MOST WANTED: INDUSTRIEABGASFRESSER MIKROALGE

Größe: px
Ab Seite anzeigen:

Download "MOST WANTED: INDUSTRIEABGASFRESSER MIKROALGE"

Transkript

1 MOST WANTED: INDUSTRIEABGASFRESSER MIKROALGE Weltweit suchten Biologen, Chemiker und Techniker jahrelang nach dem Abgasfresser, der die schädlichen Emissionen von Kohlenstoffdioxid oder Schwermetallen den Garaus machen sollte. Schon viel zu lange nämlich treiben diese Abgase ihr Unwesen in der Umwelt, bei Tier und Mensch. Die neuesten Nachrichten berichten heute von einem sensationellen Fund in den Gewässern unserer Erde. Dieser soll den Abgasen endlich ein Ende setzen. Die ganze Welt erwartet nun unseren neuen und grünen Helden Mikroalge, der uns unseren unverzichtbaren Freund Frischluft in Zukunft sauberer halten soll. Doch wer ist diese Mikroalge und wie besiegt sie unseren Feind? Der potentielle Retter unserer Umwelt ist ein mikroskopisch kleiner eukaryotischer Organismus (ein- oder wenigzelliges Lebewesen mit echtem Zellkern). 1 Er ist ein Eukaryot, der weder Pflanze noch Tier oder Pilz ist. Deshalb wird er den Protisten zugeordnet. 2 Er frisst unseren Feind nicht wie vielleicht vermutet bei Nacht, sondern am helllichten Tag. Denn nur mithilfe von Wasser, Sonnenlicht und Kohlenstoffdioxid kann er sich am Leben halten. Diesen Überlebensprozess nennt man Photosynthese Vgl. Mauro Raffaelli; Thomas, José Maria (1992): Wissen heute auf einen Blick. Botanik. Klagenfurt: Neuer Kaiser, S Vgl. Sadava, D.; Hillis, D.M.; Heller, H.C.; Berenbaum M.R. & Markl, J. (Hrsg.) (2011): Biologie. Heidelberg: Spektrum, 9. Auflage, S Vgl. ebd., S Abbildung 1: Mikroalge Chlorella vulgaris. Nina Rieger und Lilita Koch.

2 Exkurs: Photosynthese Die Photosynthese (neuerdings auch Fotosynthese) beschreibt einen Stoffwechselprozess, welcher Lichtenergie in chemische Energie umwandelt und von Land- und Wasserpflanzen betrieben wird. Landpflanzen nehmen Lichtenergie über kleine Öffnungen an der Blattoberfläche auf. Bei der Mikroalge hingegen dringt das Licht durch die Zellwand vor bis zu dem grünen Zellbestandteil, dem Chloroplasten. In dieser Zellorganelle, dem Chloroplasten, befindet sich der für die Photosynthese wichtige natürliche Farbstoff Chlorophyll. 5 Um Photosynthese betreiben zu können, benötigt die Pflanze Wasser = H 2 O, Licht und Kohlenstoffdioxid = CO 2. Die Photosynthese setzt sich aus zwei Abschnitten zusammen. Der erste Abschnitt beschreibt die Lichtreaktion (Primärreaktion), bei welcher das zuvor aufgenommene Wasser H 2 O in der Pflanze durch die Energie des Sonnenlichtes gespalten wird. Vom Wasser abgespaltener Sauerstoff bindet sich paarweise und wird zu Sauerstoff O 2, welcher wiederum als Abfallprodukt - über kleine Spaltöffnungen in den Blättern - abgegeben wird. Der Wasserstoff des gespaltenen Wassers wird vorübergehend in den Zellen gebunden und gespeichert. Die lichtunabhängige Reaktion (Sekundärreaktion) beschreibt den zweiten Abschnitt. Hier reagiert das aus der Luft aufgenommene Kohlenstoffdioxid CO 2 mit dem in den Zellen gespeicherten Wasserstoff zu Zucker (Glucose), aus dem sich Stärke bilden lässt. Diese gebildeten Stoffe (Kohlenhydrate mit der Summenformel C 6 H 12 O 6 ) sind die Nährstoffe der Pflanze und liefern ihr Energie. 6 Wie kann uns die Mikroalge zukünftig behilflich sein? Kohlenstoffdioxid ein Treibhausgas hält Wärme in der Atmosphäre zurück. Die steigende CO 2 -Konzentration führt aus diesem Grund zu einer globalen Erwärmung. Algen bilden den größten Teil der Biomassen in unseren Gewässern und können durch Photosynthese das Treibhausgas aus der Luft filtern. Das bedeutet, Kohlen- 5 Vgl. ebd., S Vgl. Planet Schule: Die Fotosynthese Grundlage allen Lebens. Online in: [gesehen am ].

