Rudolf Bögel. Das Konzept des Betriebs- bzw. Organisationsklimas und seine Anwendung in der betrieblichen Praxis

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1 Rudolf Bögel Das Konzept des Betriebs- bzw. Organisationsklimas und seine Anwendung in der betrieblichen Praxis Deskriptoren: Alter, Arbeitszufriedenheit, Betriebsklima, Betriebsrat, Evaluation, Fragebogen, Geschlecht, Hierarchie, Human Relations, Information, Methode, Mitarbeiter, Organisationsstruktur, Partizipation, Person, Situation, Vorgesetzter, Verhalten Gegenüber dem Betriebsklima ist Organisationsklima ein Konstrukt kollektiver Wahrnehmung, das die Gegebenheiten der Organisation mehrdimensional beschreibt. Das von v. Rosenstiel und Mitarbeitern (1983) entwickelte Verfahren zur Messung des Betriebs- und Organisationsklimas wird kurz vorgestellt, dann aber vor allem über die Bedingungen der Durchführung in der betrieblichen Praxis berichtet. Meßergebnisse der laufenden Untersuchungen werden dargestellt. Betriebsklima - Metapher oder wissenschaftliches Konzept? Mit Betriebsklima verbindet man oft Vorstellungen von Stimmung oder Atmosphäre, die für einen ganzen Betrieb oder einen Teil davon charakteristisch sein sollen. Umschreibungen für Betriebsklima lauten: Geist des Betriebs, Betriebsverbundenheit oder auch Betriebszufriedenheit. Im Zusammenhang mit Ein- und Ausstellungen von Mitarbeitern, Fehlzeiten und Fluktuation spricht man vom "guten" oder "schlechten" Betriebsklima. Handelt es sich nun beim Betriebsklima um eine umgangsprachliche Metapher für zahllose und unterschiedliche Vorgänge und deren Deutungen oder kann mit Betriebsklima ein wissenschaftlich begründetes Konzept für die betriebliche Praxis seine Anwendung finden? Kritik des traditionellen Betriebsklimaverständnisses Negativ belastet ist Betriebsklima durch eine einseitige Begriffsbestimmung und eine einseitige Handhabung in der Praxis, die zwar der Vergangenheit angehören sollten, aber noch nicht allgemein überwunden sind. Mit Betriebsklima wurden im Gefolge der "human-relations-bewegung" (Roethlisberger, Dickson 1939) nur die sozialen Beziehungen der Mitarbeiter und die "Informelle Gruppe" (Irle 1975) gemeint. Die Trennung von subjektiv-menschlichen Faktoren, denen das Betriebsklima zugeschlagen wurde, von den objektiv-strukturellen Faktoren verleitete auch zum Versuch der Manipulation der subjektiven Seite, um durch scheinbare Verbesserung des "Klimas" zu einem besseren Betriebsergebnis zu kommen - nach dem Motto: "Glückliche Kühe geben mehr Milch!" Definition des Betriebsklimas Das Erleben und Verhalten der Mitarbeiter ist nicht einseitig an die Person gebunden - bloß subjektiv, sondern ist das Ergebnis der Interaktion von Person und Situation; dieser Ansatz, der auf die Feldtheorie Kurt Lewins (1951) zurückgeht, kommt in der neueren Organisationsklimaforschung zum Zuge. Organisationsklima ist durchaus im Gegensatz zum traditionell belasteten Betriebsklima zu verstehen; im folgenden soll aber der allgemein eingeführte Begriff Betriebsklima beibehalten und synonym mit Organisationsklima verwendet werden. Insbesondere ist mit Betriebsklima die Ausprägung des Organisationsklimas in Leistungsorganisationen zu verstehen. Der Vorteil des Organisationsklimaansatzes ist die Integration subjektiver und objektiver Komponenten des Betriebs in einem Konzept gemeinsam geteilter Wahrnehmung

