Kommunikationsmittel für den elektronischen Rechtsverkehr

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1 Elektronischer Rechtsverkehr mit Gerichten und Verwaltungsstellen vor der Einführung Kommunikationsmittel für den elektronischen Rechtsverkehr PESTALOZZI LACHENAL PATRY Rechtsanwälte Attorneys at Law Löwenstrasse 1, 8001 Zürich Robert G. Briner Ausgangslage 1 Verfahrensgesetze (ZPO, StPO, GVG, StPO, SchKG, VwVG usw) Abschnitte betr das Verfahren Fristenwesen, Parteieingaben zb 193 GVG-ZH "Eine Handlung erfolgt rechtzeitig, wenn sie vor Ablauf der Frist vorgenommen wird. Schriftliche Eingaben und Zahlungen müssen spätestens am letzten Tag der Frist an die Bestimmungsstelle gelangt oder für sie der schweizerischen Post übergeben sein. Eingaben gelten auch als rechtzeitig, wenn sie am letzten Tag der Frist bei einer schweizerischen diplomatischen oder konsularischen Vertretung eintreffen." zb Art. 21 VwVG "Schriftliche Eingaben müssen spätestens am letzten Tage der Frist der Behörde eingereicht oder zu deren Handen der schweizerischen Post oder einer schweizerischen diplomatischen oder konsularischen Vertretung übergeben werden." Bern, 24. Okt R.G.Briner Slide 2 / 13 1

2 Ausgangslage 2 (Forts') Abschnitte betr das Verfahren Fristenwesen, Mitteilung der Entscheide (Zustellung) zb 184 GVG-ZH, 261 ZPO-ZH GVG: "Die Entscheide können den anwesenden Parteien mündlich eröffnet werden. Im Übrigen werden sie schriftlich mitgeteilt." ZPO: "Die Berufung ist innert zehn Tagen von der schriftlichen Mitteilung des Urteils an bei der ersten Instanz schriftlich zu erklären." zb Art. 34 und Art. 50 VwVG Art. 34: "Die Behörde eröffnet Verfügungen den Parteien schriftlich." Art. 50: "Die Beschwerde ist innerhalb von 30 Tagen... seit Eröffnung der Verfügung einzureichen." Bern, 24. Okt R.G.Briner Slide 3 / 13 Regelungsgehalt -? für die Partei heisst Rechtzeitigkeit Eingang (!) bei Behörde / Gericht oder Postaufgabe oder Eingang (!) bei diplomatischer Vertretung Fristen laufen ab Zustellung/Eröffnung gewöhnlicher Brief eingeschriebene Sendung ("signature" / "recommandé") allenfalls mit Rückschein Gerichtsurkunde mit besonderem Empfangsschein Bescheinigung der Post als Beweismittel nicht mehr und nicht weniger - Art 9 ZGB (zb Hauser / Schweri, GVG-ZH, 177 N 19); für Partei und Gericht! Bern, 24. Okt R.G.Briner Slide 4 / 13 2

3 "Die schweizerische Post" die Bestimmungen atmen den Geist der Zeiten des Monopolisten PTT offensichtliche Vorteile bei Benutzung der PTT Zeitgewinn (Aufgabe statt Empfang) leicht erhältlicher Rechtzeitigkeitsbeweis Risikoreduktion einziges Risiko ist die Postaufgabe Poststempel als Beweismittel i.s.v. Art. 9 ZGB es gelten die allgemeinen Beweisregeln; auch ein normales "ungehärtetes" Mail-System ist beweistauglich. PG 1997: Wettbewerbsbereiche (zz Briefpost ab 100g) Art. 11 PG: AGB, Bern, 24. Okt R.G.Briner Slide 5 / 13 elektronische Aufgabe Anforderungen aus den Gesetzen elektronische Zustellung an Gerichte/Behörden ist schon heute gestattet oder jedenfalls nicht verboten... aber de facto verunmöglicht (keine Mail-Adresse)... und potentiell das Beweisproblem der Zustellung wäre zu "testen" - Freiwillige vor... NB: rechtzeitige Zustellung an die falsche Behörde gilt verbreitet als rechtswahrende Zustellung. Zustellung an eine (zb zufällig) bekannte Mail-Adresse beim Gericht ist rechtswahrend -? postmaster@bundesgericht.ch john.doe@gerichte.zh.ch info@stadt-zuerich.ch "Vielen Dank für Ihre Mitteilung, die wir so rasch wie möglich beantworten werden" Zustellungsbeweis! Bern, 24. Okt R.G.Briner Slide 6 / 13 3

