Aspekte professioneller Handlungskompetenz von bilingualen Geographielehrkräften Theoretische Grundlagen und praktische Erfahrungen

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1 Aspekte professioneller Handlungskompetenz von bilingualen Geographielehrkräften Theoretische Grundlagen und praktische Erfahrungen Masterarbeit am Institut der Didaktik der Naturwissenschaften der Leibniz Universität Hannover Katrin Klußmann Master of Education Anglistik/Geographie 4. Fachsemester Matrikel Nr.: xxxxxxx Erstprüferin: Prof. Dr. Christiane Meyer Zweitprüferin: Prof. Dr. Gabriele Blell Abgabedatum:

2 Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis Vorwort III IV V 1 Einleitung Anlass und Ziel der Arbeit Überblick 2 2 Bilingualer Geographieunterricht Terminologie Entwicklung des bilingualen Unterrichts Zielsetzungen des bilingualen Geographieunterrichts Organisatorische Rahmenbedingungen - Modelle bilingualen Lehrens- und Lernens Methodisch-didaktische Aspekte bilingualen Geographieunterrichts Prinzip der funktionalen Fremdsprachigkeit Scaffolding Wortschatzarbeit Begriffs- und Sprachbildung ein allgemeiner Überblick Wortschatzkategorien Methoden und Hilfsmittel der Wortschatzförderung Prinzip der Anschaulichkeit Umgang mit sprachlichen Fehlern Leistungsbeurteilung Lehr- und Lernmaterialien im bilingualen Erdkundeunterricht Materialsituation Anforderungen an bilinguale Lehr- und Lernmaterialien Exemplarische Schulbuchanalayse Zielgruppen Vergleich auf Inhaltsebene Methodisch-didaktische Konzepte im Vergleich Vergleich auf thematischer Ebene Megacities Eignung für den bilingualen Geographieunterricht Materialien für den bilingualen Erdkundeunterricht aus der Schülerperspektive 36 I

3 Inhaltsverzeichnis 3 Professionswissen und professionelle Handlungskompetenz bilingualer Geographielehrkräfte Professionalität im Lehrerberuf Forschungskonzepte zur Professionalität von Lehrkräften Professionelle Handlungskompetenz Allgemeine Aspekte professionellen Lehrerhandelns Aspekte professioneller Handlungskompetenz bilingualer Geographielehrkräfte 49 4 Qualitative Befragung zur professionellen Handlungskompetenz bilingualer Geographielehrkräfte Grundlegende Überlegungen, Forschungsfrage und Hypothesen Methodisches Vorgehen Wissenschaftstheoretische Anmerkungen Erläuterung des Fragenkatalogs Praktische Erfahrungen und subjektive Theorien bilingualer Geographielehrkräfte Berufsdauer, -wahl und motivationale Orientierung Ausbildungsweg und zukünftige Lehrerausbildung Fachdidaktische und methodische Überlegungen und Erfahrungen Unterrichtsplanung und -durchführung Professionswissen Vergleich von Theorie und Praxis Reflexion der Vorgehensweise 85 5 Fazit 86 Literaturverzeichnis Anhang Eidesstattliche Erklärung II

4 Abbildungsverzeichnis Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Kompetenzerwerb im bilingualen Geographieunterricht 8 Abb. 2: Schülerpräferenzen von Aufgabentypen 34 Abb. 3: Motivation der SuS bezüglich bilingualer und britischer Unterrichtsmaterialien 34 Abb. 4: Bevorzugtes Textformat für den bilingualen Erdkundeunterricht 37 Abb. 5: Modell professioneller Handlungskompetenz von BAUMERT und KUNTER 47 Abb. 6: Aspekte professioneller Handlungskompetenz bilingualer Geographielehrkräfte 50 Abb. 7: Bilinguale und gesamte Berufserfahrung der bilingualen Geographielehrkräfte im Vergleich 66 Abb. 8: Notwendigkeit eines spezifischen Ausbildungsprogramms für bilinguale Geographielehrkräfte 69 Abb. 9: Spannungsfeld zwischen Sachfach und Fremdsprachendidaktik 71 Abb. 10: Potential des Wechsels der Darstellungsformen für den bilingualen Geographieunterricht 76 Abb. 11: Im bilingualen Erdkundeunterricht verwendete Materialien 78 III

5 Vorwort Abkürzungsverzeichnis BICS Basic Interpersonal Communication Skills CALP Cognitive Academic Language Proficiency CLIL Content and Language Integrated Learning LuL Lehrerinnen und Lehrer SuS Schülerinnen und Schüler TBLL Task-based language learning IV

6 Vorwort Vorwort Durch die Kombination meiner beiden Studienfächer Englisch und Geographie bietet sich mir die Möglichkeit bilingualen Erdkundeunterricht erteilen zu können. Zu Beginn des Studiums stand ich dieser Möglichkeit jedoch etwas skeptisch gegenüber, da ich nicht sicher war, den Anforderungen gewachsen zu sein. Durch die Besuche mehrerer fachdidaktischer Seminare zu bilingualem Unterricht und einem Gespräch mit einem erfahrenen bilingualen Geographielehrer im Rahmen eines geographiedidaktischen Seminars wuchs jedoch mein Interesse an bilingualem Erdkundeunterricht, so dass ich mich bereits in meiner Bachelorarbeit mit Wortschatzarbeit im bilingualen Erdkundeunterricht auseinandergesetzt habe. Als mir dann im Rahmen meiner Arbeit als teilzeitbeschäftige Lehrerin die Möglichkeit gegeben wurde eigenverantwortlich bilingualen Erdkundeunterricht zu erteilen, habe ich die Chance ergriffen herauszufinden, ob ich den Anforderungen gewachsen bin, und ob es mir tatsächlich so viel Spaß machen würde wie erwartet. Im Gespräch mit Frau Prof. Dr. Christiane Meyer entwickelte sich dann angelehnt an mein Interesse und meine eigenen Erfahrungen als bilinguale Erdkundelehrerin ein konkretes Thema für die Masterarbeit. Ein herzlicher Dank geht in erster Linie an Frau Prof. Christiane Meyer und Frau Rita Kupetz für die Betreuung der Masterarbeit sowie an Frau Gabriele Blell für die kurzfristige Übernahme des Zweitgutachtens. Da diese Arbeit nicht zustande gekommen wäre, wenn sich nicht die bilingualen Geographielehrkräfte dazu bereit erklärt hätten an der umfangreichen Befragung teilzunehmen und ihre Überzeugungen und Erfahrungen mit mir zu teilen, sei ihnen an dieser Stelle ausdrücklich für ihre Mitarbeit gedankt. Besonderer Dank gilt in diesem Zusammenhang auch meiner Kollegin Susanne Klein, die den ersten Kontakt zu den befragten Geographielehrkräften hergestellt hat und somit die Befragung erst ermöglicht hat. Ein weiterer Dank geht an die Schülerinnen und Schüler der 10B der Wilhelm-Raabe-Schule Hannover für das Ausfüllen der Fragebögen bezüglich bilingualer Unterrichtsmaterialien. Für das mühevolle Korrekturlesen und viele hilfreiche Anregungen bedanke ich mich bei Anika Laubitz-Bertram, Kim Hüsing und Alexander Wiegand. Abschließend möchte ich mich noch bei meiner Familie und meinen Freunden, die mir eine große Unterstützung waren, bedanken. V

