Kronberger Dialog Zukunftsvorsorge

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1 Ergebnispapier des 2. Kamingespräches vom 28. März 2012 Kollektive und individuelle Anlagekonzepte in der bav

2 Teilnehmer Dr. Peter A. Doetsch Heino Froelje Jeannette Leuch Prof. Dr. Raimond Maurer Frank Meyer Lutz Mühl Thomas Richter Andreas Wonnenberg Silke Jensen Dr. Klaus Mössle Christof Quiring Susanne Schwekendiek Dr. Christian Wrede Geschäftsführer Mercer Deutschland Bereichsleiter Actuarial Consulting Towers Watson Partner invalue AG Lehrstuhl für Investment, Portfolio Management und Alterssicherung Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt Head of Personnel Policy Germany EADS Headquarters Geschäftsführer Sozialpolitik, gesellschaftliche Verantwortung, Europa und internationaler Sozialer Dialog BAVC Bundesarbeitgeberverband Chemie e.v. Hauptgeschäftsführer BVI Bundesverband Investment und Asset Management e.v. Head of Benefit & Funding Solutions AON Hewitt Leiterin HR, Deutschland, Österreich & Schweiz Geschäftsführer FIL Investment Management GmbH Leiter Pensions Solutions Leiterin Product Strategy Sprecher der Geschäftsführung, Deutschland und Österreich Seite 2 von 8

3 Zusammenfassung 1. DC ist in der Praxis auf dem Vormarsch, wird aber weiterhin kritisch kommentiert. DC-Vorsorgepläne sind in der bav auf dem Vormarsch - in Deutschland und weltweit. Trotzdem werden sie, besonders von Seiten der Politik, als weniger werthaltig als kollektive Anlagen beurteilt. Hier wird häufig auf die Effizienz des Kollektivs im Vergleich zur Individuallösung hingewiesen. 2. Eine begriffliche Abgrenzung zwischen kollektiven und individuellen Modellen ist erforderlich. Kollektives oder individuelles Anlagemodell: o Kollektive Modelle beinhalten in irgendeiner Art und Weise einen Risikotransfer, entweder vertikal, z.b. zwischen aktiven Einzahlern und Rentnern, oder horizontal, z.b. zwischen Aktiven o Individuelle Modelle beinhalten keinerlei Risikotransfer. Sie können sowohl individualisiert, d.h. auf Einzelfondsebene oder kollektiv, d.h. innerhalb eines gemeinsamen Fonds ohne Risikoausgleich durchgeführt werden Kollektive Organisation des Anlagemodelles o Kennzeichnend für die bav ist, dass die (Vor)Auswahl der Anlagemodelle kollektiv vorgenommen wird, d.h. der Arbeitgeber organisiert dies für alle angeschlossenen Arbeitnehmer 3. Die für die bav typische kollektive Organisation des Anlagemodells bringt Effizienzvorteile. Es besteht Einigkeit, dass die kollektive Organisation des Anlagemodells über den Arbeitgeber zu Skaleneffekten führt: Die Einkaufsmacht des Arbeitgebers bietet niedrigere Kosten und das Finanz-Know How des Arbeitgebers kommt den Arbeitnehmern bei der (Vor)Auswahl geeigneter Anlagemodelle zugute. Dies ist ein prinzipieller Vorteil der bav, unabhängig vom Anlagemodell, im Vergleich zur privaten Vorsorge in der dritten Säule. Seite 3 von 8

4 4. Individuelle Freiheit bei der Kapitalanlage in der bav hat ihre Grenzen. Eine generelle Individualisierung und Flexibilisierung der Anlage führt wie die inzwischen mehr als 25-jährige Erfahrung mit DC-Plänen in den USA zeigt tendenziell zu im Durchschnitt wenig effizienten Anlagen der Mitarbeiter, z.b. in Folge zu niedriger Aktienquoten bei jungen Mitarbeitern, zu hoher Risiken in der rentennahen Phase, oder in Form prozyklischen Verhaltens bei der Umschichtung der Anlagen. 5. Lebenszyklusmodelle sind eine sinnvolle Alternative zur individuellen Anlage in der bav. Eine vollständige individuelle Wahlfreiheit bei der Kapitalanlage in der bav ist nach den in der betrieblichen Praxis gesammelten Erfahrungen vielfach kontraproduktiv. DC-Pläne benötigen Rahmenbedingungen, die die Anlageentscheidung des Einzelnen einfacher machen und den Arbeitgeber haftungstechnisch entlasten, z.b. durch Reduzierung von Anlageoptionen oder die Nutzung von Lebenszyklusmodellen. Lebenszyklusmodelle kombinieren die Vorteile einer altersgerechten individuellen Anlagestrategie mit der Effizienz eines kollektiven Anlagemodells für die jeweilige Alterskohorte. 6. Hybride DC-Modelle führen zu sachgerechten Ergebnissen, wobei der Regelung der Auszahlungsphase besonderes Augenmerk gewidmet werden sollte. Die für die deutsche bav typischen hybriden DC-Modelle, bei denen der Arbeitgeber den nominellen Kapitalerhalt kollektiv sichert und der Arbeitnehmer gerade bei der Entgeltumwandlung individuelle Renditechancen wahrnehmen kann, führt in der Praxis zu sachgerechten Ergebnissen in der Ansparphase. Auch hier sind jedoch sorgfältig gestaltete Auszahlungsoptionen ein Muss. Diese reichen von einer einmaligen Kapitalauszahlung, über eine Ratenzahlung bis hin zur Verrentung. In der Praxis besteht hier durchaus noch Gestaltungsspielraum, etwa in Form einer sukzessiven Verrentung des angesparten Betrages. Ausgangslage: Beitragsorientierte DC-Vorsorgepläne mit individuellen Anlagekonzepten sind auf dem Vormarsch, werden aber kritisch gesehen. DC-Pläne bieten den Vorteil einer individualisierten Anlage. Im Gegensatz zu DB-Plänen findet kein Risikoausgleich im Kollektiv statt, d.h. keine Quersubventionierung zwischen Aktiven und Rentnern, die gerade bei alternden Kollektiven die jüngeren Mitarbeiter benachteiligt. Allerdings gibt es Kritik an DC-Plänen: Beitragszusagen sind ein hochkomplexes Geflecht, das vom durchschnittlichen Arbeitnehmer nicht verstanden wird. Ein Grundverständnis muss hier erst geschaffen werden. Waren DB-Pläne früher üppiger (inklusive Verrentungsfaktoren auf Basis eines Zinsniveaus von 6-7%), sind die neueren DC-Pläne deutlich magerer ausgestattet. Das hat zum Eindruck der Minderwertigkeit von DC beigetragen. Seite 4 von 8