4 Das neue BGG Art. 48 Abs. 1 und Abs. 3 BGG Eingang (!) am letzten Tag beim Bundesgericht oder Aufgabe bei der "Schweizerische Post" oder Eingang (!) bei diplomat'/konsul' Vertretung Abs.2: "Im Falle der elektronischen Zustellung ist die Frist gewahrt, wenn der Empfang bei der Zustelladresse des Bundesgerichts vor Ablauf der Frist durch das betreffende Informatiksystem bestätigt worden ist." Empfangsbestätigung des "Informatiksystems" (?) nicht Gültigkeitserfordernis sondern Beweis; analog Poststempel / anderer Beweis bemerkenswert: Empfang bei der Zustelladresse also nicht "Postaufgabe"! keine weiteren Voraussetzungen das "betreffende Informatiksystem" =? Bern, 24. Okt R.G.Briner Slide 7 / 13 Analyse 1 gesetzliche Bestimmungen: "hidden structure" bei Lichte besehen auch kein Zwang für die Gerichte, DIE POST einzusetzen "Die Gerichte bedienen sich normalerweise für die Zustellungen der schweizerischen Post. Deren Inanspruchnahme wird durch die eidgenössische Postgesetzgebung und die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Post geregelt. Das postalische Zustellungswesen der Gerichte richtet sich demzufolge insoweit nach Bundesrecht." (Hauser / Schweri, GVG-ZH, 177 N 9) das Bundesrecht ändert aber zz laufend Beispiel Gerichtsurkunden im Postgesetz (PG) und den AGB nicht erwähnt nicht grundsätzlich reservierter Dienst (100g) von DIE POST als Spezialservice bezeichnet Bern, 24. Okt R.G.Briner Slide 8 / 13 4

5 Analyse 2 nicht verwechseln/vermengen darf man: Art der Einreichung; gemäss BGG: Brief ! Rechtzeitigkeit der Einreichung Nachweis des Inhalts der Sendung Erfordernis einer Unterschrift Gesetze regelten (bisher) nur "Briefsendung" bei DIE POST Poststempel = Rechtzeitigkeitsbeweis Zuverlässigkeit/Unabstreitbarkeit (?) vs "der Pöstler" BGG zusätzlich: Art. 48, rechtzeitig = Bestätigung durch IT-System Art. 42, Zulässigkeit elektronischer Eingaben "einer anerkannten digitalen Signatur" sind ohnehin zulässig -? zulässige Formate gemäss einem Reglement (?) Bern, 24. Okt R.G.Briner Slide 9 / 13 Kommunikationsmittel 1 zz Pragmatismus; klare gesetzliche Grundlagen und Regeln fehlen offensichtlich Bundesgericht in Pionierrolle "Incamail" von DIE POST Inca-Client als Plug-In für Outlook Inca-Client in Java, nicht plattformfixiert digital-erp Client von Abacus (integriert) Inca-Client "egov-link" des Bundesgerichts (JusLink) Open Source unter GPL erfordert Zertifikat von Swisssign (nicht qual' Signatur!) andere Zertifikate sind (kostenpflichtig) integrierbar weitere Anbieter zb PrivaSphere (qual' Signatur, QuoVadis), Utimaco AG Avantec AG (Gateway-Lösung, Website von 2003, keine "unabhängige" Datum/Zeit-Bestätigung) Bern, 24. Okt R.G.Briner Slide 10 / 13 5

6 Kommunikationsmittel 2 Anforderungen an bisherige Verfahrensgesetze: keine BGG und egov-link: Empfangbarkeit durch ein (proprietäres) IT-System BGer Teilnahme an Plattform Incamail Installation eines Clients sachliche Kriterien Zeitstempel: Absender oder Empfänger "unterschriftstauglich" (Art. 14 Abs. 2bis OR) plattformunabhängig bzw. Schnittstellen zahlreiche weitere Projekte für e-filing Franz Kummer, Anwaltsrevue 3/2000 S.20 FG Hamburg, WestFile, JusticeLink, ERV (Au) e-trademark des Eidg. Instituts für Geistiges Eigentum Bern, 24. Okt R.G.Briner Slide 11 / 13 Fazit und Ausblick rechtsstaatliche Überlegungen ersetzt Briefpost Öffnung des Postmarktes de-facto-monopol von DIE POST / Incamail wäre kaum zulässig Anwendbarkeit und Reichweite des Kartellgesetzes? praktische Schwierigkeiten, wenn "beliebige" Formate bzw Lösungen mit Secure akzeptiert würden es gibt auch plattformunabhängige Lösungen (IGE) Zulässigkeit eigener Regelungen (zb Verzicht auf qual' Signatur) gegenüber OR in Verfahrensgesetzen? Art. 14 Abs. 2bis OR < = > Art. 42 Abs. 4 BGG Stand Oktober 2006 frühe (Vor-)Phase, "Pilotphase" weitere Entwicklung folgt bestimmt Bern, 24. Okt R.G.Briner Slide 12 / 13 6

7 weiterführende Links F. Kummer, Anwaltsrevue 2000 S Marken- und Patentämter - Schweiz: - EU: - Deutschland: =%22secure%20mail%22 (Slides zu Secure Mail) Bern, 24. Okt R.G.Briner Slide 13 / 13 7