2 der Mitarbeiter. Das Betriebs- und Organisationsklima kann definiert werden als eine relativ überdauernde Qualität einer Organisationsumwelt, die von den Mitarbeitern wahrgenommen wird, ihr Verhalten beeinflußt und deren Attribute beschrieben werden können (Tagiuri 1968). Operationalisierung des Ansatzes Payne und Pugh (1976) meinen, daß das Betriebsklima durch die Wahrnehmung der Mitarbeiter, durch Beobachtung oder andere objektive Instrumente gemessen werden kann. Das Betriebsklima ist aber nicht aus den Handlungen der Mitarbeiter direkt rekonstruierbar, es ist schwer beobachtbar, und es kann nicht direkt gemessen werden; Ansätze zur direkten Messung (Litzmann u.a. 1973) wurden zugunsten von Befragungen aufgegeben. Die Schwierigkeit der Operationalisierung von Betriebsklima kann auf drei Ebenen der Messung gezeigt werden: - Auf einer ersten Ebene stehen die objektiven Charakteristika oder Attribute der Organisationsumwelt, die nicht direkt gemessen werden können. Ohne Menschen gibt es kein Betriebsklima! - Auf einer zweiten Ebene stehen die subjektiven Charakteristika, die von den Mitarbeitern kollektiv als Attribute der Interaktion von Person und Situation wahrgenommen werden. - Auf einer dritten Ebene stehen die individuell-selektiven Wahrnehmungen von Einzelpersonen, die für das Betriebsklima nicht charakteristisch sind. Für die Operationalisierung besteht nun die Aufgabe, ein Meßinstrument für die zweite Ebene der Analyse zu entwickeln. Mit Hilfe der Facettenanalyse (Guttman 1954) kann diese Forderung und die Trennung verschiedener Konzepte logisch vollzogen werden. Differenziert man bei der Analyseeinheit zwischen Individuum und sozialem Kollektiv, beim Analyseelement zwischen Attributen der Arbeit und denen der Organisation und bei der Messung zwischen Bewerten und Beschreiben, dann ergibt dies acht mögliche Kombinationen, von denen im Zusammenhang zwei hervorzuheben sind: 1. Bewertet ein Individuum die Attribute seiner Arbeit, dann sprechen wir vom Konzept der Arbeitszufriedenheit (Neuberger, Allerbeck 1978). 2. Beschreibt ein soziales Kollektiv Attribute der Organisation, dann sprechen wir vom Konzept des Organisationsklimas (v. Rosenstiel u.a. 1983). Für Betriebsklimabefragungen versucht man nun aus den Individuen, die zu Bewertungen neigen, ein soziales Kollektiv zu machen, das nach Möglichkeit beschreibt und nicht bewertet, indem man die Fragen in der Wir- und Gruppenform stellt und einen Sachverhalt bestätigen oder beurteilen läßt; z.b. wird man nicht fragen: "Wie sind Sie mit Ihrem Meister zufrieden?" mit den Antwortmöglichkeiten "sehr" bis "gar nicht", sondern eine entsprechende Betriebsklimafrage lautet: "Unsere Vorgesetzten kritisieren Untergebene vor anderen Mitarbeitern" mit den Antwortmöglichkeiten "stimmt" bis "stimmt nicht". Wenn dann Bewertungen auch nicht ausgeschlossen werden können, so gehen derart konstruierte Fragen doch deutlich in Richtung Beschreibung. Da die Individuen außerdem dazu neigen, Aspekte ihrer unmittelbaren Arbeit, die sie am besten kennen, zu überschätzen, müssen Fragen gestellt werden, die über den eigenen Arbeitsplatz hinausreichen und für alle Mitglieder eines sozialen Kollektivs gleichermaßen wahrnehmbar sind (v. Rosenstiel u.a. 1983).

