Sentinel der Pilotgesundheitsämter IGV-Sentinel

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1 Sentinel der Pilotgesundheitsämter IGV-Sentinel Konzept der zweiten Projektphase D. Matysiak-Klose, T. Eckmanns, I. Mücke, G. Krause Version November 2006 Fachgebiet 32 (Surveillance) Abteilung für Infektionsepidemiologie Robert Koch-Institut Berlin

2 Inhaltsverzeichnis Projekttitel...3 Projektmitarbeiter...3 Bewilligungszeitraum des Projektes...3 Liste der weiter teilnehmenden Pilotgesundheitsämter Zusammenfassung Hintergrund Zielsetzung Methoden Auswahl der Gesundheitsämter für das Pilotprojekt I Ersatz von 14 ausgeschiedenen Gesundheitsämtern Durchführung der Bewertung vorhandener Strukturen Diskussionsforum in Berlin Quantitative Befragung Verfassen eines Bewertungsberichtes durch das RKI Entwicklung von Instrumenten zur Unterstützung der Arbeit der Gesundheitsämter Entwicklung eines Erfassungsbogens für Ausbrüche Diskussion eines optimalen Erfassungsprogramms am Beispiel von SurvNet Versand von Faxinfobriefen an niedergelassene Ärzte Diskussion weiterer Instrumente Erwartete Ergebnisse Gemeinsamer Einstieg in die Diskussion der praktischen Umsetzung der IGV Kontinuierliches Qualitätsmanagement Wissenschaftliche Publikationen Zeitplan...14 Juli Februar März -Mai Juni 2007 Februar März -Mai Juni -Dezember Juni Datenschutz und Ethik Kooperationspartner Literatur

3 Projekttitel Beurteilung des deutschen infektionsepidemiologischen Surveillancesystems auf Ebene der Gesundheitsämter und Erarbeitung von Instrumenten zur Unterstützung der Aufgaben der Gesundheitsämter auch in Hinblick auf die Umsetzung der Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) Projektmitarbeiter Dr. med. Tim Eckmanns, MSc (Leiter der Arbeitsgruppe) Leiter des Fachgebietes Surveillance Abteilung für Infektionsepidemiologie Seestr Berlin Tel.: Fax.: Dr. med. Dorothea Matysiak-Klose, MPH (Projektkoordination) Fachgebiet Surveillance, Abteilung für Infektionsepidemiologie Seestr Berlin Tel.: Fax.: Inge Mücke (Projektadministration) Fachgebiet Surveillance, Abteilung für Infektionsepidemiologie Seestr Berlin Tel.: Fax.: Bewilligungszeitraum des Projektes Juli 2006 bis Dezember

4 Liste der weiter teilnehmenden Pilotgesundheitsämter Schleswig-Holstein Gesundheitsamt Hansestadt Lübeck Gesundheitsamt Landkreis Nordfriesland Hamburg Bezirksamt Hamburg-Altona Gesundheits- und Umweltamt Niedersachsen Städtisches Gesundheitsamt Braunschweig Städtisches Gesundheitsamt Delmenhorst Gesundheitsamt Landkreis Cloppenburg Bremen Gesundheitsamt Bremen Nordrhein-Westfalen Gesundheitsamt Stadt Düsseldorf Gesundheitsamt Kreis Neuss Gesundheitsamt Stadt Köln Gesundheitsamt des Rhein-Sieg-Kreis Untere Gesundheitsbehörde Coesfeld Hessen Rheinland-Pfalz Kreisverwaltung Mayen-Koblenz Abt. Gesundheitsamt Kreisverwaltung Kusel Baden-Württemberg Landratsamt Emmendingen Gesundheitsamt Landratsamt Schwarzwald-Baar-Kreis Gesundheitsamt Landratsamt Lörrach Gesundheitsdezernat 4

5 Gesundheitsamt Ravensburg Bayern Gesundheitsamt Nürnberg Gesundheitsamt Erlangen-Höchstadt Landratsamt Augsburg Gesundheitsamt Saarland Gesundheitsamt Saarlouis Berlin Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg von Berlin, Gesundheitsamt Brandenburg Gesundheitsamt Potsdam Mecklenburg-Vorpommern Gesundheitsamt des Landkreises Rügen Sachsen Stadtkreis Dresden Sachsen-Anhalt Gesundheitsamt des Landkreises Saalkreis Gesundheitsamt des Landkreises Ohrekreis Thüringen Stadtverwaltung Gera Gesundheits- und Hygieneamt Gesundheitsamt Sonneberg 5

