der Bundesregierung eine Expertengruppe eingesetzt, die unter der Federführung von Eckhard Klieme eine Expertise erstellt hat mit dem Titel Zur Entwicklung nationaler Bildungsstandards. Hierin werden Bildungsstandards wie folgt definiert: Bildungsstandards... greifen allgemeine Bildungsziele auf. Sie benennen die Kompetenzen, welche die Schulen ihren Schülerinnen und Schülern vermitteln müssen, damit bestimmte zentrale Bildungsziele erreicht werden... Die Kompetenzen werden so konkret beschrieben, dass sie in Aufgabenstellungen umgesetzt und prinzipiell mit Hilfe von Testverfahren erfasst werden können (Klieme et al. 2003: 19). Entscheidend ist an dieser Beschreibung, dass es sich um abschlussbezogene Standards handelt. Deren Erreichung, so das Ziel der Bildungspolitik, soll einen Beitrag zur Vergleichbarkeit der erworbenen Abschlüsse unabhängig vom Bildungsgang leisten und damit auch zur Durchlässigkeit im Bildungswesen beitragen. Letzteres ist bislang nicht mehr als eine politische Absichtserklärung. 10

11 Andreas Nieweler Outputorientierung, Kompetenzorientierung, neue Formen der Evaluation Was ändert sich denn noch alles im Französischunterricht? Laut KMK beschreiben Standards Kompetenzen, die im Durchschnitt, in der Regel von den Schüler/-innen erreicht werden sollen, wobei Ober- und Untergrenzen festgelegt werden. Hat ein Schüler beim Erreichen eines Maximalstandards nicht schon den Mindeststandard der nächst höheren Kompetenzstufe erreicht? Ist die Diskussion um Maximalstandards angesichts der augenblicklich erkennbaren Leistungen der Schüler/-innen überhaupt nötig? Und dann: Wie wird gemessen, ob eine bestimmte Niveaustufe erreicht wurde? Es genügt nicht, eine Kompetenzstufe wie z. B. A 2 zu einer Fertigkeit nur an einem einzigen Text zu prüfen; man müsste mehrere andere Texte dazu heranziehen. Es stellt sich also die Frage, ob die in den Kom petenzbeschreibungen erwähnten Textsorten hinreichend differenziert sind. Zudem wird sich generell auch bei den Bildungsstandards, ähnlich wie bei den Lernzielen, die Frage der Operationalisierbarkeit stellen. Nicht die Stoffe stehen folglich im Vordergrund, sondern das Können. Das hat in der Französischdidaktik sogar Tradition: Auch die Autoren des Niveau Seuil (Coste et al. 1976) und des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens haben auf Themenlisten und Grammatiklisten verzichtet. Die Sprachanwendung, die Kommunikation steht im Vordergrund. Die Auflistungen des GeR sind in der Tat sehr komplex und beschreiben m. E. mit einer Ausnahme die wesentlichen Bereiche des Faches Französisch: Es fehlt der Umgang mit Texten und Medien, mit Literatur! Diesen Bereich darf man bei den kommunikativen Kompetenzen auch nicht erwarten, aber wo kommt er dann vor? Die genannte Textrezeption i. S. von Leseverstehen kann dieses nicht abdecken. Immerhin, interkulturelles Lernen wie auch Language Awareness sind Bestandteil der Kompetenzbereiche. Es drängt sich die Frage auf, inwieweit die Bildungsstandards dann kompatibel sind mit den Französisch-Lehrplänen, wenn ein so wichtiger Bereich wie die Interpretation von Literatur fehlt. Auch das literarische Lernen gehört zum Kernbereich unseres Faches; leider kommt es in den Bildungsstandards zu kurz. Vor allem in der Sekundarstufe II lernen die Schüler/-innen verschiedene Grundmuster menschlicher Erfahrungen kennen und entwickeln eigene (Werte-)Haltungen. Sie erwerben literarische Kenntnisse und lernen diese anzuwenden bei der Figuren-, Raum- und Zeitdarstellung, bei sprachlichen Gestaltungsmitteln und bei der Entwicklung von Deutungen, über die man sich dann mit anderen austauschen kann. PISA 2000 hat gezeigt, dass der kompetente Umgang mit literarischen Texten mehr bedeutet als das Überprüfen von Leseverstehen mit anderen Textsorten; hier spielen andere Kompetenzen eine Rolle. Der Umgang mit Fiktionalität, mit Metaphern, Symbolik, (fremd)kulturellen Anspielungen geht weit über eine Leseverstehenskompetenz im Sinne einer Dekodierung der manifesten Botschaften hinaus. Die Leerstellen des GeR und der nationalen Bildungsstandards im Bereich des literarischen Lernens (auch als Kombination verschiedener Fähigkeiten im Umgang mit Literatur) müssen dringend gefüllt werden. Die Frühjahrskonferenz zur Erforschung des Fremdsprachenunterrichts hat in ihren Tagungsbänden zum GeR sowie zu den Bildungsstandards diese Lücke thematisiert. Eine Schwierigkeit stellt auch die Aufteilung in verschiedene Grundfertigkeiten wie Lesen, Sprechen, Hören und Schreiben dar, weil diese im Unterricht zumeist miteinander verknüpft vermittelt werden. Die Partialisierung von Lernerfahrungen in einzelne, untereinander nicht verknüpfte Schritte stellt ein gravierendes Problem beim schulischen Lernen (auch im Fremd sprachenunterricht) dar. Deshalb hat z. B. Weinert für kumulatives Lernen plädiert. Mehrfach wurde die falsche Idee von der seriellen Erzeugbarkeit zergliederter Sprachkompetenzen kritisiert und eine Kompetenzkombinationskompetenz eingefordert. Diagnostizieren und Fördern ist ein momentan intensiv diskutierter Bereich der Pädagogik. In diesem Bereich kann der Bezugsrahmen des GeR wertvolle Hilfe leisten, die auch der Transparenz von Leistungsbeschreibungen dient. Diagnostische, kompetenzbezogene Aussagen könnten beispielsweise folgendermaßen formuliert werden: In Bezug auf den Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen schätze ich die Schüler dieser Klasse 10 im Kompetenzbereich der Sprachproduktion unterschiedlich ein. Die Mehrzahl der Lerngruppe kann auf dem Niveau B 1 eingeordnet werden, zumal es den Schülern gelingt, einfache Redewendungen und Sätze miteinander zu verbinden, eigene Erfahrungen, Hoffnungen und Ambitionen in einfacher Weise zu beschreiben, die eigene Meinung und Pläne kurz zu begründen und darzulegen. Einige wenige Schüler haben diese Kompetenzstufe noch nicht erreicht, weil sie nur bedingt in der Lage sind, Erfahrungen aus ihrem Lebensumfeld zielsprachig zu vermitteln. Dabei erschweren häufige Verstöße gegen Syntax und Grammatik den inhaltlichen Zugang zu dem Gesagten. Zwei Schülerinnen gelingt jedoch die Sprachproduktion auf Niveau B 2. Sie können detaillierte Beschreibungen zu einem weiten Feld von Themen, die sich auf ihre Interessenlagen beziehen, fremdsprachlich formulieren und eigene Argumente differenziert darlegen. 11