3 Inhalte und Dimensionen des Betriebsklimas Eine wissenschaftlich begründete Befragung forscht nicht nur pauschal nach dem Betriebsklima und einigen willkürlich geforderten Merkmalen, sondern sucht wesentliche Inhalte und Dimensionen zu erfassen. Die Inhalte verschiedener Dimensionen sind meist theoretisch hergeleitet, nach der Konstruktion der einzelnen Fragen werden diese faktoren- und clusteranalytisch überprüft, und es werden dann entsprechende Skalen oder Dimensionen gebildet. Dimensionen sind z.b. Struktur, Autonomie, Leistungsorientierung, Zusammenarbeit, Belohnung, Fairness u.a.m. Die Dimension Autonomie beinhaltet z.b. semantische Ebenen wie Abhängikeit / Selbständigkeit, Machtlosigkeit / Entscheidungs- und Kontrollmöglichkeiten, Fremdbestimmung / Gestaltungsmöglichkeiten (Hemphill 1956; Seifert 1978; Neuberger 1980). Ein Vergleich von 15 Betriebsklimafragebögen brachte folgende inhaltliche Übereinstimmungen, wie Abbildung 1 zeigt: Abb. 1: Ein Vergleich inhaltlicher Dimensionen von 15 Betriebsklimafragebögen aus der Praxis In dem von v. Rosenstiel und Mitarbeitern (1983) entwickelten Betriebsklimafragebogen blieben nach der Faktorenanalyse in einer endgültigen Fassung 66 Fragen in 7 Skalen übrig, für die Kenn- und Normwerte vorliegen. Die Skalen oder Dimensionen bezeiehen sich auf: - Allgemeine Fragen zum Betriebsklima (ALLG) - Mitarbeiterbeziehungen (KOLL) - Vorgesetztenverhalten (VORG) - Aufbau- und Ablauforganisation (ORGA) - Information und Mitsprache (INFO) - Mitarbeiterinteressenvertretung (INTR) - Betriebliche Leistungen (LEIS). Unabhängig von den Betriebsklimafragen werden zu den einzelnen Dimensionen auch pauschale Fragen nach Zufriedenheit und Wichtigkeit gestellt (v. Rosenstiel u.a. 1983; v. Rosenstiel 1985). Durchführung von Betriebsklimauntersuchungen Die wichtigsten Entscheidungen im Zusammenhang mit der Durchführung von Betriebsklimauntersuchungen fallen in den Unternehmungen meist in einer Vorphase, wenn die Bedingungen, Möglichkeiten und Konsequenzen einer

4 solchen Untersuchung noch relativ unbekannt sind, und ein externer Berater noch nicht hinzugezogen wurde; unterschiedlichste Motive und Anstöße beeinflussen die Entscheidung für oder gegen eine Untersuchung. Hier sollen Bedingungen konzeptioneller Art genannt werden: 1. Die Bereitschaft zur Partizipation der Mitarbeiter sollte vorhanden sein; dort, wo Mitarbeitern die Fähigkeit zur Beurteilung des Betriebsklimas abgesprochen wird, ist einer derartige Untersuchung fehl am Platz. 2. Die Bereitschaft für positive Veränderungen sollte vorhanden sein. Aus den Untersuchungsergebnissen sollen Konsequenzen gezogen werden, die in positive Verbesserungsstrategien einmünden und die nicht für Rationalisierungszwecke mißbraucht werden. 3. Die Ergebnisse der Untersuchung sollten den Befragten vorbehaltlos präsentiert werden. 4. Die Durchführung der Untersuchung sollte einer Seite der Unternehmung nicht aufgezwungen werden (z.b. von der Zentrale dem Zweigbetrieb oder von der Geschäfts- und Betriebleitung dem Betriebsrat oder umgekehrt). 