Evaluation der Maturitätsreform 1995 (EVAMAR)

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1 Evaluation der Maturitätsreform 1995 (EVAMAR) Franz Eberle, Karin Gehrer, Beat Jaggi, Johannes Kottonau, Maren Oepke, Michael Pfl üger; Institut für Gymnasial- und Berufspädagogik, UZH (Kernteam der Evaluation) Schlussbericht zur Phase II Christina Huber, Vera Husfeldt, Lukas Lehmann, Carsten Quesel Fachhochschule Nordwestschweiz, Pädagogische Hochschule (Autoren des Kapitels VI) Im Auftrag der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren EDK und des Staatssekretariats für Bildung und Forschung SBF Schweizerische Eidgenossenschaft Confédération suisse Confederazione Svizzera Confederaziun svizra Eidgenössisches Departement des Innern EDI Staatssekretariat für Bildung und Forschung SBF

2 Das Staatssekretariat für Bildung und Forschung veröffentlicht in seiner Schriftenreihe SBF konzeptionelle Arbeiten, Forschungsergebnisse und Berichte zu aktuellen Themen in den Bereichen Bildung und Forschung, die damit einem breiteren Publikum zugänglich gemacht und zur Diskussion gestellt werden sollen. Die präsentierten Analysen geben nicht notwendigerweise die Meinung des Staatssekretariats für Bildung und Forschung wieder Staatssekretariat für Bildung und Forschung SBF ISSN: Schweizerische Eidgenossenschaft Confédération suisse Confederazione Svizzera Confederaziun svizra Eidgenössisches Departement des Innern EDI Staatssekretariat für Bildung und Forschung SBF Bereich Bildung Hallwylstrasse 4 CH Bern T F info@sbf.admin.ch

3 Evaluation der Maturitätsreform 1995 (EVAMAR) Franz Eberle, Karin Gehrer, Beat Jaggi, Johannes Kottonau, Maren Oepke, Michael Pfl üger; Institut für Gymnasial- und Berufspädagogik, UZH (Kernteam der Evaluation) Schlussbericht zur Phase II Christina Huber, Vera Husfeldt, Lukas Lehmann, Carsten Quesel Fachhochschule Nordwestschweiz, Pädagogische Hochschule (Autoren des Kapitels VI) Im Auftrag der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren EDK und des Staatssekretariats für Bildung und Forschung SBF

4 Inhalt Vorwort des Projektleiters 13 Das Wichtigste in Kürze 15 I Einleitung zum Gesamtprojekt 21 1 Reform der Maturitätsbildung 2 EVAMAR I 3 Weitere Evaluationsstudien 4 Teilrevision des MAR Auftrag und Fragestellung von EVAMAR II Das umfassende Untersuchungskonzept Die für EVAMAR II ausgewählten bzw. in Auftrag gegebenen Untersuchungen Grenzen der Studie EVAMAR II Projektorganisation und Dank 33 II Projektteil A: Elemente der Studierfähigkeit aus Sicht der Hochschulen 35 1 Datenbasis der Teilprojekte TP A1, TP A3 und TP A Teilprojekte A1 und A3: Inhaltsanalyse von Studienmaterialien und Prüfungen Methode und Instrumente TP A1 und TP A Die Methode des Feincodierens Die Methode des grobmaschigen Codierens Zur messtechnischen Qualität Datenrücklauf in TP A1 und TP A Auswertungen in TP A1 und TP A Auswertungsergebnisse TP A1 und TP A3 und Interpretation 44 3 Teilprojekt A4: Dozierendenbefragung Der Fragebogen Datenbasis von TP A4 und Ablauf der Befragung Ergebnisse der Befragung in TP A Bedeutung der gymnasialen Fachbereiche für die Lehrveranstaltungen (Frage 1) Konkrete Wissensinhalte aus den für die Lehrveranstaltung bedeutsamen gymnasialen Fachbereichen (Frage 2) Aktuell festgestellte Wissens- und Könnenslücken (Frage 3) Wichtigkeit überfachlicher Kompetenzen für die Lehrveranstaltung (Frage 4) Festgestellte überfachliche Wissens- und Könnensdefizite (Frage 5) Wünschbares zusätzliches Eingangswissen und -können Schlussfolgerungen 60 4

5 4 Teilprojekt A2: Analyse von Eingangsprüfungen Übersicht Der Medizineignungstest Die Aufnahmeprüfung an der HSG Schlussfolgerungen 62 III Projektteil B: Modellierung hochschulrelevanten Wissens und Könnens in einzelnen Fächern 63 1 Allgemeines 63 2 Der Kompetenzraster in Erstsprache Grundlagen Bestehende Kompetenzraster und -modelle für Erstsprache Zürcher Textanalyseraster Kurzbeschreibung DESI Kurzbeschreibung Einschätzung des Kompetenzmodells von DESI für die Verwendung in EVAMAR II PISA Kurzbeschreibung Einschätzung des PISA-Modells für die Verwendung in EVAMAR II Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen (GER) Kurzbeschreibung Einschätzung des GER für die Verwendung in EVAMAR II HarmoS Kurzbeschreibung Einschätzung des HarmoS-Modells für die Verwendung in EVAMAR II Lernstandserhebung in Nordrhein-Westfalen (NRW) Einschätzung der Lernstandserhebungen NRW für die Verwendung in EVAMAR II Das Endmodell Kompetenzraster Erstsprache für EVAMAR II Begründung der Wahl des GER als Grundlage Beschreibung des EVAMAR-Kompetenzrasters für Erstsprache Zusammenfassung 84 3 Der Kompetenzraster in Mathematik Grundlagen Bestehende Kompetenzmodelle und Aufgabenraster für Mathematik Das Kompetenzmodell des NCTM (National Council of Teachers of Mathematics) Das Kompetenzmodell der KMK in Deutschland Das Kompetenzmodell für Mathematik bei HarmoS Das Kompetenzmodell für Mathematik bei PISA Modelle bei TIMSS Das Endmodell Kompetenzraster Mathematik für EVAMAR II 92 4 Der Kompetenzraster in Biologie Grundlagen Bestehende Kompetenzraster und -modelle für Biologie Die Regensburger Verbundklassifikation (RVK) Vergleich der Kapiteleinteilung deutschsprachiger Standardlehrbücher auf der gymnasialen Stufe Vergleich der Kapiteleinteilung von Standardlehrbüchern für Anfänger des Biologiestudiums 97 5