12 Andreas Nieweler Outputorientierung, Kompetenzorientierung, neue Formen der Evaluation Was ändert sich denn noch alles im Französischunterricht? 3. Wie können sinnvolle Umorientierungen aussehen? Wir brauchen dringend die neuen Formate des Testens und Überprüfens! Die Beiträge von Rüdiger Grotjahn und Karin Kleppin in Tesch / Leupold / Köller (Hrsg.) (2008) weisen hier in die richtige Richtung. Eine Perspektive der Weiterentwicklung könnte auch in folgender Überlegung bestehen: Die Bereitstellung einer sanktions- und angstfreien Lernumgebung erfolgt durch die strikte Trennung von Lernphasen und Leistungs- bzw. Beurteilungsphasen. Eine konsequente Fortführung und Weiterentwicklung des kompetenzorientierten Ansatzes würde darin bestehen, alle summativen Kontrollen als externe Standardtests, ggf. mit internationaler Zertifizierung, am Ende der Jahrgangsstufen bzw. der Bildungsabschnitte durchzuführen. Somit bliebe auch die Lehrkraft authentisch in der Rolle als Lernprozessbegleiter. Der Grad der Kompetenzerreichung könnte im Sinne des GeR standardisiert werden und der Kompetenzerwerb erhielte bezüglich dessen Evaluation eine über die Standards der Bundesländer hinausgehende europäische Bezugsnorm. In der Sekundarstufe II weisen Klausuren mit einem ausdifferenzierten Punkteschema für inhaltliche und sprachliche Teilleistungen einen neuen Weg der Evaluation auf, der für mehr Transparenz, aber auch bei der Erstellung für einen höheren Zeitaufwand sorgt. Literatur: Bausch, Karl-Richard / Burwitz-Melzer, Eva / Königs, Frank G. / Krumm, Hans-Jürgen (Hrsg.) (2005): Bildungsstandards für den Fremdsprachenunterricht auf dem Prüfstand. Arbeitspapiere der 25. Frühjahrskonferenz zur Erforschung des Fremdsprachenunterrichts. Tübingen: Narr. Der Fremdsprachliche Unterricht Französisch (2007): Bildungsstandards anwenden, Heft 88. Seelze-Velber: Kallmeyer. französisch heute, Heft 3/2006: Bildungsstandards und Aufgabenentwicklung Seelze-Velber: Kallmeyer. Klieme, Echhard et al. (2003): Zur Entwicklung nationaler Bildungsstandards. Eine Expertise. Herausgegeben vom Bundesministerium für Bildung und Forschung. Kultusministerkonferenz (Hrsg.) (2004): Bildungsstandards für die erste Fremdsprache (Englisch / Französisch) für den Mittleren Schulabschluss. Beschluss vom Nieweler, Andreas (Hrsg.) (2006 a): Fachdidaktik Französisch. Tradition Innovation Praxis. Stuttgart: Klett. Nieweler, Andreas (2006 b): Problemzonen der Französischdidaktik in Zeiten der Bildungsstandards In: Martinez, Hélène / Reinfried, Marcus (Hrsg.): Mehrsprachigkeitsdidaktik gestern, heute und morgen. Festschrift für Franz-Joseph Meißner zum 60. Geburtstag. Tübingen: Narr Tesch, Bernd / Leupold, Eynar / Köller, Olaf (Hrsg.) (2008): Bildungsstandards Französisch: konkret. Sekundarstufe I: Grundlagen, Aufgabenbeispiele und Unterrichtsanregungen. Cornelsen Scriptor. Ziener, Gerhard (2006): Bildungsstandards in der Praxis. Kompetenzorientiert unterrichten. Seelze-Velber: Kallmeyer. 12

13 Wolfgang Spengler Die Sprachlosigkeit überwinden Motivierender Französischunterricht in den Klassen 8 10 vor dem Hintergrund von Bildungsstandards und europäischem Referenzrahmen Die Sekundarstufen I-Grammatik kann ab Klasse 8 konsultiert werden. Dabei soll eine schülergerechte Layoutierung den visuell orientierten Schülern helfen, grammatische Regularitäten zu erkennen. Zudem wurden lernpsychologische Erkenntnisse bei der Aufgabenverteilung berücksichtigt. Ziel des Vortrags des Referenten ist es, Übungen vom Satz - rahmen zur Textbildung vorzustellen. Und dies in einer Jahrgangsstufe (8-10), die durch mannigfaltige Probleme belastet wird: Pubertät, mangelnde Konzentration und Lernunlust 1. Zur Zielerreichung hat der Referent die Partnerarbeit als Sozialform im Blick. Der Schulbuchverlag Klett hat zum ersten Band W. Spenglers Partnerkarten publiziert, die zur Lösung vieler Aufgaben hilfreich sind. Schüler schließen, so hat er in seinem Unterricht festgestellt, eine Lektion ab und verschließen sie in einer Schublade, d.h. vergessen sie alsbald. Um diesem Verhalten entgegenzuwirken, braucht es eine stete Umwälzung des Gelernten auf allen Sprachebenen, den Themen, der Lexik, der Grammatik und der Sprechakte mit Revisionsplateaus. Die zyklische Wiederholungsarbeit erfolgt lektionsübergreifend, in Paketen von zwei bis drei Lektionen etwa. Der Referent verdeutlicht dies an einem Beispiel: Die Klasse wird in vier Gruppen eingeteilt. Jede Gruppe holt sich Karten (zu einer Textebene) und jeder Teilnehmer muss Fragen durch Beantwortung abarbeiten. Schüler habitualisieren auf diese Weise Strukturen und lernen dadurch freier zu sprechen. Dann werden die abgearbeiteten Karten auf dem Lehrerpult unter den Stapel geschoben. Mit Hilfe solcher Karten können Vertretungsstunden problemlos aufgabenbezogen bestritten werden. Aber auch während einer Normalstunde können sie eingesetzt werden, zum Beispiel, wenn im Cahier d`activités von guten Schülern eine Übung schnell abgearbeitet