7 1 Einleitung 1 Einleitung Wer einst fliegen lernen will, der muss erst stehn und gehen und laufen und klettern und tanzen lernen: man erfliegt das Fliegen nicht! Friedrich Nietzsche Anlass und Ziel der Arbeit Ähnlich wie mit dem Erlernen des Fliegens im Zitat von Friedrich Nietzsche verhält es sich auch mit den Kompetenzen bilingualer Geographielehrkräfte 2,3. In den Anfängen des bilingualen Unterrichts gab es so gut wie keine curricularen bzw. didaktisch-methodischen Hilfestellungen für die Lehrerinnen und Lehrer (LuL), so dass bilingualer Unterricht ausschließlich von dem Engagement der unterrichtenden Lehrkräfte, deren fachlicher, fremdsprachlicher und didaktisch methodischer Kompetenz (OTTEN & WILDHAGE 2003: 22) gelebt hat. Eine bilinguale Handlungskompetenz wurde folglich auch erst durch die gesammelten Erfahrungen sowie die Kombination der vorhandenen Kompetenzen erprobt und im Laufe der Zeit weiterentwickelt (vgl. OTTEN & WILDHAGE 2003: 22). Die Bedeutung und Entwicklung einer professionellen Kompetenz von LuL für eine moderne Wissensgesellschaft wird jedoch erst seit einigen Jahren intensiv sowohl auf nationaler als auch internationaler Ebene in der Gesellschaft, Politik und Wissenschaft diskutiert, weil die empirische Bildungsforschung deutliche Zusammenhänge zwischen professionellen Handlungskompetenzen von LuL und der individuellen Entwicklung der Schülerinnen und Schüler (SuS) belegt hat (vgl. ZLATKIN-TROITSCHANSKAIA et al. 2009: 13). Zudem wurde die Dominanz dieser Thematik in Deutschland durch das vergleichsweise schlechte Abschneiden deutscher SuS in internationalen Vergleichsstudien, wie der PISA-Studie, hervorgerufen, um die aufgezeigten Defizite deutscher SuS durch eine verbesserte Bildungsqualität, zu der auch die professionelle Kompetenz von LuL zählt, zu verbessern (vgl. SCHEUNPFLUG, BAUMERT & KUNTER 2006: 465). Dabei wird oft nicht nur vergessen, dass die Anforderungen an professionelles Unterrichten durch den Wandel der Lehrerrolle vom Instrukteur zum Lernbegleiter und der ständigen Weiterentwicklung der Gesellschaft im globalen Kontext kontinuierlich ansteigen, sondern auch die Komplexität der Bedingungs-, 1 Zitat aus COLLI & MONTINARI 2007: Die Bezeichnung Geographieunterricht und Erdkundeunterricht werden im Folgenden als Synonyme verwendet, weil sie grundsätzlich das Gleiche bezeichnen und nur in unterschiedlichen Kontexten eingesetzt werden. Im schulischen Kontext wird eher von Erdkundeunterricht gesprochen, wohingegen in der Literatur der Begriff Geographieunterricht dominiert. 3 Wenn im Folgenden von Lehrerpersönlichkeit, Lehrkräften, Lehrerprofessionalität o.ä. gesprochen wird, wird sich immer auf beide Geschlechter bezogen. 1

8 1 Einleitung Prozess- und Wirkungszusammenhänge [ ], in denen professionelles Lehrerhandeln steht, [ ] weiterhin immer noch stark unterschätzt (ZLATKIN-TROITSCHANSKAIA 2009: 13) (vgl. KEMNITZ 2011: 34ff; GUDJONS 2006: 159ff). Vor diesem Hintergrund wurden in den vergangenen Jahren in den unterschiedlichsten Gebieten der Wissenschaft, z.b. der Psychologie, der Soziologie und der Expertiseforschung, Forschungskonzepte zur Untersuchung professioneller Kompetenzen von Lehrkräften entwickelt bzw. vorhandene Konzepte auf den Lehrerberuf übertragen und in umfangreichen Studien untersucht. So existieren unteranderem ein allgemeines Modell zur Qualitätssicherung und Lehrerstandards von Oeser und Terhart, die von Bromme entwickelte Landkarte des professionellen Wissens von Lehrkräften und ein heuristisches Modell professioneller Handlungskompetenz für Mathematiklehrkräfte von BAUMERT und KUNTER (vgl.ebd. 2006: 478ff). Jedoch gibt es noch kein Modell, das sich explizit mit bilingualen LuL beschäftigt. Ziel dieser Arbeit ist es daher, ein Modell für professionelle Handlungskompetenz am Beispiel von bilingualen Geographielehrkäften zu entwickeln und die einzelnen Aspekte der professionellen Handlungskompetenz bilingualer Geographielehrkräfte empirisch zu untersuchen. Die Motivation für diese Arbeit ist sowohl in meiner Fächerkombination Englisch/Erdkunde als auch in meinen persönlichen Erfahrungen als teilzeitbeschäftige Lehrkraft für regulären und bilingualen Erdkundeunterricht an der Wilhelm-Raabe-Schule in Hannover begründet, wo ich durch enge Zusammenarbeit mit einer erfahrenen bilingualen Geographielehrerin und durch learning by doing 4 im Laufe meiner dreijährigen Anstellung begonnen habe professionelle Handlungskompetenz zu entwickeln und diese kritisch zu reflektieren. 1.2 Überblick Die Arbeit gliedert sich insgesamt in fünf Kapitel, in denen die Aspekte professioneller Handlungskompetenz von bilingualen Geographielehrkräften sowohl theoretisch als auch empirisch untersucht werden. Beim ersten Kapitel handelt es sich um einen einleitenden Teil, der die Schwerpunktsetzung der Arbeit begründet, die Motivation für die Arbeit erläutert und einen Überblick über die gesamte Arbeit gibt. Das zweite Kapitel befasst sich theoretisch mit bilingualem Unterricht und fasst den aktuellen Forschungsstand zu bilingualem Erdkundeunterricht zusammen. Zuerst wird ein allgemeiner Überblick über bilingualen Unterricht gegeben und die Problematik der Terminologie sowie 4 Fremdsprachige Begriffe und Zitate werden kursiv geschrieben, damit sie sich besser vom deutschen Text abheben. 2

9 1 Einleitung die Entwicklung des bilingualen Geographieunterrichts skizziert, bevor bilingualer Erdkundeunterricht exemplarisch thematisiert wird. Der Teil zu bilingualem Erdkundeunterricht beginnt mit einer Darstellung der Zielsetzungen und den organisatorischen Rahmenbedingungen, an die sich eine Erläuterung charakteristischer methodisch-didaktischer Elemente anschließt. Zu den methodisch-didaktischen Elementen zählen das Prinzip der funktionalen Fremdsprachigkeit, die Methode des scaffolding, der Umgang mit sprachlichen Fehlern, die Leistungsbeurteilung und eine Analyse der Lehr- und Lernmaterialien. Im dritten Kapitel wird zuerst Professionalität im Lehrerberuf thematisiert, bevor auf die unterschiedlichen Forschungskonzepte zu Lehrerprofessionalität eingegangen wird. Des Weiteren wird ein allgemeines Modell professioneller Handlungskompetenz von BAUMERT und KUNTER vorgestellt und anschließend unter Berücksichtigung der theoretischen Aspekte aus Kapitel zwei auf bilingualen Geographieunterricht übertragen. Ausgehend von den theoretischen Ausführungen in diesem und dem vorangegangenen Kapitel werden die Fragestellungen für eine qualitative Studie über professionelle Handlungskompetenz bilingualer Erdkundelehrkräfte entwickelt. Das vierte Kapitel umfasst eine qualitative Befragung bilingualer Geographielehrkräfte zur professionellen Handlungskompetenz, die dazu dient, die zuvor theoretisch erläuterten Aspekte empirisch zu überprüfen. Dieses Kapitel ist untergliedert in allgemeine Vorbemerkungen, wie die Darstellung der Forschungsfrage, die Beschreibung des methodischen Vorgehens, wissenschaftstheoretische Anmerkungen, die Erläuterung des Fragenkatalogs und die Auswertung der Interviews. Zudem werden die theoretischen Erkenntnisse mit den praktischen Erfahrungen der LuL verglichen, so dass im fünften Kapitel abschließend die wesentlichen Ergebnisse der Arbeit zusammengefasst werden können und ein Ausblick über weitere Forschungsfelder gegeben werden kann. 3

