Landwirtschaft und Landschaftspflege in Thüringen

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1 Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft 1. Thüringer Nutztierforum Schriftenreihe Heft 5 / 1998 Landwirtschaft und Landschaftspflege in Thüringen

2 Die Veranstaltung wurde gefördert durch: Westfalia-Landtechnik GmbH, Oelde Basu Mineralfutter GmbH, Bad Sulza Denkavit Futtermittel GmbH, Katzheide Bioprofin-Wulfa Mast GmbH & Co. KG Kali & Salz GmbH, Kassel Deuka GmbH & Co., Düsseldorf Thüringer Landgesellschaft mbh Impressum 1. Auflage 1998 Herausgeber: Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft Naumburger Str. 98, JENA Tel.: (03641) 683-0, Fax: (03641) ISSN Nachdruck - auch auszugsweise - nur mit Quellenangabe gestattet. - Die Autoren sind für ihre Artikel eigenverantwortlich.

3 Inhaltsverzeichnis Vorwort Prof. Dr. sc. Otto Kaufmann Thüringer Nutztierforum: Fruchtbarkeit der Milchkühe Ökonomierat Prof. Dr. Herbert Bohle... 7 Fruchtbarkeitssituation im Freistaat Thüringen Dr. Erwin Oschika Physiologische, ökonomische und leistungsgerechte Rast- und Zwischentragezeiten bei Milchkühen Dr. Matthias Platen und Dr. Uri Gross Herdenanalyse und Maßnahmen für Verbesserung der Herdenfruchtbarkeit beim Rind Prof. Dr. Walter Busch Biotechnik der Fortpflanzung: Einsatz von Hormonen zur Verbesserung der Fruchtbarkeit bei der Milchkuh Dr. Lothar Jäkel und Dr. Matthias Platen Einfluss der Fütterung auf die Fruchtbarkeit Dr. Hans-Jürgen Löhnert und Dr. Carola Eckermann Neue Dimension an Bedienerfreundlichkeit und Praxisnutzen Dairyplan 5" - Herdenmanagement: zentral gesteuert und aus einem Guss Dr. René Rackwitz Schriftenreihe der TLL 3

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5 Vorwort Die Fruchtbarkeit von Milchkühen ist eine unabdingbare Voraussetzung für die Milcherzeugung. Ohne Reproduktion keine Produktion! Für den praktischen Milchbetrieb bedeutet das, dass die Kühe in bestimmten Abständen kalben und ebenso wieder tragend werden. Die Realität ist jedoch dadurch gekennzeichnet, dass ein großer Anteil des Remontierungsbedarfes in den Milchviehherden auf eine mangelnde Fruchtbarkeit oder auf Fruchtbarkeitsstörungen zurückzuführen ist. Außerdem wirken sich hohe Besamungsaufwendungen je Trächtigkeit ebenfalls nachteilig auf die Wirtschaftlichkeit der Milchproduktion aus. Aufgrund der Komplexität der Einflussfaktoren auf die Fruchtbarkeitsmerkmale werden hohe Anforderungen an das Management gestellt. Das 1. Thüringer Nutztierforum soll im interdisziplinären Dialog zwischen Wissenschaft und Praxis Probleme analysieren und Lösungsansätze aufzeigen. Prof. Dr. sc. Otto Kaufmann 1 1 Anschrift des Autors: Prof. Dr. sc. Otto Kaufmann Humboldt-Universität zu Berlin Landwirtschaftl.-Gärtnerische Fakultät, Institut für Nutztierwissenschaften Phillipp-Str. 13, BERLIN Schriftenreihe der TLL 5

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7 1. Thüringer Nutztierforum: Fruchtbarkeit der Milchkühe Ökonomierat Prof. Dr. Herbert Bohle (Präsident der Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft) Fruchtbarkeitsmerkmale sind bekanntlich alle die Kriterien, welche die Fortpflanzungsleistung eines Tieres bestimmen und somit einen entscheidenden Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit der Tierproduktion haben. Bei Kühen sind dies u.a. Brunstsymptome, Non-Return-Rate, Besamungsindex und Konzeptionsrate, Zahl der Nachkommen und Zwischenkalbezeit. Ausdruck positiver Vorzeichen dieser Fruchtbarkeitsindizien ist primär das Hauptleistungsmerkmal Milch mit Milchmenge, Milchfett und Milcheiweiß. Diese Reihe der bis dato gängigen Fruchtbarkeitsmerkmale wird möglicherweise in naher Zukunft noch komplettiert durch die individuelle Eignung von Kühen für biotechnische Eingriffe zur Verbesserung ihrer Fruchtbarkeit. Wenn auf dem 1. Thüringer Nutztierforum zu Biotechnik und Fruchtbarkeit referiert wird, so zeigt dies geradezu exemplarisch, welche rasante Entwicklung die Landwirtschaft allgemein und die Tierhaltung im Besonderen in den letzten 50 Jahren des in Kürze auslaufenden 20. Jahrhunderts genommen hat. Zwar sind biotechnische Verfahren im weitesten Sinne, angefangen beim maschinellen Milchentzug, über den wissenschaftlichen Technikeinsatz bei Embryotransfer oder Brunstsynchronisation heute in der Rindviehzucht schon fast selbstverständlich. Ob dies morgen bei der Gentechnologie ebenso der Fall sein wird, wird von vielen heute noch in Frage gestellt, d. h. die Anwendung molekular-biologischer Methoden zum Zweck der Genmanipulation, klassisch einfach beispielsweise mit Züchtungsziel Hornlosigkeit beim Rind, aber schon wesentlich komplizierter mit Züchtungsziel Verbesserung der Fruchtbarkeit, bedarf noch viel wissenschaftlicher Grundlagenforschung und ebenso viel überzeugender Aufklärungsarbeit. Die jüngere Vergangenheit der Züchtungsforschung Für jemand, der, wie der Autor dieser Einleitung, sich vor knapp 40 Jahren mit Beginn seines Landwirtschaftsstudiums im Studienfach Tierproduktion ganz selbstverständlich nach dem damals gängigen Standardwerk Züchtung, Ernährung und Haltung der landwirtschaftlichen Haustiere von Schmidt-Patow- Kliesch in der 7. Auflage vom Herbst 1955 informierte, ist es gleichermaßen fachlich faszinierend wie historisch beeindruckend, nachzulesen, was die seiner Zeit renommierten Agrarwissenschaftler aus Stuttgart und Berlin zum Thema Fruchtbarkeit zu sagen wussten. Die Fruchtbarkeit, so die Autoren, kann man nach der Zahl der Geburten, die bis zu einem bestimmten Alter erreicht ist, bewerten, oder auch nach der durchschnittlich zwischen zwei Geburten vergangenen Zeit. Ob man bei Bewertung der Fruchtbarkeit nur normale Geburten, d. h. solche nach normaler Tragezeit heranzieht, ob man totgeborene Junge oder auch Fehl- und Frühgeburten mitzählt, lässt sich nicht generell entscheiden. Welche ökonomischen, physiologischen und leistungsgerechten Rast- und Zwischentragezeiten heute das Maß der Dinge sind, zeigt allein schon die Tatsache, dass das Fruchtbarkeitsmanagement mehr und mehr den zentralen biologischen Komplex der Milcherzeugung darstellt und von daher unphysiologisch verlängerte Zwischentragezeiten bei niedrigen Jahresleistungen um kg/kuh nicht nur ein finanzielles Problem sind. Auch die Fütterung kann nach Lehrbuchwissen von 1955 die Fruchtbarkeit bis zu einem gewissen Grade steigern, z. B. über genügende Versorgung des tragenden Muttertieres, aber auch vermindern infolge Unterernährung oder Überfütterung. Gefragt ist heute bei anvisierten bis kg Milch je Kuh und Jahr ein Fütterungsmanagement über neue, praxiserprobte Strategien und Techniken, wie rechnergestützte Kälberfütterung oder die Total-Misch-Ration für Kühe, bewährte Verfahren, die leider nur zögerlich Einzug in die Betriebe halten. Schriftenreihe der TLL 7