3 stoffdioxid aus den Abgasen von fossilen Brennstoffen wie Erdöl, Erdgas oder Kohle kann durch diese Algen gefiltert werden. Das ermöglicht Frischluft durch Algen. Doch wie soll der CO 2 -Vernichter in der Industrie eingesetzt werden? Um Photosynthese betreiben zu können, benötigen die Algen Licht. Dieses Licht wird auf einem Gebäudedach über einen Lichtsammler eingefangen. Über dünne, hocheffiziente Kabel wird das Licht in den Bioreaktor geleitet. Dort befinden sich die Algen, welche durch eine zusätzliche Leitung mit den Abgasen (CO 2 ) von einer Industrieanlage versorgt werden. Das ist der Startschuss für die Algen: sie beginnen mit der Photosynthese und bilden Sauerstoff O 2, das in die Luft abgegeben wird Vgl. Universität Duisburg-Essen (2008): Abgasreinigung mit Algenreaktor und Sonnenfalle. Pressemitteilung, , Online in: [gesehen am: 19. Nov. 14]. 8 Abbildung 2: Zukünftige Abgasreinigung? Nina Rieger und Lilita Koch.

4 Jetzt bist DU dran! Finde grüne Helden im Einsatz. Handlungsaufgabe Auf der Wetterseite eines Baumes können sich Mikroalgen genauso wohl fühlen wie im Wasser. Untersuche gemeinsam mit einem Partner die Borke eines Baumes! Findet ihr die kugelförmige Mikroalge Chlorella vulgaris unter dem Mikroskop? Rechercheaufgabe Hinweis! Achte auf verlässliche Quellen. Woher nehmen die Forscher ihre Mikroalgen... etwa aus den Borken der Bäume? Vergleiche den gesamten Ausstoß von CO 2 (Emission) der beiden Länder China und Deutschland! Vergleiche danach ihren CO 2 Ausstoß pro Kopf. Welche Schlussfolgerungen kannst du für dich ziehen? Finde heraus, ob in der deutschen Industrie bereits Algenzuchtanlagen zur Verringerung des CO 2 -Ausstoßes im Einsatz sind bzw. erforscht werden. Informiere dich, welche Industrieprodukte Deutschland aus China importiert und welche Produkte Deutschland nach China liefert!

5 Handreichung für Lehrer/innen Angezielte Kompetenzen: Die Schülerinnen und Schüler entwickeln Kompetenzen des Erkenntnisgewinns zur Mikroskopie als Erkenntnishilfe für Kleinstlebewesen und Wertschätzung für deren Lebensleistungen. Die Schülerinnen und Schüler entwickeln Bewertungskompetenz im Hinblick auf den Klimaschutz und die globale Verantwortung für CO 2 -Emissionen. Die Schülerinnen und Schüler entwickeln kommunikative Kompetenzen am Beispiel von innovativen Umwelt-Technologien. Mit einer Unterrichtseinheit zum Thema Mikroskopie erfolgt eine sinnvolle Einleitung zur Bewältigung der ersten Aufgabe. Inhalt dieser Einheit kann unter anderem der Aufbau sowie die Handhabung eines Mikroskops und das korrekte Anfertigen eines Objektes sein. Der Aufbau eines Lichtmikroskops Abbildung 3: Aufbau eines Lichtmikroskops 9 Die Handhabung Das Mikroskop ist ein sensibles und teures Gerät. Um Schäden zu vermeiden, sollten einige Regeln mit den Schülerinnen und Schülern besprochen werden. Beispiele für Regeln im Umgang mit dem Mikroskop: - Transportiere das Mikroskop mit einer Hand am Stativ und mit der anderen Hand am Fuß. - Die Linsen sind sehr empfindlich nicht berühren. - Beginne immer zuerst mit der kleinsten Vergrößerung! - Arbeite mit viel Gefühl und wende niemals Gewalt an! - Achte beim Wechseln des Objektivs darauf, dass das Objektiv nicht den Objekttisch beziehungsweise das Objekt berührt. Das Glas wird sonst zerkratzt oder bricht Abbildung 3: Aufbau eines Lichtmikroskops. Lilita Koch und Nina Rieger.

