Gott gebe euch viel Gnade und Frieden durch die Erkenntnis Gottes und Jesu, unseres Herrn.

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1 Ev. Kirchengemeinde Bad Wilhelmshöhe in Kassel Pfarrerin Astrid Thies-Lomb Predigttext: Lukas 1, Predigt am über Maria und das alte Testament Gott gebe euch viel Gnade und Frieden durch die Erkenntnis Gottes und Jesu, unseres Herrn. Der heutige Predigttext ist Lukas 1,26-38, der Bibeltext, der allen hier in unserer Ausstellung gezeigten Kunstwerken zugrunde liegt und der bereits vorhin bei der Schriftlesung verlesen wurde. Heute geht es um das spannende Thema Maria und das Alte Testament und deshalb möchte ich über die Predigt besonders die Verse stellen, die in Lk 1,26ff. stehen und zugleich alttestamentliche Zitate sind. In Lk 1, Vers 31 und 32 sowie in Vers 37 stehen Verse aus Jes. 7,14, aus Jes. 9,6 und aus 1. Mose 18,14. Sie lauten: Siehe, du wirst schwanger werden und einen Sohn gebären und du sollst ihm den Namen Jesus geben. Der wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden und Gott, der Herr wird ihm den Thron seines Vaters David geben. Des weiteren stammt noch dieser Vers aus dem Alten Testament: Denn bei Gott ist kein Ding unmöglich. Gebet: Herr, segne du das Reden und das Hören. Amen. Liebe Gemeinde! Maria und das Alte Testament das ist ein spannendes, aber doch auch ein recht ungewöhnliches Thema, denn Maria ist die berühmteste Frauengestalt des Neuen Testaments. Sie ist es vor allen Dingen wegen des heutigen Predigttextes die Ankündigung der Geburt Jesu. Und dieses Thema ist auch das häufigste biblische Motiv, das jemals in der Kunst dargestellt worden ist. Also: die

2 modernen und zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstler, die hier in der Christuskirche und im Gemeindepavillon zur Zeit ausstellen, haben in ihrem Kunstschaffen auf keinen Fall bei Null angefangen. Unser Altarbild von Thomas Jessen vermag einem das besonders gut zu veranschaulichen. Als Hintergrund diente Jessen das berühmte Verkündigungsbild von Leonardo da Vinci, das in den Uffizien von Florenz zu sehen ist: Der moderne Künstler, in seinem Kunstverständnis ein von Kirche und Glauben autonomer Mensch, und Leonardo, einer der größten und genialsten Künstler der Renaissance, in seinem Innersten ergeben der biblischen und kirchlichen Glaubenslehre. Der Gedanke der Autonomie war der Renaissance noch gänzlich fern. Beide Künstler beziehen sich auf das biblische Thema vom Engel Gabriel, der der jungen Frau Maria die Geburt des Gottteskindes ansagt. Auf dem Bild von Thomas Jessen können Sie die Maria von Leonardo erkennen, links, auch noch Leonardo sehr nachempfunden, Gabriel, der Maria die Botschaft verkündet. Die Farben des Engels und das ganze Bild wird dominiert von diesen Farben, sind rot und gelb bzw. gold. Das Blau der Maria deutet auf ihre künftige Mutterschaft hin. Das Gold und das Rot stimmen ausgesprochen friedlich. Wenn ich ein Ave farblich darstellen wollte, würde ich jedenfalls auch die Farben rot-gelb/gold wählen. Im vergangenen Jahr gab es in Augsburg die Ausstellung 450 Jahre Augsburger Religionsfriede und da war ein für mich sehr eindrucksvolles Gemälde zu sehen mit dem Titel Der Friede ermahnt die Konfessionen zur Toleranz. Der Friede auf diesem Bild wurde personifiziert als eine junge Frau. Das Gewand, das sie trug, war rot und gelb, von links betrat sie den Raum und traf auf die ebenfalls personifiziert dargestellten Religionen, uns Evangelische personifizierte Luther, die Katholiken der Papst. Ich finde, dass Thomas Jessens Bild auch einen wunderbaren Frieden ausstrahlt durch die Formen und Farben und natürlich auch besonders durch die biblische Szene, die dem Bild zugrunde liegt.