6 4.2.4 Die EPA Biologie und Bildungsstandards in Deutschland EPA Biologie Bildungsstandards KMK Biologie Zwischenergebnis für die inhaltliche Ebene: Zusammenstellung Scientific Literacy Bildungsstandards KMK EPA Biologie Beschreibung des EVAMAR-Kompetenzrasters für Biologie 110 IV Projektteil C: Entwicklung und Durchführung von Tests Allgemeines und Übersicht Zielsetzungen und Auswahl der Erhebungsgegenstände Präzisierungen zur Bestimmung der Testbereiche Zur Prognosevalidität der Tests im Hinblick auf die Studierfähigkeit Zur Wahl von Biologie als naturwissenschaftliches Fach Beschreibung der Erhebungsinstrumente Vorgehen zur Konstruktion der Tests: Grundsätzliches für alle Tests Beschreibung der qualitativen Expertenevaluation und der Pretests (inkl. Verfahren und Überarbeitung der Items) Die Übersetzungen in die zwei anderen Landessprachen: Grundsätzliches für alle drei Fachgebiete Vorgehen zur Auswahl der in die Hauptauswertungen einbezogenen Items Der Test in Erstsprache Ergänzendes zur Testentstehung Besonderes und Beispiel zur Aufgabenkonstruktion Besonderes bei der Übersetzung Beschreibung der Testhefte Charakterisierung der in die Hauptauswertungen einbezogenen Aufgaben und Verankerung im Kompetenzraster Der Test in Mathematik Ergänzendes zur Testentstehung Besonderes und Beispiel zur Aufgabenkonstruktion Besonderes bei der Übersetzung Beschreibung der Testhefte Charakterisierung der in die Hauptauswertungen einbezogenen Aufgaben und Verankerung im Kompetenzraster Der Test in Biologie Ergänzendes zur Testentstehung Besonderes und Beispiel zur Aufgabenkonstruktion Besonderes bei der Übersetzung Beschreibung der Testhefte Charakterisierung der in die Hauptauswertungen einbezogenen Aufgaben und Verankerung im Kompetenzraster Der überfachliche Fähigkeitstest (UFT) Beschreibung der Grundlagen Beschreibung der Testhefte Charakterisierung der in die Hauptauswertungen einbezogenen Aufgaben Der Zusatzfragebogen Begründung der Zusatzerhebung und Inhalte Beschreibung des Fragebogens Güte des Instruments 140 6

7 3 Bestimmung der Stichprobe Bestimmung der Grundgesamtheit Das Stichprobenverfahren Rücklaufquote Ablauf der Datenerhebung, Dateneingabe, Intercoder-Reliabilität 4.1 Ablauf der Datenerhebung Codierungsverfahren bei Erstsprache Nationale Ergebnisse Allgemeines Ergebnisse in Erstsprache Beschreibung der Gesamtergebnisse Beschreibung der Ergebnisse ausgewählter Items Ergebnisse in Mathematik Beschreibung der Gesamtergebnisse Beschreibung der Ergebnisse ausgewählter Items Ergebnisse in Biologie Beschreibung der Gesamtergebnisse Beschreibung der Ergebnisse ausgewählter Items Zum Vergleich: Erzielte Maturanoten Ergebnisse Überfachlicher Fähigkeitstest (UFT) Ergebnisse Zusatzfragebogen Einschätzung der Tests Wahrnehmung überfachlicher Kompetenzen Fachinteressen und Studienpropädeutik (nur Deutschschweiz) Interpretation der Ergebnisse im Hinblick auf die Studierfähigkeit Vergleichende Auswertungen 6.1 Grundsätzliches Vergleich zwischen den Straten (Gruppen von Gymnasien) Vergleichende Testergebnisse für die Straten Erstsprache Mathematik Biologie Vergleich der Maturanoten zwischen den Straten Vergleich der überfachlichen Fähigkeiten zwischen den Straten Vergleich ausgewählter Ergebnisse aus der Zusatzbefragung Vergleich nach Schwerpunktfächern Vergleich der Fach-Testergebnisse nach Schwerpunktfächern Erstsprache Mathematik Biologie Vergleich der Maturanoten nach Schwerpunktfächern Vergleich der überfachlichen Fähigkeiten nach Schwerpunktfächern Vergleich ausgewählter Ergebnisse aus der Zusatzbefragung nach Schwerpunktfächern Vergleich zwischen den Geschlechtern Geschlechtervergleich in Erstsprache Geschlechtervergleich in Mathematik Geschlechtervergleich in Biologie Geschlechtervergleich bei den überfachlichen Fähigkeiten Vergleich ausgewählter Ergebnisse aus der Zusatzbefragung Vergleich zwischen unterschiedlichen Maturitätsquoten

8 6.6 Vergleiche nach Strukturelement Lang- oder Kurzzeitgymnasium Weitere Vergleiche Anstrengungsbereitschaft und Testergebnisse Vergleich von mündlichen und schriftlichen Noten Ausgewählte korrelative Zusammenhänge Zusammenhänge zwischen den Tests Zusammenhänge der Tests mit den Maturanoten Zusammenhänge der Maturanoten untereinander Zusammenfassung 8.1 Grundlagen der Test- und Befragungsergebnisse Gesamtergebnisse der Tests Ergebnisse der Tests unter strukturellen Gesichtspunkten Notengebung Eigene Wahrnehmung überfachlicher Kompetenzen 222 V Projektteil D1: Analyse schriftlicher Maturaprüfungen Allgemeines und Übersicht Zielsetzungen und Auswahl der Fächer Allgemeines zu den Analyse-Instrumenten Beschreibung der Stichprobe Ergebnisse Erstsprache Das Analyse-Instrumentarium Die Prüfungsinhalte in Erstsprache Die Aufgabenform Der vorgelegte Primärtext Zeitbezug Autorinnen und Autoren Themen Länge der vorgelegten Texte Wahlmöglichkeiten Unterstützende Hinweise Hilfsmittel Dauer der Prüfung Kognitive Anforderungen Vergleich mit den Aufgaben in Teilprojekt C Vergleich mit den Ergebnissen aus Teilprojekt A Gesamteinschätzung der Schweizer Maturaprüfungen in Erstsprache Mathematik Das Analyse-Instrumentarium Die Prüfungsinhalte in Mathematik Vorgehen Ergebnisse Kognitive Anforderungen Vergleich mit den Aufgaben in Teilprojekt C Vergleich mit den Ergebnissen aus Teilprojekt A Gesamteinschätzung der Schweizer Maturaprüfungen in Mathematik Biologie Das Analyseinstrumentarium Prüfungsinhalte in Biologie 262 8

9 3.3.3 Kognitive Anforderungen Vergleich mit den Aufgaben in Teilprojekt C Vergleich mit den Ergebnissen aus Teilprojekt A Gesamteinschätzung der Schweizer Maturaprüfungen in Biologie 274 VI Teilprojekt D2: Die Qualität von Maturaarbeiten in der Schweiz Ausgangslage und theoretischer Hintergrund Die Maturaarbeit als Teil der Maturitätsreform Einführung der Maturaarbeit Idee der Maturaarbeit als interdisziplinäre Projektarbeit Die Maturaarbeit im Prüfungskontext Die Maturaarbeit im Kontext gymnasialer Bildung Studierfähigkeit und Hochschulreife Wissenschaftspropädeutik Überfachliche Kompetenzen Zwischenbilanz Forschungsstand zur Thematik der Maturaarbeiten Typen von Maturaarbeiten Themenwahl Durchführung Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten der Schülerinnen und Schüler Betreuung Zwischenbilanz Methodische Grundlagen und Durchführung der Untersuchung 2.1 Wirkungsmodell Beurteilung der Maturaarbeiten Zuschnitt der Untersuchung Bezugsnormen zur Beurteilung der Qualität von Maturaarbeiten Entwicklung des Analyseinstrumentes Ratingverfahren Überprüfung von Plagiaten Vergleichende Darstellung der Rahmenbedingungen Befragung der Schülerinnen und Schüler Überprüfung des postulierten Wirkungsgefüges Qualität der Maturaarbeit Institutionelle Ebene Betreuungsebene Individuelle Ebene Untersuchungspopulation und Stichprobenziehung Untersuchungspopulation Stichprobenziehung Datenerhebung Institutionelle Rahmenbedingungen Übergeordnete Vorgaben Zielsetzungen auf nationaler Ebene Zielsetzungen auf kantonaler Ebene Vorgaben auf der Ebene der Einzelschule Zuständigkeiten und Richtlinien Gymnasiale Zielbestimmungen Vorbereitung und Themenwahl Formale Vorgaben