wird, während die langsameren noch eine Zeit lang beschäftigt sind. Dann können diese mit den Karten beschäftigt werden. Beim Klett-Verlag ist Ende Oktober 2008 die erste Basisgrammatik für die Sekundarstufe I von Kuhnert/Spengler erschienen. Sie ergänzt die grammatischen Beihefte zu den gängigen Lehrwerken. In diesem Büchlein wird die Grammatik systematisch zusammengestellt und es gibt zur Selbstüberprüfung Aufgaben. So kann ein Schüler selbstständig arbeiten und seinen Lernfortschritt kontrollieren. Die Grammatik kann, weil sie am Lehrplan ausgerichtet ist, auch für andere Lehrwerke als die von Klett benutzt werden. Nächstes Jahr will Klett eine Grammatik für die Oberstufe anbieten, so dass die bewährte kommunikative Grammatik von Klein/Kleineidam (1981) ersetzt wird. Blume/Spengler haben eine Initiative zur Lehrerfortbildung gegründet (Lehrerfortbildung à la carte): Sie haben sich die Frage gestellt, wie man die Fortbildung anders als bisher gestalten kann. Fachkonferenzen sollen ihrem Bedürfnis entsprechend zwischen vier Referenten zu 32 Themen auswählen können (s. Zum Thema Kerncurricula, Bildungsstandards, Europäischem Referenzrahmen s. Beitrag Nieweler. Die KMK hatte 2003 nationale Standards beschlossen, wobei der Mündlichkeit Vorrang vor der Schriftlichkeit gegeben wird, vor allem in der Sekundarstufe I, wo die Kommunikationsfähigkeit herzustellen im Vordergrund der Bemühungen des Lehrers steht. Das Zentralabitur mit seinen Vorschlägen bindet stark die Kräfte. Aber die Ansprüche sind so weit formuliert (s. Beitrag Bade), dass der Lehrer auch andere Ziele, etwa Literaturarbeit, anstreben kann. Die Orientierung an Kompetenzen hat die Zielproblematik verschärft. Früher wurde ein Lehrwerk durchgearbeitet; nun muss der Schüler bestimmte Profile vorweisen. Der Europäische Referenzrahmen gibt einen Kompetenzrahmen vor. Das Institut für Qualitätssicherung (IQB) in Berlin entwickelt lernzielübergreifende Aufgabentypen (s. Beitrag Caspari). Als Kompetenzen werden im ERR genannt: Kommunikative Kompetenz (umfassender, auf Texte und Personen in Situationen bezogener Begriff) Lernkompetenz (Strategien entwickeln) Methodische Kompetenz (Selbstlernen, Aufgaben zu lösen) Handlungskompetenz (sprachlich situativ angemessen rea - gieren) Interkulturelle Kompetenz (Fremdverstehen) Ästhetische Kompetenz Persönlichkeitskompetenz Andreas Nieweler hat die alte Frage aufgegriffen (FU 55,2002), in welchem Umfang der Unterricht den Schülern genügend Gelegenheiten biete, sich sprachlich einzubringen. Günter Nold hatte einmal festgehalten, dass allzu häufig der Lehrer spreche und nicht die Schüler (80:20). 1 Der vorliegende Vortrag schließt an den vom Referenten gehaltenen Raus mit der Sprache! Motivierende und altersgerechter Französischunterricht ab Klasse 6 (in: CMK 2007, 34-39). Der Referent erarbeitet eine globale, an Schwierigkeiten des Schülers orientierte nützliche Progression vom propositionalen Rahmen zum Text. 13

14 Wolfgang Spengler Die Sprachlosigkeit überwinden Motivierender Französischunterricht in den Klassen 8-10 vor dem Hintergrund von Bildungsstandards und europäischem Referenzrahmen Die Partnerarbeit, weit mehr als die Gruppenarbeit, erlaubt es, den sprachlichen Beitrag der Schüler zu erhöhen. Der Referent tritt dafür ein, funktional einsprachig zu verfahren, d.h. grammatische Phänomene auf Deutsch zu erklären und auf Französisch einzuüben. Seit der audiovisuellen global-strukturierenden Methode, welche auf strukturalistischen Annahmen gründete, etwa behavioristischen, stand das Üben im Vordergrund. Erklärungen auf Deutsch erfolgten nur punktuell, wenn unbedingt nötig. Die Stärkung der mündlichen Reaktionsfähigkeit impliziert, (1) sprachaktiv zu sein und (2) zu kommunizieren. Zunehmend wurde von kommunikativen Theoretikern gefordert, von der Fehlerorientierung wegzukommen (zuletzt Leupold), d.h. eine größere Fehlertoleranz zu zeigen, nach dem Schlagwort: message and fluency before accuracy. Der Referent folgt diesem Ansatz insoweit, als er erst die Schüler packen will, bevor über die Produktion gesprochen wird. Ziel ist es, möglichst viele Schüler gleichzeitig sprechen zu lassen. Zunächst steht das Ausprobieren im Vordergrund, dann die Präzision. Wichtig ist ihm, die Schüler mitzunehmen, d.h. ihnen zu erklären, warum etwas wie getan wird, z.b. im Chor zu sprechen. Diese kognitive Ansprache appelliert an die Einsicht. In Klasse 10 können Schüler bereits ein monologisches Kurzreferat von 5-10 Minuten nach entsprechender sprachlicher und thematischer Vorbereitung halten. In der Sek I nehmen 43,2 Prozent Gymnasiasten am Französisch- Unterricht teil, in der Jahrgangsstufe 13 nur noch 19,9 Prozent. Franz-Josef Meißner (Fh 3/1998) merkt an, dass das Französische gegenüber dem Englischen in der Morphosyntax kom - plexer sei. Diese Aussage gelte für die ersten vier Lernjahre; dann erweise sich das Englische als schwieriger, weil es weit phraseologischer als das Französische sei. Horst Raabe hat (in: Praxis 6/2007) die Frage von Karl Ermert (1982) aufgegriffen, wie viel Grammatik der Mensch brauche. Er attackiert damit das Argument, die Morphosyntax müsse eingehalten werden. Für alle Autoren ist die Sprachrichtigkeit ein nachrangiges Ziel. Angestrebt wird eine ermutigende, nicht sachbezogene Pädagogik. Die Schüler sollen sprachaktiv sein, um kommunikativ handeln zu können. Das eigenverantwortliche Handeln wird unterstützt mit dem Ziel, eine der Realität nahe kommende Kommunikation zu erreichen. Die entsprechenden Unterrichtsmaterialien helfen dem Schüler sich selbstständig zu kontrollieren und sein Lerntempo selbst zu bestimmen. Eine hohe sprachliche Umwälzung ist