3 Und wenn wir in der heutigen Predigt nach Maria und dem Alten Testament fragen, dann spielt dabei der Friede, der sich in dem Ave des Engels ausdrückt, und der in der ganzen Begegnung zwischen Maria und Gabriel aufleuchtet, eine wesentliche Rolle. Ja, durch unseren Blick auf Maria und das Alte Testament gewinnt dieser Friede besondere Kontur. Wir können noch besser begreifen wie kostbar dieser Friede ist und wie sehr wir jenen religiös bedingten Frieden brauchen. Unser Herz ist unruhig bis es Ruhe findet in dir, hat der Kirchenvater Augustinus gebetet. Und Dietrich Bonhoeffer, das berühmte 100jährige Geburtstagskind des gestrigen Tages hat gedichtet: Von guten Mächten wunderbar geborgen.. Was hat es auf sich mit den guten Mächten? Warum brauchen auch wir sie so sehr? Durch Maria allein ebenso wie durch Marias und Gabriels Verhältnis zum AT lässt sich das besonders gut ermessen. Hören Sie, was uns dazu in der Urgeschichte, in Genesis 6 berichtet wird. Da ist nämlich auch von Engeln und jungen Frauen die Rede, jedoch in scharf kontrastierender Weise: Vor langer, langer Zeit, so heißt es dort, als sich die Menschen zu mehren begannen auf Erden und ihnen Töchter geboren wurden, da sahen die Gottessöhne wie schön die Töchter der Menschen waren und nahmen sich zu Frauen, welche sie wollten. Welche sie wollten, d.h. sie nahmen sie sich einfach so, ohne ein Ave, einfach mit Gewalt ohne auch nur im geringsten nach dem Willen der Frauen zu fragen. Die Lutherbibel erklärt: Gottes Söhne sind hier keine leiblichen Söhne Gottes, sondern gehören zu dessen Umgebung, wie das Gefolge zu einem König gehört. Neben dieser seltsam anmutenden Bibelstelle in Genesis 6 ist z.b. auch im Buch Hiob in einem ähnlichen Sinn von Gottes Söhnen die Rede. Gefolge Gottes, das sind in der Bibel natürlich auch die himmlischen Heerscharen. Nur im Unterschied zu diesen Heerscharen, den Engeln, sind diese Gottessöhne in Gen 6 gefallene Engel. Sie kündeten nicht von der Liebe und Barmherzigkeit Gottes. Sie brachten keinen Frieden auf die Erde, sondern sie brachten das Böse und die Gewalt auf die Erde und dieses Böse und Gewalttätige setzte

4 sich in den Kindern und Kindeskindern fort bis es schließlich nur noch eine Ausnahme gab, den einen guten Menschen und seine Familie: Noah. Und wie es dann weiterging, das erzählt uns die berühmte biblische Geschichte von der Sintflut und der Arche Noah, die uns allen seit Kindestagen bekannt und vertraut ist. Ganz im Gegensatz zu der unbekannten Vorgeschichte von den gefallenen Engeln, die das Lied der Schöpfung zerstörten, das alte Lied der Schöpfung und Gott sah, dass es gut war. Warum all dies in der heutigen Predigt zum Thema Maria und das Alte Testament? Deshalb, weil das Leid der Evas, das ihnen gefallene Gottessöhne angetan haben und weltweit tagtäglich antun denn sonst bräuchten wir z.b. nicht so einen verein wie Franka mit Sitz in Wilhelmshöhe, der sich um zur Prostitution gezwungene Frauen kümmert und ihnen zu einem Neuanfang im Leben helfen will weil all dies Leid gegenüber dem, was in der Verkündigung an Maria geschieht, so scharf kontrastiert. Die Verkündigungsgeschichte ist eine große Hoffnung auf Frieden und dass die Wirklichkeit der Liebe Gottes auch in unserem Leben Raum greift. Anders als die Söhne Gottes aus der Urgeschichte an die Töchter der Menschen herantraten, tritt der Engel zu Maria mit einem Ave und mit einem Fürchte dich nicht. Ave Maria, sei gegrüßet du Begnadete. Der Herr ist mit dir. Und als Maria sich dennoch sehr erschreckt, sagt der Engel: Fürchte dich nicht, Maria, du hast Gnade bei Gott gefunden. Der Theologe Gerd Theißen nennt die Verkündigung an Maria einen Antimythos zur Geschichte von den lüsternen Engeln. Mit diesem Mythos der gefallenen Engeln, im AT nur knapp angedeutet in 1. Moses 6,1ff., aber in der jüdischen Literatur phantasievoll entfaltet, erklärte man im Alten Israel mehr noch als mit der Geschichte von Adam und Eva den Einbruch des Bösen in diese Welt. Im Gegensatz dazu kündet die Geschichte der Maria vom Frieden. Auch sie gebiert einen Sohn Gottes, doch dieser bringt nicht Gewalt