8 Zurück zum Tierzucht-Lehrbuch der 50er Jahre von Schmidt-Patow-Kliesch. Dort heißt es abschließend zur Fruchtbarkeit, dass diese mit dem Alter im Allgemeinen abnehme, und dass die Zahl der entwicklungsfähigen Eianlagen in den Eierstöcken zurück gehe, und zwar bei hochgezüchteten Rassen, die meist zur Verfettung neigen, rascher als bei primitiven. Zu beklagen sei schließlich, dass die Dauer der Zuchtfähigkeit bei den Haustieren aus wirtschaftlichen Gründen selten voll ausgenutzt würde, wobei die Zuchtfähigkeit in einem gewissen Zusammenhang stehe mit der Früh- bzw. Spätreife der Tiere und bei frühreifen Rinderrassen mit 12 bis 15 Jahren meist kürzer sei als bei spätreifen mit 18 bis 20 Jahren. Es sei überflüssig zu betonen, so die Autoren abschließend, dass die Vererbungssicherheit durch höheres Alter nicht beeinträchtigt werde. Den Zuchtfortschritt von gestern nach morgen entwickeln Dass sich die Reminiszenzen an die Fruchtbarkeits- und Züchtungsexperten in der Mitte unseres Jahrhunderts in der einen oder anderen Hinsicht werden korrigieren lassen müssen, steht unter den Aspekten von Herdenanalyse und Herdenfruchtbarkeit ebenso außer Frage wie das heute mehr denn je notwendige Nachdenken über die Verbesserung gerade der Herdenfruchtbarkeit, und zwar angesichts einer über weite Strecken desolaten Fruchtbarkeitssituation beim Rindvieh, auch im Freistaat Thüringen. In diesem Zusammenhang sei wiederholt, was der Autor im April 1995 in der Einleitung zum Thüringer Zuchtbericht unter dem Thema Zucht heißt Zukunft als verpflichtend für alle Tierzuchtmaßnahmen formulierte, nämlich bei schärfster Zuchtauswahl und Leistungsauslese mit weniger Tieren immer mehr erzeugen und die tierische Produktqualität immer besser der Nachfrage anpassen zu müssen. Dabei ist die Forderung nach Hochleistung der Kühe durchaus vereinbar mit Tiergesundheit und Fruchtbarkeit, wobei eine besondere Bedeutung im Vergleich zu anderen Wirtschaftsbereichen der Wertung eines jeden Tieres als biologisches System zukommt. Um also optimale Leistungen je Kuh zu erreichen, sind vor allem die jeweiligen individuellen Anforderungen des Tieres im Reproduktionsprozess, d. h. die natürliche Leistungsvarianz zu beachten. Gerade dieser Aspekt aber widerlegt die verbreitete Befürchtung, die Steigerung eines Leistungsmerkmales bedinge zwangsläufig die Depression eines anderen. Diese natürliche und individuelle Varianz ist nutz- und beeinflussbar durch Gestaltung der Haltungsumwelt im weistesten Sinne und durch gezielte Förderung eben der Individuen, die hohe Produktions- mit guten Reproduktionsleistungen vereinbaren können. Praktische Beispiele, die überzeugen Die vorgenannten Thesen bestätigen neben vielen anderen zwei Milchviehbetriebe aus Thüringen und der Pfalz. Wie kürzlich der Bauernzeitung Nr. 20/1998 zu entnehmen, erreichte Mulde aus der Thüringer Agrargenossenschaft Niederpöllnitz am 24. April 1998 als erste Kuh des Freistaates die Schallmauer von kg Milch Lebensleistung. In ihrer Herde mit Kühen, bei einem aktuellen Stalldurchschnitt von kg Milch/Kuh/Jahr mit 4,28 % Fett und 3,39 % Eiweiß, ist diese Schwarzbunte zweifellos ein Star. Geboren am 5. März 1983 hat sie ab der Geburt ihres ersten Kalbes am 27. September 1985 bis kurz nach Vollendung ihres 15. Lebensjahres jährlich ca kg Milch gegeben mit 4,43 % Fett und 3,55 % Eiweiß. Sie liegt damit, über den genannten Zeitraum gemittelt, um rund kg über dem letztjährigen Thüringer Landesdurchschnitt von kg/kuh. Dieser Bericht über die Niederpöllnitzer Mulde erinnert den Autor an seine Zeit als Leiter der BASF- Gutsverwaltung Limburgerhof in der Pfalz und deren damalige Milchviehherde von 120 Schwarzbunten, in einer in dieser Größe und mit kg Durchschnittsleistung für die alten Bundesländer um 1990 eher ungewöhnlichen Dimension. In dieser Herde stand mit der Kuh Gisela ebenfalls ein Ausnahmetier dank einer Lebensleistung von kg Milch. Als Tochter des weltberühmten US-Bullen Pabst Ideal und einer schwarzbunten Mutter aus eigener Zucht am 14. Sept geboren, brachte Gisela am 21. Januar 1. Thüringer Nutztierforum 8

9 1975 ihr erstes Kalb zur Welt. Mit 28 Monaten kalbte sie damit rund einen Monat früher als ihre 11 Jahre jüngere Thüringer Kollegin Mulde. Nach diesem frühen Start lief Gisela schon bald zur Höchstform auf und brachte 1982 im Alter von 10 Jahren mit kg ihre höchste, später nie mehr erreichte Jahres- Milchleistung. Und auch ihr jährlicher Durchschnitt, gemittelt über die gesamten Leistungsjahre, mit kg Milch, kann sich durchaus sehen lassen. Diese Jahresmilchmenge markiert ein Niveau, von dem nicht nur die Thüringer Milchbauern nicht mehr zu lange träumen, sondern es u. a. angesichts von Agenda 2000 möglichst bald realisieren oder übertreffen sollten. Tierzucht in positiv-kritischer Diskussion Die landwirtschaftliche Tierhaltung befindet sich seit Jahrzehnten in einem ständigen Wandel, in jüngster Zeit aber auch in einer nicht ganz einfachen Situation. Die Zuchtziele werden zwar nach wie vor von den Bedürfnissen des Marktes mitbestimmt, aber die Haltungsformen werden nicht mehr ausschließlich unter wirtschaftlichen, sondern, von einer breiten Öffentlichkeit kritisch beobachtet, zunehmend unter tierspezifischen Aspekten ausgewählt und weiterentwickelt. Das stellt hohe Anforderungen an das Gespür der Züchter bezüglich sinnvoller Nutzung ständig auf sie eindrängender, neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse, aber auch bezüglich sorgfältiger Beachtung oft einseitiger publizistischer, z. T. populistischer Tierschutz-Forderungen und vielfältiger behördlicher und gesetzgeberischer Vorgaben. Eines ist sicher: In einer Zeit, in der man Wachstumsdenken vielfach kritisiert oder gar völlig in Frage stellt, wird auch die Arbeit landwirtschaftlicher Tierzüchter von solchen Gedankengängen nicht ausgenommen. Andererseits gilt jedoch unverändert, dass Tierzucht und Tierhaltung in Deutschland wie in anderen vergleichbaren Regionen dieser Erde, immer auf Wachstum, d. h. auf Leistungssteigerung ausgerichtet waren und bleiben werden. Die z. T. verbreitete Vorstellung, hochindustrialisierte Länder könnten auf diesen Weg zu einer modernen Landwirtschaft und damit zu einer ebenso modernen Tierzucht verzichten zugunsten nichtindustrialisierter Entwicklungsländer, hat sich bisher als eindeutig falsch erwiesen. Eine solche Vorstellung übersieht, dass in einer weltweit vernetzten Wirtschaft der technische Fortschritt nicht eine einzelne Berufsgruppe aus diesem globalen Verbundsystem ausklammern kann. Fazit: Zucht hat Zukunft. Schriftenreihe der TLL 9