erwünscht, auch in Interaktionen, welche der Kontrolle des Lehrers entzogen sind, um das Verhalten zu festigen. Beispiel: Schüler sollen décrire et trouver satzübergreifend eine (möglichst) zusammenhängende Geschichte erzählen. Die Vorteile der Partnerarbeit liegen in der Vermeidung von Zeitverlusten durch Nacheinandersprechen, der emotionalen Sicherheit, denn die Schüler wissen, mit wem sie sprechen, der Intensität des Übens, der konsequenten Ausrichtung auf feste Aufgaben sowie in der Freistellung des Lehrers zur Moderierung und Kontrolle. Das Verfahren folgt dem Schema: Ich sehe, was du nicht siehst. Ein Schüler sitzt mit dem Rücken zum OHP, mit dem eine Folie an die Wand projiziert wird. Der andere sitzt ihm gegenüber und stellt Fragen, wobei er die Antwort zur Kontrolle der Äußerung seines Gegenüber im Blick hat. Die Folie zeigt z.b. Personen, die von B aus dem Gedächtnis beschrieben werden und A muss die Richtigkeit bestätigen. Dann werden die Rollen zur Fes - tigung getauscht. Der Lehrer greift bei Störung ein und erläutert auf Deutsch, warum die Übung so abläuft. Das methodische Geschehen wird dem Schüler transparent. Die Automatisierung des Verhaltens dient dem Ziel, in einem Gespräch angemessen reagieren zu können. W. Spengler setzt auf eine didaktisch reflektierte Pro - gression, die Stufen enthält, vom formalen über das freie zum mitteilungsbezogenen Sprechen. Er hat sich seit Jahren konzentriert auf die Erarbeitung der Interaktion von Übungsmitteln und selbstkontrolliertem Lernen: In dieser Perspektive erarbeitete er FRAGAS (Frage-Antwort-Karten), PAKAS (Partnerkarten), PABOS (Partnerbögen), TABOS (Tandembögen), PARAS (Partnerräder) und PAFOS (Partnerfolien). In seinem Handout (S.12) bezieht er sich auf Découvertes 3, Fundgrube, L4, S. 48, um zu zeigen, wie der Lehrer sich selbst Karten erstellen kann. In Frage-Antwortkarten wird eine Geschichte erarbeitet. Solche einzelnen Fragen können ausgeschnitten, auf Karton aufgeklebt und mit Transparentfolie verschweißt werden. Partnerbögen dienen dem Ziel, Informationen weiterzugeben, etwa zu einer Lektion Des sondages au lycée Colbert et au lycée Henri IV im Klett-Lehrwerk Découvertes (Fundgrube III). Die Schüler kontrollieren selbst die von ihnen erbrachte Lösung. PAFOS sind sparsam; sie haben den Vorteil, dass sich die Herstellung vieler Kopien erübrigt. Sie sind bis Klasse 10 einsetzbar. Schüler sollen etwa die Verneinung einüben. Erklärungen erübrigen sich nahezu, weil die Aufgaben für sich sprechen. Partner A stellt Fragen und kontrolliert B mit der Antwort auf der Folie: Tu as vu quelque chose? - Non, je n ai rien vu. Solche Folien können auf dem Computer schnell für alle Klassen hergestellt werden. Etwa: Tu as vu le livre sur la table? non je ne l ai pas vu. Diese Folien leisten gute Dienste bei der Behebung von Fehlern, sind sie doch flexibel einsetzbar. Die Effizienz des Verfahrens ergibt sich aus der häufig wiederholten Umsetzung von bekanntem Stoff bis zum Überlernen. 14

15 Wolfgang Spengler Die Sprachlosigkeit überwinden Motivierender Französischunterricht in den Klassen 8-10 vor dem Hintergrund von Bildungsstandards und europäischem Referenzrahmen Im Lehrwerk finden die Schüler ein Breitbandangebot an Übungen, das darauf abzielt, in Standardsituationen mit sog. Sprechinseln (engl.: chunks) spontan reagieren zu lernen. Der Monotonie des Einschleifens wird durch hohe Aufgabenvariabilität begegnet. Im questionnaire personnel (Handout, S. 18) bekommt die Hälfte der Schüler einer Klasse je eine Karte zu einem Stichwort (musique, lecture, amis etc.). Diese Schüler suchen sich einen Partner ohne Karte. Sind alle Fragen gestellt und beantwortet, werden die Rollen getauscht. Schon in Klasse 6 kann dieses Verfahren eingesetzt werden. Um Fehler zu beheben, kann man einen Omnium-Kontakt herstellen, nicht in der Klasse sondern etwa im Pädagogischen Zentrum. In Klasse 10 sind die Schüler meist an einem Punkt angekommen, ab dem sie nun die Satzebene übersteigen, d.h. man kann nun progressiv in die Textbildung mit ihren verschiedenen Ebenen einsteigen. Es ist etwa das Niveau A2 des europäischen Referenzrahmens. Um dieses zu erreichen, gibt es eine Vielzahl an Übungen: La photo-déclic (W. Spengler, Jeux, 1993, 61,106) zielt auf Behalten, auf Beschreiben von Personen und Sachen sowie Sprechen und im Nachgang Schreiben. Durch Fragen und Antworten wird eine Fotosequenz, welche eine Fabel ergibt, erarbeitet und das Gesprächsgeländer, der narrative Kern herausgearbeitet. Es können auch zusätzlich eigene Fragen gestellt werden, um die Kreativität zu fördern. Ähnlich kann man verfahren, um Dialoge im Restaurant oder auf dem Markt zu üben oder Dialoge in der Gastfamilie beim Schüleraustausch vorzubereten. Um zu überprüfen, inwieweit die Schüler ihre Sätze parat haben, formuliert der Lehrer Impulsfragen: Qu est-ce que vous avez fait le week-end dernier/pendant les vacances? Die Schüler sind aufgeteilt in A- und B-Schüler. Der Lehrer setzt einen Impuls und über eine Buchstabenkarte wird angezeigt, welche Schüler auf den Impuls reagieren. Der reagierende Schüler wendet sich an seinen Nachbarn und beantwortet die Frage des Lehrers, indem er sich seinem Nachbarn zuwendet. In den meisten Fällen ist es günstig, dass die Paare dieselben bleiben, aber man kann gute Schüler auch einmal als Kontrolleure und Impulsgeber einsetzen. Man könnte diese Wechsel als Variable unter die soziale Kompetenz fassen. La conversation-promenade (Handout, S. 17): Schüler gehen auf dem Flur (oder anderswo, wo nicht gestört wird) um zwei Papierkörben herum. Jedes Paar bekommt eine Karte mit einem Auftrag, Stellung zu nehmen zu einer Frage (etwa: Le sport est-il important pour vous, pourquoi? ). Nach Rückkehr zum Ausgangspunkt zieht der Schüler eine neue Karte und sucht sich einen anderen Partner. Die conversation-minute ist ebenfalls eine Übung im Übergang zum Kurztext. Schüler erhalten einen auf dem Computer erstellten Corpus an Äußerungen, die sie ausschneiden und als Karten stapeln. Dann ziehen sich Paare eine solche und erledigen den Auftrag. Nach einer Runde wechseln sie den Partner. Der Einsatz von BDs, Cartoons und Fotos (Handout, S.15 ff.) bietet die Gelegenheit, im Vorlauf zum Vortrag einen längeren monologischen Text zu erstellen, der transphrastische Verbindungen aufweist. Meist nutzt man nach der Beschreibung die Bildgeschichte als Startpunkt. Diese Übung sollte man früh beginnen, etwa ab Klasse 10. Man kann in einer Sequenz auch ein Bild auslassen und die Schüler auffordern, diese Lücke (vignette) zu füllen. Ein Beispiel ist die die Sequenz von Quinot A l hôtel mit den Phasen (vignettes): porter les bagages, s installer, prendre une douche, se laver, coup de téléphone qui dérange, l hôte qui s énerve et gueule, deuxième coup de phone, l homme encore plus furieux y va et le récepteur se transforme en douche qui le mouille. Am Schluss dieser Geschichte wird man nach ihrer Moral fragen. Der Vortragende hat 60 Cartoons zusammengestellt, die bei ihm abgefragt werden können. La chaise chaude (Handout, S. 20) ist eine Übung mit zwei Varianten. Erste Variante: Zwei Schüler sitzen einander gegenüber, der eine sieht die OHP-Projektion, der andere nicht. Der mit dem Rücken zum Bild sitzt, Schüler B, muss er kennt die Bilder - nun durch Fragen, die von A mit Ja/Nein beantwortet, herausfinden, um wen es sich da handelt. Zweite Variante: Schüler setzen sich in Vierergruppen zusammen. Ein Schüler muss nun die Fragen der anderen beantworten. Er muss sich in die Situation der auf der Zeichnung dargestellten Person hineindenken und nun begründen, warum er so und so gehandelt hat. Man kann diese Übung auch mit einem Filmclip durchführen. Z.B.: Le sécouriste. Schüler setzen sich zu viert zusammen. Ein Schüler hat die Sequenz gesehen, versetzt sich in die dort gezeigte Person hinein und beantwortet die Fragen der anderen zum Geschehen. Der Vorteil dieser Übung liegt darin, dass die Schüler interagieren und der Lehrende nicht befasst ist. Sie lässt sich auch mit Lektionstexten durchführen. Francis Débysers 2 L immeuble (BELC, Sèvres, 1971) ist der Prototyp des Rollenspiels, welches nunmehr in vielen Varianten vorliegt. Die Schüler sollen sich in eine Person hineindenken und aus deren Sicht argumentieren (Handout, S. 22). Um den Schülern das Sprechen zu erleichtern, kann man Rollenkarten erstellen. Ab diesem Niveau treten die Schüler in die dritte Phase der Kurztextbildung ein. Sie sollen zu diskutieren lernen (z.b.: DELF, Handout, S. 24; Niveau A2). Hierfür werden Karten laminiert und vier oder 2 s. auch CMK 2006,

16 Wolfgang Spengler Die Sprachlosigkeit überwinden Motivierender Französischunterricht in den Klassen 8-10 vor dem Hintergrund von Bildungsstandards und europäischem Referenzrahmen mehr Gruppen mit je vier Schülern gebildet. Jede Gruppe diskutiert auf der Basis der gegebenen Impulse. Entsprechendes Vokabular wird vorher eingeführt (Handout, S. 23). La discussion en caroussel (Handout, S. 26) ist eine mögliche Variante, Schüler zum Sprechen zu verlassen. Sie sitzen in zwei konzentrischen Kreisen gegenüber. Auf den Stühlen der Innenseite liegt jeweils eine Diskussionskarte, die, wenn möglich, laminiert ist. Die Schüler diskutieren fünf Minuten über das dort gestellte Thema. Danach rücken die Schüler des Innenkreises im Uhrzeigersinn zwei Stühle weiter, die Schüler des äußeren Kreises zwei Stühle entgegen dem Uhrzeigersinn. Die neuen Paare schauen sich die neue Diskussionskarte gemeinsam an und diskutieren. Diese Art des Partnerwechsels wird beliebig oft wiederholt, je nach Zeit und Motivation der Gruppe. Die Kopiervorlage wird sooft kopiert, dass eine Anzahl von Karten entsteht, die der halben Schü - lerzahl entspricht. Die expression libre lässt sich auch an Cartoons üben, die zum Gespräch einladen. Der Referent hat 60 solcher Redeimpulse als Folien für den OHP zusammengestellt. Schüler B beschreibt das Bild, A dreht sich um und gibt eine Stellungnahme ab. Beispiel: Vor mehreren Häusern stehen Autos, die gewaschen werden wollen; ein Bewohner dagegen liegt im Liegestuhl vor dem Haus und liest Zeitung; sein Wagen steht auf der Straße (weitere Vorschläge, Handout, S. 27). Francis Yaiche (1996) hat in seinen simulations globales das Verfahren weiterentwickelt (s. CMK 2006, 37). Beispiel: Jacques Sternberg: la communication Il avait vingt ans qu il vivait avec la même femme dans le même appartement. En vase clos et sans télévision. Un jour, cependant, quand il fut engagé dans un grand quotidien, il fit installer le téléphone chez lui. Mais, le premier coup de téléphone qu il donna de l intérieur, ce fut pour appeler sa compagne. Pour lui dire... qu il ne rentrerait pas ce soir-là ni un autre soir parce qu il avait décidé de la quitter. Jamais il n avait osé lui annoncer cela de vive voix. Vom Protokollanten wird hingewiesen auf vier Dinge: (1) Der Referent hat eine breite Palette an Heften und CDs zusammengestellt zu den Themen: Toujours les mêmes fautes; Parler et agir; Préparer-écrire-revoir; Expression libre; Les jeux de la classe de français; Das Lernen lernen sowie Gestaltender Umgang mit Texten, ein Leitfaden zum handlungs- und produktionsorientierten Verfahren als Ergänzung zur traditionellen Textanalyse (wolfspengler@wolfspengler.de; (2) Sein Handout (S. 34) enthält eine Zusammenstellung