6 1. Zusammenfassung Im Rahmen des zweiten Sentinels der 45 Pilotgesundheitsämter sollen auch die Anforderungen durch die Internationalen Gesundheitsvorschriften der WHO (IGV) berücksichtigt werden, die im Juni nächsten Jahres in Kraft treten werden. Gemeinsam mit Vertretern der Gesundheitsämter und Landestellen soll erarbeitet werden, in welcher Weise die Anforderungen der IGV im Rahmen des bestehenden Meldewesens erfüllt werden können. Mit Hilfe dieser Bewertung werden gemeinsam Empfehlungen erarbeitet, die den Ländern bei der Diskussion und Umsetzung der Internationalen Gesundheitsvorschriften hilfreich sein können. Darüber hinaus sollen weitere Instrumente entwickelt werden, die die Gesundheitsämter bei ihren täglichen Aufgaben im Infektionsschutz und bei der Surveillance von Infektionskrankheiten unterstützen sollen. Das Projekt knüpft an das vorausgegangene Sentinel der Pilotgesundheitsämter an, indem es die Verbreitung bereits entstandener und positiv evaluierter Instrumente fördert oder die Entwicklung noch im Entstehungsprozess befindlicher Instrumente zu einem Abschluss bringt. 2. Hintergrund Die weltweiten Globalisierungsprozesse haben auch im Bereich der Infektionsepidemiologie zu neuen Aufgaben und Herausforderungen für Nationen und Staatenverbünde geführt, die kurzfristig einer Lösung bedürfen. Die Einführung neuer Technologien und das Öffnen der Märkte führen zu einem weltweiten intensivierten Verkehr von Menschen, Gütern und Dienstleistungen. Vor dem Hintergrund einer komplexen Verbindung der sozioökonomischen Entwicklung eines Landes und der Gesundheit seiner Bevölkerung zieht die wachsende Mobilität der Menschen jedoch auch einen schnellen Transfer von Gesundheitsrisiken wie Infektionen nach sich. Vor dem Hintergrund einer rasanten Ausbreitung der SARS-Infektion 2003 und weltweit über 150 menschlichen Todesopfern (Stand WHO ) der aviären Influenza mit der Möglichkeit einer Entstehung eines hochpathogenen Influenzaerregers, der eine Pandemie mit verheerenden Folgen auslösen könnte, wurde eine Revision der Internationalen Gesundheitsvorschriften von 1969 forciert. Die neue Version wurde im Juni 2005 von der 58. Weltgesundheitsversammlung der WHO verabschiedet und wird im Juni 2007 in Kraft treten. Nach Artikel 6 IGV wird gefordert, Ereignisse im Hoheitsgebiet eines Landes nach einem vorgegebenen Entscheidungsschema zu bewerten und bei Vorliegen des Verdachts eines Ereignisses von internationaler Tragweite dieses mitsamt den bereits durchgeführten 6

