Das Ende unseres Schuldenzyklus. Mario Matzer, SS 2013

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1 Das Ende unseres Schuldenzyklus Mario Matzer, SS 2013

2 Inhalt Der neoklassische Mainstream Die Rolle der Schulden Macht und Verteilung Wer hat hier die Schulden? Die Politik und ihre Problemlösungsmythen Historische Lösungsansätze Nachhaltige Lösung des Schuldendilemmas

3 Das Problem der offiziellen Volkswirtschaftslehre Der universitäre Streit Neoklassik vs Keynesianismus Wurde in den 80er Jahren von den Neoklassikern gewonnen Seitdem gilt nur mehr der neoklassische Mainstream als Wissenschaft Neoklassik = Wissenschaft hinter dem Neoliberalismus Dieser Mainstream bildet die Grundlage für die Wirtschaftspolitik der letzten 30 Jahre

4 Der Totem der Ökonomie Preis Angebotskurve Nachfragekurve 0 Menge

5 Die Bedeutung von Schulden nach universitärer Lehrmeinung Schulden haben keine Auswirkungen auf die Gesamtnachfrage zb: - Person A borgt Person B Person A gibt 1000 weniger - Person B 1000 mehr aus - In Summe werden 1000 ausgegeben Annahme: - Kein Finanzsektor - Kein Buchgeldsystem

6 Geldschöpfung durch Privatbanken Nur 1/20 bis 1/50 des Geldes entsteht in den Zentralbanken (Konjunkturabhängig) Der Großteil entsteht im Finanzsektor bei Kreditvergabe, Kontoüberziehung etc. D.h. neue Schulden entstehen Großteils aus neuem Geld Dadurch entsteht auch zusätzliche Nachfrage

7 Geld Schematische Darstellung der Schuldendynamik BIP Schuldenwachstum bei Nullzinsen Zeit

8 Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q ,0 in % des BIP Entwicklung der Gesamtschulden in den USA 1951 bis 2012 (exklusiv Derivatverbindlichkeiten) 350,0 300,0 250,0 Finanzsektor (exkl. Derivatverbindlichkeiten) Öffentliche Haushalte Private Haushalte Realwirtschaft 200,0 150,0 100,0 50,0 0,0 Quelle: Haver Analytics 2013, eigene Darstellung

9 Woher kommen diese Schulden? Eine Frage der Einkommensverteilung Die Einkommensverteilung entspricht der Machtverteilung in einer Gesellschaft Vermögen bedeutet Macht und damit Kapitaleinkommen, die andere Menschen erarbeiten müssen Vermögen wird fast ausschließlich vererbt Das im Laufe eines Lebens erarbeitbare Vermögen beträgt maximal

10 Anteile in % Anteil am Gesamtlohneinkommen In den USA und GB ,0 18,0 16,0 Top 1% USA 14,0 Top 1% GB 12,0 10,0 8,0 6,0 4,0 Top 0,1% USA Top 0,1% GB 2,0 0,0 Quelle: The World Top Income Database, 2012, eigene Darstellung

11 Index 1998 = Entwicklung der Median-Nettojahreseinkommen in Österreich 1998 bis nominell real - inflationsbereinigt Median-Nettojahreseinkommen nominell Median-Nettojahreseinkommen real - inflationsbereinigt Median-Nettojahreseinkommen real - inflationsund wachstumsbereinigt inflations- und wachstumsbereinigt Quelle: Statistik Austria 2012, eigene Darstellung

12 Macht und Verteilung Gilt für US-amerikanische Konsumenten, den Lehrling in Österreich oder ganz Griechenland Durch die vorherrschenden Machtverhältnisse wird der Arbeitende um einen Teil seiner Leistung bzw. seiner Produktivität gebracht Er kann daher das ihm versprochene Leben nicht finanzieren und wird zum Schuldenmachen motiviert bzw. gezwungen (Ausbildung, Krankheit)

13 Schulden und Ausbeutung Amerikanische Traum bzw. der Glaube an das ewige Wirtschaftswachstum als Ausrede Ein Irrtum, denn die Machtverhältnisse bleiben ja gleich und irgendwann droht die Leibeigenschaft Dummerweise vernichtet sich der Gläubiger damit auch seine Absatzmärkte weil er die Nachfrage zerstört Während gleichzeitig Finanzmärkte und -blasen durch das enorme Geld der Spitze entstehen Im Prinzip ist so jedes große Reich gescheitert