5 These 1: Eine abstrakte Gegenüberstellung von kollektiven und individuellen bav- Modellen ist per se wenig aussagekräftig. Zwischen einer klassischen Rentenzusage und einer auf Kapitalzahlung gerichteten Beitragszusage mit individueller Kapitalanlage in der Ansparphase gibt es eine große Bandbreite von Gestaltungsmöglichkeiten, die sich einer einfachen Etikettierung als kollektiv oder individuell entziehen. Trotzdem wird in der Öffentlichkeit eine holzschnittartige Diskussion geführt, die die Entwicklung der bav nicht voranbringt. These 2 und 3: Kollektive Anlagemodelle können unter bestimmten Voraussetzungen besonders effizient sein, sie benachteiligen aber bei steigendem Durchschnittsalter der Arbeitnehmerschaft tendenziell jüngere Mitarbeiter. Die Aussage, dass kollektive Anlagemodelle effizient sein können, wurde kontrovers diskutiert. Es wurde deutlich, dass der Begriff Kollektivität unterschiedlich verstanden wird und eine saubere begriffliche Abgrenzung notwendig ist: Kollektives oder Individuelles Anlagemodell: o Kollektive Modelle beinhalten in irgendeiner Art und Weise einen Risikotransfer, entweder vertikal, z.b. zwischen aktiven Einzahlern und Rentnern, oder horizontal, z.b. zwischen Aktiven. o Individuelle Modelle beinhalten keinerlei Risikotransfer. Sie können sowohl individualisiert, d.h. auf Einzelfondsebene oder kollektiv, d.h. innerhalb eines gemeinsamen Fonds ohne Risikoausgleich durchgeführt werden Kollektive Organisation des Anlagemodelles o Kennzeichnend für die bav ist, dass die (Vor)Auswahl des Anlagemodelles kollektiv vorgenommen wird, d.h. der Arbeitgeber organisiert dies für alle angeschlossenen Arbeitnehmer. Es war unstrittig, dass die kollektive Organisation des Anlagemodelles über den Arbeitgeber zu Skaleneffekten führt. Zum Beispiel bewirkt die Einkaufsmacht des Arbeitgebers niedrigere Kosten und das Finanz-Know How des Arbeitgebers kommt den Arbeitnehmern bei der (Vor)Auswahl geeigneter Anlagemodelle zugute. Umstritten war, ob ein kollektives Anlagemodell einem individuellen Anlagemodell überlegen ist: In einem kollektiven Anlagemodell findet zwangsläufig ein Ausgleich zwischen jüngeren und älteren Versorgungsberechtigten bzw. solchen mit längerem und solchen mit kürzerem Anlagehorizont statt. Vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung verschiebt sich der durchschnittliche Anlagehorizont in einem kollektiven System zwangsläufig in Richtung kürzerer Kapitalanlage. Seite 5 von 8

