Grundlagen der Desinfektion und Sterilisation

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1 Grundlagen der Desinfektion und Sterilisation Desinfektion, Sterilisation: Ziele Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz Umweltsicherheit Produktesicherheit Merke: Es gibt kein universelles Sterilisationsverfahren. Wahl des Verfahrens richtet sich nach - den Eigenschaften des Sterilisationsgutes - Art und Umfang der mikrobiellen Kontamination 1

2 Definitionen Sterilisation Desinfektion Antiseptik Einen Gegenstand so behandeln, dass er frei von vermehrungsfähigen Mikroorganismen ist. Reduktion der Zahl der Infektionserreger auf einer Fläche oder einem Gegenstand, so dass davon keine Infektion ausgehen kann. Anwendung antimikrobiell wirksamer Präparate am Ausgangsort bzw. der Eintrittsstelle einer möglichen oder vorhandenen Infektion (Haut, Schleimhaut, Wunden) Praktisch bedeutet dies: Höchstens ein überlebender Keim in 10 6 sterilisierten Einheiten Praktisch bedeutet dies: Eine Reduktion der Keimzahl um mindestens 5 Zehnerpotenzen Praktische Anforderungen hierfür sind bisher nicht festgelegt Was ist Desinfektion? Die Abtötung bzw. irreversible Inaktivierung von krankheitserregenden Keimen Ziel der Desinfektion ist außerdem die Reduzierung der Keimzahl um den Faktor

3 Was ist Sterilisation? Die Abtötung bzw. irreversible Inaktivierung aller Mikroorganismen, inklusive deren Dauerformen (Sporen) Das sterilisierte Gut muss danach frei von vermehrungsfähigen Keimen sein Begriffsdefinitionen Mirkrobizid: Bakterizid: Fungizid: Sporizid Algizid: Mikroorganismen abtötend Bakterien abtötend Pilz abtötend Sporen abtötend Algen abtötend (z.b. Schiffsanstrich) Mikrobistatisch: Bakteriostatisch: Resistenzbildung: das Wachstum von MO vollständig oder teilweise hemmend das Wachstum von Bakterien vollständig oder teilweise hemmend Unempfindlichkeit gegen ein betreffendes Mittel 3

4 DESINFEKTION 4

5 Desinfektionsverfahren Physikalische Verfahren Auskochen (ca. 100 C, 15 min) Spülmaschine, (80-95 C) strömender Dampf, Niederdruckdampf (105 C) Verbrennung, Ausglühen Ultraviolette Strahlen (UV-C) Chemisch-thermische Verfahren Spülmaschine (bei C mit Desinfektionsmittel) Chemisch Verfahren Tauchverfahren Scheuer-, Wisch- Verfahren Sprühdesinfektion Wichtige Anwendungsgebiete der Desinfektion in der Humanmedizin 1. Antiseptik: Hände, Haut, Schleimhaut, Wunden 2. Chemische Desinfektion: Medizinprodukte, Gegenstände, Flächen 3. Thermische Desinfektion: Medizinprodukte (Instrumentarium, Anästhesie- u. Beatmungszubehör, Ausscheidungsbehälter) 4. Chemisch-thermische Desinfektion: Flexible Endoskope, Wäsche 5

6 Desinfektion: Pasteurisation Nur Abtötung von vegetativen Keimen Dauererhitzung ~30min 62 C Kurzzeiterhitzung ~20sec C Hocherhitzung 3-5sec C UHT 1-3sec C Filtrationsverfahren Je nach Porengröße und Filtrationsverfahren: Keimzahlreduktion Keimentfernung Porengröße für Flüssigkeiten: 0,2µm oder 0.45µm Scheibenfilter oder Filterkerzen für Flüssigkeiten Tiefenfilter für Luftfiltration (Adsorption von Partikeln): nur im trockenen Zustand funktionsfähig! Für Viren spezielle Adsorptions- und Ultrafilter 6