10 Fruchtbarkeitssituation im Freistaat Thüringen Dr. Erwin Oschika (Landesverband Thüringer Rinderzüchter) Die Reproduktionsleistung bzw. die Fruchtbarkeit gehört zu den grundlegenden Leistungen aller Nutztiere. Sie bildet die Grundlage für den Erhalt einer Population und schafft so die Voraussetzungen für alle zu erbringenden Leistungen. Gleichzeitig ist sie die Basis für selektive Eingriffe durch den Menschen im Rahmen der Züchtungsarbeit. So gesehen darf die Fruchtbarkeitsleistung im Rinderbestand nie unterschätzt werden, sondern der Landwirt muss für sich selbst entscheiden, welchen Aufwand er betreiben will, um diese Leistungen an das Optimum heranzuführen. Es ist deshalb erklärlich, dass in den letzten Jahrzehnten immer wieder wissenschaftliche Fragestellungen sich mit den Zusammenhängen zwischen Fruchtbarkeitsleistung und produktiver Leistung beschäftigt haben bzw. diese zum Hauptgegenstand wissenschaftlicher Betrachtungsweisen gemacht wurden. Das trifft gleichermaßen auf die Züchtung, auf die Betriebswirtschaft, auf das Managementsystem sowie die daraus resultierende Verarbeitung tierischer Erzeugnisse zu. Übereinstimmend ist jedoch die Meinung, dass der Begriff der Fruchtbarkeit einen Komplex von Maßnahmen beinhaltet und das die Fruchtbarkeit von sehr vielen Wirkungsfaktoren beeinträchtigt wird. Um diese Fragestellung umfassend beantworten zu können, muss man von den derzeit vorhandenen Rahmenbedingungen für eine weitere Verbesserung der Fruchtbarkeitsleistung ausgehen bzw. diese in die Betrachtungen einbeziehen. Deshalb ist eine momentane Bestandsaufnahme der Fruchtbarkeit unter den konkreten Bedingungen der Produktion von und mit Rindern besonders schwierig, weil: 1. die Leistungsentwicklung im Milchkuhbestand sich unaufhaltsam nach vorn bewegt und mit der erstmaligen Erfüllung der Milchquote in Thüringen im letzten Jahr die Frage nach einer Bestandsreduzierung im Milchkuhbestand bei gleichzeitiger Leistungserhöhung steht, als anders herum. 2. der bisher zur Reproduktion benötigte weibliche Zuchtrinderbestand momentan zu hoch ist, 3. die Preise für männliche Nutzkälber großen Schwankungen unterworfen sind, 4. im Zusammenhang mit der BSE-Diskussion der Verzehr an Produkten von und mit Rindern in Deutschland und Europa stagniert bzw. teilweise rückläufig ist, 5. aus betriebswirtschaftlicher Sicht es immer Sinn macht, die Reproduktionsrate auf ein biologisch und betriebswirtschaftlich optimales Maß zu reduzieren und 6. der Export von weiblichen Zuchtrindern in den osteuropäischen aber auch nordafrikanischen Raum gewissen Restriktionen unterworfen ist. Fasst man diese Punkte zu einer These zusammen, so muss man sagen, dass der Druck des Milchproduzenten zur Erhöhung der Fruchtbarkeit im Rinderbestand nur im eingeschränkten Maße gegeben ist und somit der Landwirt für sich selbst entscheiden muss, wie er mit dieser wichtigen Leistung dieses Rinderbestandes bzw. Kuhbestandes umgeht. Es besteht aus der Sicht des Marktes kein Druck auf den Landwirt, mehr Kälber zu produzieren und solange dieser Druck ausbleibt, wird der Bauer nicht unbedingt bestrebt sein an diesem Problem intensiv zu arbeiten. Andererseits ist natürlich die Milchproduktion für das Einzeltier nicht zu betreiben, ohne dass dafür fruchtbare Kühe zur Verfügung stehen, weil bekanntlich die Geburt des Kalbes mit dem Einsetzen der 1. Thüringer Nutztierforum 10

11 Laktation in engstem Zusammenhang steht. Insgesamt dürfte das bisher gesagte auch die Ursache dafür sein, dass bezüglich der Fruchtbarkeitsleistung im Milchkuhbestand zumindest in den Jahren seit der Wende sehr wenig getan worden ist und auch in der Öffentlichkeit diese Leistung in den Hintergrund trat. Entsprechend der Themenstellung zur Darstellung der Fruchtbarkeitssituation gestatten Sie mir, im folgenden mich auf die Ergebnisse zu konzentrieren, welche in ihrer Entwicklung das letzte Jahrzehnt bestimmt haben. Zunächst zu einem Parameter der Fruchtbarkeit der Rastzeit. Seit zehn Jahren haben wir eine kontinuierliche Verschlechterung in diesem Parameter zu verzeichnen. Von ca. 64 Tagen im Jahre 1988 auf 81 Tage im Jahre Der Zusammenhang zwischen Rastzeit und der realisierten Milchleistung pro Kuh ist zweifellos vorhanden. Dennoch sind im Leistungsbereich von über kg Milch im Landesdurchschnitt noch keine so großen Einflussfaktoren meines Erachtens vorhanden, die eine derartige Erhöhung der Rastzeit begründen. Die Zwischentragezeit als Maßstab für die Fruchtbarkeit hat sich im Verlaufe der letzten 10 Jahre von 93 Tagen im Jahr 1988 auf 122 Tage im Jahr 1998 um nahezu einen Monat verschlechtert. Auch hier trifft das Vorhergesagte zu. Sicherlich ist als Einflussgröße die gestiegene Milchleistung, die ja insgesamt sehr positiv zu werten ist, nicht der alleinige Grund für ein derartiges Ergebnis. Offensichtlich sind auch Gründe im Management, in der Betreuungsintensität, insbesondere durch die Arbeit im Rahmen der Brunstbeobachtung, aber auch der tierärztlichen Tätigkeit zu suchen. Noch deutlicher wird die Gesamtsituation in der Fruchtbarkeit, wenn wir den Anteil der Tiere betrachten, die eine Zwischentragezeit von mehr als 140 Tagen aufweisen. Während wir im Jahre 1988 nur 14 % der Kühe dieser Gruppe zuordnen konnten, beträgt der Anteil im Jahr %. Zwischentragezeiten von über 140 Tagen sind auch bei höchsten Leistungsniveau betriebswirtschaftlich nicht zu begründen. Hier verschenken wir offensichtlich bei diesen Tieren die Kälbererzeugungskapazität beträchtlich, zumal solche Zwischentragezeiten unabhängig vom erreichten Leistungsniveau in jedem Falle betriebswirtschaftlich negativ zu werten sind. Abgesehen davon, dass mit dem erzeugten Kalb auch deren Erlöse für den Milchproduzenten zusätzlich zu der produzierten Milch zu addieren sind. Ein weiterer Parameter zur Charakterisierung der Fruchtbarkeit im Rinderbestand ist das Non-Return- Ergebnis auf der Basis von 90 Tagen. Auch hier bleibt festzustellen, dass in Thüringen keine gute Entwicklung zu verzeichnen ist. Während wir 1988 auf der Basis von Trächtigkeitsuntersuchungen der Tierärzte 52 % Trächtigkeitsrate aufzuweisen hatten, sank dieser Anteil nach der Wende und nachdem das in der DDR übliche EDV-Projekt Besamung Zuchthygiene ausgelaufen ist, auf 53 %, wobei zu berücksichtigen ist, dass gegenüber der Trächtigkeitsrate das rein rechnerisch ermittelte NRR-Ergebnis immer um 7 bis 10 % darüber liegt. Insgesamt bleibt festzustellen, dass die Entwicklung der Fruchtbarkeitsleistung im Rinderbestand im letzten Jahrzehnt sich in Thüringen negativ entwickelt hat. Die mögliche Kälbererzeugungskapazität ist auch unter Berücksichtigung des gestiegenen Leistungsniveaus bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Würde es uns gelingen, das bereits erzielte Fruchtbarkeitsniveau im Milchkuhbestand von Thüringen von 1988 wieder zu erlangen, so würde das eine Mehrproduktion von rund Kälbern im Jahr bedeuten. Eine Zahl, über die es sich lohnt, auch in Zukunft noch gründlicher als bisher nachzudenken. Schriftenreihe der TLL 11