7 Maßnahmen innerhalb von 24 Stunden an die WHO zu melden. Neu ist, dass es sich bei den meldepflichtigen Ereignissen um Infektionen mit spezifischen Erregern wie auch um Krankheiten in Folge von Infektionen unbekannter Erreger handeln kann. Die Definition eines meldepflichtigen Ereignisses erfolgt also zum einen erregerspezifisch, zum anderen über einen erregerunspezifischen einheitlichen Bewertungsalgorithmus. Darüber hinaus sollen auch im weiteren Verlauf des Geschehens regelmäßig relevante Informationen, einschließlich der Falldefinition, den Laborergebnissen, der Ursache und Art des Risikos, der Zahl der Krankheits- und Todesfälle sowie die Ausbreitung beeinflussende Bedingungen und weitere getroffene Gesundheitsmaßnahmen an die WHO gemeldet werden. Diese Meldungen und eine übergeordnete Kommunikation und Koordination erfolgen von einem für jeden Mitgliedsstaat zu benennenden National Focal Point. Im Anhang 1 der IGV werden von der WHO für die kommunale, Landes- und nationale Ebene eines Surveillancesystems minimale Kernkapazitäten gefordert, die in einem Mitgliedsstaat eingerichtet sein müssen, um die Vorschriften umsetzen zu können. Eine individuelle Einschätzung eines Landes hinsichtlich seiner vorhandenen Kapazitäten in Bezug auf die Feststellung, Bewertung, Meldung und Berichterstattung von Ereignissen, die von internationaler Tragweite sein können, soll nach den Vorschriften im Sommer 2009 abgeschlossen sein. Ein daraufhin zu entwickelnder Aktionsplan soll die Mitgliedsstaaten bei der Umsetzung noch nicht optimaler Strukturen unterstützen. Bis 2012 müssen alle Voraussetzungen geschaffen worden sein, um die Vorgaben der IGV umsetzen zu können. Das deutsche infektionsepidemiologische Surveillancesystem zählt zu den modernsten in Europa und ist nach den Prüfkriterien der Empfehlungen des US-amerikanischen Centers for Disease Control and Prevention von 2001 auch im internationalen Vergleich als effektiv zu bewerten (CDC 2001; Krause 2005). Die IGV schreiben allerdings die Erfassung und Meldung von Sachverhalten vor, die bisher nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) nicht meldepflichtig sind. Hierzu gehören u.a. Meldungen von erregerunspezifischen Ereignissen internationaler Tragweite und regelmäßige Angaben zu Interventionsmaßnahmen sowie die Dokumentation weiterer, bisher in 12 IfSG noch nicht vorgesehener Erreger wie z. B. das West-Nil-Virus und SARS. Ein entsprechendes Gesetz zur Umsetzung der IGV ist bereits in Vorbereitung. Zur Umsetzung der IGV ergibt sich somit für Deutschland zunächst die Notwendigkeit einer Anpassung des IfSG und darüber hinaus eine Bewertung des bestehenden Systems mit dem Ziel weiterer Anpassungen des Systems zur frühzeitigen Erkennung, Meldung und Abwehr von schwerwiegenden Ereignissen. 7

8 Im Rahmen dieses Projektes soll der Schwerpunkt der Bewertung der Strukturen auf die Ebene der Gesundheitsämter gelegt werden. Diese müssen nach Anlage 1 der IGV in der Lage sein,.. in allen Bereichen Ereignisse festzustellen, die Krankheits- und Todesfälle über dem für den betreffenden Zeitpunkt und Ort zu erwartenden Niveau mit sich bringen und alle wesentlichen Informationen unverzüglich den entsprechenden Behörden zu melden. Als wesentliche zu meldende Informationen werden hier angesehen: klinische Beschreibungen, Laborereignisse, Quellen und Arten von Risiken, Zahl der Krankheits- und Todesfälle, die Ausbreitung beeinflussende Bedingungen und getroffene Gesundheits- sowie Bekämpfungsmaßnahmen. Die Nützlichkeit des Systems wird letztendlich von der Fähigkeit bestimmt, auch bisher unbekannte Erreger zu jeder Zeit schnell erkennen und kontrollieren zu können. So sind besonders die Kapazitäten einer schnellen, kontinuierlichen Berichterstattung und einer unverzüglichen Reaktion auf unbekannte oder unerwartete Erreger neben denjenigen der Routinesurveillance zu unterstützen. Darüber hinaus sollten Voraussetzungen für regelmäßig durchzuführende Fortbildungen und Trainings sowie Kommunikationsstrukturen vorliegen, die eine effiziente Krisenkommunikation gewährleisten und alle Beteiligten auch mit nicht-formalen Daten hinreichend und schnell versorgen. Eine Bewertung der bestehenden Strukturen sowie die Entwicklung und Testung von Instrumenten zur Unterstützung der infektionsepidemiologischen Arbeit auf Ebene der Gesundheitsämter wurde mit dem ersten Projekt der Pilotgesundheitsämter begonnen. Diese Methodik soll nun, unter besonderer Berücksichtigung der Vorgaben der IGV, fortgesetzt werden. 3. Zielsetzung Das zweite Projekt der Pilotgesundheitsämter hat einerseits zum Ziel, gemeinsam mit Vertretern der Gesundheitsämter und Landesstellen eine formale Bewertung der vorhandenen Strukturen und Prozesse auf Ebene der Pilotgesundheitsämter auch hinsichtlich der in den IGV festgelegten Vorgaben vorzunehmen. Die Bewertung soll im Rahmen von gemeinsamen Arbeitstreffen sowie anhand bereits vorliegender Ergebnisse des ersten Projektes und einer darauf aufbauenden quantitativen Befragung vorgenommen werden. Die Ergebnisse der Bewertung und die daraus sich ergebenden Empfehlungen sollen in Form eines gemeinsamen Bewertungsberichtes vorgelegt werden, der den Ländern bei der Diskussion und Umsetzung der Internationalen Gesundheitsvorschriften hilfreich sein kann. Weiter ist geplant, gemeinsam Instrumente zu entwickeln, die die Gesundheitsämter bei ihren praktischen infektionsepidemiologischen Aufgaben unterstützen können und zu einer 8