7 Gase Formaldehyd 2-5% Als einziges Gas Bakterizid und Sporozid Stechender Geruch, toxisch, krebserregend Durchdringt PVC und Gummi Ethylenoxid Bakterizid, Fungizid, Viruzid Explosiv, toxisch, geruchslos Ozon Bakterizid, Fungizid, Viruzid Starker Geruch, toxisch, Nur für Trink- und Badewasseraufbereitung Chemische Desinfektion Wirksamkeit Verträglichkeit Anwendungsbereiche 7

8 Anforderungen an Desinfektionsmittel (1) 1. Mikrobiologische Wirksamkeit Breites Wirkungsspektrum (ausg. bakterielle Sporen) kurze Einwirkzeit Irreversible Wirkung Zuverlässige Wirkung, auch bei Belastung 2. Anwendungseigenschaften Materialverträglichkeit Reinigungskraft, Hartwasserstabilität Sicherheit (z.b. Flammpunkt) Dosierbarkeit Akzeptanz (z.b. Geruch, Hautgefühl o.ä.) Wirtschaftlichkeit Anforderungen an Desinfektionsmittel (2) 3. Toxikologie Haut- bzw. Schleimhautverträglichkeit Niedrige akute orale Toxizität Niedrige dermale Toxizität Niedrige Inhalationstoxizität 4. Umweltverhalten Biologische Abbaubarkeit Geringe Abwassertoxizität 8

9 Wirkungsspektren bei der chemischen Desinfektion 1. Geringe mäßige Resistenz (A) Lipophile Viren, vegetative Bakterien Leitorganismen: E. faecium, S. aureus, P. aeruginosa Pilze einschl. Sporen Leitorganismus: A. niger 2. Mäßige hohe Resistenz (B) Mykobakterien, Hepatitis B-Virus, hydrophile Viren Leitvirus: Polio 3. Hohe - sehr hohe Resistenz (C) Bakterielle Sporen Prionen Wirkmechanismus von Desinfektionsmitteln Der Wirkmechanismus chemischer Desinfektionsmittel ist in der Regel unspezifisch Eiweißdenaturierung (Aldehyde, Alkohole) Schädigung der Zytoplasmamembran (Alkohole, Chlorhexidin) Oxidierende Wirkung (Chlor, Ozon, Persäuren) 9

10 Chemische Desinfektion Alkohole: Ethanol, Isopropanol (2-Propanol), n- Propanol (1-Propanol) aromatische Alkohole (z.b. Phenoxy-ethanol) Ethanol 80%, Isopropanol, n-propanol 70% Hände-, Flächendesinfektion Chemische Desinfektion Aldehyde: GlyoxalFormaldehyd, Glutardialdehyd, Succindialdehyd, 2-Ethylhexanal, Glyoxal Flächen-, Raumdesinfektion Phenole (Karbolsäure); o-phenylphenol, Tetrabrom-o-Kresol, p-chlor-m- Kresol Flächendesinfektion, Bestandteil antiseptischer Seifen 10

11 Chemische Desinfektion Oberflächenaktive Verbindungen Kationische: Aktiv gegen viele Bakterien, Pilze. Schlecht wirksam gegen Gram-negative (Pseudomonas aeruginosa). Werden durch Seifen leicht inaktiviert. Quaternäre Ammoniumverbindungen (Quats), Chlorhexidine Anionische: z.b. Waschmittel, wenig antimikrobiell wirksam Flächenreinigung (-Desinfektion) Chemische Desinfektion Oxidationsmittel (Oxidantien): Ozon, Wasserstoffperoxid, Kaliumpermanganat, Peressigsäure Wasser, Schläuche Halogene: Chlor, Brom, Jod Chlor, Hypochlorite, Chloramine Iod, Iodophore (Polyvinylpyrrolidon-Iod = PVP-Iod) Wasser, Antiseptik 11