12 Die Entwicklung in der Fruchtbarkeit im Färsenbestand ist demgegenüber nicht so kritisch zu sehen, wie wir es für die Kühe tun müssen. So reduzierte sich beispielsweise in den letzten Jahren das Färsenkonzeptionsalter von 656 auf 614 Tage. Damit wurde die Aufzuchtphase bei der Reproduktion des Milchkuhbestandes um 42 Tage verkürzt. Die Ursachen liegen zum einen in der Reduzierung des Rinderbestandes und damit in einer besseren Übereinstimmung zwischen Futterproduktion und weiblichen Rinderbestand. Sie sind zum anderen auch darin begründet, dass sehr schnell erkannt worden ist, dass die kostenbelastende Phase der Aufzucht von Färsen auch unter Berücksichtigung einer den üblichen Normen angepassten Aufzuchtintensität zu reduzieren ist. Diese positive Entwicklung wird auch darin sichtbar, dass der Besamungsaufwand mit durchschnittlich 1,6 je erzielte Trächtigkeit relativ konstant geblieben ist. Fassen wir dazu die Ergebnisse zusammen, so läßt sich festhalten, dass die Jungrinderaufzucht in Thüringen sich weiter verbessert hat. Damit soll jedoch nicht gesagt werden, dass es auch auf diesem Gebiet noch Reserven gibt, um ausgehend von einer intensiven, aber wiederkäuergerechten Aufzuchtintensität auch noch Verbesserungen auf diesem Gebiet zu erzielen sind. Aus der Analyse der Fruchtbarkeitssituation im Kuhbestand lassen sich für den Milchkuhbestand in Thüringen folgende Schlussfolgerungen ableiten: 1. Trotz lobenswerter Fortschritte bei der Intensivierung der Milchproduktion der Leistung je Tier, ist an der Verbesserung der Fruchtbarkeitsleistung im Kuhbestand besonders zu arbeiten. Rastzeiten von durchschnittlich 70 Tagen sollten angestrebt werden, um bei einer durchschnittlichen Zwischentragezeit von 100 bis max. 110 Tagen ein Niveau zu erreichen, dass dem international üblichen Standard entspricht. 2. Ein wirkungsvolles Zusammenwirken von Betrieb, Besamungstechniker und Tierarzt ist zwingend erforderlich, um die genannte Zielstellung zu erreichen. Dabei sollte auch in bewährter Weise der Besamung der Vorrang gegeben werden, um so vor allen Dingen den Zuchtfortschritt noch besser zu nutzen. In den Leistungsbereichen von 7000 und mehr kg Milch bestimmt auch die Genetik in nicht unerheblichen Maße die Leistungsentwicklung im Tierbestand. 3. Die systematische Verbesserung der Fruchtbarkeit im Milchkuhbestand erfordert ein komplexes Herangehen an die Lösung dieser Aufgaben. Sie besteht in dem Zusammenwirken von exakter Brunstbeobachtung, der fachgerechten Insemination sowie einer lückenlosen veterinärmedizinischen Kontrolle des Fruchtbarkeitskomplexes im Rinderbestand. Einzelmaßnahmen führen nicht zu dem gewünschten Erfolg. 4. Einseitige Betrachtungsweisen und Ursachenanalysen zur Fruchtbarkeit verunsichern den Landwirt und bringen uns kaum weiter. Fruchtbarkeit ist ein Komplex von Maßnahmen, der auch durch alle an diesem Prozeß Beteiligten zu lösen ist. 5. Trotz Fortschritte bei der Aufzucht der weiblichen Jungrinder und Färsen ist an der systematischen Qualitätsverbesserung des Färsenbestandes zu arbeiten. Es bestehen durchaus die Möglichkeiten, dass Färsenkonzeptionsalter im Durchschnitt des Landes auf 580 bis 590 Tage zu senken. Besonderer Schwerpunkt ist dabei auf die Aufzuchtintensität innerhalb der ersten sechs Lebensmonate zu richten. 6. Ohne das auf die Kälberverluste näher eingegangen worden ist, besteht ernsthafter Anlass an unsere Landwirtschaftsbetriebe zu appellieren, die Verluste auf ein wirtschaftlich erträgliches Maß zu senken. Damit kann nicht nur der Anteil der Kälbererzeugung auf ein betriebswirtschaftliches Maß erhöht werden, sondern es geht schließlich darum, den eingesetzten Aufwand für eine tragende Färse auch in Erlöse umzusetzen. 7. Eine genetisch bedingte Verbesserung der Fruchtbarkeitsleistung ist zum einen nur sehr schwer zu erreichen, dürfte jedoch beim vorhandenen Fruchtbarkeitsniveau nicht die Rolle spielen. 1. Thüringer Nutztierforum 12

13 Abbildung 1 Abbildung 2 Schriftenreihe der TLL 13

14 Abbildung 3 Abbildung 4 1. Thüringer Nutztierforum 14

15 Abbildung 5 Abbildung 6 Anschrift des Autors: Dr. Erwin Oschika Landesverband Thüringer Rinderzüchter Stotternheimer Str. 19, ERFURT Schriftenreihe der TLL 15