10 2 Bilingualer Geographieunterricht 2 Bilingualer Geographieunterricht Obwohl bilingualer Unterricht seit über 40 Jahren unterrichtet wird, ist die Bedeutung des bilingualen Unterrichts in den letzten Jahren in Schule und Forschung stetig gestiegen. Diese Entwicklung spiegelt sich sowohl in der steigenden Anzahl der Schulen mit bilingualem Angebot als auch in den steigenden Publikationen der Fremdsprachen- und Sachfachdidaktik zu diesem Themenbereich wider (vgl. HOFFMANN & MEYER 2009: 4). Da es sich bei bilingualem Unterricht um kein neues Konzept handelt, wird in der Literatur auch von einer Konjunktur des bilingualen Angebots gesprochen (vgl. WILDHAHE 2000: 212). Diese Konjunktur ist zum Einen auf das Zusammenwachsen Europas auf beruflicher, kultureller und wirtschaftlicher Ebene und zum Anderen auf die stetig voranschreitende Globalisierung zurückzuführen, durch die Kommunikationsfähigkeit und Fremdsprachenkompetenz in mehr als einer Sprache sowie interkulturelle Kompetenz zu Schlüsselqualifikationen für die SuS werden (vgl. LENZ 2002: 2). Deshalb bezeichnet die Europäische Kommission in dem Aktionsplan zur Förderung des Sprachenlernens und der Sprachenvielfalt von 2003 auch die Fähigkeit andere Sprachen zu verstehen und sich darin zu verständigen [als] eine Grundkompetenz für alle europäischen Bürger (EUROPÄISCHE KOMMISSION 2003: 5). Außerdem haben die PISA-Studie der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) und die von der Kultusministerkonferenz in Auftrag gegebene Studie Deutsch Englisch Schülerleistungen International (DESI) deutliche Defizite in zentralen Kompetenzbereichen, wie Sprachbeherrschung, Kommunikations- und Fremdsprachenkompetenz aufgezeigt (vgl. DIPF 2006; DEUTSCHES PISA-KONSORTIUM 2001). Durch die Integration von Sach- und Fremdsprachenlernen ist bilingualer Unterricht eine innovative Unterrichtsmethode, die zukunftsfähiges Lernen (HAUBRICH 1999: 2) ermöglicht, da die SuS mit CLIL (Content and Language Integrated Learning) die Möglichkeit haben, die Anwendung der Fremdsprache schon während des Lernprozesses in einem authentischen Umfeld zu üben, so wie die SuS nachmittags zu Hause ganz selbstverständlich [ ] eine gewisse Zeit mit dem Üben eines Instruments verbringen (STEINHÄUSLER & KAZIANKA o.j.: 7), um theoretisches Wissen und Fertigkeit miteinander [zu] verknüpfen (STEINHÄUSLER & KAZIANKA o.j.: 7). Trotz vieler kontroverser Diskussionen, ungelöster Probleme und offener Fragen gilt CLIL oder [ ] bilingualer Unterricht, in welcher Form auch immer [ ] weltweit [ ] als unterrichtliches Erfolgsmodell (LOHMANN 2009: 48). Im Folgenden wird dieses Konzept unter Berücksichtigung terminologischer Schwierigkeiten, der Entstehung und Zielsetzung, organisatorischer Rahmenbedingungen, 4

11 2 Bilingualer Geographieunterricht methodisch-didaktischer und pädagogischer Elemente sowie der Materialsituation detailliert erläutert. 2.1 Terminologie Das didaktische Konzept, welches sich hinter dem deutschen Begriff bilingualer Unterricht verbirgt, ist durch eine terminologische Vielzahl auf nationaler und internationaler Ebene gekennzeichnet. So bezeichnen die Begriffe bilingualer Sachfachunterricht, fremdsprachiges Sachlernen, inhaltsorientierter Fremdsprachenunterricht, enseignement en immersion (in Frankreich), tweetalig onderwijs (in den Niederlanden) und indholds-og sprogintegreret læring (in Dänemark) verschiedene Umsetzungen ähnlicher Konzepte (vgl. EURYDICE 2006: 64ff). Die variierenden Bezeichnungen resultieren aus den unterschiedlichen Erwartungen bzw. Zielvorstellungen, mit denen die jeweiligen Konzepte verknüpft sind (vgl. LENZ 2002: 3). Seit Beginn des 21. Jahrhunderts hat sich der weitgefächerte Terminus Content and Language Integrated Learning (CLIL), der für einen integrierten Sachfach- und Fremdsprachenunterricht und nicht für erweiterten Fremdsprachenunterricht bzw. Sachfachunterricht in einer Fremdsprache steht, auf europäischer Ebene weitestgehend durchgesetzt (vgl. KMK 2006: 7). Beim CLIL-Ansatz stellt das Sachfach nicht nur die vom Lehrplan vorgegebenen Themen und Inhalte bereit, sondern die Behandlung der Inhalte erfolgt zusätzlich auch aus der Sicht des Landes der Unterrichtssprache und ermöglicht so interkulturelles Lernen, das in seiner Qualität über die isolierte Behandlung von Sachfächern und Fremdsprache hinaus geht (KMK 2006: 7). Gegenläufig zum internationalen Trend den CLIL-Begriff zu verwenden, hat sich in Deutschland, besonders im Schulalltag, die Bezeichnung des bilingualen Unterrichts etabliert, obwohl der Unterricht in der Regel nicht durchgängig zweisprachig abläuft (vgl. OTTEN & WILDHAGE 2003: 13). Ohne das Konzept des bilingualen Unterrichts selbst in Frage zu stellen wird die Verwendung des Begriffs bilingual in der Literatur häufig als ungeeignet kritisiert. Die geäußerte Kritik beruht zum Einen auf der Tatsache, dass der Begriff selbst irreführend ist, da der bilinguale Unterricht trotz eines Einsatzes der Muttersprache in der Regel nicht durchgängig zweisprachig abläuft, sondern der größte Anteil aktiver Lernzeit in der Fremdsprache durchgeführt wird. Zudem wird die Nähe des Begriffs zu Immersionsprogrammen und bilingualer Erziehung kritisiert, die sich durch das Erlernen einer zweiten Umgebungssprache deutlich vom bilingualen Unterricht unterscheiden, da im Kontext des bilingualen Unterrichts lediglich eine Schulfremdsprache vertiefend erlernt wird (vgl. BREIDBACH 2003: 6). Obwohl der Terminus CLIL das Unterrichtskonzept treffender beschreibt, wird im Folgenden 5