5. Die Voraussetzungen für die Gewährleistung der Anonymität der Befragten müssen selbstverständlich gegeben sein. In einer weiteren Phase müssen die zu befragenden Mitarbeiter in Gruppen oder Klassen aufgeteilt werden, bezüglich derer das Betriebsklima ausgewertet werden soll. Von der Aufbauorganisation ausgehend bietet sich die Einteilung sinnvoller organisatorischer Klassen an. In der betrieblichen Praxis ist es oft nicht leicht, Klassen zu bilden, die einerseits nicht zu klein sein dürfen, um die Anonymität zu wahren (Faustregel: 10 Mitarbeiter), und andererseits auch nicht zu umfangreich sein sollen, damit die Unterschiede des Klimas verschiedener Gruppen innerhalb großer Abteilungen auch sichtbar werden. In fast jedem Betrieb gibt es auch Mitarbeiter, die nur schwer einer Gruppe zuzuordnen sind. Die Befragten sollen dann im Fragebogen ihre Zugehörigkeit zu einer Klasse ankreuzen. Es können auch Klassen in der hierarchischen Struktur gebildet werden (z.b. Arbeiter, Meister, Angestellte, Abteilungsleiter etc.), nach dem Geschlecht, der Ausbildung, der Schulbildung oder dem Alter (z.b. bis 25 Jahre, 26 bis 40 Jahre, 41 Jahre und älter). Für die Praxis empfiehlt es sich, zuerst Klassen zu bilden, die die organisatorische Wirklichkeit abbilden; dies entspricht dem Konzept vom Betriebsklima am besten. Aus praktischer Erfahrung kann gesagt werden, daß die Bildugn vieler Skalen dazu führt, daß diese nicht mehr beantwortet werden; zwei Skalen zur Bestimmung organisatorischer Klassen reichen für die betriebliche Praxis meist aus. In dieser Phase gilt es auch, die Umstände der Befragung wie Ort und Zeit festzulegen (z.b. im Betrieb während der Arbeitszeit, Einsammeln der Fragebögen in Urnen durch Betriebsräte und Übergabe an den neutralen Auswerter etc.). In der nächsten Phase findet die Auswertung und Interpretation durch eine neutrale Instanz, die Zusammenfassung der Ergebnisse in einem Bericht und/oder die Präsentation bei der Unternehmensleitung statt. Stärken wie Schwachstellen in den gebildeten Klassen und Unternehmensbereichen, in den unterschiedlichen Betriebsklimadimensionen und den einzelnen Betriebsklimafragen werden sichtbar. Die Bedeutung von Betriebsklimauntersuchungen liegt vor allem in diesen praktisch zu nützenden Ergebnissen und im relativen Vergleich der Werte und nicht so sehr in der Absolutheit abstrakter Mittelwerte. In dieser Phase können und sollen auch Entscheidungen über erste Maßnahmen und das weitere Vorgehen fallen, die der Belegschaft bei der Präsentation der Ergebnisse mitgeteilt werden.

5 Wenn in der nächsten Phase der Belegschaft die Untersuchungsergebnisse mitgeteilt werden, empfiehlt es sich, erste Verbesserungsvoschläge zu sammeln; am erfolgreichsten sind dabei nach hierarchischen Ebenen getrennte Gruppen, weil dann freier diskutiert wird und so eher Vorschläge eingebracht werden. Diese Veranstaltungen sollen von einer in Sachen Betriebsklima kompetenten Führungskraft - am besten von einem externen Moderator - durchgeführt werden. Wenn Arbeitsgruppen oder Qualitätszirkel gebildet werden, die Verbesserungsvorschläge ausarbeiten sollen, dann muß sich der Machtpromotor - z.b. der Geschäftsführer - darüber im klaren sein, daß dies nur dann sinnvoll ist, wenn ihre Ergebnisse auch ernst genommen werden und ein Teil der erarbeiteten Vorschläge auch realisiert wird. Arbeitsgruppen und Verbesserungsvorschläge, die im Sande verlaufen, verschlechtern wahrscheinlich das Betriebsklima. Eine weitere Phase ist die Implementierung der Maßnahmen, die nicht irgendwann einmal umgesetzt werden sollen, sondern planmäßig und allgemein wahrnehmbar als Konsequenz der Betriebsklimauntersuchung. Eine weitere Phase ist - den betrieblichen Umständen entsprechend - die Evaluation: Was hat es gebracht? Hat sich das Betriebsklima verbessert? Hier bietet sich zur Evaluierung eine zweite Querschnittsuntersuchung