14 in % des BIP 1200% 1100% 1000% Wer hat hier Schulden? Verteilung der Schulden in ausgewählten Ländern, 2.Qu.2012 Derivate Finanzsektor 900% 800% 700% 600% 586,08% 20,13% Öffentliche Haushalte Private Haushalte Realwirtschaft 500% 400% 300% 19,39% Derivate? 200% 100% 0% GB Japan Euro-Länder USA Quelle: Haver Analytics 2012, eigene Darstellung

15 Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q in % des BIP 600,0 500,0 400,0 Entwicklung der Gesamtschulden in Großbritannien 1987 bis 2012 (exklusiv Derivatverbindlichkeiten) Finanzsektor (exkl. Derivatverbindlichkeiten) Öffentliche Haushalte Private Haushalte Realwirtschaft 300,0 200,0 100,0 0,0 Quelle: Haver Analytics 2013, eigene Darstellung

16 Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q in % des BIP 1.400, , ,0 Entwicklung der Gesamtschulden in Großbritannien 1987 bis 2012 Derivatverbindlichkeiten Finanzsektor Öffentliche Haushalte Private Haushalte Realwirtschaft 800,0 600,0 400,0 200,0 0,0 Quelle: Haver Analytics 2013, eigene Darstellung

17 Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q ,0 in % des BIP Entwicklung der Gesamtschulden in der EURO(17)-Zone Finanzsektor (exkl. Derivatverbindlichkeiten) 450,0 Öffentliche Haushalte Private Haushalte 400,0 Realwirtschaft 350, bis 2012 (exklusiv Derivatverbindlichkeiten) 300,0 250,0 200,0 150,0 100,0 50,0 0,0 Quelle: Haver Analytics 2013, eigene Darstellung

18 Lösungsmythos 1: Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit Die Politik weigert sich zu verstehen, dass Exportüberschusse nur möglich sind, wenn andere Länder Importüberschüsse erzielen Und wenn alle Länder mehr ex als importieren wollen, weißt das nicht auf eine gemeinsame Lösung der Krise hin, sondern auf Handelskonflikte Was bedeutet Wettbewerbsfähigkeitssteigerung wirklich?

19 Lösungsmythos 2: Geldpolitik Zinssenkungen helfen nur vorrübergehend Selbst negative Realzinsen (d.h. Inflation > Nominalzinsen) können die Schuldendynamik nur verlangsamen, nicht stoppen Gelddrucken (QE) als letztes Mittel Hilft auch nur vorrübergehend, da der Geldbedarf exponentiell zunimmt

20 Sep-1982 Apr-1983 Nov-1983 Jun-1984 Jan-1985 Aug-1985 Mar-1986 Oct-1986 May-1987 Dec-1987 Jul-1988 Feb-1989 Sep-1989 Apr-1990 Nov-1990 Jun-1991 Jan-1992 Aug-1992 Mar-1993 Oct-1993 May-1994 Dec-1994 Jul-1995 Feb-1996 Sep-1996 Apr-1997 Nov-1997 Jun-1998 Jan-1999 Aug-1999 Mar-2000 Oct-2000 May-2001 Dec-2001 Jul-2002 Feb-2003 Sep-2003 Apr-2004 Nov-2004 Jun-2005 Jan-2006 Aug-2006 Mar-2007 Oct-2007 May-2008 Dec-2008 Jul-2009 Feb-2010 Sep-2010 Apr-2011 Nov-2011 Jun-2012 Zinsen in % Durchschnittliche Leitzinsentwicklung (USA, GB, Japan, EWU) 10,0 9,0 8,0 7,0 6,0 5,0 4,0 3,0 2,0 1,0 0,0 Quelle: Haver Analytics 2013, eigene Darstellung

21 Geld Auswirkungen von Zinssenkungen auf die Schuldendynamik Schulden bei positiven Realzinsen BIP Zeit

22 Geld Auswirkungen von Zinssenkungen auf die Schuldendynamik Schulden bei positiven Realzinsen Schulden bei Nullzinsen BIP Zinssenkung Zeit