12 2 Bilingualer Geographieunterricht die Bezeichnung bilingualer Unterricht verwendet, weil sie sowohl in der deutschsprachigen Literatur gängiger ist als auch eine feste Bezeichnung mit Wiedererkennungswert im deutschen Schulalltag darstellt. 2.2 Entwicklung des bilingualen Unterrichts Das Konzept des bilingualen Unterrichts wurde in Deutschland Ende der 1960er Jahre als Initiative des Deutsch-Französischen Kooperationsvertrages von 1963 eingerichtet, um die im Elysee- Vertrag vereinbarte Förderung der Partnersprache des jeweils anderen Landes sowie den interkulturellen Austausch gezielt umzusetzen. Vor diesem Hintergrund wurde auch der erste bilinguale Zug in Deutschland (Deutsch/Französisch) 1969 an einem Gymnasium in Singen am Hohentwiel etabliert (vgl. KMK 2006: 7 f). In anderen europäischen Ländern mit mehreren Amtssprachen, z.b. in Belgien, gibt es solche Konzepte jedoch schon seit Beginn des 20. Jahrhunderts (vgl. EURYDICE 2006: 7). Seit der Einrichtung des ersten bilingualen Zuges ist die Zahl der Schulen mit bilingualen Angeboten kontinuierlich gestiegen. So gab es nach Angaben der KMK im Jahr 1999 bereits 366 Schulen mit bilingualem Angebot in Deutschland. Bis zum Jahr 2006 ist die Zahl nochmals rapide auf 847 Schulen in ganz Deutschland angestiegen (vgl. KMK 2006: 15). Angetrieben von dem Engagement der bilingualen LuL hat sich der bilinguale Unterricht von seinem anfänglichen Nischendasein zu einem festen Bestandteil der gesamten deutschen Bildungslandschaft entwickelt, so dass der bilinguale Unterricht heute sowohl in jedem Bundesland als auch in allen Schulformen vertreten und nicht mehr aus den Curricula wegzudenken ist (vgl. OTTEN & WILDHAGE 2003: 16). Die durch den Deutsch-Französischen Kooperationsvertrag bedingte anfängliche Dominanz des Französischen ging jedoch in den 90er Jahren zu Gunsten der englischen Sprache langsam zurück, da mit der voranschreitenden Globalisierung und der Öffnung des europäischen Binnenmarktes Englisch zur lingua franca wurde. Zudem sprach die Dominanz der englischen Sprache in der internationalen Wissenschaft im Zusammenspiel mit der Integration von naturwissenschaftlichen Fächern in den bilingualen Fächerkanon, der bis dahin nur aus gesellschaftlichen Fächern bestand, für die Verwendung des Englischen als Arbeitssprache. Seit diesem Run auf das Englische (ZYDATISS 2007: 32) ist Englisch die primäre Zielsprache in allen Bundesländern. Trotz der Dominanz des Englischen wird Französisch weiterhin in 14 Bundesländern als Unterrichtssprache eingesetzt. Darüber hinaus werden auch vereinzelte Unterrichtsmodelle mit Niederländisch, Spanisch, Italienisch, Russisch, Dänisch, 6

13 2 Bilingualer Geographieunterricht Tschechisch, Polnisch, Türkisch oder Neugriechisch in grenznahen Regionen angeboten (vgl. HOFFMANN & MEYER, C. 2009: 4; ZYDATISS 2007: 32 f). 2.3 Zielsetzungen des bilingualen Geographieunterrichts Die Ziele des bilingualen Geographieunterrichts sind sehr vielfältig und setzen sich aus den grundlegenden geographischen Zielvorstellungen des muttersprachlichen Erdkundeunterrichts, fremdsprachlichen sowie bildungspolitischen Zielen zusammen. Obwohl der bilinguale Erdkundeunterricht geographische, fremdsprachliche und bildungspolitische Ziele vereint, ist die Gewichtung beider Unterrichtsfächer trotz eines dualen Fokus nicht gleichstark, weil bilingualer Erdkundeunterricht in erster Linie immer Fachunterricht und kein erweiterter Fremdsprachenunterricht ist. Trotzdem haben auch fremdsprachliche Elemente und Zielsetzungen eine tragende Funktion im bilingualen Erdkundeunterricht, da eine Wissens- und Kompetenzerweiterung, besonders in den unteren Jahrgangsstufen, nur durch sprachliche Stützsysteme, systematischen Wortschatzaufbau und die Entwicklung kommunikativer Fähigkeiten in der Fremdsprache stattfinden kann. Ohne eine sinnvolle Integration dieser fremdsprachlichen Elemente wäre eine Vermittlung der Sachinhalte ohne fachliche Defizite seitens der SuS nicht möglich (vgl. HAUPT & BIEDERSTÄDT 2003: 49f; LENZ 2002: 3f; MEHISTO, MARSH & FRIGOLS 2008: 9). Im Folgenden werden die geographischen, fremdsprachlichen und fächerübergreifenden Ziele kurz erläutert. Eine kurze Zusammenfassung des Kompetenzerwerbs im bilingualen Geographieunterricht zeigt Abbildung 1. Das Leitziel des muttersprachlichen Geographieunterrichts und somit auch übergeordnetes Ziel des bilingualen Erdkundeunterrichts ist die Einsicht in die Zusammenhänge zwischen natürlichen Gegebenheiten und gesellschaftlichen Aktivitäten in verschiedenen Räumen der Erde und eine darauf aufbauende raumbezogene Handlungskompetenz (DGFG 2007: 1). Um dieses Ziel zu erreichen, sollen die SuS Fachwissen, räumliche Orientierung, geographische Methoden der Erkenntnisgewinnung, Kommunikationskompetenz, die Fähigkeit des Beurteilens und Bewertens sowie Handlungskompetenz als grundlegende geographische Kompetenzen erwerben 5 (vgl. DGFG 2007: 8ff). Zu den fremdsprachlichen Zielen des bilingualen Erdkundeunterrichts zählen die Erweiterung der allgemeinen Kommunikationsfähigkeit in einem authentischeren Umfeld als es der Fremdsprachenunterricht ermöglichen kann sowie die Entwicklung sowohl fachbezogener als 5 Eine detaillierte Auflistung aller geographischer Ziele ist im Kerncurriculum bzw. in den Bildungsstandards für das Fach Geographie zu finden. 7

14 2 Bilingualer Geographieunterricht auch allgemeiner Sprachkompetenz. Außerdem sollen die SuS Selbstvertrauen im Umgang mit der Fremdsprache entwickeln und spezifische Arbeitstechniken wie note taking, scimming und scanning, erlernen (vgl. LENZ & MEYER, C. 2006: 160). Fremdsprachenkompetenz - fachspezifische Terminologie (CALP) - allgemeine Kommunikationsfähigkeit (BICS) - interkulturelles Sprachbewusstsein Sozialkompetenz - Kooperatives Lernen - partnerbezogene Kommunikation Geographische Fachkompetenz - räumliche Orientierung - natur- und humangeographische Systeme erfassen und erklären - Analyse von Wechselwirkungen zwischen Mensch und Umwelt - globale Strukturen und Abhängigkeiten erkennen und erklären Kompetenzerwerb im bilingualen Geographieunterricht Interkulturelle Kompetenz - Perspektivenwechsel - Offenheit gegenüber Fremden und Fremdem - Empathie - Toleranz - Intercultural Communicative Competence (ICC) Personale Kompetenz - raumverantwortliche Handlungskompetenz - Lernstrategien Methodenkompetenz - kritischer Umgang mit fachspezifischen Medien (Karten, Diagrammen, Filme, Graphiken etc.) - Informationsbeschaffung, -auswertung und -präsentation - Texterschließungsstrategien Abb. 1: Kompetenzerwerb im bilingualen Geographieunterricht (eigene Darstellung nach BIEDERSTÄDT 2007: 146; LENZ 2002: 137) 8

15 2 Bilingualer Geographieunterricht Kombiniert führen die geographischen und fremdsprachlichen Zielvorstellungen sowie das übergeordnete bildungspolitische Ziel der Mehrsprachigkeit zu dem Erwerb einer scientific literacy 6, die es den SuS ermöglicht, raumverantwortlich auf einer globalen Ebene zu handeln (vgl. HALLET 2005a: 4; LENZ 2002: 3ff). Ergänzt wird die scientific literacy durch die fächerübergreifende Komponente des interkulturellen Lernens, die ein raumverantwortliches globales Handeln unter Berücksichtigung aller beteiligten Perspektiven ermöglicht (vgl. LENZ 2002: 3ff). Neben diesen spezifischen Zielvorstellungen des bilingualen Geographieunterrichts spielen auch allgemeine lernpsychologische Aspekte, wie zum Beispiel Motivation, und erzieherische Ziele, die elementar für jedes Unterrichtsfach sind, eine wichtige Rolle (vgl. LENZ 2002: 4 ff). 2.4 Organisatorische Rahmenbedingungen - Modelle bilingualen Lehrensund Lernens Für das Konzept des bilingualen Lernens gibt es in den einzelnen Bundesländern, trotz Thematisierung in der Kultusministerkonferenz der Länder, keine einheitlichen Rahmenbedingungen. So werden in Rheinland-Pfalz bestimmte Stundensätze für den bilingualen Unterricht vorgeschrieben, wohingegen in Niedersachen der bilinguale Unterricht zwar in den Kerncurricula der Sachfächer erwähnt wird, jedoch viel organisatorischen Freiraum genießt. Trotzdem können zwei grundsätzliche Formen bilingualen Unterrichts, bilinguale Züge und modulare Modelle, unterschieden werden (vgl. HALLET 2005b: 12; WILDHAGE 2000: 213f). Die häufigste Form des bilingualen Unterrichts ist der bilinguale Zug, auch curricularer Bildungsgang genannt, der fest in der Stundentafel verankert ist und auf dem Curriculum des jeweiligen Sachfachs basiert. Bilinguale Züge beginnen in der Regel in einem oder zwei Fächern in der 7. Klasse und können bis zur 10. Klasse bzw. in Kombination mit CERTI- LINGUA bis zum Abitur belegt werden (vgl. HALLET 2005b: 12). Die Entscheidung, welches Fach in welcher Sprache bilingual erteilt wird, ist in den meisten Fällen von der Personalsituation der Schulen abhängig, da die LuL sowohl über fremdsprachliche als auch über fachliche Kenntnisse verfügen sollten (vgl. WILDHAGE 2000: 214). Um sicherzustellen, dass der bilinguale Unterricht aufgrund der fremdsprachlichen Arbeitssprache nicht 6 Scientific Literacy wird in der PISA-Studie als Kompetenz verstanden Naturwissenschaftliches Wissen anzuwenden, naturwissenschaftliche Fragen zu erkennen und aus Belegen Schlussfolgerungen zu ziehen, um Entscheidungen zu verstehen und zu treffen, die die natürliche Welt und die durch menschliches Handeln an ihr vorgenommenen Veränderungen betreffen (BAUMERT, STANAT & DEMMRICH 2001: 23). 9

16 2 Bilingualer Geographieunterricht zu fachlichen Defiziten führt, hat Cummins in seiner Schwellen-Hypothese darauf hingewiesen, dass eine bestimmte fremdsprachliche Kompetenz vor dem Beginn des bilingualen Unterrichts vorhanden sein sollte (vgl. ZYDATISS 2007: 40). Diese Problematik wird durch die bewährte Praxis von Einführungskursen bzw. Arbeitsgemeinschaften in den Jahrgängen 5/6 sowie durch eine zusätzliche Stunde Fremdsprachenunterricht im Vorfeld des bilingualen Unterrichts versucht zu umgehen. Aufgrund fehlender curricularer Grundlagen für diese Einführungskurse bzw. Arbeitsgemeinschaften verfügen die unterrichtenden LuL über viel Gestaltungsfreiraum, der dazu führt, dass die Einführungskurse an einigen Schulen fächerübergreifend und an anderen wiederum nur für ein bilingual erteiltes Fach stattfinden (vgl. WHITTAKER 2003: 170f). Bei modularen Modellen dagegen wird der Fachunterricht [nur] zeitlich oder inhaltlich begrenzt in der Fremdsprache erteilt (HALLET 2005b:12). Zu modularen Unterrichtsformen zählen epochaler bilingualer Unterricht, bilinguale Module, bilinguale Projekte und fremdsprachige Elemente, z.b. fremdsprachige Fachtexte im muttersprachlichen Sachfachunterricht (vgl. HALLET 2005b: 12). Modulare Modelle können sowohl als Zusatzangebot zu einem bilingualen Zug als auch an Schulen ohne bilinguale Züge angeboten werden. Hervorzuheben sind bilinguale Module und Projekte, da sie fächerübergreifendes Arbeiten, interkulturelles Lernen und Methodenkompetenz besonders stark fördern. Zudem rufen diese Formen des bilingualen Lernens eine hohe Motivation seitens der SuS hervor und sind verhältnismäßig einfach zu organisieren (vgl. KRECHEL 2003: 194; ZYDATISS 2007: 34). 2.5 Methodisch-didaktische Aspekte bilingualen Geographieunterrichts Da bilingualer Geographieunterricht in erster Linie Geographieunterricht ist, gelten für den bilingualen Geographieunterricht grundsätzlich die gleichen methodischen Prinzipien wie für den muttersprachlichen Geographieunterricht (vgl. LENZ 2002: 7). Durch die Integration von Sachfach und Fremdsprache entsteht jedoch eine spezifische CLIL-Methodik, die auf fremdsprachlichen, sachfachlichen, interaktionellen und interkulturellen Kompetenzen basiert 7 (vgl. BONNET 2007: 137 ff). Aufgabe der abgeleiteten CLIL-Methodik ist die Förderung dieser [ ] [vier] Komponenten bzw. die Kompensation von Schwierigkeiten, die dadurch entstehen, dass die Kompetenzen noch nicht ausreichend entwickelt sind (BONNET 2007: 137). Durch diese Zielsetzung kommt einigen originären geographischen Ziel- 7 Ursprünglich besteht Bonnets Drei-Säulen-Modell nur aus der fremdsprachlichen, sachfachlichen und der interaktionalen Kompetenz. Jedoch verweist er in seinen Erläuterungen darauf, dass das Modell noch um eine kulturelle Komponente erweitert werden könnte (vgl. BONNET 2007: 137ff). Daher wird in der Ausarbeitung die interkulturelle Kompetenz als sogenannte vierte Säule integriert 10