16 Physiologische, ökonomische und leistungsgerechte Rast- und Zwischentragezeiten bei Milchkühen Dr. Matthias Platen (Thüringer Lehr-, Prüf- und Versuchsgut GmbH) und Dr. Uri Gross (Israelischer Veterinärverband Hachaklait) Die Zwischentragezeit (ZTZ) bzw. die Zwischenkalbezeit (ZKZ) ist der wohl bedeutendste Kennwert innerhalb der Fruchtbarkeitsmerkmale: an der ZTZ misst sich das Ergebnis der Brunstbeobachtung und Besamung, nur sie hat direkte Auswirkungen auf die Milchleistung. Die Wahl der Rastzeit hat erheblichen Einfluß auf die Länge der ZTZ. Beide sind untrennbar miteinander verbunden. Die ZTZ stellt das einzige Fruchtbarkeitsmerkmal dar, welches in seiner Zielgröße veränderlich ist: denn während für alle anderen Fruchtbarkeitsparameter relativ feste Richtwerte existieren, ist die Länge der ZTZ ein leistungsabhängiges Merkmal, zu deren optimaler Länge sich die Strategien im Verlaufe der Rinderzucht gewandelt haben. Mit dem Gothaer Rinderregister brachte Alfred Walter 1950 erstmals Angaben über den Fortpflanzungsrhythmus in die wissenschaftliche Diskussion. Noch in einer Konkurrenzsituation zwischen Deckbulle und künstlicher Besamung war man zunächst der Auffassung, die Kuh möglichst spät nach der Geburt - ab etwa 100. bis 140. Tag - zu besamen, um möglichst gleiche Befruchtungsleistungen wie beim natürlichen Deckakt zu erreichen. Mit einem Vortrag zur Effizienz der Rinderproduktion offerierte SCHIPILOW (1962), dass eine Kuh unter bestimmten Bedingungen bereits 21 Tage nach der Kalbung erneut konzipieren und das Kalb austragen kann. Diese Darstellungen gaben den Startschuss für Untersuchungen zur Ökonomie der Reproduktion. Im Ergebnis dieses Prozesses lautete schließlich die Devise: jede Kuh - jedes Jahr ein Kalb. Diese Formel liefert bis zum heutigen Tag den konventionellen Zeitrahmen für das Kalbeintervall der Kuh. Sie orientiert sich am natürlichen Abkalberhythmus des Rindes. Auch die Milchleistungen unterlagen einem bedeutendem Entwicklungsprozess: während früher eine Kuh nur wenig mehr Milch gab, als für die Ernährung des eigenen Kalbes notwendig, nennt THAER im Jahre 1812 Jahresleistungen von Litern. Abmelkwirtschaften in Brandenburg meldeten um 1840 bereits Liter (BOHLE, 1995). Seit den 50er Jahren haben sich die Milchleistungen der Kühe verdoppelt. Die derzeit weltbeste Milchkuhpopulation stellt Israel mit einem 1996er Jahresdurchschnitt von kg (PLATEN & GROSS, 1997). Mit dieser Leistungssteigerung muss sich auch eine neue Sichtweise zum optimalen Kalbeintervall herausbilden. Die Beantwortung der Frage nach der optimalen Länge der ZTZ muss also die Beantwortung der Frage: sind hohe Milchleistungen mit guter, regelmäßiger Fruchtbarkeit vereinbar? - ins Kalkül ziehen. Sie muss sich am grundlegenden Reproduktionsparameter, der ZTZ bzw. ZKZ, orientieren. Zur Beantwortung dieser Fragen werden im Folgenden sieben Punkte dargestellt, mit deren Hilfe der Milchviehhalter eine Orientierung dafür erhalten soll, welche Rast- und Zwischentragezeiten für seine Kühe anzustreben sind, um das Leistungspotential der Tiere auszuschöpfen, ohne sie physiologisch zu überfordern, und um den ökonomischen Gesichtpunkten des Kalbeintervalles gerecht zu werden. Einfluß der Milchleistung auf Eierstocksfunktion und Stoffwechsel Vor der ZTZ steht die RZ, die sich durch eine Brunst begründet. Einer Brunst gehen ovarielle Prozesse voraus. Der Beginn dieser Eierstocksfunktionen nach der Kalbung wurde in Herden verschiedener Länder und Leistungsklassen untersucht. Bei Kühen deutscher Herden mit einer mittleren Leistung von ca Litern setzte die erste Ovulation durchschnittlich am 17. Tag ein, bei Kühen Israels auf einem Leistungsniveau von ca Litern setzte sie ohne signifikante Differenz zu den deutschen Kühen am durchschnittlich 22. Tag p.p. ein. Die zweite Ovulation postpartum wurde zeitgleich am 36. Tag ermittelt. 1. Thüringer Nutztierforum 16

17 Auch innerhalb einer US-amerikanischen Herde und zweier weiterer deutscher Herden ergaben sich nur zufällige Schwankungen (Tab. 1). Die grundlegende, organische Sexualfunktion setzt also in einem zeitlich festgelegten Rahmen ein - unabhängig von der Höhe der Milchleistung. Tabelle 1: Beginn der Ovaraktivität bei Milchkühen; Vergleich der Stichproben in Herden verschiedener Länder und Leistungsklassen (Platen; 1995, 1997) Land Leistungsniveau n Beginn 1. Ovaraktivität (Tage p.p.) Beginn 2. Ovaraktivität (Tage p.p.) BRD Israel BRD n. e. USA n. e. Die Fruchtbarkeit - wie alle anderen Lebensfunktionen - wird durch den Stoffwechsel maßgeblich gesteuert. Auch die Untersuchung der verschiedenen klinisch-chemischen Blutparameter ergab, dass der Stoffwechsel sich unabhängig von der Höhe der Leistung auf dem gleichen Niveau bewegt und auch die Stoffwechselprozesse im Laktationsverlauf in vergleichbarer Weise ablaufen (STAUFENBIEL, 1995; PLATEN, 1997). Einfluß der Milchleistung auf die ZTZ Die Korrelationen, die den Zusammenhang zwischen zwei Merkmalen beschreiben, sind für die Beziehung der Zwischentragezeit zu verschiedenen Milchleistungsmerkmalen nahe Null (SCHÖNMUTH ET AL., 1981; PLATEN, 1997). Auch die Regression, mit der die Ausprägung einer eventuellen Beziehung untersucht werden kann, ergibt einen zu vernachlässigenden Zusammenhang: der Regressionsgeraden (Abb. 1) liegen insgesamt Laktationsabschlüsse zugrunde; entsprechend der aus den Laktationsabschlüssen berechneten Regressionsgleichung ist zu ersehen, dass sich mit einer Bestimmtheit von 1,9 % die ZTZ um 6,4 Tage verlängert, wenn die Milchleistung um Liter ansteigt. WILKE (1993) errechnete eine ZTZ-Verlängerung von 10 Tagen je kg Leistungserhöhung. Es wird offensichtlich, dass andere Faktoren als die Milchleistung auf die ZTZ wirken. Abbildung 1 Schriftenreihe der TLL 17

18 Einflüsse auf die Phase der negativen Energiebilanz der Milchkuh bei hohen Leistungen (PLATEN, 1996) Übergang von kataboler in metabole Stoffwechsellage Überwinden der Kalbefolgen Beginn erster Ovarfunktionen Rückbildung des Uterus maximale Milchleistung Mobilisierung und Abbau von Körpermasse Futter-Input kg Energie - Bilanz Milch-Output Körpermasseentwicklung p.p. Verlauf der Milchleistungskurve ca. 60 ca. 100 Laktationstage reproduktive Fitness individuelle Adaptation Intensität des Körpermasseabbaus (EKA, Trockenstehphase) Fütterung (Energie, Protein) Bewegungsmöglichkeit, Bewegungszwang (Energieverlust) Geburtsverlauf, puerperale Erkrankungen Klima (Hitze) Veranlagung, genetisches Potential Abbildung 2 Die Streuung und Variabilität der ZTZ ist sehr hoch. Das erklärt sich aus der hohen Umweltabhängigkeit der Fruchtbarkeit und der Sensibilität des Hormonsystemes. Denn dieses Endokrinum, der hypothalamohypophysäre Regelkreis, zeichnet für die Adaptationsfähigkeit des Einzeltieres verantwortlich. Diese Fähigkeit der Anpassung - Adaptation - ist gefordert, wenn die Kuh zur Besamung ansteht. Die physiologische Situation der Kuh zum Besamungszeitpunkt ist durch besondere Prozesse gekennzeichnet, wie unter nachfolgenden Punkt ausgeführt wird. Physiologische Situation zum Besamungszeitpunkt Die einzig nachweisbare und direkte Beziehung der Leistung zur Fruchtbarkeit äußert sich im postpuerperalen Zeitraum. Der Stoffwechsel der Kuh geht mit der Kalbung von einer Ansatz- in eine Umsatzphase über. Die Kuh hat die Kalbefolgen zu überwinden. Erste Ovarfunktionen zur Unterstützung der Uterusreinigung und -rückbildung setzen ein. Die Milchleistung geht einem Maximum entgegen. Ab einer bestimmten Leistungshöhe und in Abhängigkeit von Fütterungs- und anderen Umweltfaktoren muss in unterschiedlichem Maße Körpersubstanz abgebaut werden, um all diesen Anforderungen gerecht zu werden (Abb. 2). In diesem Bereich befindet sich die Kuh im energetischen Defizit. Die nicht lebensnotwendigen Körperfunktionen werden abgeschaltet. Und dazu gehört die Fortpflanzungsfunktion. Die Selbsterhaltung tritt vor die Arterhaltung. 1. Thüringer Nutztierforum 18