6 Das führt zwar zu verminderten Risiken des Pensionsvermögens insgesamt, zugleich aber zu einer für jüngere Arbeitnehmer weniger chancenreichen, dem längeren Anlagehorizont der jüngeren Mitarbeiter nicht angemessenen, Anlagestrategie. In einem individuellen Anlagemodell blieb es in der Diskussion offen, ob es einen Effizienzunterschied zwischen individualisierter oder kollektiver Organisation gibt. These 4 und 5: Individuelle bav-anlagemodelle sind besser als ihr Ruf, es bleiben jedoch ernstzunehmende Kritikpunkte. Lebenszyklusmodelle mit kollektiven Anlagemodellen jeweils für eine Alterskohorte bewähren sich in der Praxis. Es gab eine kontroverse Diskussion zur vorgelegten Statistik betreffend die Entwicklung der 401k- Pläne in den USA. Danach ergaben sich in den 401k-Plänen zwar während der Finanzmarktkrise deutliche Verluste, jedoch erreichten die Konten bereits Ende 2010 wieder historische Höchststände. Hier sei nicht hinreichend klar, ob und inwieweit ein positiver Saldo von Zu- und Abflüssen die Zahlen positiv beeinflusst habe. Der in deutschen Medien bisweilen anzutreffenden Meinung, 401k-Pläne seien gescheitert, wurde widersprochen, diese Auffassung pervertiere die Erfolgsgeschichte dieses Modells 1. Es wurde in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass diese unzutreffende Meinung auch deswegen problematisch sei, weil sie in weiten Kreisen der Politik fälschlicherweise im Sinne von 401k = Aktien = Teufelszeug aufgegriffen werde. Mit Blick auf die US-Erfahrung waren die Teilnehmer sich einig, dass eine vollständige Individualisierung die Gefahr von Fehlallokationen sowie die Tendenz zu prozyklischem Anlageverhalten birgt. Die US-Erfahrung zeigt überdies, dass die Arbeitgeber selbst aus haftungstechnischen Gründen der Anlagefreiheit Grenzen setzen, z.b. durch kollektive Anlagemodelle für Alterskohorten mittels Lebenszyklusmodellen, durch Reduzierung der Anlageoptionen etc. Die Runde befürwortete ähnliche Gestaltungen für Deutschland. Durch die Arbeitgeberhaftung für die nominale Gewährleistung der eingezahlten Beträge und durch steuerliche Restriktionen ist eine völlig freie und flexible Verwaltung eines bav-vorsorgekontos ohnehin nicht möglich. Ziel muss es sein, die Komplexität drastisch zu reduzieren. Eine wichtige Frage sind in diesem Zusammenhang auch die Auszahlungs- bzw. Verrentungsoptionen ab Erreichen des Rentenalters. Generell sind Vorsorgepläne mit Kapitalauszahlung oder Ratenzahlung nicht nur für Arbeitgeber attraktiv, die mit Überlagerung des sog. Langlebigkeitsrisikos auf den Mitarbeiter zukünftig sogar wieder offen für höhere Zuführungen sein dürften. Auch aus Sicht vieler Mitarbeiter ist die Option auf Kapitalauszahlung zumeist attraktiv. Allerdings gibt es hier Ausnahmen bei EADS z.b. ist die Verrentung die populärste Option. Als bedenkenswerte Option wurde die sukzessive Verrentung des bei Eintritt des Versorgungsfalles fälligen Versorgungskapitals identifiziert. Auf diese Weise ließe sich das Timing-Problem relativieren, das gerade bei volatilen Märkten mit dem Zwang zur Auszahlung oder Verrentung bei Erreichen des Rentenalters einhergeht. 1 Als Nachtrag zur Diskussion: Umfassendes statistisches Material zu DC Plänen in den USA findet sich auf der Webseite des Investment Company Institute Seite 6 von 8

7 These 6: Hybride DC-Modelle in der deutschen bav führen zu interessengerechten Ergebnissen. Um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten und ein sinnvolles Bindungsinstrument zu haben, setzen Arbeitgeber auf die bav. Individuelle Systeme eignen sich wegen ihrer größeren Transparenz dazu in besonderer Weise, insbesondere wenn sie flexible Auszahlungsoptionen vorsehen. Zugleich will der Arbeitgeber allerdings nicht seine Risiken potenzieren und ist so bei hybriden DC-Modellen noch am ehesten bereit, etwas zu tun. Die Nutzung der US-Erfahrung ist in der Weiterentwickung deutscher DC-Modelle wichtig: Man darf in 401k-Plänen keine zu unterschiedlichen Angebote für leitende Angestellte und andere Angestellte machen. Dies ist in Deutschland allerdings möglich. In den USA führt das Steuerrecht zu arbeitsrechtlichem Wohlverhalten, d.h. wenn die bav gefördert werden soll, muss auch an dieser Stelle nachgebessert werden. In diesem Sinne ist einfachen DC-Modellen der Vorzug zu gewähren, um Komplexität zu reduzieren und zu einer weiteren Verbreitung der bav, insbesondere im Mittelstand, beizutragen. Seite 7 von 8

8 Der Der hat das Ziel, der betrieblichen Altersvorsorge in Deutschland über alle Branchen hinweg und besonders im Mittelstand zu einem höheren Stellenwert zu verhelfen. Dazu soll der Dialog zwischen Vertretern aus Unternehmen, Gewerkschaften, Wissenschaft und Politik angestoßen und gefördert werden. Das von initiierte Forum setzt einen inhaltlichen Schwerpunkt auf die empirisch-praktischen Aspekte der betrieblichen Altersvorsorge. Weitere Informationen finden Sie unter Seite 8 von 8