6 Wo können Schülerinnen und Schüler Mikroalgen finden? Mikroalgen reichern sich besonders an der Wetterseite eines Baumes an. Das liegt daran, dass Algen und auch Moose viel Licht und Feuchtigkeit benötigen um zu wachsen. Algen weisen meist eine grüne, braune oder rote Färbung auf. 11 Die kugelige einzellige Alge Chlorella vulgaris gehört zu den Grünalgen, da sie durch den Pflanzenfarbstoff Chlorophyll grün gefärbt ist. 12 Aus diesem Grund muss nach grünen Stellen auf der Borke gesucht werden. Proben von der Borke können mit Pinzetten oder Präpariernadeln abgekratzt und auf eine Glasplatte gestrichen werden; es bieten sich auch auf dem Boden liegende Äste an. Verwechslungen mit Flechten (graugrün) sind möglich. Jedoch enthalten auch Flechten zwischen ihren Pilzfäden kugelige grüne Algen. Rostrote Beläge an Baumstämmen können auch aus Algen bestehen. Die Alge Trentepohlia enthält zusätzlich Carotin, ist aber auch eine Grünalge. Objektherstellung Arbeitsmaterialien: Pinzette, Präpariernadel, Pipette, Objektträger, Deckgläschen, (destilliertes) Wasser, Lichtmikroskop Damit genügend Licht von unten durch das Präparat scheinen kann, werden bei einem Lichtmikroskop dünne Schichten einer Probe benötigt (Viel hilft nicht immer viel!). Mit Hilfe einer Pinzette oder einer Präpariernadel können Algen von der Borke oder dem Ast abgekratzt und auf dem Objektträger zentral platziert werden. Anschließend wird mit einer Pipette ein Wassertropfen aufgebracht und das Präparat mit einem Deckgläschen abgedeckt. Dazu wird das Deckgläschen schräg an den Rand gestellt und langsam abgelegt störende Luftblasen werden so vermieden Vgl. Landesbildungsserver Baden-Württemberg: Mikroskopieren. [gesehen am ]. 11 Krauter, Dieter;/Streble, Heinz (2010): Das Leben im Wassertropfen. Stuttgart: Franckh-Kosmos. S Vgl. ebd., S. 178/ Vgl. Landesbildungsserver Baden-Württemberg: Präparate anfertigen für Profis. Online in: [gesehen am ].

7 Tipp: Ein Bestimmungsbuch kann die Schülerinnen und Schüler animieren auch andere Mikroorganismen unter dem Objekt zu bestimmen Beispiel: Das Leben im Wassertropfen von Heinz Streble und Dieter Krauter. Woher nehmen die Forscher ihre Mikroalgen? Die Forscher nehmen ihre Mikroalgen aus dem Meer oder heimischen Süßgewässern und züchten die winzig kleinen Organismen dann in einer künstlichen Umgebung (z.b. in einem Gewächshaus). Im Glashaus befinden sich die Mikroalgen in langen, lichtdurchlässigen Schläuchen, die zudem mit einer Salzlösung gefüllt sind. Dort wachsen und vermehren sie sich unter für Algen günstigen Bedingungen. Vergleich der CO 2 -Emissionen von China und Deutschland (Stand 2013) Absolute Emissionswerte Land CO 2 - Ausstoß in Mio. t Rangplatz im internationalen Vergleich China 7999,6 Platz 1 Deutschland 747,6 Platz 6 Pro-Kopf-Emissionen Land CO 2 - Ausstoß in t Rangplatz im internationalen Vergleich China 6 Platz 51 Deutschland 10 Platz 27 Schlussfolgerungen Absolut gesehen verursacht China zurzeit die weltweit größten Kohlenstoffdioxid-Emissionen. Deutschland hat große Teile seiner Industrieproduktion nach China verlagert und importiert Industrieprodukte (Papier, Kunststoffe u.v.a. aus China). Obwohl sich Deutschland oft als Klima-Schutz-Vorreiter lobt, ist er der sechstgrößte Treibhausverursacher der Welt. 14 Abbildung 4: Chlorella vulgaris (10 x 40 = 400-fache Vergrößerung), Lilita Koch und Nina Rieger.