5 auf die Erde, sondern Frieden. Noch einmal Gerd Theißen: Jesus lässt sich nicht aufgrund seiner politischen Macht als göttlich verehren, sondern geht den Weg der Ohnmacht bis ans Kreuz und ist doch allen kriegerischen Mächten überlegen. Interessant wie die Künstler über Maria sprechen: Bernd Brach nennt seine Maria auf der Schaukel eine absolut pazifistische Figur und Angelika Summa möchte im Hinblick auf den Dialog zwischen Gabriel und Maria Stille im Glanz zum Ausdruck bringen. Im Gegensatz zum Mythos von den gefallenen Engeln, mit denen die Gewalt und das Böse in die Welt kamen, steht die Ankündigung der Geburt Jesu im Zeichen eines wunderbaren Friedens: Ave Maria, fürchte dich nicht. Schließlich darf Maria dies glauben. Natürlich geht es beim Thema Maria und das Alte Testament besonders um jene alte Verheißung aus Jes. 7,14 Siehe, eine junge Frau ist schwanger und wird einen Sohn gebären, den wird sie nennen Immanuel, d.h. Gott mit uns. Wie alt ist diese Sehnsucht? Jesaja hat diese Worte im 8. Jahrhundert vor Christi Geburt niedergeschrieben. Sie erklingen alljährlich als alttestamentliche Schriftlesung in den Weihnachtsgottesdiensten. Heute ist der letzte Sonntag nach Epiphanias und die Epiphaniaszeit gehört noch zur Weihnachtszeit, die also erst heute zu Ende geht. Innerhalb des Kirchenjahres ein passender Moment um noch einmal innezuhalten, die alte Verheißung zu hören: Siehe, eine junge Frau ist schwanger und wird einen Sohn gebären, den wird sie nennen Immanuel. Ein passender Moment, um des wunderbaren Friedens innezuwerden, wenn Gabriel Maria die Geburt von Jesus ankündigt. Nun dringt das, wovon Jesaja kündet, ein in die Wirklichkeit dieser Welt: Verkündet die Gnade und Gottes Gefallen und singt, singt, singt, singt Frieden auf Erden. Mich berührt im Hinblick auf Maria und die alttestamentliche Verheißung des Jesaja, dass Gott uns Menschen braucht, um selbst Mensch zu werden. Gott braucht Maria um seinen Sohn, den Friedefürst, zur Welt kommen zu lassen.

6 Der Schöpfer geht ein in seine Schöpfung. Dazu braucht er Maria, wovon schon die alte Verheißung kündet: Siehe, du wirst schwanger werden und einen Sohn gebären und du sollst ihm den Namen Jesus geben und er wird König sein über das Haus Jakob in Ewigkeit und sein Reich wird kein Ende haben. Nicht alle Bilder der Ausstellung stellen das Thema Frieden in den Mittelpunkt. Aber viele tun es und ich wünsche Ihnen, dass Sie das beim Betrachten der Kunstwerke entdecken können. Wer dem Thema Maria und das Alte Testament nachgeht, der wird den Frieden aufspüren, den unser heutiger Predigttext von der Verkündigung an Maria wunderbar zum Leuchten bringt in Rot und Gelb und Gold. Amen. Und der Friede Gottes...