12 Chemische Desinfektion Metalle und Metallsalze: Quecksilbersalze, Silbersalze Säuren und Laugen Chemische Desinfektionsmittel Abbaubarkeit Wirkbereich Wirkung Korrosion Bemerkung Alkohole A, (B) schnell Explosiv, Flammbar Aldehyde A, B, C mittel Allergisierend Phenol A mittel + 0 geringer Eiweißfehler Toxisch Oberflächenaktive Substanzen (A) mittel ++ 0 teilweise Wirkungslücken, großer Eiweißfehler Halogenabspalter A, B, C mittel ++ + lang anhaltende Wirkung Peroxide A, B, C schnell instabil Metalle A mittel + 0 Säuren, Laugen A mittel ++ + A Vegetative Bakterien, Pilze C Sporen von Bacillus anthracis B Viren D Sporen von Clostridium perfringens 12

13 Fehlerquellen bei der Desinfektion Dosierung Temperatur Seifenfehler Eiweißfehler ungenügende Bedeckung ungenügende Einwirkzeit Zu niedrige Dosierung führt zum Wirkungsverlust, zu hohe Dosierung kann zu Geruchsbelästigung und anderen störenden Faktoren führen Bei Zugabe von warmen Wasser kann Desinfektionsmittel verstärkt verdunsten Verschiedene Desinfektionsmittel flocken aus, wenn sie mit Seifen gemischt werden und stehen dann nicht mehr für die Desinfektion zur Verfügung Bei hoher Eiweißbelastung verbraucht sich das Desinfektionsmittel mit den Eiweißbestandteilen statt mit den Mikroorganismen Lufteinschlüssen oder unvollständiger Bedeckung der Instrumente oder der Haut Da es sich bei der Desinfektion immer um eine Kinetik handelt, muss die Einwirkzeit eingehalten werden, um den Desinfektionserfolg zu gewährleisten STERILISATION 13

14 Sterilisation Anforderungen an Sterilisationsverfahren 1. Umfassendes Wirkungsspektrum 2. Schnelle Wirkung 3. Hohe Durchdringungsfähigkeit (Verpackung, poröses Material, Hohlräume) 4. Umfassende Materialverträglichkeit 5. Toxikologische und ökologische Unbedenklichkeit 6. Belastbarkeit durch organisches Material 7. Vielseitige Anwendbarkeit (geringer Installationsaufwand, Anwendung in großem und kleinem Maßstab) 8. Einfache Kontrollmaßnahmen 9. Niedrige Anschaffungs- und Betriebskosten Sterilisationsverfahren I 1. Physikalische Verfahren 1.1 Feuchte Hitze (Dampfsterilisation) gespannter, gesättigter Wasserdampf 121 C/15 min. 134 C/3 min Haltezeit 1.2 Trockene Hitze (Heißluftsterilisation) bewegte Heißluft, 180 C/30min Einwirkungszeit 1.3 Ionisierende Strahlen Gammastrahlen (Co 60 ), Elektronenstrahlen 14

15 Sterilisationsverfahren II 2. Physikalisch chemische Verfahren ( Niedertemperatur-Verfahren ) 2.1 Ethylenoxid 2.2 Formaldehyd-Wasserdampf 2.3 Plasmasterilisation (Wasserstoffperoxid; 42 C, Elektomagnet): H 2 O 2 -Gas in Verbindung mit hochfrequenten Elektomagnetfeld erzeugt Radikale in der Plasmaphase: sporentötende Wirkung 15