an, in der die getroffenen Maßnahmen ihre Bestätigung finden; daß hier auch Drittvariable eine Verbesserung oder Verschlechterung des Betriebsklimas steuern können, muß erwähnt werden. Interpretation der Betriebsklimaergebnisse Für den Gesamtbetrieb und seine Gliederungen können Gesamtwerte, Werte für die einzelnen Dimensionen und die Werte der Einzelfragen errechnet werden: Mittelwerte und Streuungswerte, die im Rahmen der verwendeten Beurteilungsskala maximal gute oder schlechte Ausprägungen erfahren können - bei einer fünfteiligen Intervallskala also den Wert 1.00 für das schlechteste und den Wert 5.00 für das beste (nach entsprechender Polung der einzelnen Fragen). Ein erster Vergleich bietet sich bei einem standardisierten Fragebogen mit den Kenn- und Normwerten an (v. Rosenstiel 1985), der aber nicht überbewertet werden sollte, weil hinter den gefundenen Werten doch unterschiedliche betriebliche Gegebenheiten und Vorkommnisse stehen, letztlich also verschiedene Kulturen. Einen weiteren Vergleich mit den bei anderen Betrieben gefundenen Werten bietet die Prozentrangskala, in der die eigenen Werte relativiert im Feld der Werte stehen. Neu hinzu kommt in dieser Darsellung die Dimension "Zusammenarbeit zwischen den Abteilungen bzw. Gruppen (ZUSM)", die sich in der Erfahrung mit den laufenden Untersuchungen als wichtig erwiesen hat und erst einige wenige Werte aufweist, deren Plazierung in der Prozentrangskala vorläufig noch recht vage ist. (Abb. 2) Die in die Prozentrangskala (1988) eingezeichnete Kurve bezeichnet die Werte einer Dienstleistungsunternehmung (der Versicherungswirtschaft) mit ca. 300 Mitarbeiter (Beteiligungsquote ca. 78%). Die Kurve zeigt einen öfters ähnlich vorkommenden Verlauf: Während die "Allgemeinen Fragen" mit recht gut beurteilt werden, sinken die Antwortwerte über "Kollegenbeziehungen" zum Vorgesetztenverhalten" hin ab (zwei Dimensionen, die hoch miteinander korrelieren); der beste Wert wird dann bei "Aufbau- und Ablauforganisation" erreicht; der Wert für "Information und Mitsprache" fällt wieder deutlich ab; "Interessenvertretung" wie "Betriebliche Leistungen" können hier einen nicht schlechten Platz

6 behaupten; der Wert für das "Betriebsklima insgesamt" liegt beim Durchschnittswert aller untersuchten Betriebe. Im ganzen betrachtet liegt dieser Betrieb also besser als 50% der untersuchten Betriebe. Mehr in die Tiefe gehen dann die Antwortwerte zu den Einzelitems, die hier nicht behandelt werden können; sie bestäigen im gegebenen Fall, daß sich ein erster Ansatz für Verbesserungsmaßnahmen im Vorgesetztenverhalten und in der Informationspolitik ergibt. Bei den "Betrieblichen Leistungen" sind es die Items "Aufstiegs-" und "Weiterbildungsmöglichkeiten", die den Gesamtwert dieser Dimension nicht sonderlich gut erscheinen lassen. Es gibt mehrere Möglichkeiten, die Ergebnisse von Betriebsklimauntersuchungen darzustellen, z.b. Häufigkeitsverteilungen von Antwortwerten einer Dimension für den Gesamtbetrieb und seiner Teilbereiche. Eine Tabelle der Werte über alle Fragen und betrieblichen Klassen kann im senkrechten und waagrechten Vergleich die Stärken und Schwächen des Betriebsklimas zeigen; die unterschiedliche Bedeutung von "Zehnteln" liegt - wie bereits vorher betont - im relativen Vergleich der Werte und nicht in ihrer Absolutheit. Abb. 2: Die Prozentrangskala (1988) zeigt die Durchschnittswerte des Betriebsklimas insgesamt und seiner Dimensionen von 45 untersuchten Betrieben.