9 Verbesserung der Surveillance im Rahmen des IfSG führen. Folgende Instrumente sollen diskutiert und umgesetzt werden: ein Ausbruchserfassungsbogen Weiterentwicklung der Fax-Infobriefe für alle Pilotgesundheitsämter Diskussion bestehender computergestützter Erfassungsysteme meldepflichtiger Erkrankungen ein modifizierter Bewertungsalgorithmus zu Erkennung von Ereignissen besonderer Tragweite Weitere Themenvorschläge aus dem Kreis der Pilotgesundheitsämter 4. Methoden 4.1. Auswahl der Gesundheitsämter für das Pilotprojekt I Eine erste, für das Bundesgebiet repräsentative Auswahl der Gesundheitsämter wurde 2003 zu Beginn des ersten Projektes des Sentinels der Pilotgesundheitsämter vorgenommen. Die Anzahl von 45 Gesundheitsämtern (etwa 10% aller deutschen Gesundheitsämter inklusive Nebenstellen) wurde als optimal angesehen, um eine bestmögliche Betreuung und Untersuchung eines jeden Gesundheitsamtes gewährleisten zu können. Die Teilnahme an dem Projekt war freiwillig. Hauptauswahlkriterien bildeten zunächst die Anzahl der Gesundheitsämter pro Bundesland und die jeweilige Bevölkerungszahl. Weitere Kriterien waren die Gesamtinzidenz der Meldungen (Anzahl der im Jahr 2002 an das RKI übermittelten Krankheiten pro Einwohner (Stichtag: ) Wertebereich stratifiziert in drei Gruppen), die Struktur des Einzugsgebietes (ländlich, städtisch, beides) und die Anzahl der Mitarbeiter (Wertebereich stratifiziert in drei Gruppen). Unterkriterien bildeten das Vorhandensein einer separaten Tuberkuloseabteilung im Gesundheitsamt, eines Großklinikums oder einer Justizvollzugsanstalt im Einzugsgebiet (jeweils binär: ja / nein) Ersatz von 14 ausgeschiedenen Gesundheitsämtern 14 Gesundheitsämter entschlossen sich dazu, an dem Sentinel der Pilotgesundheitsämter zu den IGV ab Juli 2006 nicht mehr teilzunehmen. Aus diesem Grund wurde erneut eine zufällige, für Deutschland repräsentative Auswahl unter Berücksichtigung oben genannter Auswahlkriterien getroffen. Insgesamt sollen weiterhin 45 Gesundheitsämter freiwillig an dem Projekt mitarbeiten. Die Hauptauswahlkriterien des ersten Projektes wurden zur Ermittlung der jeweiligen Anzahl der 9