10 3.2.5 Arbeitsprozess und Zeitpläne Betreuung Beurteilung und Bewertung Zwischenbilanz Die Maturaarbeit im Urteil der Schülerinnen und Schüler Fächerwahl Fachbezug der Maturaarbeit und Themenwahl Themenwahl bei der Maturaarbeit Bewertung der Maturaarbeit Betreuung Institutionelle Rahmenbedingungen und individuelle Voraussetzungen Einschätzungen zu Aufwand und Nutzen der Maturaarbeit Zwischenbilanz Die wissenschaftspropädeutische Qualität der Maturaarbeiten Erst- und Zweitratings Angaben zur Stichprobe Skalenbildung Inhaltliche Qualität Sprachliche Qualität Formale Qualität Globalurteil Individuelle und institutionelle Qualitätsaspekte Zwischenbilanz Fazit Literatur- und Quellenverzeichnis zu Kapitel VI 353 Tabellen und Abbildungen zu Kapitel VI 360 Anhang zu Kapitel VI 362 Anhang VI.A: Übersicht zu den Hypothesentests Anhang VI.B: Raster Rahmenbedingungen Anhang VI:C: Gewichtungsfaktoren VII Zusammenfassung Fragestellungen 2 Ergebnisse I: Voruntersuchung zur Konkretisierung des zu Messenden 3 Kompetenzmodellierung TP B 4 Ergebnisse II: Leistungsmessung TP C 5 Ergebnisse III: Analyse der Maturaprüfungen 6 Ergebnisse IV: Analyse der Maturaarbeiten Grenzen der Studie EVAMAR II

11 VIII Schlussfolgerungen und Empfehlungen des Projektleiters Zufriedenstellendes Gesamtergebnis 2 Massnahmen zur Sicherung der allgemeinen Studierfähigkeit Beibehaltung der breiten Fächerung und der allgemeinen Zutrittsberechtigung an Hochschulen Ausgleich der Defizite zu Beginn eines Studiums Massnahmen zur Förderung des selbstständigen Lernens ohne Abbau der Fachlichkeit Massnahmen zur Verbesserung der Erstsprachkompetenzen 7 Vermehrte Standardorientierung bei den Unterrichtsprogrammen 8 Vermehrte Standardorientierung bei der Leistungsbewertung 9 Beibehaltung der vierjährigen Ausbildungsdauer am Schulort Gymnasium 10 Sicherung der allgemeinen Studierfähigkeit bei allen Schwerpunkten 11 Annäherung der Maturitätsquoten 12 Weitere Anstrengungen bei der Gender-Problematik 13 Weiterentwicklung der Maturaarbeit 14 Weitere Untersuchungen Literaturverzeichnis (ohne Kapitel VI) 393 Abbildungs- und Tabellenverzeichnis Abkürzungsverzeichnis

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13 Vorwort des Projektleiters Im Sommer 2001 beschlossen der Bund und die EDK eine gesamtschweizerische Evaluation (EVAMAR) der durch das MAR 95 eingeleiteten Reform der Maturitätsbildung. In einer ersten Phase (EVAMAR I) wurden mittels Befragungen die Passung von Wahlfachangebot und Interessen der Schülerinnen und Schüler sowie die subjektiv wahrgenommene Qualität der Vorbereitung auf ein Hochschulstudium, die Umsetzung der fächerübergreifenden pädagogischen Ziele sowie die Bewältigung der Reformen durch die Schulen untersucht. Die Ergebnisse fielen zufriedenstellend aus. Die 2. Phase (EVAMAR II) begann Ende 2005 und wurde im Herbst 2008 abgeschlossen. In EVAMAR II wurden weitere Aspekte der Maturitätsbildung untersucht. Das Schwergewicht lag auf der objektivierten Erfassung des Ausbildungsstandes der Schülerinnen und Schüler am Ende des Gymnasiums im Hinblick auf die Anforderungen eines Hochschulstudiums. Auch wenn es kaum möglich ist, mit Genauigkeit die wirkliche Studierfähigkeit in ihrer ganzen Breite für alle Maturandinnen und Maturanden zu messen und zu prognostizieren, erlauben die vorliegenden Resultate Einblicke in ausgewählte Bereiche der Ergebnisse der Maturitätsbildung an Schweizer Gymnasien. Ich danke an erster Stelle all den Maturandinnen und Maturanden, die bereit waren, die Tests zu absolvieren und die Fragebögen auszufüllen oder die uns ihre Maturaarbeiten für das Rating zur Verfügung gestellt haben, und ich danke insbesondere auch den zahlreichen Lehrpersonen, Mitgliedern von Schulleitungen und administrativen Mitarbeitenden, die uns bei der Erhebung der Daten aktiv unterstützt haben. Ein ebenso grosser Dank gebührt den vielen am Projekt beteiligten Personen, die am Schluss des ersten Kapitels aufgeführt sind. Ohne ihre grosse Arbeit wäre die Durchführung eines so komplexen Projekts nicht möglich gewesen. Der vorliegende Bericht wurden von verschiedenen Autorinnen und Autoren verfasst, die auch die entsprechenden Untersuchungen und Analysen durchgeführt haben. Deshalb finden sich zwischen einzelnen Kapiteln und Abschnitten stilistische und fachbezogen auch strukturelle Unterschiede in der Darstellung. Das Kapitel VI wurde gänzlich von den Autoren und Autorinnen der Fachhochschule Nordwestschweiz, Pädagogische Hochschule, geschrieben. Sie haben dieses Teilprojekt konzipiert und durchgeführt. Zürich, 31. Oktober 2008 Franz Eberle 13