französischer Jugendliteratur, (3) Bausteine für die eigene Unterrichtspraxis (S.35) sowie (4) Bewertungsbögen (S. 38). Protokollant: Rüdiger Pfromm Bei Langenscheidt findet man zum Thema lire et entraîner eine Sammlung von Heften mit jeweils einer CD. Die Texte enthalten Aufgaben zur compréhension orale, der production écrite, der production orale, zu grammatischen Fehlerschwerpunkten, zur compréhension écrite, zum Wortschatz und zu Szenarien. Der Referent hat sich einen Aktenordner (frz.: classeur) mit landeskundlichen Texten aus Écoute zusammengestellt. Auf der Innenseite hat er die Liste der angeschnittenen Themen/Titel eingeklebt und sie nach den Graden leicht mittel schwierig markiert. Schon ab Klasse 10 können solche Texte eingebracht werden und daraus Kurzreferate nach einem vorgegebenen Handlungsschema vergeben werden (s. Handout, S. 37). In der Folge kann die Progression zu authentischen Sachtexten und literarischen Kurztexten hin (s. Franz-Rudolf Weller: Récits très courts, Reclam) geöffnet werden, Ende Klasse 10 und in Klasse 11. Eine rencontre de choc ist zu vermeiden. Des récits très courts und Novellen von einer halben DIN A4-Seite Länge finden sich in einem Büchlein bei Reclam. An diesen kann man die Kriterien der Gattung Novelle erarbeiten (etwa Texte von J. Sternberg, Fr. Ponge, M. Tournier). 16

17 Otto-Michael Blume Kompetenzförderung im Französischunterricht der SI und SII konkrete Beispiele und übertragbare Konzepte Er nutzt vielfältige Übungen, lässt sich auf das Verarbeitungsprofil des Schülers ein (Schülerorientierung) und sucht, alle Schüler in seine Aktivitäten einzubeziehen. Der Referent arbeitet seit über 22 Jahren in der Lehrerfortbildung und seit 11 Jahren am Studienseminar. Mit W. Spengler und weiteren Kollegen sucht er nach Wegen zur Optimierung des Französischunterrichts ( Er situiert seine Ausführungen innerhalb des Rahmens dieser Jahrestagung. Der Begriff Kompetenzorientierung hat zunächst einmal nichts mit gutem Unterricht zu tun. Von ihm gehen auch keine Heilser - wartungen aus. Der Unterricht als komplexes Faktorengeflecht geht über die Schulung der fünf Fertigkeiten hinaus. Persönlichkeitsbezogene und interkulturelle Kommunikation verlangt weit mehr. Sie verknüpft die Enkulturation mit der Sozialisation und Personalisation. Schule ist daher nicht als Wirtschaftsunternehmen zu begreifen; weit entfernt davon ist sie auch ein Er ziehungsraum. Mit der konstruktivistischen Wende wurde ein Paradigmawechsel gefordert, der in der Nachfolge der Reform - pädagogik die Persönlichkeit des Schülers mit seiner Initiative in den Blickpunkt rückte: Der Schüler war nicht mehr nur als Rezipient im Unterricht zu verstehen, sondern als Ko-Konstrukteur mit seinen Sinnen. Schüler- und Handlungsorientierung hießen nun die Schlagworte, um einen bloß analytischen Unterricht abzulösen. Die Hinwendung zur individuellen Problemlösung führte zur Reflexion des sog. kognitiven Stils und zu Lerntypen. Kommunikation wird als individuelle Handlung innerhalb einer Situation verstanden. Der individuelle Weg steht nunmehr im Vordergrund und löst den systemischen Ansatz ab; er erfordert eine ganzheitliche, integrative Sicht der Person. Nunmehr wird nicht mehr nur funktional-pragmatisch argumentiert, sondern die Performanz im Rahmen von Kompetenzen dynamisiert. Ein weiter Kompetenzbegriff umfasst nicht nur Inhalte, sondern auch methodisches, soziales und interkulturelles Lernen. Unklar bleibt allerdings angesichts des engen Zeitrahmens von Unterricht das Gewichtungsproblem. Bildung und Erziehung meinen jedenfalls mehr als bloße Fertigkeitsschulung mit messbaren Ergebnissen. Die Gehirnforschung hat alte Erfahrungen belegt, dass nämlich Häufigkeit, Bedeutsamkeit, Intensität, Spaß und Bewegungsfreiheit dem Lernen förderlich sind. Insbesondere Angstfreiheit ist ein Kriterium für eine furchtlose Erprobung des eigenen Könnens. Betrachtet man die schülerseitigen Faktoren, so findet man eine eingeschränkte Konzentration(sfähigkeit), eine bedrohte Bereitschaft zum schulischen Lernen, ja mitunter gar eine Null-Bock- Mentalität. Wie antwortet der Lehrende auf eine solche Situation? Erprobung steht vor Sanktionierung. Für die Vorstellung seines eigenen Projekts nennt der Referent seine Leitpunkte: Er richtet sich an Ergebnissen der Hirnforschung aus, sucht mehrere messbare Kompetenzen zu erreichen, wählt als inhaltlichen Schwerpunkt das Rahmenthema Paris aus und hat hierzu stilis - tisch nicht zu anspruchsvolle Texte, Chansons und Filmepisoden ausgewählt. Erwünscht ist ein interaktiver, anregender Unterricht, der über sprachliche Progressionen hinaus soziale, emotionale, personale, methodische und interkulturelle Kompetenzen verbindet. Seine Ausführungen sind zweigeteilt: Er stellt die Arbeit mit den beiden Filmepisoden sowie zwei Sachtexten vor (s. CD mit FB-Material, 10 ), dann erfolgt die Vorführung einer integrativen Sprach- und Sacharbeit anhand eines Videoclips, eines Chansons, eines literarischen Kurztextes in Verbindung mit einigen wenn die Zeit es zulässt lesegrammatischen Überlegungen. A] Femme riche et pauvre Filmepisode Niveau A1/A2-GeR (Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen) mit der Zielkompetenz Sprechen innerhalb der (nicht vorhandenen Zwischenstufe) Niveaustufe A1+. Das Thema eignet sich nicht für französische Anfänger der 6.Klasse. Hör- und Sehverstehen wird innerhalb kooperativer Aktionsformen mit methodischen Lernzielen verbunden. Die gesellschaftliche interkulturelle Wirklichkeit sollen die Schüler ggf. durch Vergleich mit Deutschland - differenziert darstellen können. Die Schüler bekommen Nummern (1-4) und arbeiten in Vierergruppen zusammen; alle müssen dort mitarbeiten. Sie reaktivieren dort ihr Wissen über Paris mit seinen banlieues. Dann nennt der Lehrende eine Nummer (1-4) und die Schüler mit dieser Zahl müssen im Plenum zum Thema vortragen (Methode: Numbered heads together). Im nächsten Schritt lässt der Lehrer die in der Episode vorkommenden Geräusche, ohne die Bilder zu zeigen, ablaufen (Tonspur). Die Schüler machen sich Gedanken, was diese in der Reihenfolge bedeuten könnten. Dann werden sie in vier/fünf Gruppen jeweils in einem Kreuz zusammengesetzt. Jeder Schüler hat ein Zeichenblockblatt vor sich liegen, auf dem er die in seinem Sektor von ihm wahrzunehmenden Geräusche notiert (Methode: Placemat). Anschließend diskutieren die Schüler jeder Gruppe miteinander auf Französisch und einigen sich auf ein Ergebnis. 17