19 Der Einfluß der Milchleistung auf die Fruchtbarkeit reduziert sich demnach auf eine physiologische, energetische und temporäre Konkurrenz. Eine Konkurrenz, die einen zeitlich begrenzten Rahmen hat. Aufgrund der verschiedenen Einflussfaktoren auf Zeitraum und Ausprägung dieser Phase, während der die Milchleistung mit dem Fruchtbarkeitsvermögen konkurriert, gestaltet diese sich allerdings sehr variabel, tierindividuell und mit Sicherheit auch herdenspezifisch. Wenn diese Phase genau bestimmt werden könnte, dann wäre die Frage nach dem günstigsten Besamungszeitpunkt beantwortet. Das Besamungsoptimum der Kuh Tabelle 2: Entwicklung einiger Fruchtbarkeitsmerkmale in Abhängigkeit von der Rastzeit (n = 4125 Laktationsabschlüsse) Rastzeit ZTZ BA 2,1 2,0 1,9 1,9 1,8 1,9 1,7 IEBK NRR Der ZTZ geht die Rastzeit (RZ) voraus. Tabelle 2 stellt die Entwicklung der Fruchtbarkeitsmerkmale in Abhängigkeit von der RZ dar, wobei sich eine klare Entwicklung abzeichnet: mit steigender RZ verlängert sich die ZTZ nicht parallel und nicht linear - aber der Besamungsaufwand (BA) sinkt, das Intervall Erstbesamung-Konzeption (IEBK) sinkt, die Non-Return-Rate (NRR) verbessert sich, die Zwischenbesamungszeit Günstigster Besamungszeitpunkt beim Rind (n. LOTTHAMMER 1992) (ZBZ) sinkt! Das ungefähre Optimum bezüglich aller Merkmale kann im Bereich einer 60 Rastzeit von 70 bis 90 Tagen angenommen werden. In einer Darstellung 50 von LOTTHAMMER (Abb. 3) zieht sich dieser Optimalbereich bis ca ungünstig günstig Tag hin - woraus hervorgeht, dass ein herdenspezifisches Besamungsoptimum 30 existiert, zu dessen Bestimmung PROF. BUSCH in seinem Vortrag eingehen 20 wird. vor u.m. Abbildung 3 Tage nach dem Abkalben Milchleistung in Abhängigkeit von der ZTZ Tabelle 3 zeigt, dass sich die Persistenz der Laktation mit steigender ZTZ erhöht. Schriftenreihe der TLL 19

20 Tabelle 3: Beziehung zwischen ZTZ und Persistenz der Laktation (n. JÄHNE 1985) Zwischentragezeit (Tage) Persistenz 2:1 - Index In diesem Zusammenhang bedeutet dies: nicht die Milchleistung beeinflusst die Fruchtbarkeit, sondern die Fruchtbarkeit beeinflusst die Milchleistung! Eine längere ZTZ kann die Milchleistung erhöhen; hormonelle Vorgänge und die Versorgung der wachsen Frucht mit Nährstoffen können als Gründe für ein schnelleres Abfallen der Milchleistung bei kürzeren ZTZ verantwortlich gemacht werden. Doch es wäre falsch, anzunehmen, je länger die ZTZ, desto mehr Milch gibt die Kuh. Tabelle 4: Leistungen bei verschiedenen Zwischentragezeiten (N = 320) ( a, b, c = Signifikante Differenz zu Gruppe a, b, c, p < 0,01) in einer US-amerikanischen Herde ( kg Laktationsleistung) ZTZ (Gruppe) -95 (a) (b) (c) Tageleistung b a Tageleistung b, c a a kg Milch / Laktationstag 26 b 29 a 27 Die Gruppierung der US-amerikanischen Herde in Gruppen der ZTZ (Tab. 4) zeigt deutlich, dass es einen Optimalbereich gibt, bzw., dass nicht alle Kühe automatisch eine höhere Leistung erreichen, wenn sie später besamt werden: im Bereich 95 bis 115 Tagen der ZTZ erreicht ein Teil der Kühe eine deutlich höhere Leistung als bei niedrigeren und höheren ZTZ. Bei entsprechend veranlagten Kühen ist es demnach günstiger im Sinne der Ausschöpfung des ML-Potentiales, sie später zu besamen. Es wurde gezeigt, dass dies auch im Sinne des Abwartens der postpartalen, energetisch defizitären Zeitphase ist. Die Zusammenführung der beiden letztgenannten Punkte, nämlich die Erhöhung der Milchleistung und die Verbesserung der Fertilitätsparameter in einem Rastzeit-Optimalbereich, fasst diese Untersuchung in 203 israelischen Herden zusammen (Abb. 4). 305-d-Milchleistung (kg) IEBK (Tage) n ges. = 203 Herden Konzeptionsrate (%) Zwischentragezeit (Tage) unter bis 80 über 80 Rastzeit (Tage) Entwicklung von Milchmenge, KR, IEBK und ZTZ nach Rastzeitgruppen Abbildung 4: Entwicklung von Milchmenge, Konzeptionsrate, Intervall Erstbesamung bis Konzeption (IEBK) und Zwischentragezeit (ZTZ) in Abhängigkeit von der Rastzeit Die ZTZ steigt nicht wesentlich an, das IEBK sinkt, die KR steigt, die Milchleistung ist höher. Damit zeigt uns die Kuh deutlich, wo ihr physiologisches Besamungsoptimum liegt. Dass dieses auch ökonomisch ist, begründet sich durch eine höhere Milchleistung und einen niedrigeren Besamungsaufwand Thüringer Nutztierforum 20

21 Finanzielle Auswirkungen verschiedener ZTZ Tabelle 5: Finanzielle Auswirkungen unterschiedlicher Zwischenkalbezeiten (ZKZ) in Abhängigkeit vom Leistungsniveau Leistungsniveau (kg) ZKZ (Tage) Verluste bzw. Gewinne je Tag (DM) gegenüber ZKZ = 365 Tage ,73 + 2, ,42-1,83-1,46-1, ,41-1,64-1,28-1, ,46-1,70-1,34-1, ,55-1,73 Parallel zur ZTZ steigt die 305-Tageleistung. Die relative Leistung je Tag der Gesamtlaktation jedoch sinkt: eine Verlängerung der Zwischentragezeit um 10 Tage über das leistungsbezogene Optimum hinaus hat eine Senkung der Milchleistung um 0,5 l je Laktationstag zur Folge. Doch auch das betriebswirtschaftliche Optimum für die Länge der ZTZ wird durch die Höhe der täglichen Milchleistung bestimmt. Wie gezeigt wurde, hat bei entsprechend veranlagten Kühen eine Verlängerung bis zum ca. 115 Tag eine Erhöhung der relativen Leistung je Laktationstag zur Folge. Im Mittel bewegen sich die Verluste je Tag verlängerter ZTZ über 85 Tage hinaus bei etwa DM 1,50 (Tabelle 5). Deshalb ist erst bei kg Leistung ist eine ZTZ von 115 Tagen, bei 9000 kg von max. 125 Tagen gerechtfertigt (Tab. 5). Die damit verbundenen Nachteile können durch verschiedene Managementmaßnahmen kompensiert werden (z.b. Verkürzung der Trockenstehphase auf min. 42 Tage). Steigt die ZTZ über 125 Tage hinaus an, überwiegen die Nachteile deutlich und sind nicht zu tolerieren. In niedrigeren Leistungsbereichen steigen die Verluste je Tag verlängerter ZTZ schnell auf über DM 2,70 an. Sowohl zu lange als auch zu kurze ZTZ bedingen Verluste. Es wird deutlich, dass bei der Produktion mit biologischen Systemen keine generelle und pauschale Zahl als Ziel anzustreben ist. Tierindividuell und herdenspezifisch lautet die Devise, wie auch der letzte Punkt verdeutlichen soll. Zu lange ZTZ haben finanzielle Verluste zur Folge. Andererseits wird die hoch leistende Kuh durch eine zu kurze ZTZ überfordert. Beide Aspekte finden Berücksichtigung, indem eine Verlängerung der ZTZ bis zu einer gewinnabhängigen Grenze zugelassen wird. Diese sollte mindestens 95 % der Gewinne gewährleisten, die bei einer ZTZ von 85 Tagen erzielt würden. Die einmal jährliche Kalbung der Kuh bedeutet die wirtschaftlich optimale ZTZ/ZKZ. Verlängert sich die ZTZ/ZKZ, bis sie mindestens noch die beschriebene 95 -%-Gewinngrenze im Verhältnis zur wirtschaftlich optimalen ZTZ gewährleistet, prägt sich der Begriff wirtschaftlich-physiologisch optimierte ZTZ (nach PLATEN & TREUE). In Tabelle 5 sind diese Werte schattiert unterlegt. Die physiologische Korrektur der wirtschaftlichen optimalen ZTZ gilt demnach nur für Hochleistungsbereiche ab 8000 kg Jahresleistung. Eiweiß-Fett-Verhältnis und Wiederbelegung Bei der Festlegung der Rastzeit sollte nicht nur die Höhe der Milchmengenleistung, sondern auch die Höhe und das Verhältnis der Inhaltstoffe beachtet werden. So lässt sich nachweisen, dass Kühe mit einem hohen Eiweiß-Fett-Quotienten die Hochleistung besser verkraften, ihre Fruchtbarkeit höher ist. Ein niedriger Quotient bedeutet, dass die Fett- im Vergleich zur Eiweißleistung hoch ist. Das kann verschiedene Ursachen haben: hohe Milchfettgehalte können genetisch bedingt sein oder auch durch eine zu reichliche Fütterung in der Trockenstehzeit verursacht werden. In jedem Fall aber kann auf einen verstärkten Körpermasseabbau Schriftenreihe der TLL 21