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15 Das Wichtigste in Kürze Im Sommer 2001 beschlossen der Bund und die Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) eine gesamtschweizerische Evaluation (EVAMAR) der durch das MAR 95 (1995) eingeleiteten Reform der Maturitätsbildung. In der ersten Phase (EVAMAR I) wurden im Wesentlichen die folgenden drei Themen bearbeitet: (1) die Passung von Wahlfachangebot und Interessen der Schülerinnen und Schüler sowie die Auswirkungen auf den Ausbildungserfolg, insbesondere die subjektiv wahrgenommene Qualität der Vorbereitung auf ein Hochschulstudium; (2) die Umsetzung der fächerübergreifenden pädagogischen Ziele; (3) die Bewältigung der Reform durch die Schulen. Hauptinstrumente waren Befragungen, es erfolgten keine Leistungsmessungen. Die Ergebnisse von EVAMAR I liegen seit Ende 2004 vor. Sie bewerteten die Reform überwiegend als zufriedenstellend. Im Sommer 2005 beschlossen Bund und EDK den Beginn der zweiten Evaluationsphase. Im Projekt EVAMAR II sollte das Schwergewicht auf die objektivierte Erfassung des Ausbildungsstandes der Schülerinnen und Schüler am Ende des Gymnasiums gelegt werden. Fragestellungen Eine evaluative Erfassung des Ausbildungsstandes muss sich sinnvollerweise an den Zielen der Ausbildung orientieren. Die Hauptziele der gymnasialen Bildung sind gemäss Art. 5 des MAR 95 (1995) die Erlangung jener persönlichen Reife, die erstens Voraussetzung für ein Hochschulstudium ist (Hochschulreife oder Studierfähigkeit), und die zweitens auf anspruchsvolle Aufgaben in der Gesellschaft vorbereitet (vertiefte Gesellschaftsreife durch breite Allgemeinbildung). Diese beiden Ziele haben teils gleichgerichtete, teils aber auch eigenständige und mitunter breite curriculare Auswirkungen. Eine vollständige Operationalisierung dieser Ziele in konkret zu erwerbende Kompetenzen der Gymnasiastinnen und Gymnasiasten in allen fachlichen und überfachlichen Lernbereichen und eine entsprechende flächendeckende Messung des Ausbildungsstandes, wie sie in einem ersten Konzept des Auftragnehmers vorgeschlagen wurde, wäre ausserordentlich aufwändig. Deshalb sollte die Konkretisierung der Ziele der Maturitätsbildung nur für ausgewählte Elemente des Hauptzieles der Studierfähigkeit erfolgen. Das zweite Hauptziel (vertiefte Gesellschaftsreife durch breite Allgemeinbildung) wurde damit nur teilweise (im Überschneidungsbereich) in die durch den Auftraggeber gewählte Ziel- Operationalisierung einbezogen. Grundlagen und Voranalysen Die Test- und Befragungserhebungen bei einer Stichprobe von rund Maturandinnen und Maturanden aus der Deutschschweiz und der Romandie und die Analysen von schriftlichen Maturaprüfungen aller drei Sprachregionen stützen sich auf folgende Grundlagen: Analyse von Lehrmaterialien und ersten Zwischenprüfungen der 16 gemessen an den Studierendenzahlen grössten universitären Studienfächer der Schweiz, Befragung der Dozierenden der Lehrveranstaltungen dieser Fächer und Einbezug der aktuellen Theorie und Forschung zur Messung kognitiver Leistungen und zur Voraussage des Studienerfolgs. Das Hauptgewicht des Tests in Erstsprache liegt auf übergreifenden, für alle Studienrichtungen wesentlichen Sprachkompetenzen. Der Mathematiktest enthält vor allem Aufgaben zu Inhalten, die für eine breite Anzahl von Studienfächern und nicht speziell für das Studienfach Mathematik von Bedeutung sind. Der Biologietest hat den Charakter eines Wissenstests zu Fachinhalten, die vor allem für ein Biologie-, Biochemie- oder Medizinstudium, aber auch für andere naturwissenschaftliche Studienfächer und teilweise auch für nicht naturwissenschaftliche Studien von Bedeutung sind (z. B. für Psychologie). Der überfachliche Fähigkeitstest (UFT) lehnt sich an die Eignungsprüfung für das Medizinstudium an und misst allgemeinere kognitive Fähigkeiten. Er wurde nur ergänzend in der Deutschschweiz durchgeführt. 15

16 Das Testinstrumentarium umfasst somit verschiedenartige Prädiktoren des Studienerfolgs und kann deshalb als ausgewogen bezeichnet werden. Interpretiert man allgemeine Studierfähigkeit dahin gehend, jedes beliebige Studium ohne Probleme aufnehmen zu können, haben die in den Testbereichen gemessenen Kompetenzen folgende Bedeutung: Erstsprachkompetenzen gehören zu den Grundlagen beinahe jedes Studienfachs. Mathematik ist wichtig für eine grosse Zahl von Fächern, in denen die mathematische Formalsprache verwendet wird. Biologisches Wissen braucht es für weniger Fächer, gehört aber zu den wesentlichen Grundlagen der obengenannten Studien. Die mit dem UFT gemessenen Fähigkeiten korrelieren nachgewiesenermassen signifikant mit dem Erfolg im Medizinstudium und damit mit jenem in allen anderen Studienrichtungen, die gleiche oder ähnliche Fähigkeiten erfordern. Die Voranalysen von EVAMAR II haben im Weiteren ergeben, dass es allgemein für jedes Fachstudium von Vorteil ist, bereits zu Beginn über Wissen und Können aus dem entsprechenden Maturitätsfach wenn auch in unterschiedlichem Umfang zu verfügen. Gesamtergebnisse der Tests Im Mittel wurden die Testaufgaben etwa zur Hälfte richtig gelöst; die Resultate waren in Erstsprache etwas besser als in Mathematik und Biologie. In Biologie sind die Ergebnisse für die Gruppe der Maturandinnen und Maturanden, die dieses Fach bereits vor einem halben Jahr oder mehr abgeschlossen hatten, klar schlechter ausgefallen, vermutlich in Folge des Vergessenseffekts. Das deutet darauf hin, dass das an Maturitätsschulen erworbene Wissen nur für kurze Zeit vollumfänglich präsent ist, und dass sowohl ein möglichst später Abschluss des Faches am Gymnasium wie auch eine rasche Aufnahme des Studiums vorteilhaft sind. Die Ergebnisse des UFT liegen nur leicht unter den Resultaten des jährlich durchgeführten Medizineignungstests. Das ist plausibel, weil bei den EVAMAR-Erhebungen auch alle jene Personen teilgenommen haben, die sich ein Medizinstudium wegen mangelnder Fähigkeiten nicht zutrauen. Dieses Ergebnis ist zudem ein wichtiger Indikator für die hohe Anstrengungsbereitschaft, welche die Maturandinnen und Maturanden bei der Bearbeitung der EVAMAR-Tests offenbar an den Tag legten. Aufgrund der Nähe der Ergebnisse des UFT zu den Resultaten, wie sie im individualbiographisch hochrelevanten Kontext der Eignungsprüfung erreicht werden, braucht die Anstrengungsbereitschaft deshalb auch den Vergleich mit jener in den gewohnten notenwirksamen Testsituationen im Gymnasium nicht zu scheuen. Sowohl zwischen Einzelpersonen als auch zwischen ganzen Klassen gibt es grosse Unterschiede in den Ergebnissen. Diese fallen grösser aus als bei den effektiv erteilten Maturanoten. Es lässt sich somit feststellen, dass erhebliche Anteile von Maturandinnen und Maturanden in den mit den Tests erfassten Bereichen über vermutlich ungenügende Kompetenzen in mindestens einem Testbereich verfügen. Diese Erkenntnis ergibt sich aber auch schon bei einer Analyse der durch die Schulen selbst vergebenen Maturanoten, am ausgeprägtesten in Mathematik. 41.4% der Maturandinnen und Maturanden wurden im Jahre 2007 in der schriftlichen Maturaprüfung mit einer ungenügenden Note bewertet. Bei der Maturaendnote für Mathematik, welche auch die Erfahrungsnoten und die mündliche Prüfung berücksichtigt, waren es immer noch 24.4%. Es muss also davon ausgegangen werden, dass nicht alle Maturandinnen und Maturanden in der ganzen Breite über genügende Kompetenzen verfügen, um jedes beliebige Studium aufnehmen zu können, ohne zusätzlich Lücken füllen zu müssen; dies obwohl sie durch die Verleihung des Maturaausweises gemäss MAR 95 als allgemein studierfähig qualifiziert wurden. Diese Erkenntnis stimmt überein mit von Dozierenden diverser Studienfächer subjektiv festgestellten Kompetenzlücken in den Bereichen Mathematik und Erstsprache. Wegen des Kompensationssystems für ungenügende Noten an Maturaprüfungen ist dieses Ergebnis der Maturitätsbildung aber kaum vermeidbar. Ergebnisse der Tests unter strukturellen Gesichtspunkten Die Anzahl Jahre der gymnasialen Schuldauer scheint sich auf die Testergebnisse auszuwirken. Eine Dauer von mindestens vier Jahren an einem Gymnasium geht einher mit überwiegend besseren Ergebnissen im Vergleich zu jener Ausbildungsstruktur, bei der das erste von vier Jahren in einer gymnasialen Klasse an der örtlichen 16