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18 Ionisierende Strahlung Kobalt Co 60 zt hohe Dosen notwendig, die das Sterilgut verändern (Kunststoffe) Einwegartikel, pharmazeutische Produkte, Lebensmittel Ultraviolettlicht-Strahlung nur Oberflächenbehandlung, geringe Eindringtiefe; Abstand und Schattenwurf berücksichtigen Luft und Wasser (lange Kontaktzeiten!) Bestrahlung: Maßeinheiten und Definitionen Energie der Strahlung: Maßeinheit: Mega-Elektronenvolt (MeV). Ein Elektronenvolt (ev) ist die kinetische Energie, die ein Elektron beim Durchlaufen eines elektrischen Feldes von 1 Volt erfährt. Bei Durchlaufen eines Feldes von 1 Mio Volt oder 1000 Kilovolt sind das 1 MeV. Dosis: (Maß für die vom Gut absorbierte Strahlenenergie) Maßeinheit: Gray (Gy) oder Kilogray (kgy). 1 Gy entspricht einer absorbierten Energiemenge von 1 Joule/kg. 1 kgy = 1000 Gy = 1000 J/kg 10 kgy ist die Energiemenge, die 1 kg Wasser um 2,4 C erwärmt Alte Maßeinheit für Dosis: rad (radiation absorbed dosis): 100 rad = 1 Gy Dosisleistung: (Maßeinheit für die Leistung einer Anlage) Maßeinheit: Gy/s 1 Gy/s = 1 Watt/kg = 3,6 kgy/h 18

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20 Feuchte Hitze -Dampfsterilisation Sterilisation bei gespanntem (unter Druck stehendem) Dampf wird beeinflusst durch Die Art der Mikroorganismen und ihre Hitzeresistenz Die Ausgangskeimzahl Den angestrebten Endzustand Die Umgebungsbedingungen (ph-wert des Mediums, Schmutz) Dampfsättigung (Restluftanteil) Temperatur Behandlungszeit 20

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22 Sterilisatoren D-Wert und F-Wert D-Wert (Dezimalreduktionswert): = Zeit, welche bei einer festgelegten Temperatur die Keimzahl um einen Faktor 10 verringert. F-Wert (Parameter für Effektivität): = erforderlicher Zeitraum in Minuten, um bei einer bestimmten Temperatur oder sonstigen genau definierten Bedingungen alle Mikroorganismen abzutöten. 22

23 Dampfsterilisator ( Autoklav ) Strömungsverfahren: Luft in der Sterilisierkammer wird durch den einströmenden Dampf verdrängt (Gravitations- od. fraktioniertes Strömungsverfahren). Vakuumverfahren: Luft wird vor Einströmen des Dampfes durch Evakuieren aus der Sterilisierkammer (und Sterilisiergut) entfernt. Vorvakuumverfahren (20-70mbar) Hochvakuumverfahren (<20mb) fraktioniertes Vakuumverfahren Dampfinjektionsverfahren Dampfsterilisator ( Autoklav ) Temperaturen und Einwirkzeiten: 121 C - 15 Minuten (Überdruck= 1atm/2bar) 134 C - 3 Minuten (Überdruck= 2atm/3bar) 23

24 Kontrolle der Sterilisation Dokumentation der Programme Thermoschreiber, Druckschreiber Chemische Indikatoren (Farbumschlag) Chemoindikatoren (definiert in Normen: EN 866,EN 867, ISO 14400) Behandlungsindikatoren (z.b. Klebeband) Biologische Indikatoren Präparationen bakterieller Sporen (z.b. Bacillus stearothermophilus) Sporenerde (nicht mehr verwenden) Kontrolle von Dampfsterilisationsverfahren Validierung = Nachweis und Bestätigung des vorschriftskonformen, einwandfreien Funktionierens z.b. eines Gerätes 24

25 Heißluftsterilisator Heißluftsterilisation: (= Sterilisation mit trockener Hitze) für Glaswaren, Öle, Puder ua EINWIRKZEITEN: 180 C - 30 Minuten 160 C - 90 Minuten Die Heißluftsterilisation ist für die Sterilisation von Medizinprodukten als nicht dem Stand der Technik entsprechend abzulehnen! Chemiklav-Verfahren Chemiklaven sind Autoklaven, die statt Wasserdampf eine Mischung aus Alkoholen, Ketonen und Formaldehyd mit einer nur geringen Wassermenge verarbeiten. Hierdurch soll Korrosion bei empfindlichen Materialien vermieden werden. Auch Chemiklaven sind aus Gründen der mangelhaften Sicherheit zur Sterilisation von Medizinprodukten nicht mehr akzeptabel! 25