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2 sein, dass sein Werk nicht als Teufelskunst gegen Gottes Willen angeprangert wurde. Nicht umsonst verscharrte man Tagliacozzi heute gerühmt als einer der Urväter der modernen Plastischen Chirurgie nach seinem Tod in ungeweihter Erde vor den Toren seiner Heimatstadt Bologna. Tagliacozzi war seiner Zeit weit voraus, denn schon 1597 verwies er auf den Zusammenhang zwischen Körperbild und Psyche: Wir bauen auf und stellen wieder her und machen ganze Teile des Gesichts, die die Natur gegeben und das Schicksal fortgenommen hat, nicht nur zur Freude des Auges, sondern um den Geist aufzurichten und der Seele des Betroffenen zu helfen. Im 18. Jahrhundert führten die revolutionären Ideen der Aufklärung zu einem radikal veränderten Menschenbild. Tenor: Der

3 Mensch hat ein Recht auf individuelles Glück und ist für sein Leben und seinen Körper selbst verantwortlich. Historiker sehen die Aufklärung heute als ideologische Basis für den Erfolg der modernen Schönheitschirurgie. Die medizinische Basis schufen im 19. Jahrhundert deutsche Ärzte, indem sie an die wiederherstellenden Methoden der Italiener anknüpften: 1818 veröffentlichte Carl Ferdinand von Graefe ( ) das erste Lehrbuch der Plastischen Chirurgie, und 1845 führte der Berliner Chirurg Johann Friedrich Dieffenbach ( ) die erste Nasenoperation aus rein ästhetischen Gründen durch. Dabei verkleinerte er die außerordentlich große Nase einer Metzgerfrau. Als einer der ersten Europäer arbeitete Dieffenbach kurz vor seinem Tod mit den zeitgleich in Amerika erfundenen

4 Techniken zur Äthernarkose und Desinfektion, wodurch medizinische Eingriffe sicherer und weniger schmerzhaft wurden. Dieffenbach beschränkte sich allerdings nicht auf Nasenoperationen, sondern operierte auch Lippen- und Gaumenspalten. Viele Zeitgenossen betrachteten sein Tun wider die Natur immer noch mit großem Argwohn. Die Kinder auf der Straße riefen Dieffenbach hinterher: Wer kennt nicht Doktor Dieffenbach, den Doktor der Doktoren? Er schneidet Arm und Beine ab, macht neue Nas und Ohren! Weitere revolutionäre Neuerungen folgten um die Jahrhundertwende: Nachdem 1897 dem New Yorker John Orlando Roe ( ) die erste Nasenverkleinerung durch Schnitte innerhalb der Nase gelungen war, entfernte 1904 auch der Berliner Jacques

5 Joseph ( ) an der Charité einen Nasenhöcker von innen heraus, um äußere Vernarbungen zu vermeiden. Joseph schrieb ein Lehrbuch ( Nasenplastik und sonstige Gesichtsplastik, nebst einem Anhang über Mammaplastik, 1928), das bis heute als Standardwerk gilt und dessen Originalausgabe auf Auktionen zum Teil für über 2000 Euro gehandelt wird. Außerdem entwickelte er zahlreiche Instrumente, die in leicht veränderter Form noch heute verwendet werden. Sein Schüler Gustave Aufricht musste vor den Nazis fliehen, emigrierte nach New York und verbreitete die Techniken seines Lehrers im angelsächsischen Raum. Doch längst ging es nicht mehr ausschließlich um die Nase: Nach dem Amerikaner Thorek (1922) nahm auch der

6 Berliner Erich Lexer 1925 eine erste Brustverkleinerung vor. Die beiden Weltkriege ließen die Akzeptanz der Plastischen Chirurgie in die Höhe schnellen, und die Behandlungen von Kriegsverletzungen an Gesicht und Kopf zwangen zu neuen und verfeinerten Methoden bei Hauttransplantationen und bei der Wiederherstellung von verlorengegangenen Körperteilen. Nach dem Zweiten Weltkrieg begann die Plastische Chirurgie, ausgehend von den USA, ihren endgültigen Siegeszug. Das lag nicht zuletzt an der Einführung der Mikrochirurgie in den 1960er Jahren. Sie ermöglichte, feinste Wundnähte zu setzen und Blutgefäße und Nerven präzise miteinander zu verbinden. Immer öfter unternahmen Chirurgen nun Operationen, die das Äußere eines Menschen aus rein ästhetischen Gründen neu