18 Otto-Michael Blume Kompetenzförderung im Französischunterricht der SI und SII konkrete Beispiele und übertragbare Konzepte Die Geräusche können bei fehlendem französischen Äquivalent auch auf Deutsch notiert werden. Danach werden die Gruppenergebnisse im Plenum zusammengefasst. Es ergeben sich folgende Schritte zur Présentation de la scène sans images. (1) Écoutez la scène; (2) notez, chacun pour soi, les bruits que vous venez d`entendre; (3) comparez les résultats et discutez-les; (4) parlez des bruits; imaginez l`histoire. Es wird verschiedenste Interpretationen der Geräusche, mithin Geschichten, geben. Anschließend erfolgt eine zweite Präsentation des Filmes mit Bild und Ton. Es ist ein Ausschnitt aus Paris, je t aime. Eine junge Latina, Ana, bringt ihr Kind morgens nach dem Aufstehen in eine Krippe und singt ihrem Kind ein Schlaflied, damit es ruhig bleibt. Dann fährt sie mit Metro und Bus zu ihrer Arbeitsstelle. Leider kommt sie etwas zu spät. Ihre Arbeitgeberin, eine reiche Frau, ruft ihr, selbst dabei, die Wohnung zu verlassen, zu: Sie bleibe heute Abend länger, das störe sie, Ana, doch nicht. Die reiche Frau hat auch ein Baby und Ana singt ein zweites Mal ihr Kinderliedchen über die Merkmale des Kopfes auf spanisch. Die Schüler erhalten nach der Filmrezeption Fotos aus dem Film, die sie zu einem inhaltlichen Gerüst, einer Fabel, verbinden. Die Schüler werden ermuntert, dies auf Französisch zu tun, nicht gezwungen. Anhand der Fotos erzählen sie sich in der Zielsprache die Geschichte. Als nächsten Auftrag suchen nun die Schüler einen Titel zu dieser Bilderfolge, etwa bébé riche et bébé pauvre. In Partnerarbeit wird der Titel erklärt und die Wohnungen in den Arrondissements situiert. Auf der Basis des Igels (Strichaureole um das jeweilige Arrondissement) notieren die Schüler ihre Assoziationen, die anschließend mündlich in einem Gespräch ausgewertet werden und über die abgestimmt wird. Es wird sich eine Skizze mit Oppositionen ergeben. a] contrastes Ana (cité de HLM) la dame du 16e arrondissement loin du 16e arrondissement (soziale Distanz; Fahrtstrecke) b] points communs: femmes monoparentales; maris invisibles; bébés du même âge Im Bereich interkulturelles Lernen werden Unterschiede zwischen Paris-centre und banlieues herausgearbeitet, die an der Lebenswirklichkeit zweier Menschen konkretisiert werden und die französische Gesellschaft als Klassengesellschaft charakterisieren. Auf dem Niveau B1/B2 kann man auch filmtechnisch den Begriff der Entfernung belegen. Der Referent weist daraufhin, dass Anfang Februar 2009 bei Klett Material zu dem Film angeboten wird. In einem vierten Arbeitsschritt wird nach dem Verfahren chaise chaude (s. Spenglers Handout) das Verhalten von Ana, der Latina, und der Dame des 16 Arrondissement dargestellt. Dies kann auch parallel in zwei Rollen geschehen. Eine Interpretation der Leerstellen wird die klischeehafte Anordnung aufbrechen und kreative Antworten erlauben. Abschließend wird der Arbeitsauftrag vergeben: Écrivez un monologue intérieur! Ana qui pense à son enfant quand elle chante en espagnol. Die Vorarbeit entlas - tet die sich dieser Aufgabe anschließenden Hausaufgabe. In einem Exkurs stellt sich der Referent die rhetorische Frage, ob die Erarbeitung von Sachtexten langweilig sein müsse. Er stellt die arbeitsteilige Aktionsform Parler en marchant für die Oberstufe (B2) vor: In der häuslichen Vorbereitung lesen die Schüler zwei bis drei Sachtexte durch. Während sie paarweise umhergehen, informieren sie sich über die Inhalte der Texte, die sie gelesen haben. Dann werden Nachfragen gestellt. Bei längeren Ausführungen wird der jeweilige Schüler stehen bleiben. Es ist eine Variante des alten sokratischen Dialogs. In einem weiteren Schritt resümieren die Schüler das, was ihnen erzählt worden ist. Im Plenum erfolgt eine abschließende vertiefende Ergebnissicherung. Neben der Filmepisode stellt der Referent einen Clip zum Chanson von Pjerpoljak Né dans les rues de Paris vor. In einer kreativen Ausweitung erarbeiten die Schülerinnen und Schüler die folgende Aufgabe: Un jeune homme qui a un appartement à l intérieur de la périphérique écoute la chanson et décide de s adresser au chanteur. soit en lui envoyant sa chanson soit en lui écrivant une lettre... 18