7 Die Interpretation von Streuungen bereitet mehr Schwierigkeiten als die des arithmetischen Mittels. Zuerst beweist eine geringe Streuung der Werte ein einheitliches Urteil der Befragten und damit den gefundenen Wert als den richtigen im Sinne des Betriebsklimakonzepts aus. Dann aber können weite Streuungen verschiedene Ursachen haben: Zum ersten eine nicht der Wirklichkeit entsprechende Gruppen- und Klassenbildung, die sich in einer weiten Streuuung niederschlägt, z.b. bei Schichtarbeit, wenn die unterschiedlichen Werte einer Abteilung für die Untersuchung nicht getrennt klassifiziert wurden. Zum zweiten können weite Streuungen auch an den unterschiedlichen oder idiosynkratischen Wahrnehmungen der Individuen liegen, die weniger das Betriebsklima als das "Psychologische Klima" der Individuen widerspiegeln (James, Jones 1974). In der Praxis läßt sich beim Vergleich verschiedener Klassifizierungsskalen manchmal zeigen, daß eine weite Streuung nicht das "Psychologische Klima" als Ursache hat, sondern unterschiedliches Klima in nicht differenzierten Gruppen dahintersteht. Eine wichtige Frage lautet aber, wann darf man hier von "weiter" oder "geringer" Streuung sprechen? Dies kann mit Vorbehalt aus der praktischen Erfahrung mit Betriebsklimauntersuchungen beantwortet werden: Standardabweichungen unter 1.00 können als gering, solche über 1.50 als weit bezeichnet werden; vernachlässigt wird hier der Gruppenumfang; zugrunde liegt eine fünfstellige Intervallskala (v. Rosenstiel 1985). Dieses Problem kann nicht theoretisch mit statistischen Methoden varianzanalytischer Reliabilitätsmessungen gelöst werden, wie dies Domsch und Gerpott (1986) vorschlagen. Am Ende einer jeden Dimension wird bei dem von v. Rosenstiel und Mitarbeitern (1983; 1985) erarbeiteten Betriebsklimafragebogen pauschal nach Zufriedenheit und Wichtigkeit gefragt. Der statistische gemessene nur mittelmäßige Zusammenhang von Betriebsklima und Arbeitszufriedenheit (v. Rosenstiel u.a. 1983) bestätigt sich in den laufenden Betriebsklimauntersuchungen: Sowohl in Fällen guter wie schlechter Betriebsklimawerte streuen die pauschalen Zufriedenheitswerte darunter und darüber. D.h. für die Praxis, daß die Betriebsklimabeurteilungen nicht von der pauschalen Zufriedenheit oder Unzufriedenheit gesteuert werden, wie dies manchmal bei schlechten Betriebsklimaergebnissen gemutmaßt wird. Dafür gibt es deutliche Beispiele bei schlecht ausfallenden Betriebsklimawerten und dazugehörenden besser ausfallenden Zufriedenheitswerten. Intervention und Beeinflussung des Betriebsklimas Ein "Managment des Betriebsklimas" (Conrad, Sydow 1984) tut gut daran, das Betriebsklima in erster Linie als Moderatorvariable zu behandeln, die nicht direkt beeinflußbar ist. Ziel einer Intervention ist es somit nicht, ein abstraktes oder verdinglichtes Betriebsklima zu verbessern, sondern eine Schwachstelle, wie sie die Untersuchung angezeigt hat. In der Praxis bedeutet dies auch manchmal Korrektur der Diagnose einer betrieblichen Instanz. Nach Bezeichnung der konkreten Schwachstelle - das kann in Ausnahmefällen auch schwierig sein - kann an ihrer Beseitigung gearbeitet werden. Diese Aufgabe gestaltet sich wesentlich leichter bei Betrieben mit durchschnittlich guten Betriebsklimaergebnissen, bei denen z.b. nur eine Dimension oder einige Fragen schlecht beurteilt wurden, als bei Betrieben, die durchgehend schlechte Werte erzielt haben; während bei ersteren die Bereitschaft für Veränderungen meist gegeben ist, kommen bei letzteren leicht Rituale der Abwehr und der Schuldzuweisung in Bewegung. Oder längst überfällige Personalentscheidungen werden unter Hinweis auf die Betriebsklimaergebnisse vollzogen; dieses ist allerdings nicht im Sinne der hier entwickelten Konzeption von Betriebsklima.