17 Sekundarschule absolviert werden kann. Dies zeigt sich beim Mathematiktest, in leichterer Ausprägung auch bei Erstsprache und in der Deutschschweiz zusätzlich beim UFT. Langzeitgymnasien schneiden in fast allen Testbereichen besser ab als die Kurzzeitgymnasien, allerdings nur leicht. Einzig im Biologietest ergeben sich auch grössere bzw. beinahe mittlere Differenzen zugunsten der Langzeitgymnasien, obwohl bei Letzteren die Biologie-Erfahrungsnoten im Ausmass zwar leicht, aber signifikant schlechter ausgefallen sind. Dabei dürfte es sich aber eher um eine Notenanomalie oder das Ergebnis einer klassen- bzw. sozialnormorientierten Benotung handeln. Zwischen den verschiedenen Schwerpunktfachgruppen lassen sich z. T. erhebliche Unterschiede feststellen. Die Spitzenergebnisse in Mathematik der Gruppe des Schwerpunktfachs (SPF) Physik und Anwendungen der Mathematik (PAM) und in Biologie der Gruppe des SPF Biologie und Chemie (BCH) waren dabei systembedingt zu erwarten. Der Spitzenwert für die Maturandinnen und Maturanden des SPF Alte Sprachen im Vergleich zu jenen des SPF Moderne Sprachen, die beim Erstsprachtest lediglich eine mittlere Rangierung erreichten, überrascht jedoch teilweise. Auch für weitere Ungleichheiten in einigen Kompetenzbereichen gibt es keine Systemerklärungen. Die Gruppe des SPF Alte Sprachen hat unter dem Aspekt der Ausgeglichenheit am besten abgeschnitten, die Maturandinnen und Maturanden der neuen Schwerpunktfächer Musik, Bildnerisches Gestalten, Philosophie/Pädagogik/Psychologie (PPP) eher schlechter. Bei der Analyse der effektiv erteilten Maturanoten ergeben sich im Vergleich zu den Testergebnissen einige Rangverschiebungen, und vor allem erweisen sich die Unterschiede als geringer ausgeprägt. Es fällt aber auch auf, dass es SPF-Gruppen mit beinahe 50% ( Moderne Sprachen, Bildnerisches Gestalten, Musik ) oder gar über 50% (PPP) ungenügenden Noten in der schriftlichen Mathematikprüfung gibt. Bei der Maturagesamtnote in Mathematik sind es für die beiden SPF- Gruppen Moderne Sprachen und Bildnerisches Gestalten immer noch rund 30% ungenügende Noten. Mit Abstand die beste Gruppe beim UFT war jene des SPF PAM. Die Gruppen der neuen Schwerpunktfächer PPP und Bildnerisches Gestalten sowie in einem Bereich auch Musik rangieren dagegen am Ende. Die Unterschiede zwischen den Geschlechtern stimmen mit bisherigen Untersuchungen gut überein. Maturandinnen haben eher in Erstsprache, Maturanden klar in Mathematik und im naturwissenschaftlich ausgerichteten UFT besser abgeschnitten. Notengebung Die Notengebung stimmt nur teilweise mit den Testergebnissen überein. Eine erste Erklärung dafür ist jene, dass mit den Tests teilweise andere Kompetenzen gemessen wurden als durch die Maturaprüfungen. Diese Unterschiede sind bedingt durch den eingeschränkten Fokus der Untersuchung und haben nichts mit mangelnder Zielerreichung der Gymnasien zu tun. Eine zweite Deutung der Befunde setzt beim Verfahren der Notengebung an. Einerseits kann eine teilweise Anpassung der Notengebung an die Leistungsfähigkeit der Klasse (Sozialnormorientierung) vermutet werden, was im Vergleich zur Orientierung an Klassen übergreifenden Gütestandards (Kriteriumsorientierung) zu verschiedenen Notenmassstäben führt. Dennoch lassen sich andererseits auch bei den Notenvergleichen strukturelle Übereinstimmungen mit den Testergebnissen feststellen, was annehmen lässt, dass sich die Lehrerinnen und Lehrer bei der Notengebung zu einem beträchtlichen Teil auch an objektivierten Gütestandards orientieren. Im Weiteren sind bei der Notengebung unerklärliche Anomalien zu finden, welche wiederum eine nur teilweise Kriteriumsorientierung annehmen lassen. Dazu gehört z. B. die Erfahrungsnote in Biologie, welche in den Schwerpunktgruppen Alte Sprachen und Bildnerisches Gestalten höher liegt als in der Gruppe Biologie und Chemie. Auffällig ist schliesslich, dass schriftliche Maturaprüfungen vor allem in Mathematik, aber auch in Erstsprache zu einem hohen Anteil an ungenügenden Ergebnissen führen, diese aber jeweils durch die Note der mündlichen Prüfungen und die Erfahrungsnoten aufgebessert werden. 17