22 nach der Kalbung geschlossen werden, der wiederum Stoffwechsel und Leber belastet. Fruchtbarkeitsdepressionen sind die direkte Folge. Ein hoher Eiweiß-Fett-Quotient lässt auf eine optimale Energieversorgung schließen. Aus Tabelle 6 wird deutlich, dass die Kühe einer Herde mit dem hohen Eiweiß-Fett-Quotienten den Tieren mit einem Quotienten unter 0,98 zwar unterlegen bezüglich der Fettmenge sind, die Milch- und Eiweißleistung ist jedoch höher. Für Sie läßt sich mit einer um 24 Tage kürzeren Zwischentragezeit gegenüber allen anderen eine deutliche Überlegenheit nachweisen. Kühen mit einer hohen Milchfettleistung und einem niedrigen Eiweiß-Fett-Verhältnis sollte eine längere Rastzeit eingeräumt werden, da bei ihnen ein erhöhter Körpermasseabbau, wie er in Abbildung 2 dargestellt ist, auf die Phase der negativen Energiebilanz schließen lässt. Tabelle 6: Milchleistung und Fruchtbarkeit bei verschiedenen Eiweiß-Fett-Quotienten Eiweiß-Fett- Quotient N (innerhalb einer Herde) Milchmenge (kg) Fett (kg) Eiweiß (kg) Zwischentragezeit (Tage) unter 0, über 0, Bei physiologischer, ökonomischer und leistungsgerechter Sichtweise ist mit den sieben genannten Punkten die Frage: was ist eine gute Fruchtbarkeit? beantwortet: Es ist als gute Fruchtbarkeit einzuschätzen, wenn die kg-Kuh eine ZTZ von unter 85 Tagen erreicht - d.h., wenn sie jedes Jahr ein Kalb bekommt - und - wenn die kg-Kuh erst nach ca. 115 Tagen erneut konzipiert - nach ca. 400 Tagen erneut kalbt. Auch der Begriff regelmäßige Fruchtbarkeit ist somit geklärt und zugleich relativiert: die Begriffe regelmäßige und gute Fruchtbarkeit gehören zusammen - und bedeuten bei jeder Kuh etwas anderes. Die allgemeine Faustregel: jede Kuh - jedes Jahr ein Kalb - kann somit nicht mehr als generell geltend anerkannt bleiben. Denn: innerhalb der in Abbildung 2 dargestellten Zeitphase der negativen Energiebilanz hat die Kuh begründete Schwierigkeiten, trächtig zu werden. Wenn diese l-Kuh dennoch trächtig wird - mit erhöhtem BA - ist das ein Zufall, ein negativer Zufall, weil: < die relative Leistung je Laktationstag sinkt, < die Kuh trotzdem mit einer zu hohen Leistung trockengestellt werden muss, < weil die Phase der Rekonvaleszenz in der Niedriglaktation verkürzt wird, < die Kuh unphysiologisch überlastet wird, < dem natürlichen Anpassungsprozess der Kuh entgegengewirkt wird. Es muss nämlich auch die Frage gestellt werden, worin die vielen Fruchtbarkeitsstörungen in den Herden ihre Ursache haben. Dass sie ihre Ursache in der hohen Milchleistung finden, ist eine vereinfachte und nicht zutreffende Erklärung. Die Gründe liegen im ungenügenden Management begründet: < Puerperalkontrollen werden sporadisch durchgeführt, < die Kühe werden pauschal und zufällig besamt, ohne Differenzierung, < weil der Begriff "biologische Rastzeit", den RICHTER vor über 40 Jahren prägte, in der Praxis bis zum heutigen Tag nicht umgesetzt wurde. Die Rast- und Zwischentragezeit zu verlängern hat nichts zu tun mit einer negativen Korrelation oder genetischen Kopplung von Fruchtbarkeit und Milchleistung. Das hat ausschließlich etwas mit Management zu tun. Ebenso das Bemühen, eine Kuh bis zu einem individuell festgelegten Zeitpunkt wiederzubelegen. Die erhöhte Sensibilität der Hochleistungskühe verlangt auch einen erhöhten Betreuungsaufwand. Die Hochleistung der Kuh verlangt auch Hochleistung vom Herdenmanagement. 1. Thüringer Nutztierforum 22

23 Zusammenfassung Die Rast- und Zwischentragezeit muss erstens den physiologischen Gegebenheiten der Kuh entsprechen. Das bedeutet, die Kuh nicht vor Ablauf der Phase einer negativen Energiebilanz zu besamen, da sonst ihr Anpassungsvermögen überfordert wird. Ein Hinweis auf ihre Belastung kann das Eiweiß-Fett-Verhältnis geben. Die günstigsten Konzeptionschancen bestehen zwischen 70. und 120. Tag p.p. und können innerhalb dieser Spanne tierindividuell abweichen. Da die Länge der Zwischentragezeit auch die Höhe der Milchleistung beeinflusst, sollte die erneute Besamung einer Kuh zweitens ihrer Leistung entsprechend erfolgen. Bis ca kg Jahresleistung muss eine Kuh einmal im Jahr kalben. In höheren Leistungsbereichen sollte eine erneute Trächtigkeit bis spätestens 115. bis 125. Tag erfolgen, um auch drittens den ökonomischen Anforderungen an die ZTZ gerecht zu werden. Sowohl zu kurze als auch zu lange ZTZ sind nachteilig für das Tier und für die Wirtschaftlichkeit der Milcherzeugung. Anschriften der Autoren: Dr. Matthias Platen Thüringer Lehr-, Prüf- und Versuchsgut GmbH Feldschlößchen 9, Buttelstedt Dr. Uri Gross Israelischer Veterinärverband Hachaklait Elisha Nr. 10, 7000 Kareit Gat, Israel Schriftenreihe der TLL 23