10 Gesundheitsämter pro Bundesland beibehalten (Stand: ). Weitere Auswahlkriterien waren die Inzidenz der Meldungen (Meldungen , / E, Wertebereich stratifiziert in drei Gruppen), die Struktur des Einzugsgebietes (ländlich, städtisch, beides, Stand der Daten: 2002), die Art der Meldesoftware (sechs Ausprägungen) und die Anzahl der Mitarbeiter (Wertebereich stratifiziert in drei Gruppen, Stand der Daten: 2002). Die Auswahl der Gesundheitsämter aus den jeweiligen Gruppen erfolgte aufgrund einer Zufallsverteilung mit Hilfe des Computerprogramms EpiCalc. Eine Liste der bisher teilnehmenden Gesundheitsämter wie der zufällig ausgewählten neuen Gesundheitsämter wird den Landesstellen mit der Bitte um Empfehlung zur Teilnahme der Gesundheitsämter an dem Projekt zugeleitet Durchführung der Bewertung vorhandener Strukturen Diskussionsforum in Berlin Im Vorfeld eines ersten Treffens werden vom RKI Zielvorgaben, die sich auch an Vorgaben der IGV orientieren, für die Bewertung erarbeitet. Diese werden den Gesundheitsämtern und Landesstellen zur Diskussion gestellt und nach Konsens im Vorfeld des Arbeitstreffens allen Teilnehmern zugeschickt. Im Rahmen des ersten Meetings werden die Vertreter der Gesundheitsämter und Landesstellen gebeten, in Arbeitsgruppen eine Bewertung der vorhandenen Strukturen hinsichtlich der Zielvorgaben und vor dem Hintergrund der bisher gemachten Erfahrungen in Hinblick auf Ausbruchsuntersuchungen und die Umsetzung der IGV vorzunehmen. Folgende Punkte sollen dabei diskutiert werden: Sind die Zielvorgaben der WHO in Einklang zu bringen mit denjenigen der Gesundheitsämter? Analyse der vorliegenden Surveillancedaten anhand objektiv messbarer Kriterien (Inzidenz, Prävalenz, Sensitivität, Spezifität, Falldefinitionen, Vollständigkeit, Reliabilität; durchgeführt vom RKI) Beschreibung der Meldevorgänge bedrohlicher Infektionen sowie der daraufhin durchgeführten Maßnahmen und die damit verbundenen Schwierigkeiten (Meldebögen, Software, Datenumfang, Akzeptanz) Eingeschätztes Wissen und Meldecompliance der Ärzte und Labore sowie Einschätzung des Informationsflusses von den Gesundheitsämtern zu den Ärzten hinsichtlich bedrohlicher meldepflichtiger Krankheiten 10

11 Inhalte der übermittelten Informationen von den Ärzten zum Gesundheitsamt und weiter zu den Landesstellen und dem RKI und Einschätzung ihrer Nützlichkeit im Hinblick auf die Erfüllung der infektionsepidemiologischen Aufgaben Geschwindigkeit des Informationsflusses in alle Richtungen und Möglichkeiten der Optimierung Beschreibung der Koordinations- und Kommunikationsstrukturen im Falle eines Ausbruchs einer bedrohlichen Krankheit in Bezug auf Anwenderfreundlichkeit und Übersichtlichkeit sowie auf schnelle Verbreitung relevanter Informationen: Koordinierung des Informationsflusses und der durchgeführten Aktivitäten zwischen den Gesundheitsämtern, Landesstellen, obersten Landesgesundheitsbehörden; Kommunikation mit öffentlichen Medien und der Bevölkerung; technische Ausstattung Bewertung der Zusammenarbeit mit dem RKI (Feedback) Laborkapazitäten in Bezug auf Erreichbarkeit, Funktionalität und Entwickungsstand Darüber hinaus sollen Instrumente diskutiert werden, die bei der Bewältigung der infektionsepidemiologischen Aufgaben hilfreich sein könnten. So ist zu klären, in welcher Weise ein einheitlicher Bewertungsmaßstab eines Ereignisses von internationaler Tragweite in Anlehnung an denjenigen in der Anlage 2 der IGV (s dieses Konzeptes) für die Gesundheitsämter sinnvoll sein könnte. Ebenso soll der Entwurf eines im Vorfeld des Meetings erarbeiteten Ausbruchserfassungsbogens vorgestellt werden Quantitative Befragung Im Rahmen des ersten Projektes der Pilotgesundheitsämter wurde eine semiquantitative Befragung aller Gesundheitsämter hinsichtlich des Arbeitsflusses durchgeführt. Qualitative Befragungen führen in der Regel nicht zu statistisch nachprüfbaren evidenten Ergebnissen sondern dienen in erster Linie der Hypothesengenerierung. Anhand der erzielten Erkenntnisse der Befragung werden vom RKI Aussagen generiert, die durch einen quantitativen Fragebogen überprüft werden sollen. Dieser wird vom RKI erarbeitet und nach Konsens mit der Bitte um Bearbeitung allen Gesundheitsämtern im Anschluss an das Meeting zugesandt Verfassen eines Bewertungsberichtes durch das RKI Das RKI wird einen abschließenden Bericht über beschriebene Stärken, Schwächen und Möglichkeiten sowie mögliche Hindernisse des bestehenden Systems ausarbeiten und an alle Beteiligten versenden (s. Zeitplan). Im Rahmen eines zweiten Meetings sollen die Ergebnisse abschließend diskutiert und verabschiedet werden. 11