17 2 Bilingualer Geographieunterricht setzungen, wie dem Prinzip der Anschaulichkeit, der didaktischen Rekonstruktion, der Kleinschrittigkeit sowie der Schüler- und Problemorientierung, eine besondere Rolle im bilingualen Geographieunterricht zu (vgl. LENZ 2002: 7). Die fremdsprachliche Methodik soll nach BONNET durch schrittweise Inhaltserschließung mit Hilfe von pre-, while- und post-activities 8, das Erlernen von relevanten Arbeitstechniken, z.b. Wörterbucharbeit, und systematischer Wortschatzarbeit expliziten, authentischem Spracherwerb initiieren, der im Zusammenspiel mit sachfachlichen Methoden, wie z.b. dem Wechsel der Darstellungsformen oder geographischen Arbeitsmethoden, zu dem Erwerb von geographischen Kompetenzen führt. Da es sich bei den interaktionellen methodischen Maßnahmen (Schüler- und Handlungsorientierung bzw. offener Unterricht) und dem Erwerb interkultureller Kompetenz um allgemeine Zielsetzungen und Prinzipien des regulären Erdkundeunterrichts handelt und nicht um CLIL spezifische Elemente, sollen diese Aspekte an dieser Stelle nicht weiter vertieft werden 9 (vgl. BONNET 2007: 138 f). Zusammenfassend kann methodisch gesehen von einer besonderen Art der didaktischen Rekonstruktion 10 im bilingualen Unterricht gesprochen werden, die aus der Verwendung einer Fremdsprache als Arbeitssprache und der Kompensation möglicher Schwierigkeiten resultiert. Im Folgenden werden das Prinzip der funktionalen Fremdsprachigkeit, die Methode des scaffolding, der Umgang mit sprachlichen Fehlern sowie die Leistungsbewertung im bilingualen Unterricht genauer erläutert, weil sie sich von den Aspekten des regulären Erdkundeunterrichts unterscheiden und charakteristische methodisch-didaktische Aspekte des bilingualen Geographieunterrichts darstellen Prinzip der funktionalen Fremdsprachigkeit Durch die Integration von Fremdsprache und Sachfach im CLIL-Ansatz wird das ursprüngliche fremdsprachliche Prinzip der funktionalen Fremdsprachigkeit auf den bilingualen Sachfachunterricht übertragen. Die Fremdsprache ist Unterrichtssprache, Vermittlungssprache, Arbeitssprache. Sie ist die unterrichtete ebenso wie die unterrichtende Sprache, also nicht nur der Lehrgegenstand und das Ziel, sondern auch der Weg zum Ziel (BUTZKAMM 2008: 91). Damit tatsächlich ein Ausbau der Fremdsprachenkompetenz bei 8 Für eine ausführliche Erklärung der Methodik von pre-, while- und post activities siehe MÜLLER- HARTMANN & SCHOCKER VON DITFURTH Detailliertere Informationen zu interkulturellem Lernen im bilingualen Sachfachunterricht geben die Artikel Lernen in zwei Sprachen und mit Blick auf zwei Kulturen von Herbert Christ und Bilingualer Unterricht: Anspruch und Wirklichkeit aus Sicht der Geographiedidaktik von Christiane Meyer. 10 Das Modell der didaktischen Rekonstruktion beschreibt die Aufbereitung fachlicher Themen für den Unterricht, wobei die wissenschaftlichen Inhalte nicht nur didaktisch strukturiert und reduziert werden, sondern auch die Schülerperspektiven mit berücksichtigt werden, so dass im Zusammenspiel von fachlicher Klärung, didaktischer Strukturierung und Erfassung der Lernerperspektiven schüler-und handlungsorientierter Unterricht stattfinden kann (vgl. GROPENGIESSER & KATTMANN 1998: 1ff). 11

18 2 Bilingualer Geographieunterricht den SuS stattfindet, sollte die Fremdsprache von Beginn an als gültiges Kommunikationsmittel des Unterrichts wahrgenommen werden. Jedoch ist das Prinzip der funktionalen Fremdsprachigkeit nicht mit dem traditionellen Prinzip der Einsprachigkeit zu verwechseln. Zwar handelt es sich bei der funktionalen Fremdsprachigkeit weitestgehend um das Prinzip der Einsprachigkeit, aber die Muttersprache kann und darf bei Bedarf eingesetzt werden (vgl. BUTZKAMM 2008: 91). Eine gänzliche Vermeidung der Muttersprache im bilingualen Erdkundeunterricht ist schon allein durch die Forderung der Kultusministerien nach einer Durchlässigkeit zwischen fremdsprachig und muttersprachig erteiltem Erdkundeunterricht (NDS. KULTUSMINISTERIUM 2008: 19), die eine Vermittlung der Fachbegriffe in beiden Sprachen nach sich zieht, nicht umzusetzen (vgl. NDS. KULTUSMINISTERIUM 2008: 19). Außerdem kann es besonders im Anfangsunterricht zu einer Diskrepanz zwischen den kognitiven und fremdsprachlichen Kompetenzen der SuS kommen, so dass diese trotz Hilfestellungen seitens der LuL nicht in der Lage sind, ihre Gedanken in der Fremdsprache mitzuteilen. In solchen Situationen sollte den SuS erlaubt werden, ihre Gedankengänge in der Muttersprache in das Unterrichtsgespräch einzubringen (vgl. LENZ 2002: 8). Dabei sollte jedoch auf eine strikte Trennung von muttersprachlichen und fremdsprachigen Unterrichtsphasen in Form von code switching geachtet werden. Des Weiteren sollte durch den Sprachwechsel keine Doppelinformation gegeben werden, da ansonsten die Förderung der Fremdsprachenkompetenz darunter leiden würde. Mit fortscheitender Fremdsprachenkompetenz wird die Diskrepanz immer kleiner, so dass in der Regel in höheren Jahrgangsstufen auf code switching verzichtet werden kann 11. Abschließend lässt sich festhalten, dass die Muttersprache nur gut dosiert unter Wahrung des Prinzips der funktionalen Fremdsprachigkeit und ohne Verlust wertvoller Sprechzeit eingesetzt werden sollte (vgl. BUTZKAMM 2008: 91). 11 Vgl. HAUPT, D. 2012: Bilingualer deutsch-englischer Unterricht eine fächerübergreifende Einführung. Einführungsvortrag auf einer Fortbildung des NLQ vom in Bad Salzdetfurth. 12