8 Betrachtet man die Treibhausgasemissionen pro Einwohner, so verursacht die Wirtschafts- und Lebensweise der Deutschen fast doppelt so viel CO 2 - Emissionen wie die der Chinesen. China ist ein Schwellenland und eifert der Wirtschafts- und Lebensweise der Industrienationen nach. Das große Land mit seinen vielen Einwohnern gestaltet durch seinen wachsenden Emissionsausstoß somit enorm die Zukunft der Welt mit. Algenzuchtanlagen im Einsatz Derzeit werden Algenzuchtanlagen noch für Forschungszwecke in Betrieb genommen. Heizkraftwerk Senftenberg Die weltweit größte Algenzuchtanlage ihrer Art wurde vom Energiekonzern Vattenfall im Jahre 2011 am Standort des Heizkraftwerks Senftenberg in der Lausitz mit dem Namen Hanging Gardens" in Betrieb genommen und war mit Liter Fassungsvermögen weltweit die erste ihrer Art. Das vom Konzern Vattenfall, vom Land Brandenburg und der Europäischen Union geförderte Forschungsprojekt hat das Ziel die CO 2 -Emissionen aus Kraftwerksrauchgasen mittels Mikroalgen zu reduzieren. Die ersten Ergebnisse beweisen, dass die Algen auch bei Verwendung von technischem Kohlendioxid normales Wachstumsverhalten zeigen. Sie vermehren sich hoch produktiv und erzeugen dabei zusätzliche Biomasse. Heizkraftwerk West Frankfurt Auch die Mainova AG startete 2012 ein Pilotprojekt zur Reduzierung von CO 2. Dafür wurde auf dem Dach des Maschinenhauses im Heizkraftwerk 32 Quadratmeter große Algenzuchtanlage errichtet. Die CO 2 -haltigen Abgase werden in das Wasser geleitet und dort von den Algen in O 2 umgewandelt. Mit diesem Forschungsprojekt möchte Mainova die Algenzucht optimieren, da sich bereits in einem Vorversuch gezeigt hat, dass sich bestimmte Algentypen besser eignen als andere.

9 Quellenverzeichnis: energie-aus-algen/?_t_id=1b2m2y8asgtpgamy7phcfg%3d%3d&_t_q=algen&_t_tags= language%3ade%2csiteid%3a f-e c-23139e8d9276&_t_ip= &_t_hit.id=Kwd_Kestrel_Library_Epi_Types_Pages_InformationPageType/_6265c021-33c2-4ae4-b170-dd36837fad69_de&_t_hit.pos=1 _ pdf Universität Duisburg-Essen (2008): Abgasreinigung mit Algenreaktor und Sonnenfalle. Pressemitteilung, , Online in: [gesehen am: 19. Nov. 14]. [gesehen am ]. [gesehen am ]. Mauro R. & Thomas, J. M. (1992): Wissen heute auf einen Blick. Botanik. Klagenfurt: Neuer Kaiser, S. 24. Krauter, D. & Streble, H.(2010): Das Leben im Wassertropfen. Stuttgart: Franckh-Kosmos. Sadava, D.; Hillis, D.M.; Heller, H.C.; Berenbaum M.R.& Markl, J. (Hrsg.) (2011): Biologie. Heidelberg: Spektrum, 9. Auflage, S Alle Abbildungen: Nina Rieger und Lilita Koch.