12 4.4. Entwicklung von Instrumenten zur Unterstützung der Arbeit der Gesundheitsämter Entwicklung eines Erfassungsbogens für Ausbrüche Zur Vereinfachung und Standardisierung von Ausbruchsuntersuchungen soll die Entwicklung eines einheitlichen Erfassungsbogens abgeschlossen und dieser von den Pilotgesundheitsämtern erprobt werden. Dieser soll sich bewusst nicht auf Ausbrüche oder andere Ereignisse von internationaler Tragweite beschränken, da prinzipiell nicht vorhergesehen werden kann, ob sich im weiteren Verlauf eine solche Bedeutung ergibt. Die hier geplanten Aktivitäten sollen vor allem helfen, die Bearbeitung alltäglicher Ausbrüche im Gesundheitsamt zu vereinfachen und zu optimieren. Mit der Konzeption wurde bereits während des vorherigen Projektes begonnen. Diskutiert wurden bisher ein Erfassungsbogen zur Standardisierung einer telefonischen Meldung sowie ein Vor-Ort-Bogen in Form einer Linelist. Dieser sollte Grundinformationen zum Ausbruch sowie Informationen zu Symptomen, zur Diagnostik und Angaben zu durchgeführten Maßnahmen enthalten, die nun durch die IGV vorgeschrieben sind. Es ist geplant, den Erfassungsbogen nach Erstellung durch das RKI und Konsensfindung den Gesundheitsämtern Anfang des Jahres 2007 zur Erprobung zuzusenden, gemeinsam im Rahmen des ersten Meetings Ende Mai 2007 zu diskutieren und zu optimieren und nach erneuter Bearbeitung gegebenenfalls bundesweit den Ländern anzubieten. Der fertige Erhebungsbogen ist dabei als Vorschlag an die Gesundheitsämter zu verstehen, jedes Gesundheitsamt kann jedoch selbst über die Gestaltung des Bogens entscheiden Diskussion eines optimalen Erfassungsprogramms am Beispiel von SurvNet Das vom RKI entwickelte Programm SurvNet zur Erfassung meldepflichtiger infektionsepidemiologischer Daten bedarf aus verschiedenen Gründen einer Überarbeitung. So muss unter anderem das Programm den im Januar 2007 in Kraft tretenden neuen Falldefinitionen angepasst werden. Darüber hinaus wird darüber nachgedacht, elektronische Validierungsinstrumente zur Optimierung der Datenqualität besonders in Bezug auf die Falldefinitionen zu integrieren. Ferner wird angestrebt, die Software von SurvNet zur Bearbeitung von infektionsepidemiologischen Meldefunktionen als so genanntes Plug-In in die bestehende Gesundheitsämter-Software anderer Anbieter zu integrieren, sofern nicht SurvNet verwendet wird. Im Rahmen dieser Erneuerungen ist es sinnvoll, eine kritische Analyse der bestehenden Strukturen insbesondere zur Erfassung und Bearbeitung von Ausbrüchen durch die Anwender vorzunehmen und diskutierte Inhalte bei der Konzeption neuer Strukturen von SurvNet zu berücksichtigen. Ziel soll sein, SurvNet so zu gestalten, dass der Aufwand der Bearbeitung infektionsepidemiologischer Meldungen für alle Ebenen 12