19 2 Bilingualer Geographieunterricht Scaffolding Jeder Lerner einer Sprache muß [sic] seine Wortbedeutungen aus Elementen seiner individuellen Erfahrungen aufbauen, und diese Bedeutungen hernach durch Versuch und Irrtum und erfolgsorientierte Anpassung in sprachlichen Interaktionen variabel machen. Ernst von Glaserfeld 12 Das Ziel jedes Sachfachunterrichts [, egal ob muttersprachlicher oder fremdsprachlicher Sachfachunterricht,] ist eine wissenschaftlich fundierte Beschreibung und systematische Erfassung der Phänomene der uns umgebenden Welt (HALLET 2003: 52). Diese Zielsetzung ist jedoch nur durch den Einsatz von Sprache zu erreichen, denn ohne Sprache kann keine Beschreibung der Welt erfolgen. Daher wird Sprach- und Begriffsbildung als ein grundlegendes Element von jedem Unterricht gesehen, sowohl muttersprachlichem als auch bilingualem (vgl. CZAPEK 2000: 24ff). Im Vergleich zum muttersprachlichen Unterricht kommt der Sprachförderung im bilingualen Unterricht aber eine weitaus größere Bedeutung zu, weil es sich bei der Unterrichtssprache um eine Fremdsprache handelt. Damit auch im bilingualen Unterricht trotz der anfänglichen Diskrepanz zwischen kognitiver und fremdsprachlicher Kompetenz seitens der SuS ein sachangemessenes Lernen (RICHTER & ZIMMERMANN 2003: 119) möglich ist, sollten den SuS verbale, grafische und andere unterrichtsmethodische Stützmaßnahmen (ZYDATISS 2010: 2) an die Hand gegeben werden (vgl. RICHTER & ZIMMERMANN 2003: 119; ZYDATISS 2010: 2). Diese unterrichtsmethodischen Stützmaßnahmen wurden 1983 unter dem Begriff des scaffolding von Bruner in den wissenschaftlichen Diskurs eingeführt und gehen auf die soziokulturelle Spracherwerbstheorie von Vygotsky zurück (vgl. ZYDATISS 2010: 2). Vygotsy s Spracherwerbstheorie besagt, dass Lernen durch situative Interaktionen zwischen einem Experten und einem Novizen stattfindet. Die SuS werden von Experten durch gelenkte Hilfestellungen in ihrem Lernprozess unterstützt, so dass sie durch negotiation of meaning (Bedeutungsaushandlung) und qualifizierte Anleitung Fehler selbständig korrigieren, Wissenslücken schließen und somit ihre Sprachkompetenz kontinuierlich erweitern können. Durch kontinuierliches scaffolding erweitern die SuS nach und nach ihre Kompetenzen und können zunehmend differenziertere und eigenständigere Leistungen[, auch ohne gezielte Hilfestellung,] erbringen (ZYDATISS 2005: 50) (vgl. SHRUM & GLISAN 2005: 21ff; 12 Zitiert in BLEYHL 1999: 23 13

20 2 Bilingualer Geographieunterricht ZYDATISS 2005: 50f). Jegliche Formen von scaffolding können sowohl zur Entlastung des Inputs (input-scaffolding) als auch zur erleichterten Outputproduktion (output-scaffolding) in Form von Redewendungen etc. verwendet werden (vgl. MEYER, O. 2009: 9). Im Folgenden werden zwei elementare Formen des scaffolding im bilingualen Erdkundeunterricht, Wortschatzarbeit und das Prinzip der Anschaulichkeit, genauer erläutert Wortschatzarbeit 13 In diesem Kapitel wird die Wortschatzarbeit als eine Form des scaffolding im bilingualen Geographieunterricht ausführlich betrachtet. Durch die Integration von Sachfach und Fremdsprache fordern OTTEN und WILDHAGE, dass die Formen des Lehrens und Lernens sich [neben den methodisch-didaktischen Zielen des Sachfachs auch] am derzeitigen Wissenstands über institutionellen Spracherwerb orientieren (ebd. 2003: 27) sollten, um einen optimalen Lernerfolg bei den SuS zu erzielen. Verstärkt wird diese Forderung durch die Feststellung VOLLMERs, dass jegliches Lernen auch sprachliches Lernen ist (vgl. ebd. 2008a: 59). Somit wird zuerst ein kurzer Überblick über den kognitionspsychologischen Vorgang der Begriffsbildung und über den Prozess des Spracherwerbs gegeben, bevor die zwei Wortschatzkategorien Basic Interpersonal Communication Skills und Cognitive Academic Language Proficiency sowie unterschiedliche Methoden und Hilfsmittel der Wortschatzförderung vorgestellt werden Begriffs- und Sprachbildung ein allgemeiner Überblick Im bilingualen Unterricht werden zwei Formen des Spracherwerbs unterschieden - ungesteuerter und gezielter Spracherwerb. Ungesteuerter Spracherwerb findet im bilingualen Unterricht zu jeder Zeit durch den erhöhten Kontakt mit der Fremdsprache und ohne jegliche Beeinflussung durch die LuL statt, sofern das Prinzip der funktionalen Fremdsprachigkeit angewendet wird und die SuS den fremdsprachlichen Input nicht nur passiv konsumieren, sondern auch aktiv am Unterrichtsgespräch teilnehmen. Gezielter Spracherwerb dagegen wird durch fokussierten Input der LuL initiiert und dient dem Erwerb einer fachlich fundierten Diskurskompetenz, die aus der Kombination von inhaltlichem Wissen, fremdsprachlichen Strukturen und fremdsprachlichen Kommunikationsmitteln resultiert. Ein Beispiel für eine Methode des gezielten Spracherwerbs ist die systematische Wortschatzarbeit (vgl. VOLLMER 2008b: 131; BONNET; BREIDBACH & HALLET 2003: 177ff). 13 Dieses Kapitel basiert auf meiner Bachelorarbeit zum Thema Wortschatzarbeit im bilingualen Geographieunterricht empirisch perspektiviert (vgl. KLUSSMANN 2010). 14

21 2 Bilingualer Geographieunterricht Jeglicher Spracherwerb, egal ob gesteuert oder ungesteuert, findet im bilingualen Unterricht jedoch nur statt, wenn einige spracherwerbstheoretische Grundprinzipien des fremdsprachlichen Unterrichts auch im bilingualen Unterricht berücksichtigt werden. So kann eine fremdsprachliche, fachliche fundierte Diskurskompetenz nur erworben werden, wenn die SuS optimalen Input bekommen (Krashen s Input Hypothesis), d.h. verständlichen und interessanten Input, der etwas über dem aktuellen sprachlichen Niveau der SuS liegt und dabei noch verständlich ist (vgl. SHRUM & GLISAN 2005: 14ff). Neben optimalem Input müssen die SuS auch die Chance bekommen die Zielsprache aktiv im Unterrichtsgeschehen zu verwenden (Long s Interaction Hypothesis) und Inhalte, Ideen oder Fragen selbst zu versprachlichen (Swain s Output Hypothesis), damit erfolgreiches Sprachenlernen mit sichtbarem Kompetenzerwerb stattfinden kann. Bei der Sprachproduktion und der Interaktion im Klassenzimmer können die SuS nicht nur ihre erworbenen Fähigkeiten testen, sondern werden sich durch Bedeutungsaushandlungen (negotiation of meaning) auch ihrer Lücken bewusst und können diese selbständig oder durch scaffolding mit Peers oder mit Hilfe von anderen methodischen Stützmaßnahmen schließen (vgl. SHRUM & GLISAN 2005: 19ff). Bei Berücksichtigung dieser Spracherwerbstheorien im bilingualen Unterricht bzw. bei der Materialgestaltung ist es möglich, den SuS eine gute fremdsprachliche, fachlich fundierte Diskurskompetenz zu vermitteln. Dabei gilt je qualitativer der Input, die Interaktionen und der Output dabei sind, desto erfolgreicher ist auch der Spracherwerb. Da schon Piaget den Lernprozess als die Ausbildung einer fachlich ausgeprägten Begrifflichkeit im Sinne kognitiv mentaler Konzepte (HALLET 2002: 116) beschrieben hat, der es den SuS ermöglicht, die Phänomene der Welt zu verstehen, kommt der Begriffsbildung im bilingualen Unterricht durch die Integration des Sachfachs und der Fremdsprache eine große Bedeutung zu. Obwohl noch keine Einigkeit darüber herrscht, wie genau solche mentalen Konzepte aussehen, ist unumstritten, dass Begriffe in Form von netzartigen mentalen Konzepten vor dem Hintergrund eines Problems, einer Fragestellung oder Beschreibung bzw. Erklärung eines Phänomens konstruiert werden (vgl. HALLET 2002: 116f). Mit Hilfe des Vorwissens der SuS und des Inputs der LuL wird im Unterricht durch negotiation of meaning ein Geflecht von Zusammenhängen erstellt, so dass die SuS begriffliches Wissen erwerben können. Die komplexen inhaltlichen Zusammenhänge werden stellvertretend mit einem Begriff bezeichnet, der das komplette mentale Geflecht repräsentiert. Begriffe sind somit nicht nur einfache Worte, sondern stehen stellvertretend für einen Wissenskomplex, der wiederum mit anderen Wissenskomplexen verknüpft ist. Diese repräsentativen Begriffe entsprechen den geographischen Fachbegriffen, die die SuS sowohl 15