18 Schriftliche Maturaprüfungen Die schriftlichen Maturaprüfungen sind in allen untersuchten Fächern auf der einen Seite häufig anspruchsvoll, erfordern zur Lösung verschiedene kognitive Fähigkeiten (eine reine Wiedergabe von zuvor auswendig gelerntem Wissen ist nicht ausreichend) und decken Bereiche ab, die für die Studierfähigkeit von Bedeutung sind. Auf der anderen Seite konnten viele Prüfungen gefunden werden, welche diesem Bild nicht entsprechen. Insgesamt sind die Aufgabenstellungen recht heterogen. Maturaarbeiten Die wissenschaftspropädeutische Qualität der untersuchten Maturaarbeiten ist mehrheitlich als zufriedenstellend einzustufen. Obwohl der Beweis der Nachhaltigkeit bislang fehlt, sprechen viele Indizien dafür, dass es sich bei der Maturaarbeit um eine im Hinblick auf die Studierfähigkeit sinnvolle und ertragreiche Lern- und Prüfungsform handelt. Grenzen der Studie EVAMAR II An dieser Stelle soll ausdrücklich auf die Grenzen der Studie EVAMAR II hingewiesen werden. Sie sind bei der Interpretation der Ergebnisse und bei der Ableitung von Massnahmen für die künftige Gestaltung des Gymnasiums zu beachten! Grundsätzlich können nur über einige ausgewählte Aspekte der Ziele und der Zielerreichung der gymnasialen Bildung Aussagen gemacht werden. Insbesondere folgende Komponenten einer umfassenden Studierfähigkeit wurden im Projekt EVAMAR II nicht untersucht und ihr Vorhandensein bei Maturandinnen und Maturanden nicht analysiert: erstens Wissen und Können, welches zwar Teil einer breiten Allgemeinbildung ist als Grundlage zur Lösung anspruchsvoller Aufgaben in der Gesellschaft (vertiefte Gesellschaftsreife) und damit in der gymnasialen Bildung vermittelt werden muss, aber an der Universität nicht direkt vorausgesetzt wird; zweitens zur Studierfähigkeit gehörendes notwendiges Wissen und Können aus anderen Unterrichtsfächern als Erstsprache, Mathematik und Biologie; drittens Elemente überfachlicher Kompetenzen, die im gegebenen Projektrahmen nur schlecht erfassbar gewesen wären, dennoch aber für die erfolgreiche Bewältigung eines Studiums wichtig sind (z. B. die Fähigkeit des selbstorganisierten Lernens, der allgemeinen Selbstorganisation, des Recherchierens, der raschen Verarbeitung umfangreicher Fachliteratur usw.). Die Bedeutung solcher Faktoren liesse sich nur durch weitere, im umfassenden Konzept vorgeschlagene Untersuchungen ermitteln (Längsschnittuntersuchungen bei Studierenden), und sie wären nur durch aufwändige Assessmentverfahren zu messen. Immerhin wurden solche Faktoren aber bereits im Projekt EVAMAR I über Befragungen, also über Selbsteinschätzungen und damit annäherungsweise valide ermittelt. Im Zusatzfragebogen von EVAMAR II wurden zudem diesbezüglich ergänzende Fragen zu EVAMAR I eingestreut. Wichtigste Schlussfolgerungen und Empfehlungen des Projektleiters 1. Die Schweizer Maturandinnen und Maturanden erzielten in den untersuchten Bereichen Ergebnisse, die für standardisierte, für eine bestimmte Population entwickelte Tests normal sind. Zu dieser Normalität gehört, dass die Aufgaben im Mittel etwa zur Hälfte richtig gelöst wurden. Insofern kann der Ausbildungsstand als zufriedenstellend bewertet werden. Auch die Gymnasien entlassen aber nicht alle ihre Maturandinnen und Maturanden mit Kompetenzen, die in der ganzen Breite als mindestens genügend eingeschätzt werden können. Das ist die Bestätigung eines Befundes, der aufgrund der effektiv an den Gymnasien vergebenen ungenügenden Noten an Maturitätsprüfungen vor allem in den Bereichen Mathematik und schriftliche Erstsprachprüfung schon bisher vermutet werden konnte. Das bedeutet aber auch, dass trotz gutem Ausbildungsstand Verbesserungen grundsätzlich möglich sind. Das ist keine aussergewöhnliche Schlussfolgerung, lässt sich eine solche doch für jede Schulstufe nach einer Leistungsmessung mit standardisierten Tests ziehen. Zwingender Handlungsbedarf würde dann bestehen, wenn die Aufgaben zu klar weniger als der Hälfte richtig gelöst und der Durchschnitt der geschätzten Personenfähigkeiten klar unter einem mittleren Wert liegen würden. Das ist bei den Schweizer Maturandinnen und Maturanden nicht der Fall. 18

19 2. Interpretiert man allgemeine Studierfähigkeit dahingehend, dass jeder Maturitätsausweis genügende Eingangskompetenzen für alle möglichen Studienfächer bescheinigen sollte, so ist dies vermutlich für einen beachtlichen Teil der Maturandinnen und Maturanden nicht gegeben. EVAMAR II stellt das zwar nur für die getesteten Bereiche fest, das Bild würde sich aber vermutlich bei Einbezug weiterer Bereiche kaum ändern. Auch dieser Befund ist nicht neu, drücken sich doch diese Lücken auch in den Maturanoten aus, ermöglicht durch das Notenkompensationssystem des MAR. Damit sind auch die (subjektiven) Klagen von Universitätsdozierenden über Lücken vor allem in Erstsprache und Mathematik sowie die teilweise erheblichen Durchfallquoten in den ersten Prüfungen zumindest teilweise erklärbar. Die Grundfrage ist deshalb, ob sich künftig eine lückenlose Studierfähigkeit aller Maturandinnen und Maturanden erzielen lässt. Dazu müssten sicher die Bestehensnormen an den Maturaprüfungen insofern revidiert werden, als ungenügende Noten nicht mehr zugelassen würden. Das hätte aber vermutlich zwei unerwünschte Effekte, nämlich eine Senkung der Maturitätsquote und eine teilweise Anpassung der Notengebung. Eine lückenlose Studierfähigkeit für alle Maturandinnen und Maturanden ist deshalb eine Fiktion. Wir empfehlen aber deshalb keineswegs die Aufgabe des Anspruchs, mit dem Maturitätsausweis die allgemeine Hochschulreife mit Anrecht auf prüfungsfreien Zugang zu den Hochschulen zu bescheinigen. Die detaillierte Begründung findet sich im Hauptbericht. Ein wichtiger Grund ist, dass die Möglichkeiten ungenügender Kompetenzbereiche in der geltenden Regelung nicht beliebig sind. Die Maturandinnen und Maturanden mit ungenügenden Leistungen müssen sich immerhin über doppelte Besserleistungen in anderen Fächern ausweisen. Ferner sind die praktischen Auswirkungen der festgestellten Kompetenzlücken zu berücksichtigen: EVAMAR I und weitere Untersuchungen haben gezeigt, dass eine Kanalisierung der Studienwahl aufgrund der eigenen Möglichkeiten und der damit verknüpften Interessen von selbst erfolgt und sich damit Lücken in gewissen Fächern nur beschränkt auf den konkreten Studienerfolg auswirken. Es ist aber im Hinblick auf eine Revision des MAR zu prüfen, ob in basalen Kompetenzen, die für viele Studienfächer wichtig sind, Bestehensnormen ohne die Möglichkeit der Kompensation ungenügender Ergebnisse für alle festgelegt werden sollten. So etwa für Erstsprach- und Mathematikkompetenzen, die ihrerseits aber nicht die ganze Breite der jeweiligen Fach- Curricula ausmachen, sondern nur die breit studienrelevanten. Es ginge also dabei nur um Teile aus Erstsprache und Mathematik und würde die weiteren, unter gymnasialen Zielsetzungen durchaus ebenso wichtigen curricularen Inhalte nicht betreffen. (Es handelt sich also nicht um eine allgemeine Forderung nach der einen Mindestnote 4 in Mathematik.) Eine solche Massnahme würde dem Anspruch der maturitären Qualifikation für die allgemeine Studierfähigkeit wieder mehr Boden verschaffen. Zudem kann vermutet werden, dass absolute Bestehensvorgaben ohne Kompensationsmöglichkeiten auch eine bessere Steuerwirkung insofern hätten, als eine vorzeitige Resignation in diesen Bereichen durch die Maturandinnen und Maturanden weniger schnell kalkuliert würde. Da Englisch als Wissenschaftssprache ebenfalls zu den Basiskompetenzen der Studierfähigkeit gehört was auch von den befragten Dozierenden so gesehen wird, sollte das Erreichen einer (noch zu bestimmenden) Standardkompetenz in Englisch obligatorisch werden. 3. Die Ergebnisse der Dozierendenbefragung in Verbindung mit der Zusatzbefragung der Maturandinnen und Maturanden bestätigen bisherige Evaluationsuntersuchungen insofern, als die Fähigkeit zu selbstständigem Lernen und Arbeiten in der Selbsteinschätzung als teilweise lückenhaft beschrieben wird. Den Empfehlungen dieser Studien ist deshalb zuzustimmen: der gezielten Förderung des selbstständigen Lernens an den Gymnasien sollte noch mehr Gewicht verliehen werden. Damit würde nicht nur eine der für das weitere Studium wesentlichen allgemeinen Kompetenzen gefördert, sondern Maturandinnen und Maturanden auch besser in die Lage versetzt, Eingangslücken, die je nach gewähltem Fachstudium individuell vorhanden sein können und wohl unvermeidbar sind, selbstständig aufzufüllen. Die festgestellten Defizite bei den Erstsprachkompetenzen könnten durch eine noch konsequentere Förderung korrekter Erstsprachanwendung in allen Fächern verkleinert werden. 4. Die verstärkte Förderung des selbstständigen Lernens und Arbeitens darf aber weder auf Kosten von Fachinhalten geschehen noch auf Kosten der Breite der Fächerung am Gymnasium. Sonst könnten wieder eher fachliche Lücken im Hinblick auf die breite Fächerung der universitären Studien entstehen, und das weitere in EVAMAR II nicht untersuchte wichtige Ziel des MAR (vertiefte Gesellschaftsreife durch breite Allgemeinbildung) könnte 19