13 des ÖGD so gering und anwenderfreundlich wie möglich gehalten werden kann. Die Diskussion soll im Rahmen des ersten Arbeitstreffens geschehen Versand von Faxinfobriefen an niedergelassene Ärzte Es ist bekannt, dass der Meldepflicht seitens der Ärzte und Labore nicht immer vollständig und zeitnah nachgekommen wird. Als Grund für diesen Umstand wird ein mangelndes Bewusstsein der Meldepflicht als Folge eines Informationsdefizits und eingeschränkten Informationsflusses über vorliegende Meldedaten angesehen. Es konnte im letzten Jahr im Rahmen einer integrierten Interventionsstudie gezeigt werden, dass der regelmäßige Versand eines Faxinfobriefes von neun Pilotgesundheitsämtern an niedergelassene Ärzte mit relevanten Themen des Infektionsschutzes das Meldeverhalten der Ärzte auf messbare Weise verbessert hat. Es wird erwartet, dass die Briefe auch bei Ereignissen mit bedrohlichen Erregern einen schnellen Transfer von Informationen gewährleisten. Aus diesem Grund wird vorgeschlagen, den Versand der Briefe seitens des RKI weiter zu unterstützen und Hilfestellung zu geben, den Versand der Briefe auf alle Pilotgesundheitsämter auszudehnen Diskussion weiterer Instrumente Im Rahmen des ersten Meetings sollen weitere Instrumente oder Möglichkeiten diskutiert werden, die bei der Bearbeitung von Ausbrüchen oder der Entscheidung, ob ein Ereignis von besonderer Tragweite vorliegt, Arbeitsvorgänge vereinfachen können. Das RKI schlägt zur Diskussion die Entwicklung eines Bewertungsalgorithmus für Ereignisse vor, die internationale Auswirkungen haben oder von besonderer Tragweite sein könnten. Im Rahmen der Umsetzung der IGV wurde von der WHO ein Bewertungsinstrument entwickelt, welches die Mitgliedsstaaten in der Entscheidung unterstützt, ein infektionsepidemiologisches Ereignis ungeachtet seiner Quelle als eine Notlage von internationaler Tragweite einschätzen und der WHO melden zu können (Anlage 2 der IGV). Zu beurteilende Kriterien sind dabei unter anderem die Morbidität und Mortalität, das Auftreten eines ungewöhnlichen oder unerwarteten Ereignisses, die Gefahr einer schnellen internationalen Verbreitung, die Potenz einer erheblichen Gefahr für die öffentliche Gesundheit und ob externe Hilfe benötigt wird, um das Ereignis erkennen, untersuchen und kontrollieren zu können. Gemeinsam mit den Pilotgesundheitsämtern soll herausgearbeitet werden, welche Kriterien des Anhang 2 der IGV im peripheren ÖGD anwendbar sind und wie ein entsprechender Algorithmus für den ÖGD angepasst werden müsste. 13

14 5. Erwartete Ergebnisse 5.1. Gemeinsamer Einstieg in die Diskussion der praktischen Umsetzung der IGV Von der WHO werden in Artikel 5 (1) und (2) Zeitspannen vorgegeben, bis wann die Internationalen Gesundheitsvorschriften umgesetzt sein sollten. Ein operationalisierter transparenter Prozess unter Einbeziehung aller unmittelbar Beteiligten des Systems ermöglicht die Berücksichtigung unterschiedlicher relevanter Sichtweisen und hilft die Kommunikation und Kooperation aller Beteiligten zu verbessern. Darüber hinaus ermöglicht der Prozess auf Ebene der Gesundheitsämter die Entwicklung von Empfehlungen zur deutschlandweiten Umsetzung der IGV durch die Länder Kontinuierliches Qualitätsmanagement Mit diesem Projekt wird die Diskussion über Möglichkeiten zur kontinuierlichen Verbesserung des Meldesystems durch die Pilotgesundheitsämter mit Schwerpunkt der Einführung der IGV fortgesetzt Wissenschaftliche Publikationen Die Erfahrungen sollen der internationalen Fachöffentlichkeit vorgestellt und mit den Erfahrungen anderer Länder verglichen werden. Ein kontinuierlicher Dialog mit der WHO und anderen beteiligten Ländern wird zur Optimierung des Einführungsprozesses der IGV in Deutschland beitragen. 6. Zeitplan Juli Februar 2007 Sichtung der alten Daten Erstellung eines Projektkonzeptes Ersatz der 14 nicht mehr teilnehmenden Gesundheitsämter des Projektes bis 2005 Kommunikation mit den zuständigen Landesstellen und dem BMG Erarbeitung eines Entwurfes eines einheitlichen Ausbruchserfassungsbogens, Konsensbildung und Zusendung des Bogens zur Erprobung an alle Pilotgesundheitsämter Ende Februar 2007 bis Mai 2007 Erstellung eines Fragebogens für die quantitative Untersuchung März -Mai 2007 Planung des ersten Arbeitstreffens Definition von Zielkriterien für die Bewertung 14