22 2 Bilingualer Geographieunterricht im muttersprachlichen als auch im bilingualen Geographieunterricht erlernen sollen. Von einem reinen Begriffslernen durch das Auswendiglernen von Definitionen ist jedoch abzusehen. Der Unterricht sollte vielmehr die netzartigen Zusammenhänge verdeutlichen und erläutern wie diese Zusammenhänge in bestehende Konzepte integriert werden können. Auf diese Weise können die SuS die Begriffe als Werkzeuge des Denkens (AEBLI 1994: 270) erfassen, die ihnen helfen Fachwissen und alltägliche Zusammenhänge zu erschließen (vgl. AEBLI 1994: 258ff). Problematisch ist, dass die SuS zu Beginn des bilingualen Unterrichts bereits über mentale Alltagskonzepte bzw. Alltagsbegriffe verfügen, die auf variierendem Erfahrungswissen basieren, da es in unterschiedlichen Sozialisationskontexten erworben wurde. Dieses Erfahrungswissen ist subjektiv und im muttersprachlichen Konzept verankert. Wissenschaftliche Konzepte dagegen sind im Vergleich zu Alltagsbegriffen eher abstrakt, theoriegeleitet und intersubjektiv, weil sie aufgrund von jahrelangen Forschungsarbeiten empirisch abgesichert wurden. Ziel des bilingualen Unterrichts bzw. des Unterrichts im Allgemeinen ist es, solche Wissenskomplexe auf der Basis der schon vorhandenen Alltagskonzepte aufzubauen bzw. die Alltagskonzepte zu korrigieren und zu erweitern. Da im bilingualen Unterricht die Wissenskonzepte jedoch in der Fremdsprache erworben werden, ist es notwendig, die muttersprachlichen Alltagskonzepte mit den neu angelegten fremdsprachlichen, wissenschaftlichen Konzepten zu einem bilingualen und interkulturellen Konzept zu verknüpfen. Dadurch ist die Begriffsbildung im bilingualen Unterricht kognitiv weit wirksamer und tiefer reichend als gemeinhin angenommen (HALLET 2002: 120). Auf die Bildung dieses bilingualen und interkulturellen Wissenskonzeptes ist auch die in den Curricula verankerte Forderung nach dem zweisprachigen Fachbegriffserwerb zurückzuführen (vgl. HALLET 2002: 117ff) Wortschatzkategorien Im Rahmen der Diskussion um eine Integration von sprachlichem und sachfachlichem Lernen im bilingualen Geographieunterricht hat sich seit den 1990er Jahren eine von Cummins in den 1970er Jahren entwickelte Differenzierung von zwei Wortschatzkategorien im bilingualen Kontext etabliert. Das von Cummins entwickelte Modell ist in der kognitiven Spracherwerbsforschung anzusiedeln und versucht die Zusammenhänge sprachlicher und kognitiver Entwicklung im bilingualen Unterricht darzustellen. Cummins differenziert zwischen einer allgemeinen, alltäglichen Dimension und einer wissenschaftlichen Dimension. Den Wortschatz der alltäglichen Dimension bezeichnet er als Basic Interpersonal Communication Skills (BICS), den Wortschatz der wissenschaftlichen Dimension als Cognitive Academic Language 16

23 2 Bilingualer Geographieunterricht Proficiency (CALP). Die Differenzierung basiert auf den kognitiven Anforderungen und weist daraufhin, dass im Alltag andere kommunikative Fähigkeiten benötigt werden als im schulischen Kontext. Trotz dieser qualitativen Differenzierung sind sowohl BICS als auch CALP Elemente des bilingualen Lehrens und Lernens. Obwohl im Folgenden diese zwei Sprachkomponenten im Einzelnen betrachtet werden, sei darauf hingewiesen, dass die Übergänge zwischen BICS und CALP fließend sind (vgl. BREIDBACH 2007: 90f). Mit dem Begriff Basic Interpersonal Communication Skills beschreibt CUMMINS die allgemeine kommunikative Kompetenz der SuS. Er definiert diese Wortschatzkategorie als the manifestations of language proficiency in everyday communicative contexts (ebd. 1984: 137 zit. in BREIDBACH 2007: 91). In der Regel werden diese allgemeinen kommunikativen Fähigkeiten zur Bewältigung von Alltagssituationen im Fremdsprachenunterricht bzw. im erweiterten Englischunterricht erworben. Diese erworbenen Fähigkeiten können die SuS im bilingualen Geographieunterricht in authentischen Gesprächssituationen anwenden, festigen und ausbauen. Des Weiteren bilden die BICS die Grundlage für die Versprachlichung der geographischen Sachverhalte und sind somit eng mit den CALP verbunden (vgl. LENZ 2002: 6). Aufgrund der geringeren Komplexität der BICS im Vergleich zu CALP können die allgemeinen kommunikativen Kompetenzen in relativ kurzer Zeit angeeignet werden. Wenn den SuS die Möglichkeit einer konstanten Anwendung der erlernten Fähigkeiten gegeben wird, wie es im bilingualen Geographieunterricht der Fall ist, dann setzt in der Regel auch relativ schnell ein Automatisierungsprozess ein (vgl. BREIDBACH 2007: 92). Die Cognitive Academic Language Proficiency bezeichnet im Gegensatz zu den BICS nicht die allgemeine Sprachkompetenz sondern eine wissenschaftlich korrekte Sprachkompetenz. CUMMINS definierte diese Wortschatzkategorie als the manipulation of language in decontextualised academic situations (ebd. 1984: 137 zit. in BREIDBACH 2007: 91). Ziel des bilingualen Unterrichts ist es, auf der Basis von allgemeinen sprachlichen Fähigkeiten eine wissenschaftliche Diskursfähigkeit zu erwerben. Im bilingualen Geographieunterricht wird die Wortschatzkategorie CALP in drei Bereiche untergliedert. Erstens sollen die SuS dazu befähigt werden, geographische Sachverhalte angemessen durch eine wissenschaftspropädeutische Ausdrucksweise zu versprachlichen. Im bilingualen Anfangsunterricht kann bei Bedarf auch noch auf alltagssprachliche Umschreibungen zurückgegriffen werden. Jedoch sollen die SuS schrittweise lernen, die Sachverhalte auch ohne Unterstützung der Alltagssprache zu beschreiben. Zweitens müssen die SuS fachspezifische Arbeitsmethoden, sogenannte study skills, für das Beschreiben und Analysieren von Karten, Diagrammen etc., erwerben. Zudem wird eine Beherrschung der geographischen Fachterminologie sowohl in 17