24 Herdenanalyse und Maßnahmen für Verbesserung der Herdenfruchtbarkeit beim Rind Prof. Dr. Walter Busch (Tierklinik für Fortpflanzung der Freien Universität zu Berlin) Wirtschaftliche Aspekte der Fortpflanzung Die Wirtschaftlichkeit der Rinderproduktion wird von der Fortpflanzungsleistung der Kühe und Färsen entscheidend beeinflusst. Es gilt der Satz: ohne Fruchtbarkeit keine Milch und keine Kälber. Der höchste wirtschaftliche Effekt wird bei einer regelmäßigen Fortpflanzung erzielt. Wir gingen bisher davon aus, dass wir wie bei unseren wild lebenden Wiederkäuern von jeder Kuh im Jahresrhythmus ein Kalb erwarten. Das ist grundsätzlich richtig, aber nur schwer - und in manchen Beständen überhaupt nicht - erreichbar. Im Herdenmaßstab sind dieser Forderung durch züchterische und durch Zwangsselektionen Grenzen gesetzt. Außerdem wissen wir heute von Beziehungen zwischen der Höhe der Milchleistung und der Fortpflanzungsbereitschaft. Die einschlägigen Untersuchungen von PLATEN (1997) wiesen auf eine leistungsabhängige Gestaltung der Länge des Zeitintervalls Geburt bis zur erneuten Zuchtbenutzung, der Rastzeit hin. Wir können davon ausgehen, dass eine gesunde Kuh bereits zwischen dem 20. und 30. Tag nach einer Geburt erneut trächtig werden kann. Es handelt sich jedoch nur um Einzeltiere. Die niedrige Konzeptionsbereitschaft im Herdenmaßstab und die mit einer frühen Konzeption verbundene Verkürzung der Laktationsdauer stehen grundsätzlich einer sehr frühen Belegung entgegen. Fortpflanzungsbiologisch betrachtet sind die Kühe ab dem 40. Tag nach der Geburt in zunehmendem Maße konzeptionsbereit. Die seit langem verfolgte Strategie der erwarteten Abkalbung im Jahresrhythmus ist prinzipiell noch aktuell. Der Einfluß der Fortpflanzung auf die wirtschaftliche Effizienz läßt sich u.a. sehr deutlich durch die Mehrkosten zwischen dem Schlachterlös einer sterilen Kuh und den finanziellen Aufwendungen für den Ankauf einer trächtigen Färse als Ersatztier zeigen. Günstigenfalls beträgt die Kostendifferenz DM, gewöhnlich liegt sie jedoch um 200 bis zu 400 DM höher. Die finanziellen Verluste durch eine Verlängerung der Zwischenkalbezeit werden unterschiedlich bewertet. Sie liegen zwischen 2 bis 4 DM pro Tag bei Überschreitung der Jahresfrist im Abkalberhythmus. Weitere Hinweise des Einflusses der Fortpflanzung auf die Höhe des Betriebsergebnisses geben Resultate aus der Sterilitätsbehandlung. So konzipieren von den wegen Brunstlosigkeit mit Prostaglandin F 2a behandelten Kühen nach Inseminationen in 2 aufeinanderfolgenden Brunsten nur 51 bis zu 55 %. Auf ähnlicher Höhe liegen die Konzeptionsaussichten bei Kühen nach einer Nachgeburtsverhaltung. Alle nicht wieder trächtigen Tiere müssen - wenn der Tierbestand seinen Umfang behalten soll - durch trächtige Färsen ersetzt werden; also mindestens DM Mehrkosten. Eine trächtige Färse ist stärker risikobehaftet als eine Kuh: der Anteil Schwergeburten ist bei gebärenden Färsen doppelt so hoch wie bei Kühen. Gleiches gilt für die Kälberverluste. Die zu erwartende Milchleistung ist unbekannt, der Milchfluss kann durch Zitzenverschlüsse be- oder verhindert sein. Außerdem ist die Zwischentragezeit bei Erstkalbinnen verlängert, denn die Tiere unterliegen schweren Belastungen: Geburtsstress, Einsetzen der Laktation sowie Vollendung des Körperwachstums. Ein weiterer wirtschaftlich bedeutungsvoller Aspekt ergibt sich im Zusammenhang mit der tiergesundheitlichen Überwachung, insbesondere der Puerperalüberwachung. Mit zunehmender Bestandskonzentration und dadurch bedingter intensiveren Überwachung der Tiere musste festgestellt werden, dass neben den akuten Erkrankungen nach der Geburt - wie Nachgeburtsverhaltungen, Festliegen, fieberhafte Erkrankungen durch Verkalbungen und Störungen der Rückbildung der Gebärmutter - 1. Thüringer Nutztierforum 24

25 es zu einer Verzögerung der Rückbildung der Gebärmutter ohne klinisch sichtbare Erscheinungen kommen kann. Bei dem als verzögerte Rückbildung bezeichneten Zustand handelt es sich um eine chronische Gebärmutterentzündung, die einer rechtzeitigen Behandlung bedarf, wenn es nicht zu wirtschaftlichen Schäden kommen soll. BARTH wies bereits 1974 nach, dass unbehandelte Tiere drei Wochen später trächtig werden als rechtzeitig behandelte und dass außerdem sich die Zahl der absoluten Sterilität verdoppelte. Auch BOSTEDT (19.83) berichtet ähnliches: bei rechtzeitig behandelten Tieren betrug die Sterilitätsrate 8 % und bei verspätet oder bei unbehandelten Tieren hingegen 23 %! LOTTHAMMER (1990) stellt einen Verlust von 6o9.- DM durch verlängerte Zwischentragezeiten und durch einen erhöhten Anteil von 33% steriler Tiere fest, wenn die Erstbehandlung wegen Endometritis nach dem 70. Tag nach der Geburt stattfand. Die nachfolgende Tabelle stammt aus unserem Hause. Hier weisen NEUMS und WEGNER (1986) nach, dass bei Tieren mit einer Erstbehandlung wegen Gebärmutterentzündungen nach dem 30. Tag nach der Geburt der Anteil steriler Tiere sich im Vergleich zu den vor diesem Zeitpunkt behandelten verdoppelt. Außerdem sind auch die übrigen Fortpflanzungsparameter stark beeinträchtigt. Tabelle 1: Fruchtbarkeitsparameter der unbehandelten, früh behandelten und spätbehandelten Tiergruppen sowie des Gesamtbestandes (n.neums u. Wegner, 1986) unbehandelte frühbehandelte spätbehandelte Ges. Betrieb Kühe n Kühe n Kühe n Kühe n Anzahl Tiere (%) 75, , , RZ (d) 65, , , , ZTZ (d) 72, , , , TR n. EB (%) 65, , , , gemerzte Tiere (%) 5, , ,0 29 7, Mittlerweile sind auch wirtschaftliche Über den Einfluß einer Überversorgung hochträchtiger auf die Gesundheit und auf die nach der Geburt folgende Gesundheit bekannt. Die nachfolgende Tabelle 2 demonstriert die wirtschaftlichen Schäden einer solchen Fehlernährung. Tabelle 2 : Durchschnittliche Verluste in DM/Kuh durch Fruchtbarkeits- und Stoffwechselstörungen nach überhöhter (Erhaltung+ 15 kg Milch) und verhaltener (Erhaltung + 3 kg Milch) Fütterung in der Trockenperiode (n. Lotthammer, 1990) Versorgungsniveau Differenz Überhöht Verhalten Verhalten-Überhöht Mehraufwand an Futterkosten 182,00 0,00-182,00 Behandlungskosten für - Stoffwechselstörungen - Gebärmutterentzündungen - Eierstocksstörungen Verluste durch verlängerte Güstzeit sowie Abgänge infolge Sterilität und Stoffwechselstörungen 33,20 28,50 18,00 15,60 15,45 8,70-17,40-13,05-9,30 242,00 114,00-121,00 Insgesamt 504,60 153,75-350,85 Schriftenreihe der TLL 25