20 tangiert werden. Das bedingt eine noch bessere Konzentration auf das Wesentliche in allen Fächern, z. B. auf der Grundlage einer besseren Analyse der Notwendigkeiten im Hinblick auf das Ziel der vertieften Gesellschaftsreife und durch eine bessere Absprache mit den Hochschulen über die Eingangserwartungen. 5. Im Weiteren könnte das Problem der nicht erzielbaren lückenlosen Studierfähigkeit durch ein grösseres Angebot von Ausgleichskursen entschärft werden, die von den Universitäten studienfachbezogen angeboten werden könnten. Beispiele sind bereits heute zu finden. 6. Die gefundenen Unterschiede zwischen den Klassen sind teils sehr gross. Die Noten zeigen grosso modo in die gleiche Richtung wie die Testergebnisse, es gibt aber auch Anomalien. Gymnasiallehrkräfte orientieren sich bei der Bewertung offenbar recht gut an übergreifenden Gütestandards, es müssen aber auch Anpassungen an das Leistungsvermögen von Klassen vermutet werden. Das schmälert die Aussagekraft von Maturanoten. Es ist deshalb zu überlegen, wie eine vermehrte Standardorientierung gesichert werden kann. Dabei ist von zentralen Maturaprüfungen eher abzuraten, weil diese ihrerseits mit vielen problematischen Aspekten behaftet sind. 7. Die Resultate deuten darauf hin, dass die Gymnasien mit nur dreijähriger Minimal-Dauer benachteiligt sind. Der entsprechende Passus im MAR sollte deshalb überdacht werden. Die Daten von EVAMAR II zeigen auch, dass dort, wo das Untergymnasium geführt wird und damit die Dauer des Gymnasiums noch grösser ist, das fachliche Niveau bei allen erhobenen Leistungsdaten (inkl. Maturanoten) am Schluss im Ausmass zwar nur leicht aber signifikant höher liegt. Das sollte in der an verschiedenen Orten laufenden Diskussion über die allfällige Abschaffung des Langzeitgymnasiums beachtet werden. 8. Die gefundenen Leistungsunterschiede zwischen den verschiedenen Schwerpunktgruppen sind teilweise erheblich. Sie zeigen sich nicht nur bei den Tests von EVAMAR II, sondern in abgeschwächter Form auch bei den von den Schulen selbst vergebenen Maturanoten. Auch wenn die praktischen Auswirkungen durch die unter Punkt 2 angesprochene, angepasste Studienwahl der Maturandinnen und Maturanden nicht so gravierend sein dürften, sollte einerseits den Ursachen mittels Längsschnittanalysen nachgegangen werden. Andererseits sollten Massnahmen zur Verbesserung der Ausbildungsergebnisse in studienrelevanten Teilbereichen der Fächer Mathematik und Erstsprache für einen Teil der Maturandinnen und Maturanden geprüft werden; dies betrifft vor allem jene, die einen mit dem MAR 95 im Vergleich zu den alten Maturitätstypen neu eingeführten Schwerpunkt gewählt haben. 9. Die Vermutung, dass hohe Maturitätsquoten mit eher schlechteren Ergebnissen einhergehen, hat sich nicht nur bei den Tests, sondern auch teilweise bei den Noten erhärtet. Die offensichtlichen Chancenungleichheiten müssen politisch diskutiert werden. 10. Die Unterschiede zwischen den Geschlechtern folgen grösstenteils dem bereits bekannten Bild. Die Bestrebungen zur Verbesserung der Leistungen von Gymnasiastinnen in Mathematik und Naturwissenschaften sind weiterzuführen. Es sollten auch mögliche Unterschiede in weiteren Fächern, die nicht Gegenstand der Untersuchungen von EVAMAR II waren, untersucht werden. 11. Die Einführung der Maturaarbeit hat sich bewährt. Die selbstständige Bearbeitung von Projekten als wichtiges Element gymnasialen Lernens sollte unter Einbezug der in den Untersuchungen von EVAMAR II gefundenen Erfolgsfaktoren in moderater Weise ausgebaut werden. 12. Das Projekt EVAMAR II war als Querschnittsprojekt angelegt. Die Resultate werfen deshalb mehr Fragen nach Ursachen der Befunde bzw. Kausalitäten auf als zuverlässig beantwortet werden können. Diesen ungeklärten Fragen sollte mittels Längsschnittanalysen unter systematischer Ausnützung aller im Verlaufe der gymnasialen Ausbildung und des späteren Studiums anfallenden Personendaten nachgegangen werden. 20