8 Ein standardisierter Fragebogen, wie der von v. Rosenstiel und Mitarbeitern (1983) entwickelte, hat die Vorteile, daß er in Leistungsorganisationen universell einsetzbar ist und zwischenorganisationale Vergleiche möglich macht. Schwachstellen in inhaltlich unterschiedlichen Dimensionen und verschiedenen betrieblichen Gliederungen werden allgemein sichtbar. Ihre konkrete Identifikation oder die Zuordnung von Beispielen aus der jeweiligen betrieblichen Praxis macht kaum Schwierigkeiten, wenn dem nicht größere Hindernisse im Betrieb sich entgegenstellen. Angewandte Wissenschaft kann Richtung und Inhalt der zu ergreifenden Maßnahmen angeben, sie kann bei den zu treffenden Entscheidungen und der Setzung von Prioritäten im Scenario hilfreich sein. Betriebsklimauntersuchungen und -verbesserungen sind kein Selbstzweck, im Sinne der hier gemachten Ausführungen sind sie häufig Ausgangspunkt für "Organisationentwicklung" und "Aktionsforschung" (Gebert 1974; Sievers 1978). Literatur Conrad, P.; Sydow, J. (1984): Organisationsklima. Berlin u.a. Domsch, M.; Gerpott, T.J. (1986): Zum Problem der Bestimmung der Reliabilität von Organisationsklimamessungen. In: Psychologie und Praxis, S Gebert, D. (1974): Organisationentwicklung. Stuttgart Guttman, L. (1965): An outline of some new methodology in social research. In: Public Opinion Quarterly, Vol 18, S James, L.R.; Jones, A.P. (1974): Organizational climate: A review of theory and research. In: Psychological Bulletin, Vol 81, 2, S Irle, M. (1975): Lehrbuch der Sozialpsychologie. Göttingen Lewin, K. (1951): Field theory in social sciences. New York Litzman; House; Rizzo (1973): An alternative to organizational climate: The measurement of organizational practises. Paper presented at 33rd Annual Conference Academy Management. Boston Neuberger, O. (1980): Organisationsklima als Einstellung zur Organisation. In: C.G. Hoyos u.a. (Hg.): Grundbegriffe der Wirtschaftspsychologie. München, S Neuberger, O.; Allerbeck, M. (1978): Messung und Anaylse von Arbeitszufriedenheit. Bern Payne, R.; Pugh, D.S. (1976): Organizational structure and climate. In: Dunnette (ed.): Handbook of industrial and organizational psychology. Chicago, Ill. Roethlisberger, F.J.; Dickson, W.J. (1939): Management and the worker. Cambridge, Mass. Rosenstiel, L. v.; Falkenberg, Th.; Hehn, W.; Henschel, E.; Warns, I. (1983): Betriebsklima heute. Ludwigshafen Rosenstiel, L. v. (1985): Betriebsklima geht jeden an. München (kostenlos beim Bayer. Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Winzererstr. 9, 8000 München 40) Sievers, B. (1978): Organisationsentwicklung als Aktionsforschung. In: Zeitschrift für Organisation, 47, S Tagiuri, R. (1968): The concept of organizational climate. In: Tagiuri, Litwin (eds.): Organizational climate. Explorations in a concept. Boston