15 Vorbereitung der Arbeitsgruppen Ende Mai: Durchführung des Arbeitstreffens Diskussion des erprobten Ausbruchserfassungsbogens (Plenum) Bewertung des Surveillancesystems hinsichtlich der Erfassung von Ausbrüchen in Arbeitsgruppen Diskussion von Kriterien eines Algorithmus zur Einschätzung einer infektionsepidemiologischen Notlage (Plenum) Diskussion von Möglichkeiten einer Optimierung von SurvNet (Plenum) Juni 2007 Februar 2008 Überarbeitung und Verabschiedung des Ausbruchserfassungsbogens zur Vorlage in den Ländern Durchführung der Befragung (quantitativen Untersuchung) auf Ebene der Pilotgesundheitsämter (bis Ende Juni) Auswertung der quantitativen Untersuchung Ausarbeiten eines zusammenfassenden Bewertungsberichtes Entwicklung eines Algorithmus zur Einschätzung einer infektionsepidemiologischen Notlage nach Vorgaben des ersten Meetings März -Mai 2008 Planung eines zweiten Arbeitstreffens Ende Mai: Zweites Meeting Diskussion des Bewertungsberichtes und der damit verbundenen Empfehlungen sowie der zu erwartenden Schwierigkeiten bei der Umsetzung Diskussion eines Algorithmus zur Einschätzung einer infektionsepidemiologischen Notlage zur Vorlage in den Ländern Vorstellung des Optimierungsprozesses von SurvNet Erarbeitung neuer Forschungsfragen zu Bearbeitung durch die Pilotgesundheitsämter Juni -Dezember 2008 Abschließende Erarbeitung des Algorithmus Erstellung eines Abschlussberichtes des Projektes Vorstellung der Ergebnisse auf Kongressen und Meetings des öffentlichen Gesundheitsdienstes und Publikationen 15

16 Juni 2009 Ende der durch die IGV vorgegebenen Beurteilungsphase 7. Datenschutz und Ethik Im Rahmen dieses Projektes werden keine personenbezogenen Daten von Erkrankten erhoben. Vorhandene Daten werden im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen genutzt. Es werden keine Untersuchungen am Menschen oder an Tieren oder mit Proben von Menschen vorgenommen. Die Teilnahme der Gesundheitsämter ist freiwillig. Ziel des Projektes ist die konzeptionelle Bewertung und Optimierung der vorhandenen Strukturen als gesamte Organisationsform. Eine Bewertung einzelner Mitarbeiter wird nicht stattfinden. Ergebnisse von Befragungen der Mitarbeiter werden anonymisiert dokumentiert, ausgewertet und veröffentlicht. Spezifika einzelner Gesundheitsämter werden namentlich nur nach ausdrücklicher Genehmigung der zuständigen Leitung weitergegeben. Aufgrund der oben genannten Ausführungen sind datenschutzrechtliche oder ethische Bedenken bei der Durchführung des Sentinels nicht zu erwarten. 8. Kooperationspartner Die teilnehmenden Gesundheitsämter und Vertreter der Landesstellen gestalten, wie auch in den Projekten des ersten Sentinels der Pilotgesundheitsämter, mit Hilfe von Gruppendiskussionen und Befragungen aktiv den Verlauf des Projektes und werden eingeladen, zusätzliche Aufgaben von Forschungsfragen in das Projekt hineinzutragen. 9. Literatur - Current International Health Regulations Epidemic and Pandemic Alert and Response (EPR). World Health Organization Link: - Center for Disease Control (CDC): Guidelines for Evaluating Surveillance Systems. MMWR 1988; Vol. 37 (S-5): Center For Disease Control (CDC): Updated Guidelines for Evaluating Public Health Surveillance Systems. MMWR 2001; Vol. 50 (RR-13): Krause G: Qualitätsmanagement der Surveillance. Vortrag vor dem Fakultätsrat der Charité Berlin, Juni Krause G.: Surveillance von Ausbrüchen übertragbarer Krankheiten. Vortrag in Berlin, Oktober

17 - WHO: Protocol for the Assessment of National Communicable Disease Surveillance and Response Systems. Guidelines for Assessment Teams. WHO/CDS/CSRI/ISR/ Link: 01_2_EN/en/. - WHO: An integrated approach to communicable disease surveillance. Weekly Epidemiological Record 2000; No. 1 (75): WHO: Protocol for the Assessment of National Communicable Disease Surveillance and Response Systems. Guidelines for Assessment Teams. WHO/CDS/CSRI/ISR/ Link: 01_2_EN/en/. - WHO: Communicable disease surveillance and response systems. A guide to monitoring and evaluating. Epidemic and Pandemic Alert and Response. World Health Organization