21 I Einleitung zum Gesamtprojekt 1 Reform der Maturitätsbildung Das Schweizer Gymnasium wurde 1995 grundlegend reformiert und im Maturitätsanerkennungsreglement (MAR) (EDK, 1995) neu kodifiziert. Die Schweizer Maturität vermittelt den allgemeinen und schrankenlosen Zugang zu allen universitären Studien. Ein Numerus clausus existiert nur für das Medizinstudium, für dessen Zugang ergänzend zur maturitären Qualifikation ein Eignungstest (Hänsgen & Spicher, 2007) absolviert werden muss. Mit der Reform sollte die Maturitätsausbildung neuen Anforderungen angepasst und gleichzeitig der freie Zugang zu allen Universitäts- und ETH-Studien weiterhin gewährleistet bleiben. Bis zur Reform 95 konnte am Schweizer Gymnasium aus den fünf Maturitätstypen A bis E der zur individuellen Eignung und Neigung passende gewählt werden. Die Kernidee der Reform 95 war, an die Stelle dieser Maturitätstypen die Einheitsmatura zu setzen und gleichzeitig breite Wahl- bzw. Individualisierungsmöglichkeiten offen zu lassen. Folgende Hauptmerkmale kennzeichnen die Einheitsmatura: Es gibt eine relativ hohe Zahl an im Wesentlichen für alle Gymnasiastinnen und Gymnasiasten gleichen Grundlagenfächern, um eine breit gefächerte und ausgewogene Ausbildung sicherzustellen. Es handelt sich um folgende Fächer: Erstsprache, eine zweite Landessprache, eine dritte Sprache (d. h. eine dritte Landessprache, Englisch oder eine alte Sprache), Mathematik, Naturwissenschaften mit obligatorischem Unterricht in Biologie, Chemie und Physik, Geistes- und Sozialwissenschaften mit obligatorischem Unterricht in Geschichte und Geographie sowie einer Einführung in Wirtschaft und Recht, Bildnerisches Gestalten und/oder Musik. Alle Lernenden müssen zusätzlich ein Schwerpunktfach und ein Ergänzungsfach besuchen, und es ist eine Maturaarbeit zu erstellen. Folgende Hauptmerkmale charakterisieren die Individualisierung: Das Schwerpunktfach kann aus acht Varianten gewählt werden: alte Sprachen (Latein und/oder Griechisch), eine moderne Sprache (eine dritte Landessprache, Englisch, Spanisch oder Russisch), Physik und Anwendungen der Mathematik, Biologie und Chemie, Wirtschaft und Recht, Philosophie/Pädagogik/Psychologie, Bildnerisches Gestalten, Musik. Das Ergänzungsfach kann aus 13 Varianten gewählt werden: Physik, Chemie, Biologie, Anwendungen der Mathematik, Geschichte, Geographie, Philosophie, Religionslehre, Wirtschaft und Recht, Pädagogik/Psychologie, Bildnerisches Gestalten, Musik, Sport. Das Thema für die Maturaarbeit kann individuell in Absprache mit der betreuenden Lehrperson bestimmt werden und auch interdisziplinär ausgerichtet sein. Aus den weiteren Vorgaben des MAR (EDK, 1995) seien folgende genannt: Das Maturitätszeugnis darf frühestens nach 12 Jahren Schuldauer ausgestellt werden, wovon vier Jahre an einer Maturitätsschule absolviert sein müssen. Ausnahmsweise sind auch drei Jahre Gymnasium ausreichend, falls auf der Sekundarstufe I eine gymnasiale Vorbildung erfolgt ist; diese Regelung ist in gymnasialen Kreisen umstritten. Für das Bestehen der Maturaprüfungen darf die doppelte Summe aller Notenabweichungen von 4 nach unten nicht grösser als die Summe aller Notenabweichungen von 4 nach oben sein. Um also die ungenügende Note 3 kompensieren zu können, braucht es z. B. die Note 5 in zwei anderen Fächern. 21

22 Es gibt für die Schweizer Gymnasien weder verbindliche Bildungs- oder Ausbildungsstandards noch eine zentrale Prüfung der Zielerreichung. Inhaltliche Vorgaben sind lediglich im Zielartikel des MAR (EDK, 1995) und im Rahmenlehrplan (RLP) (EDK, 1994) der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) zu finden. Die wesentlichen Inhalte des Bildungszielartikels sind in den folgenden zwei Sätzen zusammengefasst (EDK, 1995, Art. 5): Die Schulen streben eine breit gefächerte, ausgewogene und kohärente Bildung an, nicht aber eine fachspezifische oder berufliche Ausbildung. Schülerinnen und Schüler gelangen zu jener persönlichen Reife, die Voraussetzung für ein Hochschulstudium ist und die sie auf anspruchsvolle Aufgaben in der Gesellschaft vorbereitet. Der zweite Satz beinhaltet dabei die zwei obersten Bildungsziele des Gymnasiums, nämlich die Erlangung der Hochschulreife und die Vorbereitung auf anspruchsvolle Aufgaben in der Gesellschaft, der erste Satz verweist auf den grundsätzlichen Weg zur Zielerreichung (siehe zu Überlegungen zur Stimmigkeit und zur wissenschaftlichen Richtigkeit und Kohärenz des ganzen Bildungszielartikels Eberle, 2008). Im RPL sind in etwas differenzierterer, aber immer noch wenig operationalisierter Form sowohl die fachübergreifenden als auch die Ziele der einzelnen Fächer beschrieben. Bemerkenswert sind Erstere, die sog. überfachlichen Kompetenzziele, welche folgende Komponenten umfassen (EDK, 1994, 11): den sozialen, ethischen und politischen Bereich, den intellektuellen, wissenschaftlichen und erkenntnistheoretischen Bereich, den kommunikativen, kulturellen und ästhetischen Bereich, Bereiche der Persönlichkeitsentwicklung und der Gesundheit, sowie Bereiche der persönlichen Lern- und Arbeitstechniken, der Wissensbeschaffung und der Informationstechnologien. Dabei wird zwischen Grundkompetenzen für alle Jugendlichen und ergänzenden Kompetenzen speziell von Gymnasiastinnen und Gymnasiasten unterschieden. Die Darstellung der Fachziele gliedert sich für jedes Fach in Allgemeine Bildungsziele, Begründungen und Erläuterungen und Richtziele. Die Richtziele sind wiederum unterteilt in Grundkenntnisse, Grundfertigkeiten und Grundhaltungen. Auf die Ziele im Einzelnen und die vorhandenen Schwächen des RLP insbesondere mangelnde Theorieabstützung der überfachlichen Kompetenzziele und dürftige Fundierung sowie Kohärenz der fachlichen Ziele kann an dieser Stelle nicht eingegangen werden. Bei den beschriebenen Grundsätzen handelt es sich nur um Rahmenvorgaben; und die Stundenanteile für die einzelnen Fächer sind lediglich durch Prozentbänder im MAR 95 abgesteckt. Der gesamtschweizerische Lehrplan wird ausdrücklich als Rahmenlehrplan bezeichnet, alle 26 Kantone und Halbkantone haben ihre jeweils eigenen Umsetzungen des RLP vorgenommen. In grossen Kantonen, wie z. B. dem Kanton Zürich, verfügen sogar die einzelnen Gymnasien über ihre eigenen Lehrpläne. Dieser Programmvielfalt entsprechen auch die Maturitätsprüfungen: Weder auf Bundes- noch auf Kantonsebene werden einheitliche Prüfungen durchgeführt. Es ist durchaus üblich, dass parallel im gleichen Fach unterrichtende Lehrkräfte an der gleichen Schule ihre je eigene Maturitätsprüfung zusammenstellen und die Notenmassstäbe selbst festlegen. Trotz dieser potenziellen Vielfalt der daraus resultierenden Qualifikations- oder Reifemuster der Schweizer Maturandinnen und Maturanden gilt eine solche lokale Matura als die Schweizer Matura, welche den Zugang zu allen Schweizer Universitäten eröffnet. An den Schweizer Gymnasien werden also auch nach der Maturitätsreform 95 explizit von zentraler Stelle nur lose verbindliche Ziele gesetzt. Das bedeutet aber nicht, dass Standards nicht zumindest implizit dezentral oder lokal vorhanden wären (siehe auch Oelkers, 2006): Lehrkräfte haben in der Regel ein professionelles, sich an fachspezifischen Standards orientierendes Fachverständnis. Lehrmittel wirken standardisierend; allerdings gibt es keine einheitlichen Lehrmittel. Explizite oder implizite Aufnahmequoten an die Gymnasien setzen Standards bezüglich Voraussetzungen der Schülerinnen und Schüler. 22