19 Otto-Michael Blume Kompetenzförderung im Französischunterricht der SI und SII konkrete Beispiele und übertragbare Konzepte B] Filmepisode Quais de Seine Es lassen sich durch eine Zeichnung Spannungslinien darstellen: Schwerpunkt der Interaktion zwischen Lehrendem und Schüler ist die Förderung der Persönlichkeit (savoir être). Es ist eine B1- Übung für die späte Sek I oder frühe Sek II zum Erfahrungsbereich und der Lebenswelt des Schülers. Der thematische Rahmen steht im Horizont der société multiculturelle und konkretisiert sich in der Vorarbeit zu einem Dossier über Paris. Der erste Teil der Arbeitsaufträge umfasst die activités avant visionnement. In gleichstarken Gruppen werden Rollen gespielt, die in dem zu zeigenden Clip vorkommen (ein Mädchen / einen Jungen, das/den man sympathisch findet, ansprechen). Anschließend wird der erste Teil der Episode gezeigt und das, was verstanden wurde, versprachlicht: Racontez ce que vous avez entendu et vu. Nach dieser ersten Phase des Globalverstehens wird der Clip ein zweites Mal gezeigt. Nun wird das Augenmerk der Schüler verengend auf den interkulturellen Aspekt gelenkt: Qui a dit quoi? Verständniserschwerend ist die Jugendsprache, die durch Vorentlastung geknackt werden muss. Die Schüler beantworten mündlich die Fragen zur ersten Szene am Seineufer: Que pense le jeune homme? Que va-t-il faire? Mehrere Jungen machen sich über arabische Mädchen lustig, die vorbeigehen. Eine stolpert, bekommt von diesen wenig hilfreiche Kommentare zu hören, aber einer steht auf und hilft ihr. Er findet sie sehr attraktiv. Im nächsten Schritt wird die Reaktion des jungen Mannes erfasst, der das arabische Mädchen an der Moschee, wohin sie gegangen ist, ansprechen möchte. Sie verlässt die Moschee in Begleitung eines alten Mannes. Dieser sieht mürrisch drein, als er sieht, dass sich der Junge für das Mädchen interessiert und dieses wohlwollend darauf reagiert. Décrivez l air du vieux monsieur (son grand-père) qui l accompagne en sortant de la mosquée. Comment l histoire va-t-elle se terminer? Im Weiteren wird der interkulturelle, notwendig klischeehafte Rahmen skizziert. Welches ist die Rolle der Frau im Islam? Wieso lehnt das Mädchen eine männliche Kontaktaufnahme ab? Welche Konflikte können sich ergeben aus moralischer Freiheit und islamischer Strenge? Nach Beantwortung dieser Fragen werden die Schüler, nachdem sie die gesamte Episode gesehen haben, aufgefordert den folgenden Impuls zu beantworten: Comparez vos attentes à la fin de ce que vous venez de regarder. Quel est le message de l épisode pour vous? A votre avis, s agit-il d un film réussi? Ziel ist das Aufbrechen von stereotypem Denken. Paris entre hier et demain, entre fiction et réalité/o. M. Blume pôles: harmonie vs. tension différences (tension) scepticisme grand-père François Zarca incompréhension sympathie franchise Zarca différences/tensions culturelles compréhension/rapprochement Nach anfänglicher Skepsis lässt sich der islamische Großvater auf den jungen Franzosen ein. Er verlangt nicht von seiner Enkelin, dass sie sich nur mit ihresgleichen einzulassen hat. Mit vertiefenden Aufträgen lässt sich das Thema ausleuchten, z.b. durch Rollenspiele: Un thé dans la maison des parents de Zarca. Sie fördern die mündliche Produktion. Discussion entre Zarca, ses parents et son grand-père après le départ de François. Eine ausweitende Diskussion kann im Plenum der Klasse geführt werden: L amour entre Français et Maghrébins, entre Allemands et Turcs - une chance ou sans chances, Zarca et François dans dix ans imaginez leur vie (commune?) future. C] Videoclip Châtelet Les Halles von Florent Pagny Der Inhalt des Clips liegt nicht unmittelbar in der Erfahrungswelt der Schüler. Der Clip ist dreifach codiert, verbal, klanglich und bildlich. Dadurch können Spannungen aufgebaut werden, die der Interpretation bedürfen. Da die Schüler weniger lesen, sondern Bilder schauen, sind sie in ihrer Rezeption solcher Clips erfahrener. (Zum Clip: Klett. Horizons: Paris entre hier et demain; der Clip ist auf der CD) Ein junger Mann in der Metrostation Châtelet. Er steht vor einer Reklame, die das Meer zeigt und träumt. Un jeune homme sort le soir. Il rêve... Décrivez la photo et imaginez ses pensées. 19

20 Otto-Michael Blume Kompetenzförderung im Französischunterricht der SI und SII konkrete Beispiele und übertragbare Konzepte Der Clip wird bis zum Standbild vorgespielt, ohne Ton. Dann erzählen die Schüler, worum es hier geht. Das Standbild dient als Hilfe. Abschließend antizipieren die Schüler das Ende. Nun wird der Clip vollständig mit der Tonspur abgespielt. Text, Musik und Bild werden verglichen. Es wird sich zeigen, dass die Musik in Bilder umgesetzt wird, welche der Text auskleidet. Die Interpretation bleibt wegen vieler Leerstellen offen. Paris - la nuit von Mano Negra Qu est-ce que vous associez à Paris la nuit? Die Metro erscheint als mystischer Ort, als Unterwelt im Gegensatz zum Leben dort droben, Ort des Zusammentreffens; sie verbindet viele Aspekte... Um das Paris der gens aisés zu erleben und zu beschreiben, eignet sich hervorragend das Chanson von Renaud Les bobos, in dem der seit langem aktive Liedermacher die Welt der Menschen in Paris beschreibt, die es geschafft haben und sich oft für etwas Besseres halten. Protokollant: Rüdiger Pfromm Dann wird das Chanson vorgespielt. Es handelt sich um einen hochpolitischen Text: In Paris können der Normalbürger oder auch die Künstler nicht mehr leben; alle diese Gruppen werden hinausgedrängt in die banlieues. Das Lied mischt Motive wie Bistrot, Musette, moderne Melodien: Écoutez la musique et dites quelle atmosphère elle dégage. Comparez l image de Paris transmise par la chanson à vos propres idées. Pour que Paris ne meure pas d`ennuie, l auteur-narrateur écrit sa thérapie sous forme de révendications sur un tract. La nuit et la solitude Philippe Delerm Pierre et seul pour la vie. Der Text ist für einen Leistungskurs bestimmt. Qu est ce qui vous surprend à la lecture du titre? Qui est Pierre? Quel âge a-t-il? Où habite-t-il? Que fait-il dans la vie? Pourquoi a-t-il écrit cette phrase sur le mur d un tunnel piétonnier? Qu est-ce qu il a fait après avoir écrit cette phrase? Comment est sa vie aujourd hui? 20