23 Geld Auswirkungen von Zinssenkungen auf die Schuldendynamik Schulden bei positiven Realzinsen Schulden bei Nullzinsen BIP Zinssenkungen Schulden bei negativen Realzinsen Zeit

24 Dec-1998 Apr-1999 Aug-1999 Dec-1999 Apr-2000 Aug-2000 Dec-2000 Apr-2001 Aug-2001 Dec-2001 Apr-2002 Aug-2002 Dec-2002 Apr-2003 Aug-2003 Dec-2003 Apr-2004 Aug-2004 Dec-2004 Apr-2005 Aug-2005 Dec-2005 Apr-2006 Aug-2006 Dec-2006 Apr-2007 Aug-2007 Dec-2007 Apr-2008 Aug-2008 Dec-2008 Apr-2009 Aug-2009 Dec-2009 Apr-2010 Aug-2010 Dec-2010 Apr-2011 Aug-2011 Dec-2011 Apr-2012 Aug-2012 Dec Entwicklung der Zentralbankbilanzen Juni 2008 = Federal Reserve Board Bank of England European Central Bank Quelle: Haver Analytics 2013, eigene Darstellung

25 Die Liquiditätsfalle In einer Krise erzeugt Geldpolitik keine Inflation Krise = Unsicherheit. Unsicherheit = ich weiß nicht wie viel mein Vermögen morgen wert ist Deshalb nimmt in einer Krise der Liquiditätsbedarf im Gleichklang mit der steigenden Unsicherheit zu, die inflationäre Wirkung des gestiegenen Geldbestands verpufft Beispiel: Japan Aber! Bei Übertreibung droht die Geldentwertung

26 Lösungsmythos 3: Sparen Konservative Mythen: Wir haben alle über unseren Verhältnissen gelebt und Jetzt müssen wir alle den Gürtel enger schnallen Nein! Wenn jemand über unseren Verhältnissen lebt dann die superreichen Kapitaleinkommensbezieher Es ist unmöglich genug zu sparen um die Schulden zu reduzieren Die Nachfrage kann damit aber schon zerstört werden (siehe Griechenland)

27 in Mrd. USD Auswirkungen der Sparpolitik USA 2012 bis BIP - Fiskalmultiplikator 0, Schulden BIP - Fiskalmultiplikator 0, BIP - Fiskalmultiplikator 1, BIP - Fiskalmultiplikator 1,7 Quelle: Haver Analytics 2013, eigene Darstellung

28 Schulden = Guthaben* Alle Schulden sind gleichzeitig die Guthaben eines anderen Alle Zinsen und Kapitalerträge die zu zahlen sind gehen (steuerlich stark bevorzugt) als Einkommen an eben jene Leute An wen gehen diese Zinszahlungen im Endeffekt? Das ist eine Frage der Vermögensverteilung! Anmerkung: nicht alle Guthaben sind gleichzeitig auch Schulden, da durch Wirtschaftswachstum neue Guthaben durch das Kapitalstockwachstum entstehen können. Alle Schulden sind aber tatsächlich auch gleichzeitig Guthaben.

29 4% Vermögenskonzentration in Österreich 22% 45% 0-50% 50-80% 80-95% % 29% Quelle: ÖNB 2012, eigene Darstellung

30 Historische Lösungsansätze Regelmäßig wiederkehrender Schuldenschnitt Tod des Königs Geldentwertung (Hyperinflation) Krieg New Deal von Roosevelt

31 Tatsächliche Lösung Es geht um die Vermögensverteilung Radikale Vermögenssteuern für Superreiche sind der einzig nachhaltige Ausweg aus der Krise Wer ist superreich? Personen, die nicht in der Lage sind das Wachstum ihres Vermögens zu verkonsumieren Es ist zu spät zum abpumpen, zu spät für Finanzmarktregulierung, Kapitalertragssteuern, Solidarbeiträge etc. Das Schiff sinkt schon

32 Geld von der Spitze an die Spitze statt von der Masse an die Spitze Aktiva Passiva Forderungen der Spitze Schulden der Masse Schuldentilgung Vermögenssteuer von der Spitze

33 Weitere Informationen, Newsletter und Termine: